T 0748/91 () of 23.8.1993

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1993:T074891.19930823
Datum der Entscheidung: 23 August 1993
Aktenzeichen: T 0748/91
Anmeldenummer: 85890021.0
IPC-Klasse: F16C 33/24
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verbundgleitlager
Name des Anmelders: MIBA Gleitlager AG
Name des Einsprechenden: BSG Technische Beratungsgesellschaft mbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
European Patent Convention 1973 Art 116(1)
Schlagwörter: Entnahme von relativer Größenordnung aus einer Zeichnung (bejaht)
Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Antrag auf Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung (abgelehnt)
Antrag auf erneute mündliche Verhandlung (abgelehnt)
Novelty - yes
Inventive step - yes
Decision re appeals - remittal (no)
Oral proceedings - request for second refused
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0422/95
T 1135/98
T 0914/03
T 0226/04
T 0023/05
T 1200/05
T 1147/06
T 1664/06
T 0143/07
T 0612/07
T 1098/07
T 1809/07
T 0007/09
T 1598/10
T 0560/12
T 1148/12
T 1870/12
T 2052/14
T 1141/15
T 1943/15
T 0251/16
T 0941/16
T 1244/16
T 2349/16
T 0570/17
T 1353/18
T 2029/18
T 2686/18
T 0724/19
T 1408/19
T 1791/19
T 2082/19
T 2152/19
T 0148/20
T 0200/20
T 0351/23

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 30. Januar 1985 unter Beanspruchung der Priorität einer österreichischen Anmeldung vom 27. Februar 1985 (AT 628/84) eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 85 890 021.0 wurde das europäische Patent Nr. 0 155 257 erteilt. Der Hinweis auf die Erteilung wurde am 22. März 1989 bekanntgemacht.

II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) am 21. Dezember 1989 Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, und zwar wegen mangelnder Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik gemäß den Dokumenten

D1: DE-A-1 938 010

D2: EP-A-0 057 808.

III. Mit am 12. Dezember 1990 mündlich verkündeter und am 22. Juli 1991 mit schriftlicher Begründung zur Post gegebener Entscheidung hat die Einspruchsabteilung das Patent widerrufen.

In ihrer Entscheidung vertrat sie die Auffassung, daß das nach einer vollständigen Abgrenzung gegenüber der D1 übrigbleibende Merkmal aus dem im Einspruchsverfahren neu vorgelegten Anspruch 1 in naheliegender Weise aus dieser Druckschrift abgeleitet werden könne.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 21. September 1991 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdebegründung eingereicht.

Die Beschwerdegebühr ist am 19. September 1991 eingegangen.

V. In einer Mitteilung vom 22. Juli 1992 zur Vorbereitung einer von den Parteien beantragten mündlichen Verhandlung hat die Kammer Bedenken geäußert, ob der Gegenstand des im Beschwerdeverfahren zunächst aufrechterhaltenen Anspruchs 1 gemäß der angefochtenen Entscheidung eindeutig aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung entnehmbar war. Zum Stand der Technik wurde ergänzend auf die im Patent genannte Druckschrift

D3: US-A-2 187 755

hingewiesen.

VI. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 20. Oktober 1992 hat die Beschwerdeführerin einen neuen einzigen Patentanspruch und eine angepaßte Beschreibung eingereicht. Sie beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis dieser in der mündlichen Verhandlung eingereichten Unterlagen und der erteilten Zeichnung.

Der unabhängige Anspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Verbundgleitlager, bestehend aus einer tragenden Stützschale (1), einer auf der Stützschale (1) aufgebrachten Lagermetallschicht (2) sowie aus einer auf der Lagermetallschicht (2) aufgetragenen Laufschicht (3), zwischen der und der Lagermetallschicht (2) eine Zwischenschicht (4) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß die die Zwischenschicht (4) tragende Oberfläche der Lagermetallschicht (2) eine Profilierung (5) mit einer Profiltiefe (t) aufweist, die kleiner als die geringste Schichtdicke der unverschlissenen Laufschicht (3), aber größer als die 1,5fache Dicke (s) der der Profilform folgenden Zwischenschicht (4), mindestens aber 5 µm ist, daß die Profilierung (5) sich zumindest im wesentlichen in Laufrichtung erstreckende Nuten (5a) bildet und daß die Lauffläche (3) des unverschlissenen Lagers eine der Profilierung (5) folgende Profilierung (3) aufweist."

Dieser Anspruch enthält im letzten Teil ein aus der Beschreibung und Zeichnung entnommenes Merkmal, das nicht in den Prioritätsunterlagen enthalten war (Merkmal c), vgl. unten Punkt X).

In Anbetracht des hierdurch entstandenen, um ein Jahr erweiterten Zeitraums für den in Betracht zu ziehenden Stand der Technik wurde in der mündlichen Verhandlung entschieden, das Verfahren schriftlich fortzusetzen und der Beschwerdegegnerin innerhalb einer Frist von 2 Monaten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

VII. Mit der Eingabe vom 15. Dezember 1992 hat die Beschwerdegegnerin noch auf die US-A-2 648 580 (D4) verwiesen und weitere Argumente vorgebracht, weshalb der Gegenstand des Patentanspruchs des geänderten Patents nicht ursprünglich offenbart sein dürfte und darüber hinaus bei ihm die Neuheit, zumindest aber eine erfinderische Tätigkeit fehle.

