T 0888/08 (Verwendung von Herbizid-Kombinationen/BAYER CROPSCIENCE) of 3.8.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T088808.20100803
Datum der Entscheidung: 03 August 2010
Aktenzeichen: T 0888/08
Anmeldenummer: 99941559.9
IPC-Klasse: A01N 57/20
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Herbizide Mittel für tolerante oder resistente Getreidekulturen
Name des Anmelders: Bayer CropScience AG
Name des Einsprechenden: BASF SE
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 54
Schlagwörter: Hauptantrag - (nicht gewährbar) - Ausdruck "einen synergistisch wirksamen Gehalt" nicht klar
Erster Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0454/89
T 0615/95
T 0960/95
T 0524/97
T 0172/02
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0253/10
T 0460/11
T 2156/14
T 0919/15

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent Nr. 1 104 992 zu widerrufen.

II. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem die folgenden Dokumente zitiert:

(3) WO-A-97/10714

(10) WO-A-96/41537

III. Der Einspruch richtete sich gegen den vollen Umfang des Patents. Er basierte auf Einspruchsgründen gemäß Artikel 100(a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit).

IV. Die Einspruchsabteilung sah den Gegenstand der Ansprüche 1 und 6 des damaligen Hauptantrags als nicht neu an, insbesondere aufgrund der Offenbarung des Dokuments (10). Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 6 des ersten Hilfsantrags wurde als nicht neu angesehen im Hinblick auf das Dokument (3). Eine erfinderische Tätigkeit für die Ansprüche 1 und 6 des zweiten Hilfsantrags wurde nicht anerkannt, da ein synergistisch wirksamer Effekt nicht über die gesamte Breite der Ansprüche belegt wurde. Die spät eingereichten Hilfsanträge 3 und 4 wurden nicht zugelassen, da sie die Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht ausräumten.

V. Die folgenden Dokumente werden unter anderem im Beschwerdeverfahren zusätzlich herangezogen:

(15) Eingabe mit Versuchsbericht der Patentinhaberin/Beschwerdeführerin an das EPA vom 2. Februar 2004 im Erteilungsverfahren des Streitpatents

(16a) "Experimental Report", eingereicht von der Beschwerdeführerin mit dem Schreiben vom 7. Juli 2008, vier Seiten.

(16b) "New tests", eingereicht von der Beschwerdeführerin mit dem Schreiben vom 7. Juli 2008, vier Seiten.

(21) Erklärung von Andreas Schier mit Datum vom 5. Juli 2010.

(23) Versuchsbericht zur Kulturpflanzenverträglich-keit, eingereicht von der Beschwerdeführerin mit dem Schreiben vom 5. Juli 2010, zwei Seiten

VI. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den Ansprüchen 1-8 des Hauptantrags, den jeweils fünf Ansprüche umfassenden Hilfsanträgen 1 bis 3 und den jeweils vier Ansprüche umfassenden Hilfsanträgen 4 und 5. Alle diese Anspruchssätze wurden mit dem Schreiben mit Datum vom 5. Juli 2010 eingereicht. Die Ansprüche 1 und 6 des Hauptantrags lauten wie folgt:

"1. Verwendung von Herbizid-Kombinationen zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Getreidekulturen, ausgenommen Reis und Mais, dadurch gekennzeichnet, daß die jeweilige Herbizid-Kombination einen synergistisch wirksamen Gehalt an

(a) einem breitwirksamen Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen, welche aus Verbindungen der Formel (A1),

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

worin Z einen Rest der Formel -OH oder einen Peptidrest der Formel

-NHCH(CH3)CONHCH(CH3)COOH bedeutet, und deren Salzen besteht,

und

(b) einem Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen, welche aus

(B1) selektiv in Getreide besonders gegen monokotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden mit Blattwirkung und/oder Bodenwirkung (Residualwirkung) aus der Gruppe Isoproturon, Fluthiamide, Prosulfocarb, Pendimethalin, Fenoxaprop-P, Fenoxaprop, Clodinafop, Diclofop und Flupyrsulfuron,

(B2) selektiv in Getreide gegen monokotyle und dikotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden mit überwiegend Blattwirkung aus der Gruppe Metsulfuron und Sulfosulfuron

