T 0416/86 (Reflexionsphotometer) of 29.10.1987

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1987:T041686.19871029
Datum der Entscheidung: 29 October 1987
Aktenzeichen: T 0416/86
Anmeldenummer: 82108380.5
IPC-Klasse: G01J 1/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: A
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 778 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: OJ | Published
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Boehringer
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: Der Ersatz eines offenbarten speziellen Merkmals durch einen umfassenden allgemeinen Ausdruck (hier: der Ersatz der speziellen Strukturmerkmale einer Blende durch deren Funktion) stellt eine unter Artikel 123 (2) EPÜ fallende unzulässige Änderung dar, wenn über diesen allgemeinen Ausdruck implizit erstmals andere spezielle Merkmale als das offenbarte in Verbindung mit dem Anmeldungsgegenstand gebracht werden.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Änderung der europäischen Patentanmeldung
Unzulässige Änderung der Patentansprüche
Ersatz struktureller Anspruchsmerkmale durch ihre offenbarte Funktion
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0118/89
T 0392/89
T 0331/91
T 0284/94
T 0694/95
T 1404/05
T 0694/07
T 2537/10
T 0936/16
T 1794/16

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin ist Anmelderin der europäischen Patentanmeldung 82 108 380.5 (Veröffentlichungsnummer: 0 075 766).

II. Die Anmeldung wurde von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen. Der Entscheidung lagen folgende Patentansprüche zugrunde:

unabhängige Ansprüche 1 und 5: eingegangen am 14. Dezember 1985;

Ansprüche 2 bis 4: in ihrer ursprünglichen Fassung;

Ansprüche 6 bis 12: eingegangen am 9. Januar 1985.

Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß der Ersatz konkreter konstruktiver Merkmale einer Blende durch eine einer Aufgabenstellung entsprechende allgemeine funktionelle Angabe bei der Überführung des Anspruchs 5 in einen unabhängigen Anspruch eine unzulässige Änderung im Sinne des Artikels 123(2) EPÜ darstelle.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt.

IV. Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 29. Oktober 1987 hat die Beschwerdeführerin schließlich beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und

1. das Patent aufrechtzuerhalten mit dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Anspruch 1, den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 2 bis 4, bei denen jeweils "Bezugsfläche" in "Meßfläche" abgeändert ist, dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Anspruch 5, den am 9. Januar 1985 überreichten Ansprüchen 6 bis 12, wobei im Anspruch 8 "Bezugsfläche (4, 62)" in "Meßfläche (4) und Referenzfläche (62)" abgeändert ist, mit angepaßter Beschreibung und veröffentlichter Zeichnung (Hauptantrag).

2. das Patent aufrechtzuerhalten mit den Patentansprüchen 1 bis 10 und den Beschreibungsseiten 1 bis 13, beides überreicht in der mündlichen Verhandlung sowie mit der veröffentlichten Zeichnung Blatt 1/3 bis 3/3 (Hilfsantrag).

V. Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"1. Vorrichtung zur reflexionsphotometrischen Messung des Reflexionsvermögens einer Meßfläche (4), die einen bestimmten, zur Auswertung heranzuziehenden Teil einer Objektfläche, insbesondere eines Testfeldes (6) zur Bestimmung medizinisch relevanter Bestandteile von Körperflüssigkeiten bildet, mit einer Lichtquelle (58) zur Beleuchtung der Meßfläche (4) bevorzugt mit diffusem Licht, einem Photoempfänger (2) zum Empfang des von der Meßfläche (4) reflektierten Lichtes und einer im Strahlengang zwischen Meßfläche (4) und Photoempfänger (2) angeordneten Blende (8), dadurch gekennzeichnet, daß die Blende (8) eine im wesentlichen in Form einer sich zum Photoempfänger hin verjüngenden Kegelstumpfmantelfläche ausgebildete Blendenfläche (10) aufweist und die Blendenfläche (10) die Symmetrieachse (30) des Strahlengangs über einen Teil (16) von dessen Länge mit einer absorbierenden Oberfläche (11) im wesentlichen symmetrisch umgibt, so daß ein von außerhalb der Meßfläche reflektierter Lichtstrahl weder direkt noch nach einer Reflexion an der Blendenfläche zum Photoempfänger gelangen kann."