Sie stellte zusätzlich zu dem Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen, noch die Anträge:

- die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, und

- hilfsweise, erneut einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.

VIII. Mit Bescheid vom 7. April 1993 hat die Kammer die Parteien mitgeteilt, daß sie die Bedenken der Beschwerdegegnerin hinsichtlich der Erfüllung der Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht teile und auch die zitierten Dokumente, einschließlich der D4, nicht geeignet erscheinen, die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Anspruchsgegenstandes in Frage zu stellen.

Die Kammer sah weiter keinen Grund, den weiteren Anträgen der Beschwerdegegnerin stattzugeben.

IX. Die Beschwerdegegnerin hat hierzu im Schreiben vom 8. Juni 1993 Stellung genommen und ihre abweichende Auffassung nochmals dargelegt.

X. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und während der mündlichen Verhandlung in bezug auf das geltende Patentbegehren (siehe Punkt VI.) im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Änderungen

Die gegenüber dem erteilten Anspruch 1 hinzugefügten Merkmale seien

a) die Profiltiefe (t) ist kleiner als die geringste Schichtdicke der unverschlissenen Laufschicht (3),

b) die Profilierung (5) ist von sich zumindest im wesentlichen in Laufrichtung erstreckende Nuten (5a) gebildet und

c) die Lauffläche (3) des unverschlissenen Lagers weist eine der Profilierung (5) folgende Profilierung (7) auf.

Das Merkmal a) sei zweifelsfrei aus der Figur entnehmbar. Im übrigen sei es im Hinblick auf die im Patent angesprochene Problematik bezüglich der am Ende der Lebensdauer des Lagers zu erwartenden erhöhten Reibung als Folge der als Lagermaterial ungeeigneten Nickelschicht dem Fachmann klar, daß die Profiltiefe funktionsbedingt wesentlich kleiner als die unverschlissene Laufschicht sein sollte.

Merkmal b) sei in dem erteilten bzw. ursprünglich eingereichten Anspruch 2 enthalten.

Merkmal c) sei auf die Angaben in Spalte 3, Zeilen 56 bis 59 des Patents bzw. Seite 4, Zeilen 30 bis 33 der ursprünglich eingereichten Anmeldungsbeschreibung in Verbindung mit der Figur zurückzuführen.

Die Figur betreffe zwar eine schematische Darstellung des Verbundgleitlagers, nach Angabe des "Brockhaus"- Wörterbuchs enthalte eine solche Darstellung jedoch "alle wesentlichen Merkmale". Im vorliegenden Fall seien die Größenverhältnisse auch in der Anmeldung, wie sie ursprünglich eingereicht wurde, als wesentlich erkennbar und daher für den Fachmann offensichtlich auch in der schematischen Darstellung in ihrer Relation maßgetreu wiedergegeben.

Neuheit und erfinderische Tätigkeit

Die Neuheit des Gegenstands des vorliegenden Patentanspruchs sei gegeben, denn die Merkmale a) bis c) seien weder der D1 noch der D2 oder D3 entnehmbar. Die Angabe der Laufschichtdicke auf Seite 12, Absatz 1 der D1 beziehe sich ausdrücklich auf das Ausführungsbeispiel nach den Figuren 1 und 3, für das auf Seite 10, letzter Absatz eine Tiefe des Kreuzgewindes von 0,1 mm bis 0,15 mm angegeben sei, was eindeutig mehr als die Schichtdichte über den Feldern (5) von 0,03 bis 0,07 mm sei.

Zwar sei in Anspruch 6 eine Untergrenze der Tiefe des Kreuzgewindes von 0,03 mm beansprucht, es sei jedoch nicht zulässig, diesen Wert mit den mit eigenen Maßangaben versehenen Beispielen der Figuren 1 und 3 zu kombinieren, wie dies von der Beschwerdegegnerin getan wurde.

Da es sich bei der D1 um Aussparungen in der Form eines Kreuzgewindes handle und offensichtlich die Lauffläche noch bearbeitet werde, seien auch die Merkmale b) und c) diesem Stand der Technik nicht entnehmbar.

Hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit sei insbesondere auch die jeweilige Aufgabenstellung zu berücksichtigen. Nach der D1 solle zumindest nach einer Einlaufphase eine Lauffläche vorliegen, die härtere und weichere Werkstoffanteile an ihrer Oberfläche aufweist, um eine Mischwirkung zu erzielen. Im Gegensatz dazu gehe die Erfindung von einem Lager aus, das eine während seiner überwiegenden Laufzeit einheitliche Lauffläche aus einem weichen Laufschichtwerkstoff aufweisen soll. Es würden somit gattungsfremde Gleitlager miteinander verglichen, wobei das nach der Erfindung zu lösende Problem bezüglich des am Ende der Lebensdauer des Lagers auftretenden Risikos des Fressens von Welle und Zwischenschicht bei der D1 gar nicht auftreten könne, weil eben von vornherein oder nach kurzer Einlaufzeit eine Mischlauffläche angestrebt wird, die aufgrund der Lagerkonstruktion bis zum Ende der Laufzeit vorliege. Die D1 könne daher keine Anregung für die Erfindung geben.

