T 0217/10 () of 25.3.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T021710.20150325
Datum der Entscheidung: 25 März 2015
Aktenzeichen: T 0217/10
Anmeldenummer: 02007218.7
IPC-Klasse: A61B 19/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Medizinische Navigation bzw. prä-operative Behandlungsplanung mit Unterstützung durch generische Patientendaten
Name des Anmelders: Brainlab AG
Name des Einsprechenden: EOS Imaging
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 99(1)
European Patent Convention Art 114(2)
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Änderungen - Erweiterung des Patentanspruchs (nein)
Verspätetes Vorbringen - Dokument zugelassen (ja)
Nicht substantiierte Hilfsanträge I bis V - nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens
Spät eingereichter Hilfsantrag VI - zugelassen (ja)
Orientierungssatz:

Nicht substantiierte Hilfsanträge sind im Beschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen (Punkt 5 der Entscheidungsgründe)

Angeführte Entscheidungen:
T 0382/96
T 0406/04
T 0509/07
T 1732/10
T 0162/12
T 1836/12
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1098/11
T 0420/14
T 0940/14
T 1784/14
T 1818/14
T 2009/14
T 0369/15
T 1998/15
T 0291/16
T 1393/16
T 1504/16
T 1711/16
T 1766/16
T 1990/16
T 0558/17
T 2385/17
T 0843/18
T 1168/18
T 1191/18
T 2964/18
T 0830/19

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der am 26. November 2009 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung das auf der Basis der Entscheidung T 406/04 erteilte Patent Nr. 1348393 aufrechterhalten.

II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) legte hiergegen am 1. Februar 2010 Beschwerde ein und entrichtete am selben Tag die Beschwerdegebühr. Die Beschwerdebegründung wurde am 2. April 2010 eingereicht.

III. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung vom 21. Mai 2010 beantragte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) die Beschwerde zurückzuweisen oder hilfsweise das Patent auf der Basis eines der am 6. Oktober 2009 eingereichten Hilfsanträge I bis V aufrechtzuerhalten. Unter der Überschrift "Neuheit und erfinderische Tätigkeit" wurde lediglich Folgendes ausgeführt: "Patenanspruch 1 ist neu und basiert auf einer erfinderischen Tätigkeit, wie seitens des Einspruchsabteilung zutreffend in der Entscheidung unter II.6. und II.7. ausgeführt wurde. Ergänzend wird auf die diesseitigen Ausführungen vom 06. Oktober 2009, Seiten 4 bis 7 verwiesen." Bezüglich der (lediglich erwähnten) Hilfsanträge I bis V enthält die Beschwerdeerwiderung keine weiteren Angaben.

IV. Mit Bescheid vom 15. Oktober 2014 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung mit.

V. Am 25. März 2015 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der die Parteien die folgenden abschliessenden Anträge stellten:

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zu zurückzuweisen (Hauptantrag) oder hilfsweise das Patent in geändertem Umfang auf der Basis eines der am 6. Oktober 2009 eingereichten Hilfsanträge I bis V oder des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags VI aufrechtzuerhalten.

VI. Der unabhängige Anspruch 1 des erteilten Patents (Hauptantrag) lautet wie folgt:

"Verfahren zur computergestützten medizinischen Navigation bzw. präoperativen Behandlungsplanung, bei dem mittels einer Positionserfassungseinheit die aktuelle Position eines Patienten oder eines Patientenkörperteils im Raum erfasst wird, und bei dem die erfassten Positionsdaten modifizierten Körperstrukturdaten eines generischen Modells zugeordnet werden, um die modifizierten Körperstrukturdaten in Zuordnung zu den Positionsdaten gemeinsam im Rahmen der Behandlungsunterstützung zu verwenden, wobei digital rekonstruierte Röntgenbilder des generischen Modells verwendet werden, wobei die digital rekonstruierten Röntgenbilder mit Röntgenbilddaten des Patienten in Deckung gebracht werden, um die modifizierten Körperstrukturdaten zu erstellen."

Die Ansprüche 2 bis 7 sind hiervon abhängig.

Anspruch 1 des Hilfsantrags I enthält gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrages am Ende folgenden Zusatz:

"..., wobei das generische Modell ein statistisches Modell der Körperstruktur basierend auf statistischen Auswertungen einer unbestimmten Anzahl von Bilddaten umfabetat."

Anspruch 1 des Hilfsantrags II enthält gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrages am Ende folgenden Zusatz:

"..., wobei die Röntgenbilddaten des Patienten digital rekonstruierte Röntgenbilddaten sind."

Anspruch 1 des Hilfsantrags III enthält gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrages am Ende folgenden Zusatz:

"..., wobei die Röntgenbilddaten des Patienten als digital rekonstruierte Röntgenbilder aus Computertomographie- oder Kernspintomographie-Bilddatensätzen ermittelt werden."

Anspruch 1 des Hilfsantrags IV enthält gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrages am Ende folgenden Zusatz:

"..., wobei die Anpassung des generischen Modells durch automatische Bildfusionsverfahren erfolgt, die auf der automatischen Erkennung von anatomischen Merkmalen basieren."

Anspruch 1 des Hilfsantrags V enthält gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrages am Ende folgenden Zusatz:

"..., wobei die Röntgenbilddaten des Patienten als digital rekonstruierte Röntgenbilder aus Computertomographie- oder Kernspintomographie-Bilddatensätzen ermittelt werden, wobei die Anpassung des generischen Modells durch automatische Bildfusionsverfahren erfolgt, die auf der automatischen Erkennung von anatomischen Merkmalen basieren."