VI. Der geltende Patentanspruch 5 gemäß Hauptantrag lautet:

"5. Vorrichtung zur reflexionsphotometrischen Messung des Reflexionsvermögens einer Meßfläche (4), die einen bestimmten, zur Auswertung heranzuziehenden Teil einer Objektfläche, insbesondere eines Testfeldes (6) zur Bestimmung medizinisch relevanter Bestandteile von Körperflüssigkeiten bildet,

- mit einer Lichtquelle und einer Ulbricht'schen Kugel zur diffusen Beleuchtung der Meßfläche (4), wobei die Ulbricht'sche Kugel auf ihrer inneren Oberfläche eine Referenzfläche hat,

- mit einem ersten Photoempfänger (44) zum Empfang des von der Meßfläche reflektierten Lichts und einer im Strahlengang zwischen Meßfläche (4) und Photoempfänger (44) angeordneten ersten Blende (8),

- mit einem zweiten Photoempfänger (46) zum Empfang des von der Referenzfläche reflektierten Lichts, dadurch gekennzeichnet, daß

- die Lichtquelle eine Leuchtdiode (58) ist und

- beide Photoempfänger (44, 46) in der Ulbricht'schen Kugel angeordnet sind, wobei

- der erste Photoempfänger (44) auf die Meßfläche (4) gerichtet ist und die erste Blende (8) zwischen ihm und der Meßfläche (4) so ausgebildet und angeordnet ist, daß sie störende Randstrahlen praktisch vollständig ausblendet, und

- der zweite Photoempfänger (46) auf die Referenzfläche (62) der Ulbricht'schen Kugel gerichtet Die Ansprüche 2 bis 4 und 6 bis 12 gemäß Hauptantrag sind von Anspruch 1 beziehungsweise von Anspruch 5 abhängig.

VII. Der geltende Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist mit Anspruch 1 des Hauptantrags identisch. Die Ansprüche 2 bis 10 gemäß Hilfsantrag sind von Anspruch 1 abhängig, wobei der Anspruch 5 lautet:

"5. Vorrichtung nach einem der vorgehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Meßfläche (4) über eine Ulbricht'sche Kugel (34, 36) diffus beleuchtet wird, daß ein zweiter Photoempfänger (46) zur Messung eines Referenzwertes an einer Referenzfläche bekannten Reflexionsvermögens vorhanden ist und daß als Referenzfläche bekannten Reflexionsvermögens zur Bestimmung des Referenzwertes ein Teil (62) der inneren Oberfläche der Ulbricht'schen Kugel (34, 36) verwendet wird."

VIII. Hinsichtlich des Hauptantrages stützt die Beschwerdeführerin nunmehr ihre Auffassung, der Ersatz der Strukturmerkmale der Blende (8) durch die in den Anspruch 5 gemäß Hauptantrag aufgenommene Blendenwirkung - wonach "die erste Blende (8) ... so ausgebildet und angeordnet ist, daß sie störende Randstrahlen praktisch vollständig ausblendet" -widerspreche nicht Artikel 123(2) EPÜ, im wesentlichen auf folgende Argumente:

a) Die in Anspruch 5 aufgenommene Blendenfunktion sei in der ursprünglichen Beschreibung, Seite 3, Zeilen 31 bis 33, wörtlich offenbart; b) Der Ersatz eines konkreten Arbeitsmittels durch seine offenbarte Funktion müsse im Erteilungsverfahren zulässig sein, da dies lediglich eine Erweiterung des Schutzbereichs mit sich bringe, was gemäß Art. 123(3) EPÜ nur für das Einspruchsverfahren ausgeschlossen sei.

