T 2686/18 (Ableitung von Größenordnungen aus schematischen Zeichnungen ( … of 2.6.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T268618.20220602
Datum der Entscheidung: 02 Juni 2022
Aktenzeichen: T 2686/18
Anmeldenummer: 09761396.2
IPC-Klasse: B42D 25/328
B42D 25/364
B42D 25/29
B42D 25/373
B44F 1/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: SICHERHEITSELEMENT MIT GERASTERTER SCHICHT AUF EINEM LICHTDURCHLÄSSIGEN SUBSTRAT
Name des Anmelders: Giesecke+Devrient Currency Technology GmbH
Name des Einsprechenden: De La Rue International Limited
Leonhard Kurz Stiftung & Co. KG
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag, Hilfsanträge 1 bis 3 und 5
Neuheit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 4
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0748/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent

EP 2 296 909 B1 in geänderter Form aufrechtzuerhalten. Einspruchsgründe waren mangelnde Neuheit, erfinderische Tätigkeit und Ausführbarkeit (Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 54(1), (2) und 56 und Artikel 100 b) EPÜ).

II. Auf folgende Dokumente wird Bezug genommen:

D1 = WO 96/07552 A1

D2 = WO 2005/047013 A2

D6 = EP 1 674 286 A1

III. Am Ende der mündlichen Verhandlung beantragte die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin 1, die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und die Einsprüche zurückzuweisen und somit das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten (Hauptantrag) und hilfsweise die Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 4, eingereicht mit Schreiben vom 13. November 2018, aufrechtzuerhalten, oder gemäß Hilfsantrag 5 (Patent wie aufrechterhalten), eingereicht mit Schreiben vom 15. Mai 2019, aufrechtzuerhalten, d.h. die Beschwerde der Einsprechenden 2 zurückweisen.

Die Einsprechende 2 und Beschwerdeführerin 2 beantragt,

die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang aufzuheben und das Patent im vollen Umfang zu widerrufen.

Die Einsprechende 1 und weiter am Verfahren Beteiligte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und auch nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen.

IV. Anspruch 1 des Patents wie erteilt, Hauptantrag

(Merkmalsbezeichnungen (A), (B), (C1), (C2), ... wurden durch die Kammer eingeführt):

(A) Sicherheitselement aus

(B) mindestens einem lichtdurchlässigen Substrat (2),

(C1) auf dem sich eine im Wesentlichen opake, gerasterte Schicht (1) aus Rasterelementen (3) befindet

(D) und das Sicherheitselement, mindestens von der Seite der im Wesentlichen opaken, gerasterten Schicht (1) aus betrachtet, in Aufsicht ein anderes Erscheinungsbild zeigt als in Durchsicht, dadurch gekennzeichnet, dass

(C2) innerhalb der im Wesentlichen opaken, gerasterten Schicht (1) mindestens eine dünne, durchgehende, im Wesentlichen opake Linie (4) in Form mindestens eines alphanumerischen Zeichens, einer Grafik oder eines Musters angeordnet ist.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 (entspricht dem 1. Hilfsantrag in der ersten Instanz):

Zu Anspruch 1 des Patents wie erteilt wurde folgendes Merkmal hinzugefügt:

(C3) die dünne, durchgehende, im Wesentlichen opake Linie (4) eine Breite von mindestens 0,1 mm bis 5 mm aufweist.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2:

Zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 wurden folgende Merkmale hinzugefügt:

(C6) und die Rasterelemente (3) kreisförmig und/oder linienförmig ausgeführt sind und

(C7) kreisförmige Rasterelemente (3) einen Durchmesser von 10 Mikrometer bis 100 Mikrometer und linienförmige Rasterelemente (3) eine Breite von 30 Mikrometer bis 70 Mikrometer aufweisen.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3:

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ohne Merkmal (C3).