Anspruch 1 des Hilfsantrages VI ist identisch mit dem des Anspruchs 1 von Hilfsantrag III.

VII. Von den zitierten Dokumenten sind die folgenden für diese Entscheidung von Bedeutung:

D1: WO-A-02/62249

D2: M. Fleute: "Shape reconstruction for computer assisted surgery based on non-rigid registration of statistical models with intra-operative point data and X-ray images" Doktorarbeit, eingereicht am 3. Oktober 2011 an der Université Joseph Fourier, Grenoble

D3: WO-A-01/22368

D4: I. Gargouri et al.: "Reconstruction 3D des os du genou par rétroprojections radiographiques multiplanes" Abstract, 1er Symposium International de Biomatériaux Avancés, 2. bis 5. Oktober 1997, Montréal, Canada

D5: FR-A-2 810 769

D6: S. Laporte et al.: "3D reconstruction method using non stereo-corresponding 2-D contours on X-rays: case of the femur" International Society of Biomechanics, XVIIIth Congress, 8. bis 13. Juli 2001, Zürich, Schweiz

D7: P. Messmer et al.: "Volumetric model determination of the tibia based on 2D radiographs using a 2D/3D database" Computer Aided Surgery, Vol. 6, S. 183-194, 2001

D8: S. Benameur et al.: "3D biplanar reconstruction of scoliotic vertebrae using statistical models", 2001 IEEE Computer Society Conference on Computer Vision and Pattern Recognition, CVPR 200l, volume II, S. 577-582, Kauai Marriott, Hawaii, USA, Dezember 2001

D9: WO-A-01/78015

D10: US-A-6 125 164

D11: S. Delorme et al.: "Three-dimensional modelling and rendering of the human skeletal trunk from 2D radiographic images", IEEE 1999, S. 497-505

D19: J. Lötjönen: "Construction of boundary element models in bioelectromagnetism", Dissertation, Helsinki University of Technology, Espoo, Finland, 2000

D20: J. Lötjönen et al.: "Reconstruction of 3-D geometry using 2-D profiles and a geometric prior model", IEEE Transactions on Medical Imaging, Vol. 18, No. 10, S. 992-1002, 1999.

VIII. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten entscheidungsrelevanten Argumente sind im Wesentlichen diejenigen, auf die sich die nachfolgenden Entscheidungsgründe stützen. Es wurden ausserdem hier nicht näher zu spezifizierende Einwände unter Artikel 123(2) und 83 EPÜ vorgebracht.

IX. Die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten entscheidungsrelevanten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Dokument D3 offenbare (wie auch die Dokumente D1 bis D9 und D11) lediglich ein konturbasiertes Verfahren, bei dem keine digital rekonstruierten Röntgenbilder (DRR) des generischen Modells verwendet werden.

Dokument D20 sei erst mit der Beschwerdebegründung und damit verspätet eingereicht worden. Es sei nicht prima facie relevant, da es ebenfalls nur ein konturbasiertes Verfahren offenbare. Wie in der mündlichen Verhandlung beantragt, sei D20 daher nicht in das Verfahren zuzulassen.

Das in D20 beschriebene Verfahren sei kein Verfahren zur computergestützten medizinischen Navigation bzw. präoperativen Behandlungsplanung, bei dem mittels einer Positionserfassungseinheit die aktuelle Position eines Patienten oder eines Patientenkörperteils im Raum erfasst werde, wie dies gemäss Anspruch 1 gefordert sei. Überdies sei das dort beschriebene "prior model" gemäss Punkt 1) in der linken Spalte von Seite 995 bereits segmentiert. Es werde lediglich ein "surface matching" vorgenommen, bei dem die Konturen des segmentierten "prior model" mit denen der Röntgenbilder in Deckung gebracht würden, wie auch anhand der in Figur 14 gezeigten Linien deutlich werde. Wie schon aus dem ersten Satz des Abstracts hervorgehe, würden in D20 schliesslich auch keine "modifizierten Körperstrukturdaten" wie beansprucht erstellt, sondern nur Oberflächenstrukturen.

Der von D3 ausgehende Fachmann hätte keinerlei Veranlassung, die Lehre von D20 in Betracht zu ziehen. Die zu lösende Aufgabe bestehe darin, mit wenig Input, d.h. eventuell nur auf der Basis eines einzigen Röntgenbildes und der damit einhergehenden geringen Strahlenbelastung, eine trotzdem hinreichend genaue Navigation zu ermöglichen. Hierbei würden insbesondere die in dem DRR des generischen Modells enthaltenen Grauwerte helfen. In D20 werde diese Information überhaupt nicht genutzt, da auch dort nur ein konturbasiertes Verfahren offenbart sei. Schliesslich würde auch die Kombination von D3 und D20 keine Bilddatensätze liefern, mit denen die beanspruchten "modifizierten Körperstrukturdataten" erstellt werden.

Die Hilfsanträge I bis V seien Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, wobei auf die Schriftsätze vom 21. Mai 2010 und vom 6. Oktober 2009 zu verweisen sei.

Der Schutzbereich von Anspruch 1 gemäss Hilfsantrag VI sei durch das hinzugefügte Merkmal gegenüber dem von Anspruch 1 des Streitpatents eingeschränkt, da letzterer "Röntgenbilddaten des Patienten" in allgemeiner Form definiere. DRR seien in Absatz [0020] des Streitpatents klar als lediglich fakultatives Merkmal erwähnt.

