European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2007:T116706.20070726 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 26 Juli 2007 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1167/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99940064.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | C04B 41/48 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verwendung von wässrigen Polyurethan-Dispersionen in Formulierungen für Sportbodenbeläge | ||||||||
Name des Anmelders: | Construction Research and Technology GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | THE DOW CHEMICAL COMPANY | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 23. Juni 2006 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent EP B 1 098 862 widerrufen wurde.
II. Der angefochtenen Entscheidung lagen folgende Anträge zugrunde:
Hauptantrag, eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 6. Juni 2006, davon Anspruch 1 lautend:
"1. Verwendung von wässrigen, isocyanatfreien Polyurethan-Dispersionen mit einem Feststoffgehalt von 40 bis 70 Gew.-% und einem Lösemittelgehalt von <= 10 Gew.-% als Formulierungskomponenten für Sportbodenbeläge."
Hilfsantrag, ebenfalls eingereicht während der mündlichen Verhandlung, Anspruch 1 davon lautend wie Hauptantrag, jedoch der Ausdruck "Formulierungs komponenten für Sportbodenbeläge" ersetzt durch den Ausdruck "Sportbodenbelags formulierungs komponenten".
III. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderen folgende Dokumente zitiert:
D4: US A 4 992 507
D5: WO A 99/50325
D6: US A 4 879 322
D7: US A 5 710 209
D8: US A 5 155 163
D9: Günter Oertel, "Polyurethane Handbook", 1985, Seiten 439, 440, 570
D10: DIN 18 035 Teil B vom Juli 1992
D11: DIN 18 032 Teil 2 vom März 1991
D12: Prospekt BSW "Regupol® Laufbahnbeläge", undatiert
D13: DIN 18 032 Teil 1
D14: DIN 18 032 Teil 2
IV. Die Einspruchsabteilung entschied, dass die beanspruchte Verwendung nicht neu sei in Hinblick auf Dokument D5, das bereits die gleichen isocyanatfreien Polyurethan-Dispersionen wie das Streitpatent offenbare. Der Ausdruck "für Sportbodenbeläge" bzw. "Sportbodenbelags formulierungs komponenten" stehe für einen unbestimmten Zusammenhang mit Sportbodenbelägen und der Begriff "Sport" habe keine klar definierte Bedeutung. Der besagte Ausdruck bedeute daher nur, dass die zu verwendenden Formulierungskomponenten für Sportbodenbeläge geeignet sein müssten. Da dies bei den aus D5 bekannten Formulierungen auch der Fall sei, mangele es dem Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag an Neuheit.
V. Gegen diese Entscheidung wurde von der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde wurde mit Schreiben vom 3. November 2006 begründet und Anspruch 1 eines neuen Hilfsantrags eingereicht, lautend wie Hauptantrag, wobei der Ausdruck "Formulierungskomponenten für Sportbodenbeläge" ersetzt wurde durch den Ausdruck "Formulierungskomponenten bei der Herstellung von Sportbodenbelägen". Die Beschwerdeführerin machte einen wesentlichen Verfahrensfehler der Einspruchsabteilung geltend.
VI. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) griff Anspruch 1 des Hauptantrags als nicht neu in Hinblick auf jedes der Dokumente D4 bis D7 an. Anspruch 1 des Hilfsantrags sei ebenfalls nicht neu in Hinblick auf jedes der Dokumente D5 bis D7. Die Ansprüche beruhten überdies nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Erfindung sei auch nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann sie ausführen könne (Artikel 100(b) EPÜ).