Anspruch 1 des Hilfsantrags 4:

Zu Anspruch 1 des Patents wie erteilt wurde folgendes Merkmal hinzugefügt:

(F) die im Wesentlichen opake, gerasterte Schicht (1) eine Lichtdurchlässigkeit von weniger als 20 % hat.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 5, Patent wie aufrechterhalten (entspricht dem 2. Hilfsantrag in der ersten Instanz):

Zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wurden zwischen Merkmal (C3) und Merkmal (C6) folgende Merkmale eingefügt:

(C4) die im Wesentlichen opake, gerasterte Schicht (1) aus einer Vielzahl von Rasterelementen (3) besteht, und die Rasterelemente

- Aussparungen in der im Wesentlichen opaken Schicht

(1) sind oder

- im Wesentlichen opake, voneinander beabstandete

Mustergrundelemente sind,

(C5) die Rasterelemente (3) stochastisch und/oder rasterartig angeordnet sind und/oder in ihrem Durchmesser oder ihrem Abstand zueinander lokal variieren,

V. Die Patentinhaberin argumentierte im Wesentlichen folgendermaßen:

a) Hauptantrag: In D2 werde der Effekt von Merkmal (D) durch eine andere Schicht als die opake Schicht erzielt, somit sei Merkmal (C2) in Kombination mit Merkmal (D) nicht offenbart.

b) Hilfsanträge 1 bis 3 und 5: In D2 gebe es keine explizite Offenbarung über die Linienbreite und die Form, Anordnung bzw. Strukturgröße des Musters. Die Linienbreite dürfe nicht aus schematischen Zeichnungen abgeleitet werden.

c) Hilfsantrag 4: D2 offenbare nicht explizit eine Lichtdurchlässigkeit von weniger als 20% und lege diese auch nicht nahe. Da eine Lichtdurchlässigkeit von weniger als 20% keinen technischen Effekt habe, hätte der Fachmann ausgehend von D2 auch keine Veranlassung dieses Merkmal zu implementieren.

Die Einsprechende 2 argumentierte im Wesentlichen folgendermaßen:

a) Hauptantrag: Der Anspruchswortlaut erfordere nicht, dass die opake Schicht den Effekt von Merkmal (D) erziele.

b) Hilfsanträge 1 bis 3 und 5: Die Kombination der Ansprüche 2, 4, 5, 11 und 13 der D2 offenbare die beanspruchte Form, Anordnung und Strukturgröße des Musters. Die Beschreibung gebe die Dimensionen der in den Figuren dargestellten Elemente an und damit einen Hinweis auf die Linienbreite.

c) Hilfsantrag 4: D2 lege zumindest eine Lichtdurchlässigkeit von weniger als 20% nahe, da eine Belegung von 80% ohne die "solid print area" und eine Metallfolie mit einer Reflektivität von 100% offenbart sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

2. Die beanspruchte Erfindung

Die Erfindung möchte eine möglichst fälschungssichere Sicherheitseinrichtung bereitstellen, die maschinell oder auch vom bloßen Auge erkannt werden kann.

Dieses Ziel wird erreicht durch ein Dünnschichtelement aus einem lichtdurchlässigen Substrat und einer opaken, gerasterten Schicht aus Rasterelementen. Innerhalb der im Wesentlichen opaken, gerasterten Schicht aus Rasterelementen ist eine dünne, durchgehende, opake Linie angeordnet, die die Form mindestens eines alphanumerischen Zeichens, einer Grafik oder eines Musters aufweist, und die lediglich in Durchlicht, nicht jedoch in Auflicht erkennbar ist.

3. Hauptantrag - Neuheit

3.1 D2

3.1.1 D2 offenbart in einer Banknote (Bezugszeichen 1 in Fig. 1) ein Sicherheitselement (Bezugszeichen 3 in Fig. 1) mit einem Tarnmuster ("camouflage pattern", Bezugszeichen 40 in Fig. 2C), das ein diskontinuierliches Muster ("discontinuous pattern", Bezugszeichen 4 in Fig. 2A und 2B, Bezugszeichen 15 in Fig. 4F) und einen durchgehenden Druckbereich ("solid print area", Bezugszeichen 14 in Fig. 4F) überdeckt, so dass in Reflektion nur das Tarnmuster sichtbar ist und in Durchsicht vornehmlich das diskontinuierliche Muster und der durchgehende Druckbereich sichtbar sind (cf. Seite 8, Zeile 6 ff, Seite 11, Zeile 19 ff, Seite 14, Zeile 3 ff).