c) Auch wenn den Strukturmerkmalen der Blende in den Anmeldungsunterlagen eine hohe Bedeutung eingeräumt werde, sei ihr Weglassen trotz dieser Gewichtung zulässig, da dem Fachmann hierdurch keine neue technische Lehre gegeben werde. Für die Überprüfung der Offenbarung sei ein Neuheitstest als hinreichend anzusehen. So nehme die im ursprünglichen Anspruch 5 definierte spezielle Blende die Neuheit der im strittigen Anspruch 5 allgemein durch ihre Wirkung definierten Blende vorweg. Das Weglassen der Strukturmerkmale wäre nur als unzulässig anzusehen, wenn hierdurch eine neue technische Lehre entstünde, etwa wie beim Weglassen der Teflonbeschichtung einer Bratpfanne.

d) Von besonderer Bedeutung sei, daß der Fachmann der ursprünglichen Beschreibung entnehmen könne, daß bei der im Anspruch 5 beanspruchten Meßvorrichtung mit den zwei in einer Ulbricht'schen Kugel angeordneten Photoempfängern für den Meßwert bzw. den Referenzwert die spezielle Blendenstruktur keine Rolle spiele. So werde einmal in der Beschreibung, Seite 4, Zeilen 9 bis 16, auch auf andere Blendenformen hingewiesen und damit eine Verallgemeinerung offenbart, und zum anderen bei der Beschreibung der Ulbricht'schen Kugel mit zwei Photoempfängern in der Beschreibung, Seiten 6 bis 8 und 11 bis 13, insbesondere Seite 8, Zeilen 18 und 19, sowie Seite 11, Zeilen 19 bis 21, 25 und 26, auf die spezielle Struktur der Blende nicht näher eingegangen.

e) Desweiteren könne der Fachmann bei einer Interpretation der Erfindung im Lichte des Standes der Technik gemäß dem während der Rücksprache mit dem beauftragten Prüfer am 9. Januar 1985 überreichten Dokument "Seralyser" ohne weiteres erkennen, daß es bei der in Anspruch 5 beanspruchten Meßvorrichtung mit zwei in einer Ulbricht'schen Kugel angeordneten Photoempfängern allein auf den geringen Abstand zwischen der Kugelfläche und den Photoempfängern ankommt, und nicht auf die Blendenform. Insbesondere sei aber erkennbar, daß diese Meßvorrichtung nicht zwingend mit der speziell offenbarten Blendenstruktur gekoppelt ist.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zum Hauptantrag:

2.1. Zulässigkeit der beantragten Änderungen in Anspruch 5

2.1.1. Der unabhängige Anspruch 5 des Hauptantrags ist aus dem ursprünglichen abhängigen Anspruch 5 hervorgegangen, dessen sachlicher Inhalt einmal durch zusätzliche Aufnahme von in der Beschreibung offenbarten konkreten Strukturmerkmalen spezifiert und zum anderen durch den Ersatz der die Blendenstruktur kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 durch eine in der Beschreibung, Seite 3, Zeilen 31 - 33 offenbarte Angabe der Blendenwirkung verallgemeinert worden ist. Über ihre Rückbeziehung auf den Anspruch 1 hatte die im ursprünglichen Anspruch 5 beanspruchte Meßvorrichtung mit zwei in einer Ulbricht'schen Kugel angeordneten Photoempfängern Blenden, die folgende vier Strukturmerkmale aufwiesen:

Die Blendenfläche war eine Kegelstumpfmantelfläche (Merkmal1), welche die Symmetrieachse des Strahlenganges im wesentlichen symmetrisch umgab (Merkmal 2), sich zum Photoempfänger hin verjüngte (Merkmal 3) und eine absorbiernde Oberfläche hatte (Merkmal 4). Die gemäß Anspruch 5 des geltenden Hauptantrags beanspruche Meßvorrichtung mit zwei in einer Ulbricht'schen Kugel angeordneten Photoempfängern hat nunmehr zwischen der Meßfläche und einem ersten Photoempfänger eine Blende, "die so ausgebildet und angeordnet ist, daß sie störende Randstrahlen praktisch vollständig ausschaltet".