Ein Vergleich von DRR sowohl des generischen Modells als auch der Röntgenbilddaten des Patienten, wie in Anspruch 1 von Hilfsantrag VI definiert, sei weder in D3 noch in D20 offenbart. Der Vergleich werde auf dieser Basis schneller, einfacher und kostengünstiger. Das generische Modell könne sehr präzise und hochaufgelöste Informationen enthalten, die eine genauere Erstellung der modifizierten Körperstrukturdaten ermöglichten. Für den Vergleich mit den aus CT- oder MR-Bilddatensätzen des Patienten ermittelten DRR sei lediglich ein schneller und wenig belastender Grob-Scan erforderlich.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit - Hauptantrag

Bei der Beurteilung der Neuheit spielt der in Anspruch 1 enthaltene Begriff "digital rekonstruiertes Röntgenbild" (DRR) eine zentrale Rolle. Bei einem konventionellen oder "realen" 2D-Röntgenbild ergeben sich die Grauwerte durch Überlagerung, also Summation, der Absorptionen der vom Röntgenstrahl durchquerten Strukturen. Aus einem 3D-Tomographiedatensatz mit Transparenzwerten für jedes einzelne Volumenelement (Voxel) lassen sich konventionellen Röntgenbildern entsprechende DRR berechnen, die sich in einer bestimmten Projektionsebene ergeben würden, indem die Transparenz- bzw. Dichtewerte der jeweils in Strahl- bzw. Blickrichtung gelegenen Voxel summiert werden. Ein DRR ist also im hier vorliegenden Fall ein aus einem 3D-Datensatz in einer bestimmten Projektionsebene berechnetes 2D-Bild, das eine Grauwertverteilung repräsentiert, die eine Röntgen-Durchleuchtung auf diese Projektionsebene simuliert. Eine solche Definition liegt auch im Rahmen der Angaben in Absatz [0020] des Streitpatents.

Eine entsprechende Definition des Begriffes DRR wird auch in Dokument D10 verwendet (Spalte 3, Zeilen 23 bis 27; Spalte 4, Zeilen 20 bis 49 und Figur 8), worauf sich auch die Einspruchsabteilung in Punkt 6.2 der angegriffenen Entscheidung gestützt hat. Es handelt sich nach Ansicht der Kammer um einen gängigen Fachbegriff. Es ist insofern - entgegen der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Auffassung - nicht erforderlich, dass eine explizite Definition dieses Fachbegriffs im Streitpatent enthalten sein muss. Die Beschwerdeführerin hat im Übrigen keine Dokumente vorgelegt, die eine hiervon abweichende Definition von DRR beinhalten.

Ein DRR ist also grundsätzlich von einem mit einem konturbasiertem Verfahren berechnetem 2D-Bild zu unterscheiden, bei dem lediglich die Umrisse einer 3D-Struktur auf eine Ebene projiziert werden. Ein DRR kann zwar auch (hieraus in einem weiteren Schritt berechnete) Konturen zeigen, enthält aber zusätzlich hierzu noch Grauwert-Informationen innerhalb dieser Konturen.

2.1 Dokumente D1 bis D9 und D11

Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Neuheitseinwände bzgl. der Dokumente D1 bis D9 und D11, bei denen die dort offenbarten, durch konturbasierte Verfahren berechneten 2D-Bilder DDR gleichgesetzt werden, können aufgrund der obengenannten Definition von DRR nicht greifen.

2.1.1 Die in Figur 2 von D1 (Stand der Technik gemäss Artikel 54(3) EPÜ) gezeigten Projektionen 17' und 17" eines virtuellen Zylinders 17 (der prinzipiell als generisches Modell angesehen werden könnte) stellen lediglich seine Umrisse dar und sind somit keine DRR im o.a. Sinn.

2.1.2 Die von der Beschwerdeführerin bzgl. DDR zitierten Passagen in den Kapiteln 2.4 und 7 von D2 beziehen sich lediglich auf die Projektion von Konturen des generischen Modells. In Abschnitt 7.1.2 wird zwar auf aus der Literatur bekannte DDR-basierte Verfahren verwiesen - jedoch seien diese aufgrund des hohen Rechenaufwandes zu langsam.

2.1.3 Auch in D3 werden lediglich die Konturen des generischen Modells projiziert (siehe Figur 2B und den die Seiten 9 und 10 überbrückenden Absatz).

2.1.4 In D4 ist ebenfalls nur von einer Projektion der Konturen des generischen Modells die Rede (linke Spalte, letzter Satz des vorletzten Absatzes).

2.1.5 Ebenso erwähnt D5 in dem die Seiten 16 und 17 überbrückenden Absatz lediglich die Projektion der Konturen des generischen Modells.

2.1.6 D6 beschreibt (im zweiten Absatz) ebenfalls ein konturbasiertes Verfahren.

2.1.7 Die von der Beschwerdeführerin bezüglich DRR zitierte Passage in der Mitte der rechten Spalte auf Seite 186 von D7 bezieht sich wiederum auf ein konturbasiertes Verfahren. Zum Vergleich werden lediglich die Konturen auf den 2D-Röntgenbildern des generischen Modells verwendet. In der rechten Spalte auf Seite 185 befindet sich im ersten Satz von Punkt 3 zwar ein Hinweis auf die Verwendung von Grauwertbildern in der Literatur, hiervon wollen sich die Autoren von D7 aber explizit abgrenzen.