Die D2 offenbare zwar Gleitlager mit nutenartigen Ausnehmungen, die im wesentlichen in Laufrichtung verlaufen, hier handle es sich aber ebenfalls nicht um ein Dreischichtverbundgleitlager, sondern um ein Lager mit angestrebter Mischoberfläche. Der härtere Lagerwerkstoff der Mischoberfläche könne daher nicht mit der Zwischenschicht aus dem Patent verglichen werden. Ähnliches gelte für die D3, die in Spalte 1, Zeilen 46 bis 64 der Patentschrift im einzelnen erläutert sei.

Das Lager, wie es nun beansprucht werde, vermeide eine schnelle Zerstörung des Lagers durch erhöhte Anreibung (sog. Fressen) am Ende seiner Lebensdauer. Diese Aufgabenstellungen sei in keiner der Entgegenhaltung angesprochen oder abzuleiten, da sowohl D1 als auch der D2 bzw. D3 Lagerflächen aus Mischlaufflächen anstreben, wobei ein Fressen am Ende der Lebensdauer des Lagers schon von der Konstruktion dieser Lager nicht zu befürchten sei.

Darüber hinaus habe der beanspruchte Gegenstand noch den Vorteil, daß ein Ausbohrvorgang erspart werden könne. Da der Fachmann bei hydrodynamischer Schmierung von Lagerstellen immer bemüht sei, die Lagerflächen glatt auszuführen, damit die hydrodynamische Schmierung nicht gefährdet wird, sei es nicht naheliegend, solche Flächen unbearbeitet zu lassen. Bei dem im Patent offenbarten Lager sei es jedoch möglich, den letzten Bearbeitungsschritt wegzulassen, weil die Profilierung äußerst klein sei und während des Einlaufvorgangs relativ schnell durch Verschleiß verschwinde.

Die neu genannte D4 zeige lediglich, daß es an sich bekannt sei, eine Laufflächenwelligkeit zuzulassen. Da jedoch nicht vergleichbare Verhältnisse und Zielvorstellungen vorlägen, müsse D4 als für die Beurteilung der Patentfähigkeit des Anmeldungsgegenstands unerheblich angesehen werden.

XI. Zur Stützung ihrer Anträge vertrat die Beschwerdegegnerin im wesentlichen folgende Auffassung:

Änderungen

Das Merkmal a) sei nicht eindeutig in der Anmeldung, wie sie eingereicht wurde, offenbart und verstoße somit gegen Artikel 123 (2) EPÜ. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern sei es nicht zulässig, aus Schemazeichnungen Größenverhältnisse abzuleiten.

Im übrigen widerspreche dieses Merkmal dem letzten Teil des neuen Anspruchs. Danach soll die Lauffläche die gleiche Profilierung wie die Lagermetallschicht aufweisen, damit besitze aber die Laufschicht eine gleichmäßige Dicke und es gebe keine "geringste Schichtdicke".

Auch das Merkmal c) sei in dieser Form ursprünglich nicht offenbart, denn der Satz

"die ursprüngliche Ausbildung der Lauffläche 3 spielt dabei keine Rolle"

könne von einem Fachmann, der die Probleme bei der Herstellung solcher Lager kennt, auch so verstanden werden, daß damit ein auf Seite 9 der Entgegenhaltung D1 beschriebenes Herstellungsverfahren beschrieben werde, denn auch bei diesem Herstellungsvorgang besitze die ursprüngliche Ausbildung der Lauffläche vor der Nachbearbeitung eine profilierte Form. Es sei ja nicht gesagt, daß das Lager nach dem Streitpatent auch tatsächlich in dieser "ursprünglichen profilierten Form" ein Fertigprodukt sei.

Neuheit

Der neue Anspruch entspreche in seinem zweigliedrigen Aufbau nicht der Regel 29 (1) EPÜ, denn es seien Merkmale im kennzeichnenden Teil aufgeführt, die identisch aus ein und derselben Entgegenhaltung (D1) bekannt seien.

Wie schon die Einspruchsabteilung zutreffend ausgeführt habe, sei zusätzlich zu den Merkmalen des Oberbegriffs auch das Merkmal a) aus D1 bekannt, nämlich aus Anspruch 6 und der Beschreibung, Seite 12. Nach Anspruch 6 kann die Tiefe des Profils 0,03 mm betragen, nach der Beschreibung Seite 12, Zeile 4 kann die Schichtdicke des Lagermaterials an den Feldern 0,07 mm sein. Damit sei die Bemessungsvorschrift nach Merkmal a) identisch bekannt.

Das Merkmal b) sei ebenfalls aus Anspruch 6 der D1 bekannt, denn das dort beschriebene Kreuzgewinde mit einer Steigung von 10 erfülle identisch dieses Merkmal.