VII. Mit Schreiben vom 26. Juni 2007 reichte die Beschwerdeführerin zusätzliche Hilfsanträge II bis IV und die nachstehenden Dokumente, betreffend Aufbau, Eigenschaften und Anforderungen an Sportbodenbeläge, ein:
D15: Internet - Auszug der Homepage von ISSS (International Association for Sports Surface Sciences), letztes Update Juni 2007, 5 Seiten
D16a: IAAF (International Association of Athletics Federations): Performance Specifications for Synthetic Surfaced Athletics Tracks (Outdoor), 1996 - 1999, 3 Seiten
D16b: wie D16a, updated version Januar 2003
D17: ASTM F 2157-2 vom August 2002
D18: Auszug der Internetseite von CONICA: Conica Sport Surfaces, 2 Seiten, 2006
Mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom 12. Juli 2007 gingen weitere drei Hilfsanträge und eine Zusammenstellung aller Anträge, nunmehr umfassend den Hauptantrag und die Hilfsanträge I bis VII, ein. Die zusätzlichen Dokumente
D19a: Römpp Lexikon "Lacke und Druckfarben", 1998, Seiten 262, 245, 510, 511
D19b: Bodo Carlowitz (Hsg.) "Die Kunststoffe", Kunststoff Handbuch 1, 1990, Seiten 493, 494
D19c: Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry, 5. Aufl., Bd. A 18, 1991, Seiten 491 - 499
D19d: T. Brock et al. "Lehrbuch der Lacktechnologie", 1998, Seiten 284 - 288
wurden eingereicht, um zu zeigen, dass die Applikationweisen des Flutens und des Giessens nicht zwingend eine Aufbringung auf den Boden implizierten.
VIII. Die Beschwerdegegnerin antwortete mit Schreiben vom 13. Juli 2007, dass das Vorbringen und die teils neuen Anträge der Beschwerdeführerin, eingereicht mit den zwei vorangegangenen Schreiben, verspätet und verfahrensmissbräuchlich seien. Eine Kostenverteilung wurde aus diesem Grund beantragt.
IX. Am 26. Juli 2007 fand eine mündliche Verhandlung statt.
Die Beschwerdeführerin zog den bisherigen Hauptantrag und die bisherigen Hilfsanträge I und II nach deren Erörterung zurück und reichte einen neuen Hauptantrag sowie neue Hilfsanträge III und IV ein.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis des Hauptantrags wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung, hilfsweise auf der Basis des Hilfsantrags I (eingereicht als Hilfsantrag IV mit Schreiben vom 12. Juli 2007) oder des Hilfsantrags II (eingereicht als Hilfsantrag V mit Schreiben vom 12. Juli 2007) oder des Hilfsantrags III wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung, oder des Hilfsantrags IV, eingereicht in der mündlichen Verhandlung. Weiter wurde die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und Kostenverteilung.
Anspruch 1 des Hauptantrags ist identisch mit dem des am 12. Juli 2007 eingereichten Hilfsantrags III und lautet:
"1. Verwendung von Formulierungen, die als Komponente wässrige, isocyanatfreie Polyurethan-Dispersionen mit einem Feststoffgehalt von 40 bis 70 Gew.-% und einem Lösemittelgehalt von <= 10 Gew.-% enthalten, zur Herstellung von Sportbodenbelägen, ausgewählt aus Leichtathletiklaufbahnen, Mehrzwecksportbelägen, Tennisbelägen, Elastikschichten unter Kunstrasen, sowie Sportbodenbelägen in Schulsportanlagen, Ballspielanlagen und Sporthallen."
Anspruch 1 des Hilfsantrags I hat folgenden Wortlaut:
"1. Verwendung von Formulierungen, die als Komponente wässrige, isocyanatfreie Polyurethan-Dispersionen mit einem Feststoffgehalt von 40 bis 70 Gew.-% und einem Lösemittelgehalt von <= 10 Gew.-% enthalten, zur Herstellung von Sportbodenbelägen, dadurch gekennzeichnet, dass
(i) die Polyurethan-Dispersionen mit Strukturfüllstoffen in Form einer Spritzbeschichtung auf elastische oder starre Untergründe aufgebracht werden;
(ii) die Polyurethan-Dispersionen als Verlaufsbeschichtung auf elastische oder starre Untergründe aufgebracht werden, wobei die Applikation ein- oder mehrschichtig sowie mit Einstreugranulat erfolgt; oder
(iii) die Polyurethan-Dispersionen als Spachtelmassen für den Porenverschluss von Untergründen von Sportbodenbelägen herangezogen werden."