2.1.8 Auch in D8 werden in den von der Beschwerdeführerin bezüglich DRR zitierten Passagen in den Abschnitten 1 und 3.3 die Konturen des generischen Modells ("deformable template") projiziert (s. auch Abstract).

2.1.9 Ebenso wird in D9 ein konturbasiertes Verfahren verwendet (Seite 8, 1. Absatz).

2.1.10 Schliesslich lässt sich auch den auf den Seiten 499 und 500 von der Beschwerdeführerin zitierten Passagen des Dokuments D11 nicht entnehmen, dass von dem dort beschriebenen generischen Modell, bei dem die Wirbeldeckplatten in elliptischer Form dargestellt sind, DRR erstellt werden.

2.2 Dokument D19

Die von der Beschwerdeführerin zitierte Passage auf Seite 1 von D19 besagt lediglich, dass nichtinvasiv erhaltene Informationen über die Lage biolektrischer Problemzonen im Herzen für die erfolgreiche Behandlung der zugrundeliegenden Krankheiten oft essentiell sind. Ein Verfahren zur computergestützten medizinischen Navigation bzw. präoperativen Behandlungsplanung gemäss der Einleitung von Anspruch 1 ist dieser Passage jedoch nicht zu entnehmen.

2.3 Dokument D20

2.3.1 Zulässsigkeit

D20 wurde mit der Beschwerdebegründung in Verbindung mit einem Neuheitseinwand gegen Anspruch 1 genannt. Obwohl dieses Dokument somit nach Ablauf der neunmonatigen Einspruchsfrist gemäss Artikel 99(1) EPÜ eingereicht wurde, kann seine Einreichung als Reaktion auf die angegriffene Entscheidung angesehen werden, in der die Neuheit gegenüber den im Einspruchsverfahren befindlichen Dokumenten bejaht wurde. Wie im Folgenden unter Punkt 3.5 näher dargelegt, ist dieses Dokument auch prima facie relevant, da es die Verwendung von DRR eines generischen Modells offenbart. Es wäre somit nicht angemessen, wenn die Kammer in Ausübung ihres Ermessens gemäss Artikel 114(2) EPÜ dieses Dokument nicht berücksichtigen würde. Es wird daher in das Verfahren zugelassen.

2.3.2 Offenbarungsgehalt

Ein Verfahren zur computergestützten medizinischen Navigation bzw. präoperativen Behandlungsplanung gemäss der Einleitung von Anspruch 1 ist diesem Dokument nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen. In der in dieser Hinsicht von der Beschwerdeführerin zitierten Passage auf Seite 993 (linke Spalte, vorletzter Absatz) befindet sich kein diesbezüglicher Hinweis. Auch die Tatsache, dass auf Seite 992 (linke Spalte, letzter Absatz) ein Modell des Thorax im Zusammenhang mit Elektrokardiogrammen erwähnt ist, beinhaltet keine solche Offenbarung, da selbst eine - in D20 nicht explizit angesprochene - Diagnose (auf der Basis eines EKGs) noch keine "präoperative Behandlungsplanung" darstellt.

2.4 Da somit keines der entgegengehaltenen Dokumente alle Merkmale des Gegenstandes von Anspruch 1 des Hauptantrags offenbart, ist dieser neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ.

3. Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag

3.1 Dokument D3 als nächster Stand der Technik offenbart (mit den Worten von Anspruch 1) ein Verfahren zur computergestützten medizinischen Navigation bzw. präoperativen Behandlungsplanung (die in den Zeilen 8 bis 12 von Seite 1 erwähnte Simulation eines chirurgischen Eingriffs beinhaltet eine präoperative Behandlungsplanung), bei dem mittels einer Positionserfassungseinheit (4) die aktuelle Position eines Patienten (p) oder eines Patientenkörperteils (1) im Raum erfasst wird (Seite 7, Zeile 1 bis 6), und bei dem die erfassten Positionsdaten modifizierten Körperstrukturdaten eines generischen Modells zugeordnet werden (Seite 3, Zeile 23 bis 26), um die modifizierten Körperstrukturdaten in Zuordnung zu den Positionsdaten gemeinsam im Rahmen der Behandlungsunterstützung zu verwenden (diese Zweckbestimmung wird als implizit offenbart angesehen).

Wie in dem die Seiten 9 und 10 überbrückenden Absatz von D3 beschrieben, werden die Konturen des generischen Modells mit Röntgenbilddaten des Patienten in Deckung gebracht, um die modifizierten Körperstrukturdaten zu erstellen (siehe auch Seite 17, Zeilen 17 bis 21).

3.2 Hiervon unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 dadurch, dass digital rekonstruierte Röntgenbilder des generischen Modells verwendet werden und diese mit den Röntgenbilddaten des Patienten in Deckung gebracht werden, um die modifizierten Körperstrukturdaten zu erstellen. Wie bereits oben unter Punkt 2.1.3 erwähnt, sind die in D3 offenbarten Konturen des generischen Modells - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - nicht als digital rekonstruierte Röntgenbilder anzusehen.

3.3 Der technische Effekt der Verwendung von DRR kann darin gesehen werden, dass diese zusätzlich zu den Konturen des generischen Modells noch weitere Informationen des generischen Modells in Form von Grauwerten innerhalb der Konturen enthalten, die bei der Erstellung der modifizierten Körperstrukturdaten berücksichtigt werden können. Im Streitpatent selbst befinden sich allerdings keine diesbezüglichen Angaben.