Die US-A-2 648 580 (D4) gebe das Fachwissen für den Hersteller von Verbundgleitlagern wieder. Wenn ein solcher Fachmann die Seite 9 von D1 studiere so entnehme er, daß beim Galvanisieren eine profilierte Laufschicht am unverschlissenen Lager entstehe, die nicht unbedingt schon vorher glatt bearbeitet werden müsse - was unter manchen Umständen zwar "zweckmäßig" sein mag - sondern die gemäß seinem Fachwissen auch unmittelbar in gewellter Form nach Fig. 3 der US-Patentschrift als Verbundgleitlager benutzt werden könne, die sich dann im Laufe der Zeit von selbst gemäß Fig. 4 egalisiere. Auch das Merkmal c) sei somit implizit in der Offenbarung von D1 enthalten.

Erfinderische Tätigkeit

Selbst wenn die Beschwerdekammer trotz obiger Darlegungen die Neuheit für gegeben ansehen sollte, so müsse es im Hinblick auf die Entgegenhaltung D1 und D4 für jeden Fachmann naheliegend sein, ein Verbundgleitlager nach dem neuen Patentanspruch zu gestalten.

Sowohl die Entgegenhaltung D1 als auch die Druckschrift D4 beträfen Verbundgleitlager, stammten also aus dem gleichen Fachgebiet und bezögen sich auch auf dieselbe Problematik. Es müsse daher ausgehend von der Entgegenhaltung D1, die alle speziellen Bemessungsvorschriften des neuen Patentanspruchs und auch die Ausrichtung der Nuten vorwegnehme, als naheliegend angesehen werden, gleichzeitig auch noch die Lauffläche des unverschlissenen Lagers profiliert zu lassen, wie dies als eine Möglichkeit in der D4 beschrieben sei.

Antrag auf Zurückverweisung an die 1. Instanz und Antrag auf erneute mündliche Verhandlung

Der am Schluß der mündlichen Verhandlung von der Patentinhaberin vorgelegte neue einzige Anspruch werfe - wie dargelegt - eine Vielzahl von formalen und sachlichen Problemen auf, die keineswegs im schriftlichen Verfahren vor der Beschwerdekammer geklärt werden könnten.

Obwohl die Patentinhaberin genügend Zeit gehabt hatte, sich auf ein eingeschränktes Schutzbegehren vorzubereiten, habe sie bis zum Ende der mündlichen Verhandlung gewartet, um ein bisher überhaupt nicht als erfindungswesentlich angesprochenes Merkmal, das zudem nicht einmal in den Prioritätsunterlagen enthalten sei, aus der Beschreibung in den Patentanspruch zu übernehmen. Damit würden völlig neue Tatsachen geschaffen und das Schutzbegehren sowohl bezüglich Aufgabe als auch Lösung derart verändert, daß es gerechtfertigt sei, die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen oder eine erneute mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Änderungen

2.1. Der nun geltende Anspruch basiert auf dem erteilten Anspruch 1 und enthält zusätzlich folgende Merkmale:

a) die Profiltiefe ist kleiner als die geringste Schichtdicke der unverschlissenen Laufschicht,

b) die Profilierung bildet sich zumindest im wesentlichen in Laufrichtung erstreckende Nuten und

c) die Lauffläche des unverschlissenen Lagers weist eine der Profilierung der Lagermetallschicht folgende Profilierung auf.

2.1.1. Das Merkmal a) ist nach Auffassung der Kammer klar ersichtlich aus der Figur entnehmbar.

Zwar handelt es sich hier um einen schematischen Querschnitt des beanspruchten Verbundgleitlagers, jedoch ist im vorliegenden Fall unmittelbar für den Fachmann zu erkennen, daß die relativen Dicken der Lagermaterialschichten in ihrer Relation richtig wiedergegeben sind.

Wie von der Beschwerdeführerin aus "Brockhaus" zitiert wurde, enthalten schematische Darstellungen die wesentlichen Merkmale eines Gegenstandes. Da im vorliegenden Fall die Schichtdicken des Lagers sowie ihre Schichtdickenrelationen zueinander eindeutig wesentliche Bestandteile des Gegenstandes sind, weil die gesamte Offenbarung der ursprünglich eingereichten Anmeldung bzw. des Patents auf ein aus mehreren unterschiedlich dicken Schichten aufgebautes Gleitlager gerichtet ist, ist die Kammer der Auffassung, daß der Fachmann das Merkmal, daß die Profiltiefe der Profilierung der Lagermetallschicht kleiner als die Dicke der Laufschicht ist, der Zeichnung zweifelsohne entnimmt.

Aber auch im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente hinsichtlich der Gestaltung von Dreischichtgleitlagern und die Funktion der Zwischenschicht als Diffusionssperre bzw. Haftvermittler sowie die im Patent angesprochene Problematik bei dem Durchbruch der als Lagermaterial ungeeigneten Zwischenschicht läßt der Fachmann unmittelbar erkennen, daß die Zwischenschicht selbst im Verhältnis zur Laufschicht relativ dünn ist und die Profiltiefe nur soviel größer als die Zwischenschichtdicke sein muß, daß beim Durchbruch der Zwischenschicht keine durchgehende Zwischenschichtoberfläche entstehen kann (siehe auch Spalte 2, Zeilen 13 bis 21 und Zeilen 42 bis 44 des Patents bzw. die identischen Angaben in der ursprünglichen Beschreibung). Andererseits muß die Laufschicht so dick bemessen sein, daß eine ausreichende Lebensdauer des Lagers gewährleistet ist.