X. Die Beschwerdeführerin argumentierte im wesentlichen folgendermaßen:
Die Einspruchsabteilung habe die Rechtsprechung der Beschwerdekammern und der Grossen Beschwerdekammer, insbesondere G 2/88 und G 6/88 sowie T 966/00 verkannt. Die dort für eine zweite medizinische Indikation aufgestellten Grundsätze müssten auch für Ansprüche gelten, die auf nichtmedizinische Verwendungen gerichtet seien. Die Auslegung der Einspruchsabteilung sei daher nicht haltbar. Der Ausdruck "für Sportbodenbeläge" sei nämlich als funktionelles technisches Merkmal anzusehen, das zur Abgrenzung vom Stand der Technik geeignet sei. "Sportbodenbelag" sei ein geläufiger Fachbegriff, der einen besonderen Schichtaufbau und ein bestimmtes Eigenschaftsprofil, wie beispielsweise Kraftabbau, Nachgiebigkeit, Rutschfestigkeit/Reibung und einen geringen Energieverlust, impliziere. Die Beschwerdeführerin verwies dazu auf die Druckschriften D10 bis D14, und auf die neu eingeführten Schriften D16a D16b und D17, in denen typische Werte für diese Eigenschaften angegeben seien. In D5 fände sich keine Offenbarung der Verwendung der Polyurethan-Dispersionen als Formulierungskomponenten bei der Herstellung von Sportbodenbelägen. Auf die mögliche Eignung der in D5 sowie in D6 und D7 beschriebenen Polyurethan-Dispersionen als Formulierungskomponenten für Sportbodenbeläge komme es nicht an.
In D6 sei zwar eine Verwendung von wässrigen Polyurethan-Dispersionen zur Beschichtung von Bowlingbahnen erwähnt. Dabei handele es sich nur um eine Anwendung unter vielen. Diese Bahnen seien zudem extrem hart und erfüllten daher nicht die Anforderungen an einen Sportbodenbelag. Bowling fände sich nicht auf der Liste der Sportarten, für die Sporthallen für Turnen und Spiele gemäß D13 genutzt würden. Die Dispersionen der Ausführungsbeispiele 1 und 2 der D6 mit einem Feststoffgehalt von 40 bzw. 41 Gew.-%, also im beanspruchten Bereich, würden für Textilbeschichtungs anwendungen und als Klebemittel eingesetzt werden. Es fände sich keine Offenbarung der Verwendung dieser Dispersionen für Bowlingbahn beschichtungen.
D7 offenbare allenfalls die Verwendung der Dispersionen zum Anstrich und zur Beschichtung von Straßenoberflächen, die nach fachmännischem Verständnis keine Sportbodenbeläge darstellten.
Auch in D4 werde die anspruchsgemäße Verwendung nicht offenbart. Die Polyurethan-Dispersionen sämtlicher Ausführungsbeispiele wiesen zudem einen höheren Lösemittelgehalt auf. Der Anspruch 1 des Hauptantrags sei daher neu. Im Hilfsantrag I würden die anspruchsgemäß verwendeten Formulierungen, beispielsweise durch Anwesenheit von Strukturfüllstoffen oder von Einstreugranulat, und die Auftragsverfahren näher charakterisiert. Diese Merkmale gingen aus D4 bis D7 nicht hervor.