(B3) selektiv in Getreide gegen Dikotyle und Monokotyle wirksamen Herbiziden mit Blatt- und Bodenwirkung aus der Gruppe Diflufenican / Flurtamone, Metosulam und Flumetsulam und

(B4) selektiv in Getreide gegen monokotyle und dikotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden mit Blattwirkung aus der Gruppe

(B4.1) Tribenuron, Thifensulfuron, Prosulfuron und Cinidon-ethyl und

(B4.2) Herbizide vom Wuchsstofftyp aus der Gruppe 2,4-D, CMPP-P, Dichlorprop, MCPA, Fluroxypyr, Dicamba, Bentazone, und Clopyralid und

(B4.3) Hydroxybenzonitrile / Photosynthesehemmer aus der Gruppe Bromoxynil, Ioxynil und Metribuzin und

(B4.4) PPO-Hemmer aus der Gruppe Carfentrazone (-ethyl), Pyraflufen und Fluoroglycofen und

(B4.5) HPPDO-Hemmer aus der Gruppe Picolinafen, Aclonifen, Isoxaflutole, Clomazone, Sulcotrione und Mesotrione

besteht,

aufweist und die Getreidekulturen gegenüber den in der Kombination enthaltenen Herbiziden (a) und (b), gegebenenfalls in Gegenwart von Safenern, tolerant sind."

" 6. Herbizide Zusammensetzung, dadurch gekennzeichnet, daß die Herbizid-Kombination einen synergistisch wirksamen Gehalt an

einem Herbizid (a), definiert gemäß Anspruch 1 oder 2 und

einem Herbizid aus der Gruppe aus

(B1') selektiv in Getreide besonders gegen monokotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden mit Blattwirkung und/oder Bodenwirkung (Residualwirkung) aus der Gruppe, Fluthiamide, Prosulfocarb, Diclofop, und Flupyrsulfuron,

(B2') selektiv in Getreide gegen monokotyle und dikotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden mit überwiegend Blattwirkung aus der Gruppe Sulfosulfuron,

(B3') selektiv in Getreide gegen Dikotyle und Monokotyle wirksame Herbizide mit Blatt- und Bodenwirkung aus der Gruppe Diflufenican/Flurtamone, Metosulam und Flumetsulam und

(B4') selektiv in Getreide gegen monokotyle und dikotyle Schadpflanzen wirksame Herbizide mit Blattwirkung aus der Gruppe

(B4.1') Cinidon-ethyl

(B4.2') Herbizide vom Wuchsstofftyp aus der Gruppe Picloram und Clopyralid,

(B4.3') Hydroxybenzonitrile/Photosynthesehemmer aus der Gruppe Bromoxynil, Ioxynil,

(B4.4') PPO-Hemmer aus der Gruppe Carfentrazone (-ethyl), Pyraflufen und Fluoroglycofen und

(B4.5') HPPDO-Hemmer aus der Gruppe Picolinafen, Aclonifen, Isoxaflutole, Clomazone, Sulcotrione und Mesotrione

und gegebenenfalls im Pflanzenschutz übliche Zusatzstoffe und Formulierungshilfsmittel enthält."

Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags ist identisch mit dem Anspruch 1 des Hauptantrags.

VII. In der Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung wurden die Parteien darauf hingewiesen, dass die Kammer bezweifle, dass der Ausdruck "einen synergistisch wirksamen Gehalt" nicht klar sei.

VIII. Die folgenden Argumente der Beschwerdeführerin waren für diese Entscheidung erheblich:

- Die Versuchsdaten des Dokuments (23) wurden als Erwiderung auf das Argument der Beschwerdegegnerin eingereicht, die Kulturpflanzenverträglichkeit der Herbizid-Kombinationen sei nicht erwiesen. Dokument (23) verstärke lediglich die in der Beschwerdebegründung vorgelegten Argumente.

- Der Ausdruck "in einem synergistisch wirksamen Gehalt" beziehe sich auf die Kombination der Herbizide A und B.