Die Beschwerdegegnerin hat zur Stützung ihrer Auffassung, wonach generell keine Maßangaben aus schematischen Zeichnungen abgeleitet werden dürfen, auf eine Entscheidung dieser Kammer (T 451/88 vom 15. Januar 1990) hingewiesen. Dort wurde eine Entnahme von Maßverhältnissen aus einer Schemazeichnung verneint, jedoch nach eingehender Prüfung der Grundsatzfrage "ob die zeichnerische Darstellung dem zuständigen Fachmann eine für ihn erkennbare und ausführbare Lehre zum technischen handeln vermittle", was in jenem Fall verneint wurde. Wie vorstehend erläutert wurde, enthält die Beschreibung des Patents jedoch im vorliegenden Fall eine für den Fachmann ausreichende Lehre für eine eindeutige Auslegung der Zeichnung im Sinne des Merkmals a).

Auch kann in vorliegendem Fall kein Widerspruch des Merkmals a) mit anderen Merkmalen des Anspruchs 1 gesehen werden. Bei dem üblichen und auch im Patent offenbarten galvanische Auftrag der Laufschicht sind durchaus bei Auftrag auf eine profilierte Oberfläche kleine Schichtdickeunterschiede möglich, da bekanntlich schärfere Übergänge und Spitzen der Basisschicht ausgeglichen werden, wie dies auch in der Zeichnung durch die strichlierte Linie 7 angedeutet wird (siehe auch D4, Fig. 3).

2.1.2. Das Merkmal b) war im erteilten bzw. ursprünglichen Anspruch 2 enthalten.

2.1.3. Merkmal c) ist aus der Figur in Verbindung mit dem Text in Spalte 3, Zeilen 56 bis 59 des Patents bzw. in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen Seite 4, Zeilen 30 bis 34 abzuleiten. Im übrigen gelten hier die Überlegungen bezüglich des Merkmals a) entsprechend.

Die Beschwerdegegnerin hat hierzu noch vorgebracht, daß nicht eindeutig offenbart sei, daß das Lager nach dem Streitpatent tatsächlich in der ursprünglich profilierten Form ein Fertigprodukt sei. Da jedoch die Anmeldungsunterlagen keinen Hinweis vermitteln, daß Zwischenprodukte beschrieben oder beansprucht werden und da auch die Profilierung der Lauffläche offensichtlich sehr gering ist, so daß die Lauffläche - welcher Begriff schon selbst ein Zwischenstadium in der Herstellung ausschließt - noch immer als Lauffläche mit relativ hoher Oberflächengüte anzusehen ist, können die Bedenken der Beschwerdegengerin nicht geteilt werden.

Zu dem Einwand der Beschwerdegegnerin, daß die Merkmale a) bis c) nicht in ihrem neu beanspruchten Zusammenhang offenbart seien, ist zu bemerken, daß in der Anmeldung, wie sie ursprünglich eingereicht wurde, und im erteilten Patent nur eine einzige Ausführungsform des offenbarten Verbundgleitlager beschrieben ist. Bei dieser sind unter anderem alle Merkmale a) bis c) verwirklicht, weshalb der beanspruchte Gegenstand auch als offenbarte Einheit gesehen werden muß.

2.1.4. Aufgrund obenstehender Feststellungen kommt die Kammer zu dem Schluß, daß der Patentanspruch den Erfordernissen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ entspricht.

2.2. Die Beschwerdegegnerin hat noch eine unvollständige Abgrenzung nach Regel 29 (1) a) EPÜ gegenüber den Offenbarungen der D1 beanstandet.

Zwar ist die Kammer ebenfalls der Auffassung, daß von den zitierten Dokumenten die D1 den relevantesten Stand der Technik beschreibt. Sie hat auch im Bescheid vom 7. April 1993 hierauf hingewiesen, sieht es jedoch aus nachfolgenden Gründen nicht als sinnvoll an, den Patentanspruch gegenüber diesem Stand der Technik abzugrenzen.

Es handelt sich bei dem Lager nach der D1 für den Fachmann eindeutig um ein Gleitlager, das für Grenzschmierung konzipiert ist (siehe auch Seite 13, zweiter Absatz der D1), während es sich bei dem Lager nach dem angefochtenen Patent um ein hydrodynamisch geschmiertes Gleitlager handelt (siehe Spalte 2, Zeilen 59, 60 des Patents). Da diese andere Verwendung, wie von der Beschwerdeführerin überzeugend vorgebracht wurde, grundsätzlich andere konstruktive Überlegungen erfordert und darüber hinaus gleiche konstruktive Maßnahmen unterschiedliche technische Wirkungen bei verschiedenen Gleitlagertypen bewirken können, kann das aus D1 bekannte Gleitlager nicht als gattungsbildend für das hydrodynamisch geschmierte Gleitlager nach dem angefochtenen Patent dienen.

