European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2016:T205214.20160624 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 24 Juni 2016 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2052/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 10173724.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | F16L 11/15 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verbundwellrohr | ||||||||
Name des Anmelders: | Fränkische Rohrwerke, Gebr. Kirchner GmbH & Co. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - Hauptantrag (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 10 173 724.5 zurückgewiesen worden ist.
II. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruch 1 im Hinblick auf die Druckschrift D1 (EP 1 748 243 A2) nicht neu ist (Artikel 54 EPÜ 1973).
III. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage der folgenden Ansprüche: Hauptantrag: ursprüngliche Ansprüche 1 bis 11, eingereicht mit Schreiben vom 17. August 2012,
Hilfsantrag 1: Ansprüche 1 bis 10 und
Hilfsantrag 2: Ansprüche 1 bis 9,
wobei die Hilfsanträge mit der Beschwerdebegründung vom 23. September 2014 eingereicht wurden.
Die Beschwerdeführerin beantragt zusätzlich, die Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zurückverweisen, für den Fall dass die Beschwerdekammer die Neuheit des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag bejahen sollte.
IV. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Verbundwellrohr (10), umfassend ein Innenrohr (12) und ein mit diesem verbundenes gewelltes Außenrohr (14), wobei das Wellungsprofil des Außenrohrs (14) umfasst:
einen äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitt (16),
einen inneren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitt (18), dessen mittlerer Durchmesser (du) kleiner ist als der mittlere Durchmesser (da) des äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitts (16),
zwischen dem äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitt (16) und zwei benachbarten inneren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitten (18) angeordnete Flankenabschnitte (20),
gekrümmte äußere Übergangsabschnitte (22), welche den äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitt (16) mit den Flankenabschnitten (20) verbinden, und
innere Übergangsabschnitte (24), welche die Flankenabschnitte (20) mit zwei benachbarten inneren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitten (18) verbinden,
dadurch gekennzeichnet, dass der Wert des Verhältnisses zwischen der Länge (l) des äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitts (16) und dem Krümmungsradius (ro) der äußeren Übergangsabschnitte (22) zwischen etwa 0,1 und etwa 1,0 beträgt."
V. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren
im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Abmessungen, die sich aus einer schematischen Zeichnung nur durch nachmessen zu ergeben scheinen, gehören nicht zum Offenbarungsgehalt einer Druckschrift. Das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 (Hauptantrag) sei daher nicht eindeutig und unmittelbar der Druckschrift D1 zu entnehmen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 (Hauptantrag) sei somit gegenüber dem aus der Druckschrift D1 bekanntem Verbundwellrohr neu.
Entscheidungsgründe
1. Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Hauptantrags in Bezug auf die Druckschrift D1
1.1 Die Druckschrift D1 offenbart ein Verbundwellrohr (Figuren 2 und 3), umfassend ein Innenrohr und ein mit diesem verbundenes gewelltes Außenrohr 11, wobei das Wellungsprofil des Außenrohrs 11 umfasst:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
einen äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitt 25 (Absatz [0024]: "plane segment 25"),
einen inneren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitt 15, dessen mittlerer Durchmesser kleiner ist als der mittlere Durchmesser des äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitts 25,
zwischen dem äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitt 25 und zwei benachbarten inneren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitten 15 angeordnete Flankenabschnitte 13,
gekrümmte äußere Übergangsabschnitte 20 (Absätze [0020] und [0024]: "rounded edge"), welche den äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitt 25 mit den Flankenabschnitten 13 verbinden, und
innere Übergangsabschnitte, welche die Flankenabschnitte 13 mit zwei benachbarten inneren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitten 15 verbinden.
Die Druckschrift D1 offenbart somit ein Wellrohr mit den Merkmalen des Oberbegriffs, was auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wird (Beschwerdebegründung, Blatt 3, Abschnitt 1.1.2, erster Absatz).
1.2 Der Text (Beschreibung und Ansprüche) der Druckschrift D1 benennt weder die Länge der äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitte 25 noch den Krümmungsradius der äußeren Übergangsabschnitte 20. Der Text der Druckschrift D1 enthält daher auch keine Aussagen zum Verhältnis zwischen der Länge des äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitts 25 zum Krümmungsradius der äußeren Übergangsabschnitte 20.
1.3 Hinsichtlich der Offenbarung des im kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 angegebenen Bereichs des Längen/Krümmungsradius-Verhältnisses, hat die Prüfungsabteilung auf die Figuren der Druckschrift D1 verwiesen, die ein Verhältnis von 0,9 zeigen.
Diese Feststellung hält jedoch einer Überprüfung durch die Kammer nicht stand.