Zum Vorwurf des schwerwiegenden Verfahrensfehlers: Die Einspruchsabteilung habe während der mündlichen Verhandlung Argumente der Beschwerdeführerin zur Auslegung des Begriffs "für Sportbodenbeläge" im Hinblick auf die Rechtsprechung zur zweiten medizinischen Indikation nicht zugelassen, was durch die Niederschrift der mündlichen Verhandlung bestätigt werde. Es sei nicht auszuschließen, dass die Widerrufs entscheidung der Einspruchsabteilung auf diesem schweren Verfahrensmangel beruhte. Die Beschwerdegebühr sei daher zurückzuerstatten.
XI. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im wesentlichen folgendermaßen:
Das Streitpatent erfülle nicht die Voraussetzungen nach Artikel 100(b) EPÜ, da im Patent keine Definition eines Sportbodenbelags oder seiner wesentlichen Eigenschaften gegeben werde, insbesondere solche, wie sie die Beschwerdeführerin nunmehr für wichtig erachte, nämlich Kraftabbau, Nachgiebigkeit, Rutschfestigkeit und niedriger Energieverlust. Im Patent werde auch keine besondere Vorgangsweise gelehrt, um Beschichtungen aus an sich bekannten Polyurethandispersionen diese Eigenschaften zu erteilen. Jedenfalls aber sei der unklare Begriff "Sportbodenbeläge" breit auszulegen.
Zur Neuheit: Die beanspruchte Verwendung sei nicht auf die tatsächliche Herstellung eines Sportbodenbelags beschränkt, sondern umfasse auch die Verwendung der Dispersionen nur zum Vorbereiten des Untergrundes, zum Verkleben eines Sportbodenbelags, und zum Versiegeln eines solchen Belags, wie aus Paragraph [41] der Streitpatents hervorgehe. Wenn die beanspruchte Verwendung aber beispielsweise nur eine als Spachtelmasse für den Porenverschluss von Untergründen sein könne (siehe Streitpatent Paragraph [41], Punkt 5), dann sei eine solche nicht zu unterscheiden von einer Beschichtung eines Betonuntergrunds, die explizit in D5 offenbart sei. Der Anspruch 1 des Hauptantrags sei daher nicht neu.
Der Begriff "für Sportbodenbeläge" beschreibe keinen neuen technischen Effekt im Sinne der G 2/88, sondern allenfalls ein anderes Anwendungsgebiet. Anspruch 1 sei daher kein Anspruch betreffend eine zweite nichtmedizinische Verwendung. Die nunmehr vorliegenden geänderten Ansprüche hätten nicht die Verwendung bestimmter Polyurethan-Dispersionen zur Herstellung eines Sportbodenbelags, sondern nur deren Verwendung zur Herstellung von Formulierungen zum Gegenstand. Diese müssten bloß geeignet sein für Sportbodenbeläge. Der Beurteilung der Einspruchsabteilung, was die Auslegung der Ansprüche und die mangelnde Neuheit gegenüber D5 betreffe, sei daher zuzustimmen. Aus den gleichen Überlegungen seien die beanspruchten Verwendungen auch nicht neu gegenüber D4, D6 und D7. Diese Dokumente offenbarten wässrige, isocyanatfreie Polyurethan-Dispersionen mit Lösemittelgehalten und Feststoffgehalten im Anspruchsbereich. Sie würden in Form von Formulierungen als Binder, Kleber und Beschichtungsmittel eingesetzt, so z.B. in D6 für Bowlingbahnen, und in D7 für Straßenoberflächen. Die Dispersionen bzw. die Formulierungen seien offenbar geeignet für die Herstellung von Sportbodenbelägen.