- Der Fachmann könne durch Routineexperimente die synergetisch wirksamen Aufwandmengen und die Mengenverhältnisse der Herbizide A und B identifizieren. Dies belege das Dokument (21).

- Mittels der sogenannten "Colby-Formel" könne der Fachmann synergetisch wirksame Gehalte von nicht synergetischen klar abgrenzen.

- Dokument (10) beträfe die Bereitstellung von synergistisch wirksamen Herbizid-Kombinationen für die Anwendung in Getreide. Trotzdem offenbare es nur ein einziges Beispiel, in dem Glufosinate-Ammonium mit dem Sulfonylharnstoffderivat kombiniert wurde (siehe B52 in der Tabelle 11). Der Offenbarungsgehalt von Dokument (10) sei auf solche Kombinationen beschränkt. Darüber hinaus entnähme der Fachmann aus Dokument (10) keinen Hinweis auf weitere Kombinationspartner von Glufosinate-Ammonium, der es ihm erlauben würde, zu den erfindungsgemäßen Kombinationen zu gelangen.

IX. Die für diese Entscheidung erheblichen Argumente der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- Die verschiedenen Verbindungen der Formel A wurden auf die Verbindungen der Formel A1 beschränkt und einige Verbindungen der Formel B gestrichen. Dies stelle eine Auswahl aus zwei verschiedenen Listen dar, ohne irgendeine Stütze in der ursprünglich eingereichten Beschreibung. Da die in der Beschreibung auf den Seiten 18 bis 20 beschriebenen Mischungen Zweierkombinationen von bestimmten Verbindungen beträfen, könnten sie nicht als Stütze für diese Änderungen dienen.

- Angesichts der hohen Zahl von Parametern, die einen Einfluss auf die Synergie der beanspruchten Herbizid-Kombinationen haben (siehe Dokument (21), Seite 4, erster voller Absatz), mache die Einführung des Ausdrucks "...einen synergistisch wirksamen Gehalt an..." den Anspruch 6 unklar.

- Dokument (10) stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar. Der Austausch der Verbindungen der Formel (i) im Dokument (10) durch ähnliche Sulfonylharnstoffe, die vergleichbare chemische und biologische Eigenschaften aufweisen, hätte dem Fachmann nahegelegen.

- Die im Streitpatent beanspruchten Kombinationen hätten oft eine geringere herbizide Wirksamkeit als die unter die Ansprüche des Dokuments (10) fallende Kombination von Iodosulfuron mit Glufosinate (Siehe Seite 2 der dem Dokument (15) beigefügten Versuchsdaten). Eine solche Verschlechterung könne keine erfinderische Tätigkeit begründen.

- Die in der Beschreibung des Patents erwähnten Versuchsdaten wurden als "prophetische Beispiele" angesehen.

- Das mit dem Schreiben der Beschwerdeführerin vom 5. Juli 2010 zitierte Dokument (23) sei verspätet eingereicht und sollte daher nicht ins Verfahren zugelassen werden. Die Versuchsdaten des Dokuments (23) seien zu spät eingereicht worden und daher habe die Beschwerdegegnerin keine Zeit auf diese Daten zu reagieren. Weiterhin hätten sie schon mit der Beschwerdebegründung vorgelegt werden können, da sie eine Erwiderung auf ein Argument der Einspruchsabteilung seien.

X. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent aufrechtzuerhalten entweder auf der Basis der Ansprüche gemäß Hauptantrag oder gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 5. Ihren im schriftlichen Verfahren gestellten Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nahm sie während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zurück.

XI. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Dokument (23) nicht in das Verfahren zuzulassen.

XII. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde die Entscheidung verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Dokument (23)

2. Dokument (23) wurde am 05. Juli 2010 abgeschickt, also weniger als einen Monat vor der mündlichen Verhandlung vor der Kammer. Die Beschwerdeführerin berief sich darauf, das Dokument (23) sei eine Reaktion auf den Einwand der Beschwerdegegnerin, die Kulturpflanzenverträglichkeit der Herbizid-Kombinationen sei nicht erwiesen. Dieser Einwand wurde bereits im Brief vom 24. November 2008 erhoben (siehe Punkt III a) auf den Seiten 7 und 8). Die im Dokument (23) enthaltenen Versuchsdaten hätten also früher vorgelegt werden können. Durch die verspätete Vorlage dieses Dokuments war nicht gewährleistet, dass die Beschwerdegegnerin ohne Verschiebung der mündlichen Verhandlung sich angemessen zu diesem Dokument äußern konnte, beispielweise durch Gegenversuche.