3.4 Die mit dem Unterscheidungsmerkmal zu lösende objektive technische Aufgabe besteht somit darin, eine genauere Erstellung der modifizierten Körperstrukturdaten zu ermöglichen. Insbesondere soll diese Erhöhung der Genauigkeit der modifizierten Körperstrukturdaten und damit der Navigation erreicht werden, ohne dass eine kostenintensive und gesundheitsbelastende Erstellung eines separaten CT- oder MR-Bilddatensatzes für die Navigation oder Behandlungsplanung erfolgen muss, wie dies in Absatz [0007] des Streitpatents erwähnt ist. Diese Zielsetzung wird auch in D3 verfolgt (Seite 3, Zeile 1 bis 6).

3.5 Zur Lösung der gestellten Aufgabe würde der Fachmann entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin das Dokument D20 in Betracht ziehen, da es auch dort um die Erstellung von modifizierten Körperstrukturdaten durch Vergleich eines generischen Modells (in D20 als "prior model" bezeichnet) mit Röntgenbilddaten des Patienten geht (siehe Abstract). Zudem ist dort im zweiten Absatz der linken Spalte von Seite 1001 die Tatsache angesprochen, dass mit der dort beschriebenen Methode ein guter Kompromiss bezüglich Genauigkeit, Zeit und Kosten gegenüber einem individuellen Modell erreichbar ist, das aus MR-Bilddatensätzen extrahiert wird.

3.6 Gemäss Punkt 2) in Abschnitt III auf Seite 994 werden hierbei virtuelle Projektionen des generischen Modells verwendet, die die Bedingungen bei der Herstellung von Röntgenbildern simulieren. Nach Auffassung der Kammer ist dies mit der Verwendung von DRR des generischen Modells gleichzusetzen. Im ersten Satz des zweiten Absatzes der rechten Spalte von Seite 994 ist erwähnt, dass diese Projektionen reale Röntgenaufnahmen (also zweidimensionale Grauwertverteilungsbilder) simulieren, d.h. berechnet bzw. "rekonstruiert" sein müssen (siehe auch erster Satz des Abschnitts IV auf Seite 994). Dass in Figur 3 solche Grauwertverteilungen nicht klar zu erkennen sind, liegt nach Ansicht der Kammer daran, dass es sich hier nur um eine schematische Darstellung handelt, und dass, wie am Ende von Abschnitt III erwähnt, (innerhalb der gezeigten Konturen liegende) Knochenstrukturen nicht einbezogen wurden, da CT-Bilddatensätze des gesamten Thorax nicht verfügbar waren. Dort ist ausserdem erwähnt, dass diese "virtuellen Röntgenbilder" trotz dieser Vereinfachungen realen Röntgenbildern stark ähneln, wobei auf Figur 4 verwiesen wird, wo reale und virtuelle Projektionen in Form von Grauwertverteilungsbildern gezeigt sind. Nach Ansicht der Kammer entsprechen diese virtuellen Röntgenbilder also DRR. Der Begriff "virtuelle Röntgenbilder" wird im Übrigen auch in Absatz [0015] der veröffentlichten Anmeldung des Streitpatents mit Bezug auf das generische Modell verwendet.

D20 offenbart weiterhin, dass diese virtuellen Röntgenbilder oder DRR "mit Röntgenbilddaten des Patienten in Deckung gebracht werden [siehe die Abschnitte IV und V auf den Seiten 994 und 995], um die modifizierten Körperstrukturdaten zu erstellen [siehe Abschnitte VI und VII auf den Seiten 995 bis 998]". Der beanspruchte Begriff "modifizierte Körperstrukturdaten" ist nach Auffassung der Kammer breit auszulegen und entspricht dem in D20 beschriebenen "deformed model". Dass für das in den Abschnitten IV und V beschriebene Matching aus den erstellten virtuellen Röntgenbildern des generischen Modells bestimmte Profile oder Strukturen segmentiert werden, wird durch den Anspruchswortlaut nicht ausgeschlossen. Eine Segmentierung findet in D20 in den erstellten virtuellen Röntgenbildern statt (siehe Seite 993, linke Spalte, vorletzter Absatz) - es ist dem Dokument nicht zu entnehmen, dass das generische Modell selbst ("prior model") bereits segmentiert ist, wenn hieraus die virtuellen Röntgenbilder erstellt werden, wie von der Beschwerdegegnerin behauptet. Anspruch 1 lässt überdies auch offen, inwiefern Grauwerte für das In-Deckung-Bringen tatsächlich verwendet werden - von Grauwerten ist im Streitpatent überhaupt nicht die Rede. Das den beanspruchten "modifizierten Körperstrukturdaten" entsprechende "deformed model" in D20 weist überdies, wie in Figur 14(c) gezeigt, nicht nur Oberflächen-Konturen (wie von der Beschwerdegegnerin mit Verweis auf Seite 992, rechte Spalte, Ende des zweiten Absatzes behauptet), sondern eine Grauwertverteilung auf.

3.7 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags wird somit ausgehend von D3 in Anbetracht der Lehre von D20 nahegelegt und beruht daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ. Dieser Einwand unter Artikel 100(a) EPÜ steht folglich der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Form entgegen. Es ist deshalb nicht erforderlich zu untersuchen, ob dies auch auf der Basis von D3 allein unter Hinzuziehung des allgemeinen Fachwissens oder ausgehend von D9 in Kombination mit D20 der Fall ist, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht.