Im übrigen ist die D1 ausreichend in der neuen Beschreibungseinleitung des geänderten Patents kommentiert, so daß die Erfordernisse der Regel 27 (1) b) EPÜ erfüllt sind.

3. Stand der Technik

3.1. Obwohl es sich, wie vorstehend dargelegt, in D1 um ein Gleitlager handelt, das für Grenzschmierbetrieb konzipiert ist und nicht, wie bei dem Dreistoffverbundlager des Patents, um ein hydrodynamisch geschmiertes Lager, zeigt ein Vergleich des Gegenstands, wie er im vorliegenden Patentanspruch definiert wird, mit dem Lager nach Figur 3 der D1, daß dieses bekannte Lager im Neuzustand ebenfalls als Dreistofflager aufgefaßt werden kann (siehe auch Seite 7, Zeilen 3 bis 7 der D1).

Die Ausführungsform nach der Figur 3 zeigt ein Verbundgleitlager, bestehend aus einer tragenden Stützschale (1), einer auf der Stützschale (1) aufgebrachten Lagermetallschicht (2) sowie einer auf der Lagermetallschicht (2) aufgetragenen Laufschicht (3), zwischen der und der Lagermetallschicht (2) eine Zwischenschicht (6) vorgesehen ist, wobei die die Zwischenschicht (6) tragende Oberfläche der Lagermetallschicht (2) eine Profilierung (4) mit einer Profiltiefe (0,1 bis 0,15 mm, siehe Seite 10, letzten 4 Zeilen) aufweist, die größer als die 1,5fache Dicke (0,001 bis 0,002 mm) der der Profilform folgenden Zwischenschicht (6), mindestens jedoch 0,03 mm ist (0,03 bis 0,07 mm, siehe Seite 12, Zeile 4), also mehr als 5 µm.

Der von der Beschwerdegegnerin vertretenen Auffassung, daß auch die unter Punkt 2.1 genannten, noch übrigbleibenden Merkmale a) bis c) aus der D1 bekannt seien, kann jedoch nicht gefolgt werden.

Merkmal a):

Die Ausführungsform nach der Figur 3 der D1 ist auf den Seiten 10 bis 12 beschrieben; die Tiefe des Kreuzgewindes beträgt demnach 0,10 bis 0,15 mm (siehe Seite 10, vorletzte Zeile) und die Schichtdicke an den Feldern 5 beträgt 0,03 bis 0,07 mm (siehe Seite 12, erster Absatz), was eindeutig weniger ist als die Tiefe des Kreuzgewindes.

Zwar wird als Untergrenze der Tiefe des Kreuzgewindes in Anspruch 6 der Wert 0,03 mm angegeben - was noch immer nicht dem Erfordernis des Merkmals a) entspricht, wonach die Profiltiefe kleiner sein soll als die geringste Schichtdicke der Laufschicht. Darüber hinaus ist es nach Auffassung der Kammer unzulässig, diesen als absoluten Mindestwert für die Profiltiefe beanspruchten allgemeinen Wert mit einzelnen Maßangaben eines speziellen Ausführungsbeispiels zu kombinieren, statt den eindeutig für dieses Ausführungsbeispiel geltenden speziellen Wert zu verwenden.

Bei dieser Beurteilung kann auch nicht von einem, wie die Beschwerdegegnerin behauptet, von der Kammer angelegten unterschiedlichen Maßstab bei der Interpretation des Inhalts der D1 und des Patents die Rede sein. Die D1 offenbart mehrere Ausführungsbeispiele und mehrere Bereiche für die Schichtdicken und die Form der Vertiefungen sowie von beanspruchten Kombinationen von Bereichen (z. B. Anspruch 6). Die von der Beschwerdegegnerin gebildete Kombination von Werten aus einem dieser Ausführungsbeispiele mit einem aus einem Anspruch (Anspruch 6) entnommenen bestimmten Grenzwert führt zu einer weiteren Ausführungsform, die nicht als solche offenbart ist. Im vorliegenden Patent dagegen sind die Merkmale a) bis c) eindeutig alle auf dasselbe Ausführungsbeispiel bezogen und somit in ihrer Kombination offenbart.

Merkmal b):

Das Kreuzgewinde der D1 kann nicht als eine Profilierung mit sich zumindest im wesentlichen in Laufrichtung erstreckenden Nuten aufgefaßt werden.

Die Beschwerdegegnerin hat diesbezüglich auf Anspruch 6 der D1 hingewiesen und vorgebracht, daß das Kreuzgewinde mit einer Steigung von 10 "im wesentlichen in Laufrichtung erstreckende Nuten" bilde. Jedoch spricht Anspruch 6 von einem Kreuzgewinde mit einer großen Steigung von beispielsweise 10 bis 50 , was nach Auffassung der Kammer offensichtlich nur darauf hindeuten kann, daß die Bezugsrichtung für diesen Winkelbereich die Längsrichtung des Lagers und nicht die Querrichtung (Laufrichtung) ist. Im übrigen werden hier keine durchgehenden Nuten, sondern rautenförmige Vertiefungen gebildet.