2.1.2. Nach Auffassung der Kammer ist ein solcher Ersatz eines offenbarten speziellen Merkmals durch einen umfassenden allgemeinen Ausdruck als eine unter Artikel 123(2) EPÜ fallende unzulässige Änderung anzusehen, wenn über diesen allgemeinen Ausdruck implizit erstmals andere spezielle Merkmale als das offenbarte in Verbindung mit dem Anmeldungsgegenstand gebracht werden. Dies zeigt schon, daß der Auffassung der Beschwerdeführerin in Punkt VIII - b, die Erweiterung eines Anspruchsmerkmals ziehe ausschließlich eine unter Artikel 123(3) EPÜ fallende Erweiterung des Schutzbereichs nach sich, nicht gefolgt werden kann.

Im vorliegenden Fall werden über den Ersatz der genannten speziellen Blendenstruktur durch deren Funktion auch Blenden, die zwar die gleiche Wirkung erzeugen, aber eine von der in Anspruch 1 genannten abweichende Struktur aufweisen, innerhalb einer Meßvorrichtung mit zwei in einer Ulbricht'schen Kugel angeordneten Photoempfängern beansprucht. Aus den vorstehend genannten Gründen wäre ein solcher Ersatz im Hinblick auf Artikel 123(2) EPÜ nur dann zulässig, wenn für den Fachmann durch den Inhalt der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen eine Meßvorrichtung mit zwei in einer Ulbricht'schen Kugel angeordneten Photoempfängern und mit zumindest einer von der in Anspruch1 genannten, speziellen Blendenstruktur abweichenden Struktur mitumfaßt wäre. Dies ist nicht der Fall.

2.1.3. Der Beschwerdeführerin ist zwar darin zuzustimmen, daß während des Erteilungsverfahrens ein Merkmal unabhängig von dem ihm in den ursprünglichen Unterlagen gegebenen Gewicht wegggelassen werden kann, wenn dadurch keine neue technische Lehre entsteht; vgl. Punkt VIII - c. Doch im vorliegenden Fall bedeutet die Abänderung der Blende mit der in Anspruch 1 definierten Struktur in eine beliebige, lediglich durch die gleiche Wirkung definierte Blende, daß nunmehr auch sämtliche Äquivalente der ursprünglich beanspruchten Blende mit den übrigen Merkmalen der Meßvorrichtung gemäß Anspruch 5 - u.a. mit den zwei in der Ulbricht'schen Kugel angeordneten Photoempfängern - kombinierbar sein sollen. Das Bekanntsein eines Arbeitsmittels (hier: speziell ausgebildete Blende) nimmt aber dessen Äquivalente (hier: anders ausgebildete Blenden mit gleicher Wirkung wie die erstere) nicht neuheitsschädlich vorweg, selbst wenn diese an sich allgemein bekannt sind (vgl. Richtlinien, EPA C-IV, 7.2). Dies hat zur Folge, daß die Äquivalente eines offenbarten Arbeitsmittels als neu und damit als nicht offenbart anzusehen sind, wenn die ursprünglichen Unterlagen hierauf keinen Hinweis enthalten. Dies ist bei der Anwendung des sog. Neuheitstests zur Prüfung der Zulässigkeit einer Verallgemeinerung eines Merkmals einer Erfindung stets zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Fall ist also festzustellen, ob die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen irgendeinen Hinweis auf die Verwendbarkeit äquivalenter Blendenformen in der Meßvorrichtung gemäß dem ursprünglichen Anspruch 5 enthalten.