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK FORMEL/TABELLE/GRAPHIKFORMEL/TABELLE/GRAPHIKD2

3.1.2 Fig. 4F offenbart das alphanumerische Zeichen "5" (durchgehenden Druckbereich 14), das in der Durchsicht sichtbar ist, in Draufsicht aber nicht. Auf Seite 14, Zeilen 11-12, wird ein Punktemuster ("dots") des diskontinuierlichen Musters 15 offenbart, das zusammen mit dem durchgehenden Druckbereich 14 eine "im Wesentlichen opake" Schicht (hier "Schicht 14/15") bildet.

3.1.3 Die Breite des Sicherheitselements 3 wird auf Seite 5, Zeile 29 ff, gegeben ("An image has typical dimensions in the range 10-l5mm x 10-15mm but could be from 2.5mm to 30mm or more in its minimum lateral dimension"). Ansprüche 4 und 5 offenbaren Punkte und Kreise für das diskontinuierliche Muster, das insbesondere für das Beispiel der Fig. 4 eine Abdeckung von 50-80% hat (Seite 14, Zeilen 11-14).

3.1.4 Bezüglich der Form und Breite der Streifen des Tarnmusters offenbart D2 in Ansprüchen 11 und 13 (Hervorhebung durch die Kammer):

"11. ... wherein elements making up the camouflage pattern and background areas between the elements of the discontinuous pattern are approximately the same size."

"13. ... wherein the camouflage pattern defines elements having a width in the range 0.1-1.5mm and a separation of 0.1-4mm, preferably having a width of 0.25-1.25mm and a separation of 0.25-3mm."

3.2 "Im Wesentlichen opak"

3.2.1 Die Patentinhaberin argumentierte, dass D2 nicht eindeutige offenbare, dass die Schicht 14/15 im Wesentlichen opak sei.

3.2.2 Die Einsprechende 2 argumentierte, dass auf Seite 4, Zeile 17, sowie auf Seite 14, Zeile 14, eine Abdeckung ("coverage") von 50-80% für das diskontinuierliche Muster 15 offenbart sei. Der Begriff "im Wesentlichen opak" erfordere nur eine Lichtdurchlässigkeit von weniger als 50%. In der Fig. 4F bestehe die Schicht 14/15 zusätzlich aus dem durchgehenden Druckbereich 14, nämlich der Ziffer "5", die mindestens ungefähr 10% der Fläche in Fig. 4F bedecke und damit bei einer Abdeckung des Musters 15 von 80% zu einer Belegung der gesamten Schicht 14/15 von deutlich mehr als 80% führe. Die Schicht 14/15 bestehe zudem aus einer Metallfolie ("metallic foil") oder einer anderen Schicht mit hoher Reflektivität ("high reflectivity", Seite 8, Zeile 32 bis 37). Bei Metallfolien sei es bekannt, dass sie in der Regel eine Reflektivität von annähernd 100% hätten. Zudem absorbiere die Schicht 14/15 einen Teil des nicht-reflektierten Lichtes.

3.2.3 Die Kammer schließt sich der Argumentation der Einsprechenden 2 and und kommt zu dem Schluss, dass eine Bedeckung von 80% mit dem zusätzlichen alphanumerischen Zeichen 14 (Ziffer "5") unter Verwendung einer metallischen Folie oder einer höchst reflektiven Schicht zu einer Opazität führt, die als "im Wesentlichen opak" bezeichnet werden kann.

3.3 "Schicht"