Die Kammer machte daher von ihrem Ermessen gemäß Artikel 114(2) EPÜ Gebrauch und ließ das Dokument nicht in das Verfahren zu (siehe Artikel 13(3) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern).

Hauptantrag

3. Änderungen

Anspruch 1

3.1 Der Wortlaut des Anspruchs 1 wurde so geändert, dass die Verbindungen der Formel A auf Verbindungen der Formel A1 beschränkt wurden. Weiterhin wurden mehrere spezifische Verbindungen der Formel B gestrichen. Ferner wurde der Ausdruck "oder mehreren" im Passus "(b) einem oder mehreren Herbiziden aus der Gruppe..." gestrichen.

3.2 Die Beschwerdegegnerin rügte, dass zumindestens die Beschränkung zu Verbindungen der Formel A1 und die Streichungen von verschiedenen Verbindungen der Formel B gegen Artikel 123(2) EPÜ verstießen (siehe oben unter Punkt IX).

Die Kammer teilt diese Meinung nicht und zwar aus den folgenden Gründen.

Aus der ursprünglich eingereichten Beschreibung ist zu entnehmen (siehe Seite 27, zweiter Absatz, sowie der vorletzte Absatz der Seite 18), dass Herbizid-Kombinationen, die nur zwei Verbindungen enthalten, nämlich A + B, tatsächlich beschrieben werden. Die Beschränkung auf die Verbindungen der Formel A1 und auf die eingeschränkte Zahl von Herbiziden der Formel B führt nicht zu einer Kombination von bestimmter Bedeutung, die keine Basis in der ursprünglich eingereichten Beschreibung hat. Anders gesagt entsteht aus diesen Einschränkungen keine Individualisierung eines in der Beschreibung nicht beschriebenen Gegenstands. Vielmehr bleibt der beanspruchte Gegenstand generisch und unterscheidet sich lediglich vom ursprünglich eingereichten Gegenstand dadurch, dass er kleiner ist (T 615/95; Punkt 6 der Begründung; nicht veröffentlicht).

Anspruch 6

3.3 Der Wortlaut des erteilten Anspruchs 6 wurde geändert indem der Ausdruck "synergistisch wirksamen Gehalt an" hinzugefügt wurde.

Dieses hinzugefügte Merkmal ist in der ursprünglich eingereichten Fassung der Beschreibung auf der Seite 23 am Anfang des letzten Absatzes zu finden.

3.4 Die Kammer hat sich vergewissert, dass auch die weiteren Änderungen in den Ansprüchen den Erfordernissen von Artikel 123(2) EPÜ genügen.

3.5 Da die geänderte Fassung des Hauptantrags eindeutig eine Einschränkung gegenüber der erteilten Fassung darstellt haben weder die Kammer noch die Beschwerdeführerin Bedenken hinsichtlich der Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ.

3.6 Der Gegenstand des Hauptantrags genügt daher den Erfordernissen des Artikels 123(2) und (3) EPÜ.

4. Deutlichkeit der Ansprüche

4.1 Da die Ansprüche des vorliegenden Hauptantrags nach der Erteilung geändert wurden ist es zu prüfen, ob durch diese Änderungen die Deutlichkeit der Ansprüche beeinträchtigt wird.