2.1.4. Nach eingehender Prüfung der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ist die Kammer entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin in Punkt VIII - d überzeugt, daß die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen dem Fachmann keinerlei Hinweis geben, in der Meßvorrichtung gemäß dem ursprünglichen Anspruch 5 mit zwei Photoempfängern in einer Ulbricht'schen Kugel irgendeine andere - gleichwirkende oder nicht gleichwirkende -Blende als die im Anspruch 1 definierte Blende vorzusehen. Der Hinweis auf andere bekannte Blendenformen in der Beschreibung Seite 4, Zeilen 9 - 16, gibt dem Fachmann losgelöst von der Meßvorrichtung mit der Ulbricht'schen Kugel und den zwei Photoempfängern ausschließlich die Lehre, daß die in Anspruch 1 beschriebene Blende eine gegenüber dem Stand der Technik um den Faktor 10 geringere Restreflexion des unerwünschten Streulichts ermöglicht. Aus dieser Angabe des Vorteils der Erfindung kann der Fachmann keinesfalls schließen, daß in der zwei in einer Ulbricht'schen Kugel angeordnete Photoempfänger aufweisenden Meßvorrichtung die zum Stand der Technik gehörenden Blenden mit einer um den Faktor 10 höheren Restreflexion der Störstrahlung verwendbar sind. Vielmehr weist die Beschreibung Seite 2, Zeilen 22 bis 29, ausdrücklich daraufhin, daß bei den kleinen, handlichen Geräten - so wie sie mit der zwei in einer Ulbricht'schen Kugel angeordnete Photoempfänger aufweisenden Meßvorrichtung geschaffen werden sollen - die möglichst vollständige Ausblendung der Störstrahlung wesentlich ist.

Die Kammer vermag ferner der Auffassung der Beschwerdeführerin in Punkt VIII - d nicht zu folgen, daß bei der Beschreibung der Meßvorrichtung mit zwei in der Ulbricht'schen Kugel angeordneten Photoempfängern (Figur 2) auf den Beschreibungsseiten 6 bis 8 und 11 bis 13 die spezielle Blendenstruktur in dieser Meßvorrichtung nicht näher präzisiert wird. Denn einmal sind auf Seite 11 in Zeilen 20, 21 und 26 drei der Strukturmerkmale der Blende, ihre Kegelstumpfform, ihre symmetrische Anordnung zum Strahlengang und ihre absorbierende Oberfläche wörtlich erwähnt. Zum anderen wird der Fachmann auch aufgrund der in einer Patentbeschreibung üblichen Darstellungsweise identischer Sachverhalte mit gleichen Bezugszeichen über die in den Figuren 1 und 2 einheitlich verwendeten Bezugszeichen 8 und 10 die zu Figur 1 gehörenden Beschreibungstexte mit der in Figur 2 dargestellten Blende in Verbindung bringen. Überdies folgt nach Auffassung der Kammer für den Fachmann auch aus der Art der zeichnerischen Darstellung der Blende 8 in Figuren 1 und 2, daß die gesondert beschriebene Blende der Figur 1 und die in Zusammenhang mit der zwei Photoempfänger enthaltenden Ulbricht'schen Kugel offenbarte Blende in Figur 2 identisch ausgebildet sind.