3.3.1 Die Patentinhaberin argumentierte, dass in D2, Fig. 4F, das Tarnmuster die Schicht 14/15 verdecke. Laut Anspruchswortlaut müsse der Effekt von Merkmal (D) (nämlich dass das Sicherheitselement, mindestens von der Seite der im Wesentlichen opaken, gerasterten Schicht aus betrachtet, in Aufsicht ein anderes Erscheinungsbild zeige als in Durchsicht) durch die opake Schicht selbst erzielt werden. In D2 werde dieser Effekt jedoch durch das Tarnmuster erzielt, welches in einer separaten zusätzlichen Schicht auf der opaken Schicht angeordnet sei. Da gemäß Anspruchswortlaut innerhalb (Hervorhebung durch die Patentinhaberin in ihrem Schriftsatz vom 25. April 2022, Seite 3) der im Wesentlichen opaken, gerasterten Schicht mindestens eine dünne, durchgehende, im Wesentlichen opake Linie in Form mindestens eines alphanumerischen Zeichens, einer Grafik der eines Musters angeordnet sei, folge zwingend, dass der beschriebene und beanspruchte optische Effekt durch diese eine Schicht erzeugt werde. Nur so könne Merkmal (C2) verstanden werden, da im Anspruch 1 des Hauptantrages keine weiteren Schichten beansprucht würden, um den beschriebenen Effekt zu erzeugen. Die in Fig. 4F gezeigte Schicht erzeuge diesen Effekt ersichtlich nicht, da noch die Tarnschicht notwendig sei. Somit fehle es bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Fig. 4F an einer klaren und eindeutigen Offenbarung des Merkmals (C2) in Kombination mit Merkmal (D).

3.3.2 Die Einsprechende 2 argumentierte, dass der Anspruchswortlaut nicht ausschließe, dass der Effekt des Merkmals (D) durch eine andere Schicht erzeugt werde. Merkmal (D) definiere nur das Erscheinungsbild des gesamten Sicherheitselements in Draufsicht, schließe aber zusätzliche Merkmale, insbesondere Schichten, die zusätzlich zur opaken Rasterschicht vorhanden seien, nicht aus.

3.3.3 Die Kammer kommt auch zum Schluss, dass der Wortlaut der Merkmale (D) und (C2) nicht zwingend erfordert, dass ein unterschiedliches Erscheinungsbild in Aufsicht durch die "im Wesentlichen opake Schicht" erzeugt wird. Merkmal (D) definiert nur die Ansichtsperspektive bezüglich der "im Wesentlichen opaken Schicht", aber nicht, dass diese Schicht selbst den Effekt eines unterschiedlichen Erscheinungsbildes in Auf- und Durchsicht erzielt. Merkmal (C2) definiert lediglich die opake Linie.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK Streitpatent

Zudem muss der Begriff "Schicht" im Lichte der Beschreibung des Streitpatents ausgelegt werden. Das Streitpatent selbst definiert eine "optisch variable Dünnfilmschicht" ([0033]) bestehend aus drei Schichten ("Die Schicht 6 und die Rasterelemente 3 zusammen mit der Linie 4 bilden die reflektierende Schicht bzw. die teildurchlässige Schicht"). Die Schichten 1, 3, 4, 5, 6 werden dabei als eine Schicht ("Dünnfilmschicht") bezeichnet. Insofern kann in D2 auch das Schichtsystem in Fig. 4F bestehend aus den Unterschichten "Schicht 14/15" und der Tarnschicht als eine Schicht bezeichnet werden, die den Effekt von Merkmal (D) erzielt.

3.4 Neuheit

3.4.1 D2 offenbart folglich ein (Bezüge auf D2)

(A) Sicherheitselement aus

(B) mindestens einem lichtdurchlässigen Substrat ("polymer substrate", Seite 3, Zeile 17),

(C1) auf dem sich eine im Wesentlichen opake, gerasterte Schicht (Schicht 14/15, vgl. Abschnitt 3.2 oben) aus Rasterelementen (Seite, 4, Zeile 14 ff) befindet und

(D) das Sicherheitselement, mindestens von der Seite der im Wesentlichen opaken, gerasterten Schicht aus betrachtet, in Aufsicht ein anderes Erscheinungsbild zeigt als in Durchsicht (D2, Anspruch 1, der Effekt wird erzielt durch das Tarnmuster, "camuoflage pattern", vgl. Abschnitte 3.1.1 und 3.3), dadurch gekennzeichnet,

(C2) dass innerhalb der im Wesentlichen opaken, gerasterten Schicht mindestens eine dünne, durchgehende, im Wesentlichen opake Linie (Ziffer "5", Bezugszeichen 14 in Fig. 4F) in Form mindestens eines alphanumerischen Zeichens, einer Grafik oder eines Musters angeordnet ist.

3.4.2 Folglich offenbart D2 alle Merkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags und der Gegenstand dieses Anspruchs ist nicht neu (Artikel 52(1), 54(1) und (2) EPÜ).