Merkmal c):

Gemäß der D1 kann das weichere Lagermaterial galvanisch aufgebracht oder auch aufgegossen werden (Seite 9, zweiter Absatz).

Zwar wird in Zeile 7 auf Seite 9 angegeben, daß nach dem Aufbringen des weicheren Lagermaterials zweckmäßig die Oberfläche noch einmal bearbeitet wird, hieraus kann jedoch nach Auffassung der Kammer nicht abgeleitet werden, daß das Lager auch unbearbeitet mit einer dem Kreuzgewinde entsprechenden Profilierung als Lager verwendet wird. Bei Gleitlageroberflächen wird normalerweise eine sehr glatte Oberfläche angestrebt (siehe auch das Patent, Spalte 1, Zeilen 27 bis 34), im Hinblick auf den beachtlichen Höhenunterschied zwischen Feldern und Kreuzgewindenuten dürfte daher eine Verwendung dieses Lagers ohne Nachbearbeitung zumindest bei galvanischen Auftrag ausgeschlossen sein.

Die neu genannte D4 offenbart zwar, daß die gewellte Oberfläche der Laufschicht nach dem Galvanisieren nicht unbedingt bearbeitet werden muß, jedoch ist hier die Tiefe der Profilierung auf 0,0254 mm beschränkt (siehe Spalte 1, Zeile 35), was gegenüber der Profilierung nach der D1 einen wesentlichen Unterschied darstellt und nicht im Widerspruch zu dem allgemeinen Bestreben steht, glatte Laufflächen zu erzielen.

3.2. Die Druckschrift D2 offenbart ein hochbelastbares Gleitlager bestehend aus einer tragenden Stützschale (1) und einer auf der Stützschale (1) aufgebrachten Lagermetallschicht (2), die mit axialem Abstand (a) voneinander angeordnete, mit der Laufrichtung (6) höchstens einen Winkel von 15 vorzugsweise kleiner als 3 (siehe Seite 7, Zeile 11) einschließende, sich im wesentlichen über den Umfang erstreckende, nutenartige Ausnehmungen (3) zur Aufnahme eines weicheren Lagerwerkstoffes (4) aufweist. Zwischen den Lagerwerkstoffen befindet sich eine Zwischenschicht.

Dieser Stand der Technik zeigt also insbesondere das Merkmal b) bei einem Gleitlager mit einer Mischoberfläche.

3.3. Die im Patent kommentierte US-A-2 187 755 (D3) betrifft ebenfalls ein Gleitlager mit einer Mischoberfläche aus aufeinanderfolgenden Laufflächenanteilen aus unterschiedlichen Materialien. Die die Lagerschichten aufnehmende Oberfläche ist profiliert und die Lagerschichten sind nacheinander auf diese profilierte Oberfläche galvanisch aufgetragen, so daß nach einem Abtrag der Wellungen im Bereich der Gleitfläche die aufeinander folgenden Laufflächenanteile gebildet werden.

3.4. Die D4 betrifft ein Mehrschicht-Gleitlager mit einer Aluminiumtragschicht, die, im Gegensatz zur Lösung nach dem Anspruch 1 eine Profilierung quer zur Laufrichtung der zu tragenden Welle aufweist. Diese Profilierung verhindert, daß das weiche Laufschichtmaterial weggerieben werden kann (siehe Spalte 3, Zeilen 3 bis 20). Bei galvanischem Auftrag der Laufschicht braucht die Laufschichtfläche nicht unbedingt bearbeitet zu werden, weil die Profilierung auf maximal 0,0254 mm beschränkt ist (siehe Spalte 1, Zeile 35).

4. Neuheit

Wie sich aus den Ausführungen in vorstehenden Abschnitten 3.1 bis 3.4 ergibt, zeigt keines der zitierten Dokumente die Gesamtheit der Merkmale des Patentanspruchs.

Das Verbundgleitlager nach dem einzigen Patentanspruch ist somit neu.

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1. Bei Verbundgleitlagern mit schichtweisem Aufbau, welche in Betrieb hydrodynamisch geschmiert werden, können am Ende der Lebensdauer Probleme in bezug auf eine nicht immer auszuschließende metallische Reibung zwischen der drehenden Welle und der Zwischenschicht auftreten. Diese Zwischenschicht, die im allgemeinen aus Nickel besteht, weist eine gegenüber der Laufschicht wesentlich größere Härte auf, so daß bei einem Verschleiß der weicheren Laufschicht durch großflächigen Kontakt der Welle mit der Zwischenschicht die Gefahr einer plötzlichen Zerstörung des Lagers durch sog. "Fressen" steigt, insbesondere wenn auch noch Fremdkörper ins Lager gelangen.

Dem Patent liegt die Aufgabe zugrunde, diese Mängel zu vermeiden und das Verbundgleitlager so zu verbessern, daß bei voller Wirksamkeit der Zwischenschicht deren Einfluß auf die Lebensdauer bei einem Verschleiß der Laufschicht erheblich herabgesetzt werden kann. Weiterhin wird eine vereinfachte Herstellung des Lagers angestrebt.