2.1.5. Die Frage, ob es bei der Offenbarungskontrolle zulässig ist, in das Fachwissen, mit dem der Fachmann den Inhalt der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen erfaßt, auch das am 9. Januar 1985 überreichte Dokument "Seralyser" einzubeziehen und nicht nur Sachverhalte, die durch allgemeine Fach- und Nachschlagewerke belegbar sind (vgl. die Entscheidung T 206/83, ABl. EPA 1987, 5, Punkt 4 bis 6) kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Denn aufgrund des entsprechenden expliziten Hinweises in der Beschreibung Seite 2, Zeilen 22 - 29, wird der Fachmann entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin in Punkt VIII - e auch gegenüber einem derartigen Stand der Technik die durch die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen gegebene Lehre nicht auf den geringen Abstand zwischen Kugelfläche und Photoempfänger beschränken, sondern die Ausschaltung der Störstrahlung als wesentliches Erfordernis mit einbeziehen. Außer der Blende gemäß Anspruch 1 sind den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen jedoch keinerlei Mittel zur Ausschaltung der Störstrahlung entnehmbar. Somit ist nach Auffassung der Kammer für den Fachmann die Blende gemäß Anspruch 1 unabdingbar mit den zwei in der Ulbricht'schen Kugel angeordneten Photoempfängern, d.h. mit der Meßvorrichtung gemäß Anspruch 5, verknüpft.

2.1.6. Aus den vorstehend genannten Gründen entspricht der Anspruch 5 des Hauptantrages nicht den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ. Somit ist der Hauptantrag der Beschwerdeführerin nicht gewährbar.

3. Zum Hilfsantrag:

3.1. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag enthält gegenüber dem ursprünglichen Anspruch 1 außer rein redaktionellen Änderungen zusätzlich folgende in der ursprünglichen Beschreibung offenbarte Merkmale: Die Spezifisierung des "medizinischen" Testfeldes als ein Testfeld "zur Bestimmung medizinisch relevanterBestandteile von Körperflüssigkeiten" (Seite 1, Zeilen 15 -18) sowie die Gesamtwirkung der Blendenstruktur "so daß ein von außerhalb der Meßfläche reflektierter Lichtstrahl weder direkt noch nach einer Reflexion an der Blendenfläche zum Photoempfänger gelangen kann" (Seite 9, Zeile 31 bis Seite 10, Zeile 4). Die Ansprüche 5 und 6 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 5 und 6 abgesehen davon, daß das Merkmal, daß "beide Photoempfänger gleich ausgebildete Blenden aufweisen" vom ursprünglichen Anspruch 5 in den gültigen Anspruch 6 überführt wurde. Diese Merkmalsüberführung ist durch die ursprüngliche Beschreibung, Seite 6, Zeilen 8 -11, abgedeckt, in der die "gleich ausgebildeten" Blenden als Fakultativmerkmal der Ulbricht'schen Kugel mit zwei Photoempfängern offenbart sind. Ansprüche 2 - 4 und 7 - 10 sind bis auf geringfügige redaktionelle Änderungen mit den ursprünglichen Ansprüchen 2 - 4 und 7 -10 identisch. Die Änderungen der Beschreibung betreffen ausschließlich Anpassungen an die Fassung der Ansprüche gemäß Hilfsantrag. Somit entsprechen sämtliche Änderungen des Hilfsantrages Artikel 123(2) EPÜ.

Die Fassung der dem Hilfsantrag zugrundeliegenden Anmeldungsunterlagen ist daher formell nicht zu beanstanden.

3.2. Neuheit Keines der im Recherchenbericht oder von der Beschwerdeführerin genannten Dokumente beschreibt eine Vorrichtung zur reflexionsphotometrischen Messung des Reflexionsvermögens einer Meßfläche mit den im Oberbegriff des Anspruchs 1 angegebenen Merkmalen, bei der die zwischen Meßfläche und Photoempfänger angeordnete Blende die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebenen Struktur und Wirkung aufweist. Die in den Dokumenten DE-A-2 902 776 (D1); den von der Anmelderin offenbar als zum Stand der Technik gehörig vorgelegten Seiten 5 und 6 des Prospekts "Seralyser" (D2), DD-A-110 341 (D3) und US-A-4 232 971 (D4) beschriebenen Vorrichtungen geben die Oberbegriffsmerkmale des Anspruchs 1 wieder. Keine dieser bekannten Vorrichtungen zur Reflexionsmessung weist jedoch eine Blende mit einer sich zum Photoempfänger hin verjüngenden, absorbierenden Kegelstumpfmantelfläche auf. Die in der Prinzipskizze des Dokuments D2 dargestellte Blende ist äußerstenfalls als platten- oder rohrförmig zu interpretieren. In den Dokumenten D1 und D4 besteht die Blende aus einem in eine Ulbricht'sche Kugel eingelassenem kreisförmigen Beobachtungsfenster und in Dokument D3 aus einer Abbildungsoptik. Die weiteren Dokumente betreffen keine Vorrichtungen zur Reflexionsmessung, sondern Vorrichtungen zur Messung von Streulichtintensitäten (US-A-2 280 993 (D5)) oder des Brechungsindexes ("Soviet Inventions Illustrated", week B 40, 14 November 1979, Sections R 14, R 16 (D6)) sowie einen Justierschutz für einen Hochenergielaser FR-A- 2 466 783 (D7)), dessen sich verjüngende, absorbierende Kegelstumpfmantelfläche eine unbeabsichtigte Stahlreflexion in der Umgebung eines Eintrittsfensters vermeidet.