4. Hilfsantrag 1 - Neuheit

4.1 Breite von mindestens 0,1 mm bis 5 mm

4.1.1 Zunächst stellt die Kammer fest, dass der Fachmann den Anspruchswortlaut so versteht, dass in Merkmal (C3) ein Bereich von "mindestens 0,1 mm bis (maximal) 5 mm" und nicht "mindestens 0,1 mm bzw. mindestens 5 mm" gemeint ist (Unterstreichung und Hinzufügungen durch die Kammer).

4.1.2 Die Patentinhaberin argumentierte, dass D2 keinerlei Angaben über die Linienbreite liefere. Bei fehlender Neuheit müsse ein Merkmal direkt und eindeutig offenbart sein. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, da keinerlei Angaben über die Strukturgröße der Ziffer "5" in Fig. 4F gemacht werde. Sicherheitsmerkmale könnten Buchstaben und Zahlen jeder Größe haben, d.h. mit bloßem Auge nicht sichtbar, um sie fälschungssicher zu machen.

4.1.3 Die Einsprechende 2 argumentierte, dass die Linienbreite eines alphanumerischen Symbols mindestens 0,3 mm sein müsse, da das Symbol sonst mit dem Auge nicht erkennbar sei. D2 gebe als Größe für das in Fig. 4F gezeigte Sicherheitselement (Bezugszeichen 3 in Fig. 1) "2.5 mm to 30 mm" (s.o.) an. Daraus sei die Linienbreite eindeutig aus Fig. 4F ableitbar.

4.1.4 Die Kammer ist der Ansicht, dass Fig. 4F zwar eine schematische Zeichnung ist, so dass Größen und Längen nicht direkt abgelesen werden können. In T 748/91 ging es um die Entnahme relativer Größenordnungen aus Zeichnungen. In diesem Fall stellte die Kammer fest, dass unter bestimmten Umständen sogar aus einer schematischen Zeichnung Größenverhältnisse abgeleitet werden können.

Im vorliegenden Fall werden in D2 nur sichtbare ("visible") Komponenten und deren Wahrnehmung mit den Augen erwähnt (cf. Seite 7, Zeile 22, Seite 5, Zeile 37). Die Ziffer "5" muss also als Zahl mit bloßem Auge lesbar sein. In den Figuren 2 bis 4 sind die Symbole und Zahlen im Sicherheitselement (Bezugszeichen 3 in Fig. 1) vollständig und raumfüllend dargestellt. Die Beschreibung liefert keine Hinweise, dass nur Teile von Symbolen oder Zahlen dargestellt werden oder dass diese so klein sind, dass sie nur mit Hilfsmitteln sichtbar gemacht werden können. Daraus ergeben sich folgende Randbedingungen:

a) Das Sicherheitselement 3 ist 2,5 mm bis 30 mm breit.

b) Die Ziffer "5" muss das Sicherheitselement 3 annähernd ausfüllen.

c) Die Linienbreite der Ziffer "5" muss mindestens so groß sein, dass die Ziffer "5" mit bloßem Auge erkennbar ist.

d) Die Linienbreite muss so gewählt sein, dass die Ziffer "5" in Fig. 4F lesbar dargestellt wird.

Der Bereich von 0,1 mm bis 5 mm ist zudem so breit, dass er keinen speziellen technischen Effekt hat.

Angesichts der oben genannten Randbedingungen geht die Kammer davon aus, dass eine Implementierung der Linienbreite der Ziffer "5" zwangsläufig zu einer Linienbreite führt, die in den beanspruchten Bereich von 0,1 mm bis 5 mm fällt. Somit ist das Merkmal (C3) als im Dokument D2 implizit offenbart anzusehen.

4.1.5 Folglich sind alle Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 in Dokument D2 offenbart. Der Gegenstand dieses Anspruchs ist daher nicht neu (Artikel 52(1), (54(1) und (2) EPÜ).