4.2 Ein Anspruch ist nur dann deutlich, wenn der Fachmann ohne Zweifel dessen Gegenstand von demjenigen des Standes der Technik unterscheiden kann. Die Hinzufügung des Begriffs "synergistisch wirksamen Gehalt" erfüllt diese Bedingung nicht. Aus dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dokument (21) (siehe die letzte Seite, erster vollständiger Absatz) ist zu entnehmen, dass nicht nur die Aufwandmengen und die Mengenverhältnisse der Herbizide entscheiden, ob Herbizide synergistisch wirksam sind, sondern auch die konkreten Anbaubedingungen, wie die Boden- und Klimaverhältnisse. Keine von diesen Merkmalen bzw. Bedingungen sind im Wortlaut des Anspruchs 6 erwähnt. Der Fachmann, der eine A und B enthaltende Zusammensetzung anwenden will, ist nicht in der Lage, eindeutig zu bestimmen, ob diese Mischung synergistisch wirken wird oder nicht, da dieser synergistische Effekt von verschiedenen, nicht im Anspruch 6 angegebenen Merkmalen abhängig ist. Daher sind die Grenzen des beanspruchten Gegenstandes nicht klar definiert worden.

Die Kammer hat gemäß Dokument (21) keinen Grund daran zu zweifeln, dass der Fachmann die geeigneten Mengen anwenden kann. Auch ist die Kammer überzeugt, dass der Fachmann den synergistischen Effekt mittels der "Colby-Formel" messen kann (siehe oben unter Punkt VIII). Trotzdem könnte eine bestimmte Mischung von A und B an einem bestimmten Ort synergistisch wirken aber an einem anderen Ort (d.h. bei anderen Boden- und Klimaverhältnissen) nicht synergistisch wirken. Je nachdem, ob der Fachmann diese Mischung an einem Ort oder an einem anderen anwendet könnte er das Streitpatent verletzen oder nicht.

4.3 Anspruch 6 des Hauptantrags genügt daher nicht den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ. Die Kammer kann nur über einem Antrag als Ganzes entscheiden. Folglich wird der Hauptantrag zurückgewiesen.

Erster Hilfsantrag

5. Die Ansprüche des ersten Hilfsantrags sind identisch mit den Ansprüchen 1-5 des Hauptantrags. Aus den oben unter Punkt 2 genannten Gründen erfüllen daher auch die Ansprüche dieses Antrags die Anforderungen von Artikel 123(2) und (3) EPÜ. Da im ersten Hilfsantrag der Anspruch 6 gestrichen wurde, entfällt der oben unter Punkt 4 erläuterte Klarheitseinwand. Die Neuheit des Gegenstands dieser Ansprüche hat die Beschwerdegegnerin nicht bestritten, noch sieht die Kammer einen Grund, dies zu tun.

6. Erfinderische Tätigkeit

6.1 Nächstliegender Stand der Technik

6.1.1 Beide Parteien erachteten das Dokument (10) als nächstliegenden Stand der Technik. Die Kammer stimmt dem zu.

6.1.2 Dokument (10) offenbart die Verwendung der Zusammensetzungen, um Schadpflanzen in Getreidekulturen zu bekämpfen (siehe Seite 3, Zeilen 21-24). Die Zusammensetzungen des Dokuments (10) werden wie die erfindungsgemäßen Zusammensetzungen in einem synergistisch wirksamen Gehalt angewandt (siehe Dokument (10), Seite 34, Zeilen 20-25). In diesem Dokument wird Glufosinate-Ammonium, das unter die Verbindungen der Formel A1 des Streitpatents fällt, mit einer Verbindung der Formel I

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

eingesetzt, um Schadpflanzen zu bekämpfen (siehe Seite 77, Tabelle 11). Der einzige Unterschied zwischen der Offenbarung des Dokuments (10) und dem Gegenstand der Ansprüche des Streitpatents liegt darin, dass die Sulfonylharnstoffderivate der Formel I gemäß Dokument (10) nicht unter die Definition der Herbizide B gemäß Anspruch 1 des Streitpatents fallen.

6.2 Aufgabe

Ausgehend vom Dokument (10) kann die zu lösende Aufgabe angesehen werden als die Verwendung von alternativen synergetisch wirksamen Herbizid-Kombinationen zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Getreidekulturen.

6.3 Lösung

6.3.1 Die experimentellen Ergebnisse der Tabelle 3 sowie der Tabelle 4 (siehe (A1.2)+(B4.3.1)) (siehe Seite 16 des Streitpatents) und der Tabelle 5 (siehe (A1.2)+(B4.1.6) und (A1.2)+(B4.2.5)) (siehe Seite 17 des Streitpatents) sowie die Versuchsdaten der Dokumente (15), (16a) und (16b) zeigen, dass die Herbizid-Kombinationen synergetisch Schadpflanzen in Getreidekulturen bekämpfen können. Die Kammer ist daher überzeugt, dass die oben genannte Aufgabe tatsächlich gelöst wurde.