3.3. Erfinderische Tätigkeit

3.3.1. Ausgehend von einem Stand der Technik gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1, wie er beispielsweise aus Dokument D1 bekannt ist, ist die dem Anmeldungsgegenstand zugrundeliegende Aufgabe darin erkennbar, bei den bekannten Reflexionsmeßgeräten mit möglichst einfachen Mitteln eine Verbesserung der Meßgenauigkeit zu erreichen; vgl. auch die Beschreibung, Seite 3, Zeilen 5 bis 7.

3.3.2. Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst, indem mit Hilfe der im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 spezifizierten Blende der Einfluß störender Randstrahlen, die nicht von der Meßfläche stammen, unterdrückt wird. Nach Auffassung der Kammer kann der Fachmann dem in Punkt 3.2 genannten Stand der Technik keine Anregung zu diesem Lösungsprinzip entnehmen. Dokument D2 enthält keinerlei Hinweise, die Meßgenauigkeit mit Hilfe der Blendenform zu erhöhen. In den Reflexionsmeßgeräten gemäß den Dokumenten D1, D3 und D4 ist die Apertur des Photoempfängers nicht auf die Meßfläche, sondern auf die Innenwand der Ulbricht'schen Kugel gerichtet und erfaßt gezielt ein aus Meßstrahlung und Störstrahlung bestehendes Mischlicht. Die Dokumente D5 und D6 befaßen sich überhaupt nicht mit Reflexionsmessungen. Der aus Dokument D7 bekannte Justierschutz stellt keine Blende dar. Zwar entspricht seine Form durchaus der in Anspruch 1 präzisierten Blende, doch ist es nach Auffasung der Kammer für einen Fachmann nicht naheliegend, in einem Justierschutz, der ein unbeabsichtiges Zurückwerfen eines hochenergetischen Laserstrahls während seines Einjustierens in ein Eintrittsfenster vermeiden soll, eine Blende zu erkennen, die geeignet ist, außerhalb einer vorgegebenen Meßfläche reflektierte Randstrahlen zu unterdrücken.

3.3.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag beruht daher - wie schon die Prüfungsabteilung in ihrem Zurückweisungbeschluß, Seite 6, Absatz 1, erkennen ließ -auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

3.4. Der hilfsweise beantragte Anspruch 1 ist damit gewährbar (Artikel 52(1) EPÜ).

3.5. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 10 sind auf besondere Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1 gerichtet und deshalb ebenfalls gewährbar.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird mit der Auflage an die Vorinstanz zurückverwiesen, ein europäisches Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

1. Ansprüche 1 bis 10, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 29. Oktober 1987 (zum Hilfsantrag).

2. Beschreibung, Seite 1 bis 13, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 29. Oktober 1987 (zum Hilfsantrag).

3. 3 Blatt Zeichnungen 1/3 bis 3/3 wie veröffentlicht.

Quick Navigation