4. Übrige Einwände - Hauptantrag

Da der Gegenstand von Anspruch 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, erübrigt sich eine Diskussion der von der Beschwerdeführerin hiergegen erhobenen Einwände unter Artikel 100(b) i.V.m. Artikel 83 und unter Artikel 100(c) i.V.m. Artikel 123(2) EPÜ.

5. Hilfsanträge I bis V

Gemäss Artikel 12(2) VOBK müssen die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag der Beteiligten enthalten. Es ist insbesondere anzugeben, aus welchen Gründen beantragt wird, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder zu bestätigen.

Mit ihrer Beschwerdeerwiderung hat die Beschwerdegegnerin beantragt "[h]ilfsweise das Patent basierend auf einem der Hilfsanträge I bis V (eingereicht am 06. Oktober 2009) aufrechtzuerhalten". Der in der Beschwerdeerwiderung weiterhin enthaltene Sachvortrag bezieht sich allerdings lediglich auf die unveränderte Aufrechterhaltung des Patents bzw. die Zurückweisung der Beschwerde (mit einem ergänzenden Verweis auf einen Teil des Schreibens vom 6. Oktober 2009) - zu den (in der Beschwerdeerwiderung lediglich erwähnten, aber nicht als Anlage beigefügten) Hilfsanträgen enthält die Beschwerdebegründung keinerlei Stellungnahme. Das Einreichungsdatum der erwähnten Hilfsanträge liegt nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung.

Während die vorliegende Beschwerdeerwiderung somit Gründe enthält, weshalb die angefochtene Entscheidung zu bestätigen, die Beschwerde also zurückzuweisen ist, ist dies in Bezug auf eine Abänderung dieser Entscheidung - die Aufrechterhaltung auf der Basis der erwähnten Hilfsanträge - nicht der Fall.

5.1 Zur Beurteilung der hier vorliegenden Situation hält es die Kammer für angebracht, die Hintergründe des Zustandekommens der zitierten Bestimmung in der VOBK zu betrachten.

Gemäss Beschuss des Präsidiums vom 28. Oktober 2002 und Genehmigung des Verwaltungsrates am 12. Dezember 2002 (ABl. EPA 2003, 61) wurden damals die Artikel 10a (Grundlage des Verfahrens) und 10b (Änderung des Vorbringens eines Beteiligten) in die VOBK eingefügt. Diese Artikel wurden (mit für den im Folgenden zu diskutierenden Sachverhalt unbedeutenden Änderungen) mit Beschuss des Präsidiums vom 12. September 2007 und Genehmigung des Verwaltungsrates vom 25. Oktober 2007 in Artikel 12 und 13 VOBK umnummeriert. Die Einführung dieser Artikel in die VOBK zielte gemäss Dokument CA/33/02 darauf ab, ein effizienteres und faireres Verfahren vor den Kammern zu gewährleisten: "Die Vorschriften in den Artikeln 10a und 10b dienen generell dazu, "Pingpong"-Vorbringen und "Salami"-Taktik im schriftlichen Verfahren zu vermeiden, und sollen dafür sorgen, dass die Kammer (und insbesondere der Berichterstatter) mit einer Beschwerdeakte arbeiten kann, die nur einen vollständigen Sachvortrag jedes Beteiligten enthält." (Seite 2, Punkt B.2).

Zu Artikel 10a VOBK (jetzt Artikel 12) wird in Dokument CA/133/02 auf Seite 12 weiterhin ausgeführt:

"Nach diesem Artikel werden dem Beschwerdeverfahren die Beschwerde und die Beschwerdebegründung - im mehrseitigen Verfahren zusätzlich die Erwiderungen der anderen Beteiligten - und alle Mitteilungen der Kammer sowie alle vorschriftsmäßig eingereichten Antworten hierauf zugrunde gelegt. Diese Bestimmung sieht in Verbindung mit Artikel 10b(1) auch eine Zäsur vor, nach der jedes weitere Vorbringen ipso facto verspätet ist; [...]. Damit wird der Zeitpunkt, zu dem der Sachvortrag eines Beteiligten als vollständig gilt (so dass die Kammer eine Sache in ihrer Gesamtheit prüfen und vorbehaltlich einer mündlichen Verhandlung eine Entscheidung treffen kann), durch die Bestimmungen objektiv festgelegt und ist nicht mehr von der Verfahrensstrategie der Beteiligten abhängig."

Zu Artikel 10b VOBK (jetzt Artikel 13) wird in Dokument CA/133/02 auf Seite 16 weiterhin ausgeführt:

"Artikel 10b stellt die Zulässigkeit von nachträglichen Änderungen am Vorbringen eines Beteiligten (unabhängig davon, ob es um Tatsachen, Beweismittel oder Anträge geht) nach der durch die Artikel 10a(1) und 10b(1) festgelegten Zäsur in das Ermessen der Kammer (wie es bereits jetzt der Fall ist), ermächtigt die Kammer aber ausdrücklich dazu, solche Änderungen aufgrund der Komplexität des neuen Vorbringens, des Verfahrensstands und der gebotenen Verfahrensökonomie zurückzuweisen. [...] Der Schwerpunkt liegt auf der rechtzeitigen Einreichung; die verspätete Einreichung wird zwar nicht durch strikte Fristen vollkommen ausgeschlossen, durch die gegen Abschluss des Verfahrens schwindende Aussicht auf Zulassung jedoch eingedämmt."