Die Beschwerdegegnerin hat gerügt, dass die Einreichung der neuen Hilfsanträge vom 26. Juli 2007 und insbesondere die von Dokumenten und von weiteren drei Hilfsanträgen am 12. Juli 2007 verspätet und verfahrensmissbräuchlich sei. Die Kammer solle daher ihr Ermessen nach Artikel 10b VOBK ausüben und diese Anträge und Dokumente nicht zum Verfahren zulassen. Sie verwies auf Artikel 10a(2) VOBK, wonach die Beschwerdebegründung den vollständigen Vortrag einer beschwerdeführenden Partei enthalten müsse. Es sei zudem kein plausibler Grund für die Verspätung gegeben worden. Die verspäteten Eingaben bestünden aus 54 bzw. 48 Seiten, überwiegend in deutscher Sprache, was eine Übersetzung ins Englische notwendig machte. In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei es unmöglich gewesen, diese Übersetzungen anfertigen zu lassen und die Dokumente und Anträge zu analysieren. Dazu komme, dass der mit der Sache betraute Vertreter der Beschwerde gegnerin zur fraglichen Zeit in Urlaub gewesen sei und ein weiterer Vertreter sich des Falls habe annehmen müssen. Daraus seien zusätzliche Kosten erwachsen, weil nunmehr zwei Vertreter zur mündlichen Verhandlung anreisen hätten müssen. Die Kammer solle gemäß Artikel 11a VOBK diese Kosten und die durch die eilige Beantwortung der verspäteten Eingabe verursachten Kosten der Gegenpartei auferlegen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Zulässigkeit der Anträge und Dokumente
2.1. Die Kammer stellt zunächst fest, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung vollständig auf die Gründe eingegangen ist, aus denen die angefochtene Entscheidung aufzuheben sei. Dazu genügte es, auf den Neuheitseinwand in Hinblick auf Dokument D5 einzugehen, da sich die angefochtene Entscheidung nur auf dieses Dokument stützte. Mit der Beschwerdebegründung wurde ferner ein Hilfsantrag eingereicht, in dem die Präposition "für", auf welcher die Auslegung des Anspruchs 1 in der angefochtenen Entscheidung beruht, gestrichen wurde. Die Beschwerdebegründung entsprach damit insofern den Bestimmungen von Artikel 10a (2) VOBK.
Die mit Schreiben vom 26. Juni 2007, also einen Monat vor dem Termin der mündlichen Verhandlung, eingegangenen zusätzlichen Hilfsanträge stellen nach Ansicht der Kammer eine Reaktion der Beschwerdeführerin auf die Einwände der Beschwerdegegnerin vom 1. März 2007 dar. In diesem Schreiben hatte die Beschwerdegegnerin nämlich Neuheitseinwände in Hinblick auf die Dokumente D4, D5, D6 und D7 aufrecht erhalten, die in der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt sind. Sie hatte ebenfalls Neuheitseinwände in Hinblick auf die Offenbarung in D5, D6 und D7 gegen den Anspruch 1 des Hilfsantrags vom 3. November 2006, sowie einen Klarheitseinwand erhoben. Ferner wurde der Einwand unter Artikel 100 (b) EPÜ ebenfalls aufrechterhalten. Die Eingabe vom 26. Juni 2007 mit vier zusätzlichen Anträgen erfolgte erst nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 2. Mai 2007, jedoch weniger als vier Monate nach Empfang des Schreibens der Beschwerdegegnerin vom 1. März 2007.