5. Hilfsantrag 2 - Neuheit

5.1 Die Kammer stellt fest, dass D2 in den Ansprüchen 2, 4 und 5 offenbart, dass die Rasterelemente kreisförmig ("circles", "dots") ausgeführt sind (Merkmal (C6)). Aus Anspruch 11 in Kombination mit Anspruch 13 ergeben sich Strukturgrößen für das diskontinuierliche Muster von 0,1 mm bis 1,5 mm, da die Strukturgrößen von dem Tarnmuster und dem diskontinuierlichen Muster "annähernd dieselbe Größe" haben (siehe Abschnitt 3.1.4 oben). D2 offenbart somit den oberen Bereich in Bezug auf den Durchmesser kreisförmiger Rasterelemente in Merkmal (C7) (100 Mikrometer).

5.2 Folglich offenbart D2 alle Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2, dessen Gegenstand somit nicht neu ist (Artikel 52(1), (54(1) und (2) EPÜ).

6. Hilfsantrag 3 - Neuheit

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich von Hilfsantrag 2 nur dadurch, dass Merkmal (C3) gestrichen wurde. Folglich ist auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 nicht neu (Artikel 52(1), (54(1) und (2) EPÜ).

7. Hilfsantrag 4 - Neuheit / erfinderische Tätigkeit

7.1 Neuheit

7.1.1 Die Patentinhaberin argumentierte, dass sich die Lichtdurchlässigkeit auf die gerasterte Schicht in ihrer Gesamtheit beziehe und in D2 eine Musterbelegung von maximal 80% für das Ausführungsbeispiel in Fig. 4F angegeben sei. Die Reflektivität der Tinte sei in der Regel geringer als 100%, womit sich eindeutig eine Lichtdurchlässigkeit von mehr als 20% ergebe. Wenn wie im Streitpaten z.B. eine Schicht aus Chrom (Streitpatent, Spalte 4, Zeile 7) gewählt würde, wäre die Reflektivität deutlich unter 100% und damit die Lichtdurchlässigkeit deutlich über 20%.

7.1.2 Die Einsprechende 2 argumentierte, dass sowohl die opake Schicht als auch das darüber liegende Tarnmuster Licht absorbierten. Zudem nehme der durchgehende Druckbereich ("solid print area") in der Fig. 4F mindestens 10% der Fläche ein, wodurch sich die Gesamtbelegung auf deutlich über 80% erhöhe. Ferner solle die opake Schicht entweder aus einer Metallfolie bestehen oder zumindest "highly reflektive" sein. Metallfolien hätten in der Regel eine Lichtdurchlässigkeit von 0% (Reflektion + Absorption). Der Schutzumfang des Anspruchs 1 sei zudem im Lichte der Beschreibung zu deuten, da im Streitpatent der Absatz [0011], der die Grundlage für die Änderungen war, eine Lichtdurchlässigkeit der opaken Schicht von bis zu 0% offenbare und gleichzeitig eine Belegung mit Rasterelementen von 10% bis 40% in Absatz [0018] angegeben werde. Das würde einerseits bedeuten, dass bei einer Lichtdurchlässigkeit von 0% keinerlei Strukturen sichtbar wären. Andererseits läge eine Lichtdurchlässigkeit bei einer Belegung mit 10% bis 40% bei über 60%. Insofern würde der Fachmann die Lichtdurchlässigkeit von 20% nur auf die durchgehende Schicht im Bereich des Linienelements beziehen und nicht auf die Lichtdurchlässigkeit der Schicht in ihrer Gesamtheit. In diesem Fall sei für die opaken Linien der Ziffer "5" in Fig. 4F eine Lichtdurchlässigkeit von unter 20% eindeutig offenbart.

7.1.3 Die Kammer kommt aber zum Schluss, dass D2 nicht direkt und eindeutig eine Lichtdurchlässigkeit von weniger als 20% offenbart, da die Auslegung des Schutzumfangs auch nur auf Absatz [0011] des Streitpatents bezogen werden kann, unabhängig von der Offenbarung in Absatz [0018].

7.2 Erfinderische Tätigkeit

7.2.1 Die Patentinhaberin argumentierte, dass der Fachmann keinerlei Veranlassung in D2 hätte, eine Gesamt-Lichtdurchlässigkeit von unter 20% auszuführen. Die zu lösende Aufgabe sei deshalb, eine Alternative bereitzustellen, da eine Lichtdurchlässigkeit von unter 20% keinen speziellen technischen Effekt habe. Weder durch D2 noch durch D6 sei eine Lichtdurchlässigkeit von unter 20% explizit nahegelegt. Insbesondere sei durch D6 (Fig. 2) eine Muster-Belegung von deutlich unter 50% nahegelegt.