5.2 Der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern ist in ihrer Gesamtheit somit zu entnehmen, dass das Beschwerdeverfahren primär ein schriftliches ist, wobei Artikel 12(2) VOBK festlegt, dass das vollständige Vorbringen der Beteiligten bereits zu Beginn des Verfahrens zu erfolgen hat und Artikel 13 VOBK die Zulassung von Änderungen des Vorbringens in das Ermessen der Kammer stellt. Wie aus den zitierten Passagen des Dokuments CA/133/02 hervorgeht, ist der Zweck dieser Bestimmungen ein faires Verfahren für alle Beteiligten sicherzustellen und es der Kammer zu ermöglichen, ihre Arbeit auf der Basis eines vollständigen Vorbringens beider Seiten zu beginnen. Im zweiseitigen Verfahren sollen sowohl die Rechte als auch die Pflichten zwischen den Parteien gleich verteilt sein, sodass die Kammer ihre unabhängige richterliche Funktion wahrnehmen kann (siehe auch T 1732/10, 1.4 der Entscheidungsgründe). Es wird also erwartet, dass nicht nur die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde substantiiert begründet, sondern dass gleichermassen auch die Beschwerdegegnerin zu einem frühen Verfahrensstadium darlegt, weshalb die in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwände nach ihrer Ansicht nicht greifen. Wenn Hilfsanträge vorgelegt werden, erfordert dies in der Regel auch eine Begründung inwiefern diese Einwände hierdurch ausgeräumt werden (zumindest wenn dies anhand der hierin eingefügten Änderungen nicht offensichtlich ist).

5.3 Im vorliegenden Fall sind die in die von der Beschwerdegegnerin eingereichten Hilfsanträge aufgenommenen Merkmale den abhängigen Ansprüchen und teilweise auch der Beschreibung entnommen. In der Beschwerdebegründung wird unter anderem die Neuheit nicht nur des unabhängigen, sondern auch aller abhängiger Ansprüche in detailliert begründeter und umfangreicher Weise angegriffen, nämlich gegenüber den Dokumenten D1 bis D9 und D11 sowie den mit der Beschwerdebegründung neu eingeführten Dokumenten D19 und D20. Es ist für die Kammer in keinerlei Weise direkt ersichtlich, wie die Hilfsanträge all diese Einwände ausräumen können. Dies wäre selbst dann nicht der Fall, wenn man die hierzu im Einspruchsverfahren am 6. Oktober 2009 vorgebrachten Kommentare berücksichtigen würde, da dort nicht ein einziges der entgegengehaltenen Dokumente überhaupt nur erwähnt ist.

Es stellt sich daher die Frage, ob derartige nicht substantiierte Hilfsanträge im Beschwerdeverfahren überhaupt zu berücksichtigen sind. Artikel 12 VOBK gibt implizit eine Antwort auf diese Frage. Wie bereits oben erwähnt, bestimmt Artikel 12(2) VOBK, dass die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten müssen, dass sie deutlich und knapp angeben müssen, aus welchen Gründen beantragt wird, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, abzuändern oder zu bestätigen, und dass sie ausdrücklich und spezifisch alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel anführen sollen. Nach Artikel 12(4) VOBK wird das gesamte Vorbringen der Beteiligten nach Absatz 1 von der Kammer berücksichtigt, wenn und soweit es sich auf die Beschwerdesache bezieht und die Erfordernisse nach Absatz 2 erfüllt. Anders ausgedrückt: nur wenn das Vorbringen eines Beteiligten die Erfordernisse nach Absatz 2 erfüllt, zwingt Artikel 12(4) VOBK die Kammer dieses Vorbringen zu berücksichtigen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein Vorbringen, dass die Erfordernisse des Absatzes 2 nicht erfüllt, auch nicht zwingend zu berücksichtigen ist. Dies ist im Einklang mit dem in dem Dokument CA/133/02 beschriebenen Zweck der Bestimmungen in der VOBK. Sonst müsste die Kammer selbst herausfinden, aus welchen Gründen das unvollständige Vorbringen dem erwünschten Zweck dienen könnte, bzw. darauf warten, dass der betreffende Beteiligte sein Vorbringen vervollständigt. Dies aber sollte gerade mit den geänderten Bestimmungen in der VOBK vermieden werden.

5.4 In der Rechtsprechung der Beschwerdekammern hat dies darin Niederschlag gefunden, dass ohne jegliche Begründung eingereichte Anträge gemäss Artikel 12(4) VOBK nicht berücksichtigt wurden, da die Erfordernisse nach Absatz 12(2) VOBK nicht erfüllt waren (T 509/07, Punkt 2 der Entscheidungsgründe; siehe auch T 382/96, Punkt 5.5). Die Kammer schliesst sich dieser Rechtsprechung an, da im vorliegenden Fall die Beschwerdegegnerin eine Begründung bezüglich der Hilfsanträge im Beschwerdeverfahren überhaupt nicht vorgebracht hat. Eine Begründung zu diesen Anträgen wurde auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren nachgereicht. Es ist daher hier nicht erforderlich zu prüfen, ob diese Hilfsanträge noch - als somit verspätet eingereicht geltend - in Ausübung des Ermessens nach Artikel 13(1) VOBK zu berücksichtigen wären oder nicht (T 1732/10, Punkt 1.5; T 162/12, Punkt 2.2; T 1836/12, Punkt 1).