Die zusätzlichen Anträge vom 12. Juli 2007 sind dann zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung eingegangen und stellen weitere Versuche dar, den Neuheitseinwänden im Brief der Beschwerdegegnerin vom 1. März 2007 Rechnung zu tragen. Der Hilfsantrag III vom 12. Juli 2007 (jetziger Hauptantrag) basiert auf dem Hilfsantrag II vom 26. Juni 2007 unter Hinzufügung einer Aufzählung von 7 Typen von "Sportbodenbelägen", um diesen Begriff näher zu definieren. Hilfsantrag IV basiert im wesentlichen auf der Kombination von Anspruch 1 des Hilfsantrags II mit den Merkmalen der erteilten Ansprüche 8, 9 und 10 des Streitpatents. Die Beschwerdegegnerin konnte erwarten, dass die Beschwerdeführerin als Reaktion auf die Einwände vom 1. März 2007 Merkmale der abhängigen Ansprüche des Streitpatents in den unabhängigen Anspruch aufnimmt. Ferner ist die dem Anspruch 1 des Hauptantrags (bzw. des Hilfsantrags III vom 12. Juli 2007) hinzugefügte Liste der Arten von "Sportbodenbelägen" nicht lang und stellt ebenfalls einen Versuch dar, den Einwänden vom 1. März 2007 zu entgegnen. Zwar hält es die Kammer für in hohem Masse wünschenswert, dass alle Hilfsanträge so frühzeitig wie möglich gestellt werden, ist aber der Meinung, dass unter den geschilderten Umständen die Einreichung der Hilfsanträge III und IV am 12. Juli 2007, also zwei Wochen vor dem Termin der mündlichen Verhandlung, der Beschwerdegegnerin noch genügend Zeit ließ, um bei der Verhandlung darauf eingehen zu können. Die Kammer stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die Beschwerdegegnerin nach Erhalt dieser Hilfsanträge in ihrem Antwortschreiben vom 13. Juli 2007 nicht beantragt hat, die mündliche Verhandlung zu verschieben, um sich vorbereiten zu können.
Artikel 10b (3) VOBK besagt, dass Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen werden, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zumutbar ist. Die geänderten Ansprüche werfen nach Ansicht der Kammer keine so schwierigen Fragen auf, dass es der Beschwerdegegnerin unmöglich gewesen wäre, sich bis zur Verhandlung entsprechend vorzubereiten und ferner hat die Beschwerdegegnerin (wie oben ausgeführt) mit ihrem Schreiben vom 13. Juli 2007 keine Verschiebung der mündlichen Verhandlung beantragt.
Die Kammer macht daher von ihrem Ermessen Gebrauch und lässt den Hauptantrag und den Hilfsantrag I zu.
2.2. Die Dokumente D19a-d belegen das allgemeine Fachwissen auf dem Gebiet der Beschichtung mit Farben, Lacken und Kunststoffen. Unter diesen Umständen sieht die Kammer keinen Grund, sie nicht zu berücksichtigen, zumal ihnen in Hinblick auf die geänderten Ansprüche des Hilfsantrags I eine gewisse Relevanz zukommt.
3. Änderungen
3.1. Artikel 123 (2) EPÜ
Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beruht auf dem Anspruch 1, wie veröffentlicht als WO A 00/06521, in Verbindung mit der Beschreibung, Seite 19, Zeilen 14 - 17; Basis für die ausgewählten Sportbodenbeläge findet sich auf Seite 1, Zeilen 10 - 18, Seite 2, Zeilen 23 - 28 und Zeilen 34, 35, Seite 4, Zeilen 22 - 25, Seite 6, Zeilen 11 - 17, alle in Verbindung mit Seite 18, Zeilen 32 - 35.
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I beruht auf einer Kombination der Ansprüche 1, 9, 10 und 11, wie veröffentlicht als WO A 00/06521, sowie der Beschreibung, Seite 19, Zeilen 34 - 36. Die abhängigen Ansprüche 2 - 9 gemäß Hilfsantrag I entsprechen den Ansprüchen 3 - 6, 14 - 17 in der als WO A 00/06521 veröffentlichten Fassung bzw. den erteilten Ansprüchen 2 - 5, 13 - 16.
3.2. Artikel 123 (3) EPÜ
Die Gegenstände des Anspruchs 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags sind gegenüber dem erteilten Anspruch 1 eingeschränkt. Die Bestimmung des Artikels 123 (3) EPÜ ist daher erfüllt.
4. Einwand nach Artikel 100 (b)
Die Beschwerdegegnerin begründet diesen Einwand im Beschwerdeverfahren damit, dass das Streitpatent keine Definition enthalte, was genau unter einem Sportbodenbelag zu verstehen sei bzw. wie (z.B. aus D5) bekannte Formulierungen gegebenenfalls abzuwandeln seien, um für solche Sportbodenbeläge geeignet zu sein.