7.2.2 Die Einsprechende 2 argumentierte, dass der Fachmann allein durch den Hinweis, eine Metallfolie zu verwenden oder eine hohe Reflektivität zu erzielen, veranlasst sei, die Schicht 14/15 in D2 so auszugestalten, dass eine Lichtdurchlässigkeit von weniger als 20% erzielt werde.

7.2.3 Die Kammer kommt auch zum Schluss, dass eine Lichtdurchlässigkeit von weniger als 20% keinen speziellen technischen Effekt hat. Die Aufgabe ist im vorliegenden Fall nicht eine Alternativ-Lösung bereit zu stellen, sondern die Implementierung bzw. das Ausarbeiten der Offenbarung in D2. Der Fachmann würde sowohl den untersten als auch den obersten angegebenen Bereich, d.h. 80% Musterbelegung, nacharbeiten. Der Fachmann würde die Ziffer "5" so wie in Fig. 4F dargestellt, ausgestalten und damit schon mindestens ungefähr 10% der Fläche mit einer im Wesentlichen opaken Schicht ausgestalten, womit sich die Gesamtbelegung auf deutlich über 80% erhöht. Wie in Fig. 4J von D2 dargestellt ist, ist die Absorption und Reflektion zusammengenommen für den durchgehenden Druckbereich annähernd 100%. Von Seite 8, Zeilen 34-37, erhält der Fachmann den Hinweis, eine Metallfolie oder ein Material mit hoher Reflektivität zu verwenden. Fachüblich ist z.B. Aluminium (siehe D1, Seite 16, Zeile 1; D6, Absatz [0020]). Aluminium hat eine sehr hohe Reflektivität, ist kostengünstig und ist sehr leicht zu verarbeiten. Der Fachmann würde folglich Aluminium oder ein ähnliches Metall mit sehr hoher Reflektivität und Lichtundurchlässigkeit verwenden. Durch das Tarnmuster wird zudem ein wesentlicher Anteil des einfallenden Lichtes absorbiert, die Metallfolie absorbiert einen weiteren Anteil, so dass ohne erfinderische Tätigkeit und ohne technische Schwierigkeiten durch eine Metallfolie eine Gesamt-Lichtabsorption von annähernd 100% erzielt werden kann. Folglich kommt der Fachmann alleine durch fachübliches Ausarbeiten der Offenbarung von D2 zu einer Lichtdurchlässigkeit der Gesamtschicht von weniger als 20%.

7.2.4 Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 nicht erfinderisch im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

8. Hilfsantrag 5 - Neuheit

8.1 Die Kammer kommt zum Schluss, dass D2 ferner in den Ansprüchen 2, 4 und 5 offenbart, dass die im Wesentlichen opake, gerasterte Schicht (Schicht 14/15) aus einer Vielzahl von Rasterelementen ("dots", "circles", "squares", "lines", Fig. 4F, Seite 14, Zeilen 11-12) besteht, und die Rasterelemente Aussparungen in der im Wesentlichen opaken Schicht sind (Fig. 4F) und im Wesentlichen opake, voneinander beabstandete Mustergrundelemente sind (Merkmal (C4)) und die Rasterelemente stochastisch (D2, Anspruch 2, zweite Alternative) oder rasterartig (D2, Anspruch 2, erste Alternative) angeordnet sind.

8.2 Folglich sind alle Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 5 in D2 offenbart, dessen Gegenstand somit nicht neu ist (Artikel 52(1), (54(1) und (2) EPÜ).

9. Schlussfolgerung

Da weder der Hauptantrag noch einer der Hilfsanträge den Erfordernissen des EPÜ genügt, insbesondere da der Gegenstand des Anspruchs 1 aller Anträge entweder nicht neu oder nicht erfinderisch ist, muss das angefochtene Patent widerrufen werden (Artikel 101(3) b) und 111(1) EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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