5.2. Zur Lösung dieser Aufgaben entsprechend den im Anspruch angegebenen Merkmalen sind nach Auffassung aus keiner der Entgegenhaltungen D1 bis D4 verwertbare Hinweise zu entnehmen.

Insbesondere ist bei den Dokumenten D1 bis D3 im Betriebszustand die eigentliche Lauffläche des Gleitlagers als Mischoberfläche ausgeführt und, obwohl in D1 und D2 auch eine Zwischenschicht vorhanden ist, tritt bei diesem bekannten Lagern die Gefahr einer plötzlichen Zerstörung des Lagers am Ende seiner Lebensdauer nicht auf, da die Aufteilung der Oberfläche in unter- schliedliche Bereiche keine durchgehende Zwischenschicht zuläßt.

Wie weiterhin überzeugend von der Beschwerdeführerin vorgetragen wurde, ist es für den Fachmann offensichtlich, daß es sich bei dem in D1 offenbarten Gleitlager nicht um ein hydrodynamisch geschmiertes Lager handelt, wie beim Patentgegenstand (siehe Spalte 2, Zeilen 57 bis 61), sondern um ein Gleitlager, das ohne hydrodynamische Schmierung arbeitet, was auch klar aus dem in Kauf genommenen schnellen Verschleiß der obersten Lagerschicht nach dem Ausführungsbeispiel in Figur 3 (siehe Seite 7, erster Absatz, Seite 13, 2er Absatz) zum Ausdruck kommt.

Aus diesen Gründen ist es fraglich, ob der zuständige Fachmann zur Lösung der bei einem Dreistoffverbundlager für hydrodynamische Schmierung auftretenden Probleme die Dokumente D1 bis D3, die sich zwar auf Mehrschichtgleitlager beziehen und von denen die D2 das Merkmal b) offenbart, wo aber diese Probleme nicht auftreten, in Betracht ziehen würde. Selbst wenn er dies täte, könnte er aus diesen Druckschriften keine Anregung in Richtung auf die beanspruchte Relation der Profiltiefe zur Mindestdicke der Laufschicht erhalten (Merkmal a)).

5.3. Wie in Punkt 3.4 schon angedeutet, betrifft die D4 ein Verbundgleitlager mit einer Profilierung die quer zur Laufrichtung verläuft. Mit dieser Profilierung soll verhindert werden, daß die Laufschicht sich gegenüber der darunter liegenden Lagerschicht verschiebt (siehe Spalte 1, Zeilen 8 bis 15).

Weder die Verwendung einer Zwischenschicht noch die davon abhängige, im angefochtenen Patent angesprochene Problematik und auch nicht die vorgenannten Merkmale a) und b) sind dieser Entgegenhaltung zu entnehmen.

Mit der Entgegenhaltung D4 wurde also lediglich nachgewiesen, daß die Verwendung des Merkmals c) in Gleitlagern an sich bekannt ist, jedoch würde selbst bei Kombination der aus D1, D2 und D4 entnehmbaren Lehren das Merkmal a) nicht nahegelegt sein.

Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß die Druckschriften D1, D2, D3 und D4 weder für sich noch in Zusammenschau sowie in Verbindung mit dem einem Fachmann zu unterstellenden Wissen dem Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit patenthindernd entgegenstehen (Artikel 56 EPÜ), so daß das Patent auf der Basis des vorliegenden Anspruchs 1 Bestand haben kann.

Gegen die zur Anpassung an den Patentanspruch sowie zur Würdigung des Standes der Technik vorgenommenen Änderungen in der Beschreibung bestehen keine Bedenken.

6. Antrag auf Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung bzw. auf erneute mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer

6.1. Wie schon im Bescheid vom 7. April 1993 mitgeteilt wurde, sieht die Kammer keinen Grund, diesen Anträgen der Beschwerdegegnerin stattzugeben, da von den für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wesentlichen Merkmalen die Merkmale a) und b) bereits eingehend in der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 1992 erörtert wurden und die Beschwerdegegnerin insoweit bereits ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat. Durch die Einführung des Merkmals c) und die hierzu neu genannte Druckschrift D4 ist - wie aus vorstehenden Ausführungen unter Punkt 5.3 zur Frage der Patentfähigkeit hervorgeht - keine wesentlich neue Sachlage entstanden, die im Hinblick auf Artikel 116 (1), Satz 2 die erneute Anberaumung einer mündlichen Verhandlung rechtfertigen würde oder Anlaß zu einer Zurückverweisung geben könnte. Im übrigen hatte sich die Beschwerdegegnerin auch schon in der mündlichen Verhandlung zum Merkmal c) geäußert und in dem dieser folgenden schriftlichen Verfahren hatte sie zusätzlich ausreichend Gelegenheit, zu dem neu hinzugekommenen Merkmal c) Stellung zu nehmen, und von dieser Gelegenheit auch ausführlich Gebrauch gemacht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 1992 eingereichten Unterlagen (Patentanspruch und Beschreibung) sowie der erteilten Zeichnung aufrechtzuerhalten.

3. Die Anträge auf Zurückverweisung an die Vorinstanz zur weiteren Prüfung und auf erneute mündliche Verhandlung werden zurückgewiesen.

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