Abgesehen davon hat die Beschwerdegegnerin aber nicht vorgebracht, dass die Formulierungen an sich nicht herstellbar wären. In den Beispielen des Streitpatents wird gezeigt, wie die Formulierungen auf Böden appliziert werden. Die Beschwerdegegnerin, welche die Beweislast trägt, hat nicht gezeigt, dass diese Beispiele nicht ausführbar wären. Der Einwand geht nach Auffassung der Kammer dahin, dass der Begriff "Sportbodenbelag" unscharf sei und daher breit ausgelegt werden sollte, was allenfalls einem Einwand unter Artikel 84 EPÜ entspräche.
5. Neuheit
5.1. Hauptantrag
Dokument D6 offenbart wässrige Polyurethan-Harnstoff-Dispersionen mit einem Feststoffgehalt von bis zu 60 Gew.-%, bevorzugt 15 - 60 Gew.-%, besonders bevorzugt von 30 - 45 Gew.-% (Spalte 17, Zeilen 63 - 67). Sie sind lösemittelfrei bzw. es liegt ihr Lösemittelgehalt bei 0,01 bis 10 Gewichtsteilen (Spalte 14, Zeilen 17 - 24). Die Dispersionen sind normalerweise isocyanatfrei (Spalte 17, Zeilen 38 - 41 und 55 - 57). Die Polyurethan-Dispersionen können mit anderen Komponenten, wie beispielsweise anderen Dispersionen, Emulgatoren, Füllern, Plastifizierungs mitteln und Pigmenten zu Formulierungen verarbeitet werden (Spalte 18, Zeilen 19 - 28). Verwendung finden diese als Beschichtungs- und Imprägniermittel für Textilien, Leder, Papier, Holz, Metall, Keramik, Stein, Beton, Bitumen, Fasern, Stroh, Glas, Porzellan, Plastik etc., als Binder für eine Vielzahl von Stoffen, als Hilfsmittel beim Textildruck und in der Papierindustrie, als Additiv für Polymere, als Schlichte für Glasfasern und als Lederfinish (Spalte 18, Zeilen 46 - 58). Besonders harte Polyurethan-Harnstoffe, die aus feinverteilten Dispersionen und Solen erhalten werden, sind besonders geeignet als Lacke, zur Beschichtung von Textilien, und auch hervorragend geeignet ("excellently suited") zur Beschichtung von Kegelbahnen ("bowling alleys") (Spalte 19, Zeilen 32 - 53).
Daher offenbart D6 die Herstellung einer Klasse von wässrigen, isocyanatfreien Polyurethan-Harnstoff - Dispersion verschiedener chemischer Zusammensetzung und mit einem Lösemittelgehalt von bis zu 10 Gew.-% und einem Feststoffgehalt von bis zu 60 Gew.-%. Diese Merkmale der Dispersionen sind im allgemeinen Teil der D6 enthalten und gelten folglich für alle in D6 beschriebenen Dispersionen.
Der Lösungsmittelgehalt ist identisch mit dem in Anspruch 1 des Streitpatents definierten Bereich.