6. Hilfsantrag VI

6.1 Zulässigkeit

Dieser Antrag basiert auf dem oben erwähnten Hilfsantrag III und wurde während der mündlichen Verhandlung eingereicht, nachdem der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags als nicht erfinderisch gegenüber D3 und D20 angesehen wurde. Dieser Einwand war in der Beschwerdebegründung nicht enthalten und wurde von der Beschwerdeführerin erst verspätet im Schriftsatz vom 23. Februar 2015 erhoben. Da er von der Kammer als prima facie relevant angesehen wurde (wogegen sich die Beschwerdegegnerin nicht gewendet hat), ist der Beschwerdegegnerin die Möglichkeit zuzugestehen, in Reaktion hierauf einen Hilfsantrag einzureichen (Artikel 13(2) VBOK). Da die Beschwerdegegnerin vor der mündlichen Verhandlung nicht definitiv davon ausgehen konnte, dass dieser Einwand in der mündlichen Verhandlung tatsächlich diskutiert werden würde, ist ihr auch die Einreichung dieses Hilfsantrags erst zu diesem sehr späten Stadium des Verfahrens zuzugestehen. Der Antrag wurde substantiiert, indem die Beschwerdegegnerin vorbrachte, dass dadurch, dass sowohl die Bilddaten des Patienten als auch die des generischen Modells DRR seien, der gegenseitige Vergleich auf zweidimensionaler Ebene erleichtert werde. Da der Antrag auch keine komplexen Fragen aufwirft, die etwa eine erneute Anberaumung einer mündlichen Verhandlung erforderlich machen könnten (Artikel 13(3) VOBK), wird er von der Kammer (in Ausübung ihres Ermessens gemäss Artikel 13(1) VBOK) zugelassen.

6.2 Basis in der ursprünglichen Offenbarung

Die in Anspruch 1 zusätzlich aufgenommenen Merkmale sind dem ursprünglichen Anspruch 7 zu entnehmen und auch in den Absätzen [0020] und [0022] der veröffentlichten Anmeldung enthalten. Die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ sind somit erfüllt. Die Beschwerdeführerin hat keine diesbezüglichen Einwände geltend gemacht.

6.3 Schutzbereich

Während in Anspruch 1 des erteilten Patents allgemein von "Röntgenbilddaten des Patienten" die Rede ist, wird dieser Begriff im vorliegenden Hilfsantrag derart spezifiziert, dass es sich bei diesen um DRR handelt, die aus CT- oder MR-Datensätzen ermittelt werden, und der Schutzbereich insofern beschränkt. Dem Argument der Beschwerdeführerin, dass es sich im erteilten Anspruch 1 um "reale" Röntgenbilder gehandelt haben müsse, da im ursprünglichen abhängigen Anspruch 7 bei der Erteilung nur die "realen" Röntgenbildern entsprechende erste Variante beibehalten wurde und die anderen Varianten, insbesondere die dritte, in der die Röntgenbilddaten des Patienten als DRR spezifiziert wurden, gestrichen wurde, vermag die Kammer nicht zu folgen, da in Absatz [0020] des Streitpatents DRR als fakultatives Merkmal der Röntgenbilddaten des Patienten erwähnt sind. Es liegt somit keine gegen Artikel 123(3) EPÜ verstossende Erweiterung des Schutzbereichs vor.

6.4 Erfinderische Tätigkeit

Das zusätzlich in Anspruch 1 aufgenommene Merkmal, wonach es sich bei den Röntgenbilddaten des Patienten um DRR handelt, die aus CT- oder MR-Datensätzen ermittelt werden, ist weder D3 noch D20 zu entnehmen. Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass der Vergleich mit den DRR des generischen Modells, die ja sehr präzise und hochaufgelöste Informationen über das Modell enthielten, einfacher und damit schneller und kostengünstiger sei, wenn auch die Bilddaten des Patienten als DRR vorlägen. Hierfür würde auch ein schneller und weniger belastender tomographischer Grob-Scan des Patienten genügen. Diese Vorteile sind dem Streitpatent allerdings nicht zu entnehmen. Die angeführten Vorteile gegenüber einem Vergleich mit einem realen Röntgenbild, wie er in D20 erfolgt, sind für die Kammer auch nicht erkennbar. Ein aus einem tomographischen Grob-Scan rekonstruiertes Röntgenbild wird in der Regel weniger Informationen als ein in der entsprechenden Ebene aufgenommenes reales Röntgenbild enthalten (dessen Aufnahme generell auch schneller erfolgen kann). Es ist belegt und auch nicht ersichtlich, wieso hierdurch ein Vergleich mit den hochaufgelösten Informationen in den DRR des generischen Modells vereinfacht werden könnte, da die entsprechenden Informationen in den aus Grob-Scans ermittelten DRR des Patienten nicht mehr unbedingt enthalten sind. Der von der Beschwerdegegnerin geltende gemachte technische Effekt durch das zusätzlich aufgenommene Merkmal ist für die Kammer daher nicht nachvollziehbar. Seine Aufnahme kann den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegen Anspruch 1 des Hauptantrags somit nicht entkräften. In Abwesenheit eines nachvollziehbaren technischen Effekts kann die Verwendung von Röntgenbilddaten des Patienten in Form von DRR anstelle von realen Röntgenbilddaten nur als einfache technische Alternative angesehen werden, die für den Fachmann offensichtlich ist, da ja für das generische Modell bereits DRR verwendet werden. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags VI wird daher durch D3 in Kombination mit D20 ebenfalls nahegelegt und beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen

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