6.3.2 Nun bleibt noch zu ermitteln, ob der Stand der Technik dem Fachmann irgendeine Anregung bot, diese objektive Aufgabe zu lösen.

Die allgemeine Lehre des Dokuments (10) umfasst nur Herbizid-Kombinationen, die Glufosinate-Ammonium und zwingend ein Sulfonylharnstoffderivat der oben angegebenen Formel enthalten. Der Fachmann konnte daher, vom Dokument (10) nicht ableiten, dass Herbizid-Kombinationen, die keine Sulfonylharnstoffderivate der oben angegebenen Formel enthalten, synergistisch gegen Schadpflanzen wirken.

6.4 Die Beschwerdegegnerin schloss aus den im Prüfungsverfahren von der Beschwerdeführerin vorgelegten Daten (Dokument (15)), dass der Austausch der Verbindung der Formel I des Dokuments (10) durch eine ähnliche Verbindung (siehe Sulfosulfuron oder Metsulfuron), die vergleichbare chemische und biologische Eigenschaften aufweisen, dem Fachmann nahegelegt sei. Dieses Argument berücksichtigt einerseits nicht, dass das Dokument (15) nicht zum Stand der Technik gemäß Artikel 54(2) EPÜ gehört, dem Fachmann also zum fraglichen Zeitpunkt gar nicht zur Verfügung stand. Andererseits trifft dieses Argument auf die oben unter Punkt 6.2 definierte Aufgabe nicht zu, die ja nicht auf eine Verbesserung der herbiziden Wirksamkeit zielt, sondern auf die Verwendung alternativer synergetisch wirksamer Herbizid-Kombinationen.

Synergismus ist jedoch nicht vorhersehbar (siehe Dokument (21), Seite 3, letzter Absatz). Daher führt der Austausch von einer Verbindung durch eine strukturell ähnliche Verbindung in einer Herbizid-Kombination zu einer Kombination, die nicht zwangsläufig auch synergistisch wirkt. Der Fachmann konnte folglich weder aus Dokument (10) noch aus den anderen zitierten Dokumenten entnehmen, wie er die im Dokument (10) offenbarten Kombinationen modifizieren könne, um weitere synergistisch wirksame Herbizid-Kombinationen zu erhalten. Ob die erfindungsgemäß verwendeten eine geringere Wirksamkeit haben als die im Dokuments (10) offenbarten, ist für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unerheblich. Gemäß der Rechtssprechung der Beschwerdekammern ist eine Verbesserung keine Voraussetzung für eine erfinderische Tätigkeit. Artikel 56 EPÜ erfordert lediglich, dass sich der beanspruchte Gegenstand nicht in einer naheliegenden Weise vom Stand der Technik ableiten lässt (siehe T 960/95, Punkt 11.2 der Entscheidungsgründe und T 524/97, Punkt 5.7 der Entscheidungsgründe).

6.5 Da sich die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Lösung aus dem Stand der Technik nicht in einer naheliegenden Weise ergibt, beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit. Ansprüche 2-5 sind vom Anspruch 1 abhängig und daher auch als erfinderisch anzusehen (Artikel 56 EPÜ).

7. Anpassung der Beschreibung

Die Beschwerdegegnerin erhob keine Einwände gegen die während der mündlichen Verhandlung vorgelegte, an den ersten Hilfsantrag angepasste Beschreibung. Auch die Kammer sieht keinen Grund zu solch einem Einwand.

8. Da der erste Hilfsantrag gewährbar ist, braucht sich die Kammer mit den übrigen Hilfsanträgen nicht befassen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent im geänderten Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Beschreibung:

Seiten 3-18 eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 3. August 2010.

Ansprüche:

Nr. 1-5 des Hilfsantrags 1 eingereicht mit Schreiben vom 5. Juli 2010.

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