1.3.1 Bei der in der Druckschrift D1 offenbarten Erfindung geht es um die Ausgestaltung einer Dichtung 10, die dazu dient, ein Wellrohr 11 gegenüber einem äußerem Rohr 12 abzudichten (Absatz [0001], Anspruch 1). Auf die Ausgestaltung des abzudichtenden Wellrohrs wird daher in der Druckschrift D1 nur insofern eingegangen, wie es für das Anliegen der Dichtung 10 an dem Wellrohr notwendig ist (Absätze [0011], [0015], [0019], [0020] und [0024]). Der Fachmann schließt daraus, dass die Zeichnungen der Druckschrift D1 primär auf die Dichtung 10 und dem die Dichtung 10 aufnehmenden Teil des Wellrohrs 11, das heißt, mit denjenigen Teilen des Wellungsprofils des Außenrohrs, die mit der Dichtung 10 in Kontakt stehen, gerichtet sind. Eine maßstabsgetreue Darstellung der Teile des Wellungsprofils des Außenrohrs, die nicht an der Dichtung 10 anliegen, war daher für die Offenbarung der den Erfindungsgegenstand bildenden Dichtung nicht zwingend.
1.3.2 Da die Figuren der Druckschrift D1 nicht als maßstabsgetreue Zeichnungen gekennzeichnet sind, stellen sie nur übliche schematische Zeichnungen dar, die das, was in der betreffenden Druckschrift wesentlich erscheint, angeben, aber in aller Regel nicht alle betreffenden Teile maßstabsgetreu wiedergeben müssen. Somit stellt sich die Frage, ob der zuständige Fachmann dem nur zeichnerisch dargestellten Merkmal unmittelbar und eindeutig eine technische Lehre bezüglich des Wellungsprofils des Außenrohrs vermittelt (T0204/83, AB 1985, 310, Punkt 4).
1.3.3 Da weder die Länge der äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitte 25 noch der Krümmungsradius der äußeren Übergangsabschnitte eindeutig entnehmbar sind, lässt sich die Lage des Übergangs zwischen dem zylindrischen Abschnitt und den Übergangsabschnitten nicht eindeutig bestimmen. Dies steht einer direkten und unmittelbaren Entnahme einer konkreten technischen Lehre entgegen.
1.3.4 Aber selbst wenn das der Fall wäre, enthält die Druckschrift D1 keine Anhaltspunkte dafür, dass das Größenverhältnis zwischen der Länge des äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitts 25 und dem Krümmungsradius der äußeren Übergangsabschnitte 20 in den Figuren maßstabsgetreu wiedergegeben wäre (vergleiche T 0748/91, nicht veröffentlicht, Punkt 2.1.1).
1.3.5 Zusammenfassend: Auch wenn die Figuren der Druckschrift D1 in der Prüfungsabteilung den Eindruck erweckt haben, dem Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 zu entsprechen, so stellt dies in diesem Fall aus den oben benannten Gründen keine direkte und unmittelbare Offenbarung für den Fachmann da, weil dieser weiß, dass es sich bei den Figuren der Patentschrift D1 nur um schematische Darstellungen handelt, aus denen er in diesem Fall ohne entsprechende Hinweise keine konkreten Größen oder Größenverhältnisse bezüglich des Wellungsprofils des Außenrohrs ableiten kann.
1.4 Die Entscheidung der Prüfungsabteilung führt ebenfalls an, dass die Bereichsangabe des kennzeichnenden Teils des Anspruch 1 ("zwischen etwa 0,1 und etwa 1,0") unpräzise sei.
Dazu stellt die Kammer fest, dass Anspruch 1 zwar offen lässt, wie bzw. wo (an der Außenseite, an der Innenseite, im Material, ...?) der Krümmungsradius ro der äußeren Übergangsabschnitte 22 im Sinne des Anspruchs zu bestimmen ist, bzw. bestimmt werden kann. Dies stellt aber keinen Mangel gemäß Artikel 84 EPÜ dar, sondern führt lediglich dazu, dass sich der Anspruchsgegenstand entsprechend breiter auslegen lässt.
Die Breite eines beanspruchten Bereichs rechtfertigt aber nicht von dem Grundsatz abzuweichen, dass der Fachmann auch bei einer Schemazeichnung des Standes der Technik unter Berücksichtigung seines allgemeinen Fachwissens eine technische Lehre direkt und unmittelbar entnehmen können muss, damit die Neuheit verneint werden kann.
Gleiches gilt für die Lehre, dass der Fachmann spitze Winkel an biegbaren Teilen vermeiden wolle. Selbst wenn diese Lehre überhaupt aus den Figuren der Druckschrift D1 ableitbar ist, wird für diese Verbundwellrohr nicht direkt und unmittelbar offenbart, dass der Wert des Verhältnisses zwischen der Länge des äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitts und dem Krümmungsradius der äußeren Übergangsabschnitte zwischen etwa 0,1 und etwa 1,0 beträgt.
1.5 Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von dem in der Druckschrift D1 offenbarten Verbundwellrohr dadurch, dass "der Wert des Verhältnisses zwischen der Länge (l) des äußeren, im Wesentlichen zylindrischen Abschnitts (16) und dem Krümmungsradius (ro) der äußeren Übergangsabschnitte (22) zwischen etwa 0,1 und etwa 1,0 beträgt".
1.6 Aus den vorstehenden Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags im Hinblick auf die Druckschrift D1 neu (Artikel 54 EPÜ 1973).
2. Zurückverweisung
Da sich die Prüfungsabteilung in der angefochtenen Entscheidung nur mit der Frage der Neuheit auseinandergesetzt hat, übt die Kammer ihr Ermessen unter Artikel 111(1) EPÜ dahingehend aus, die Angelegenheit zur Fortsetzung des Verfahrens an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.