Bezüglich des Feststoffgehalts der Dispersionen überlappt der bevorzugte Bereich von 15 - 60 Gew.-% weitgehend mit dem anspruchsgemäßen Bereich von 40 - 70 Gew.-% Feststoffgehalt. Der besonders bevorzugte Bereich von 30 - 45 % überlappt ebenfalls mit dem beanspruchten Bereich. Ferner weisen die Dispersionen der Beispiele einen Feststoffgehalt von 40 %, 41 %, 39 % und 39,5 Gew.-% auf, d.h., Werte im beanspruchten Bereich bzw. sehr nahe daran. Daher ist die Offenbarung in D6 für den beanspruchten Feststoffgehaltsbereich neuheitsschädlich. Die Beschwerdeführerin hat zwar darauf hingewiesen, dass die Dispersionen der Ausführungsbeispiele 1 und 2 der D6, für die ein Feststoffgehalt von 40 Gew.-% bzw. 41 Gew.-%, also im beanspruchten Bereich, angegeben werde, für Textilbeschichtungsanwendungen und als Klebemittel eingesetzt werden (Spalte 20, Zeilen 37 - 39 und 67 - 68; Spalte 21, Zeilen 1, 2). Es fände sich keine Offenbarung der Verwendung dieser Dispersionen für Bowlingbahn beschichtungen, bei denen es sich nur um eine Anwendung unter vielen handele. Dem ist entgegenzuhalten, dass in den konkreten Beispiele spezifische Polyurethan - Harnstoff - Polymere hergestellt werden, deren chemische Zusammensetzung für den jeweiligen Verwendungszweck abgestimmt ist und wobei der Feststoffgehalt der Dispersionen im Fall der Beispiele 1 und 2 auf einen Wert von 40 % bzw. 41 Gew.-% eingestellt ist. Daraus geht nicht eindeutig hervor, dass Dispersionen mit Feststoffgehalt von 40 %, 41 Gew.-% und darüber sich etwa nur für Textilbeschichtungs anwendungen und als Klebemittel eignen würden. Die Beschreibung der D6 enthält keinen Hinweis, dass Dispersionen mit bestimmtem Feststoffgehalt nur im Zusammenhang mit bestimmten Anwendungen offenbart seien. Es wird nämlich kein Zusammenhang hergestellt oder angedeutet zwischen bestimmten ausgewählten Feststoffgehalts - Bereichen und bestimmten Dispersionen für bestimmte Anwendungszwecken.
D6 offenbart die Verwendung der Dispersionen mit einem Feststoffgehalt von bis zu 60 Gew.-% für eine ganze Reihe von Anwendungen und lehrt, dass besonders harte Polyurethan - Harnstoffe zur Beschichtung von Bowlingbahnen hervorragend geeignet sind. Die besonders harten Polyurethan - Harnstoffe werden aus feinverteilten Dispersionen und Sols erhalten (siehe Spalte 19, Zeilen 32 - 35). Die spezifische Verwendung ist also nicht mit einem bestimmten Feststoffgehalt der Dispersionen in Zusammenhang gesetzt, sondern nur mit der Härte des Polymers.
Die Beschwerdeführerin hat weiter eingewandt, dass die Offenbarung von Bowlingbahnen nicht neuheitsschädlich für die beanspruchte Verwendung sei, da diese sehr hart seien und nicht die Anforderungen an Sportbodenbeläge, beispielsweise die vertikale Standardverformung und Deformation, erfüllten. Sie verwies auf die Angaben dazu in den einschlägigen DIN - Normen D10 (Tabelle 4, Zeile 1) und D14 (Tabelle 1, Zeile 3). Kegel- und Bowlingbahnen, auf denen die Kugel läuft, würden sich auch durch die Betretbarkeit von Sportbodenbelägen unterscheiden. Diese Argumente sind nach Ansicht der Kammer jedoch nicht stichhaltig, da das Streitpatent keinen Hinweis auf die zitierten DIN - Normen gibt. Eine dahingehend eingeschränkte Auslegung der Ansprüche ist daher nicht durch den Inhalt der Beschreibung gerechtfertigt. Keine der in diesen Normen standardisierten Eigenschaften von Sportbodenbelägen, wie Standardverformung und Deformation, Kraftabbau, Gleitreibungwert, Härte, etc. ist in den Ansprüchen definiert. Sportbodenbelag besagt im übrigen nicht unbedingt, dass der Sportler selbst sich darauf bewegen muss.
Anspruch 1 des Hauptantrags fordert zusätzlich, dass der Sportbodenbelag ausgewählt ist aus Leichtathletik laufbahnen, Mehrzwecksportbelägen, Tennisbelägen, Elastikschichten unter Kunstrasen, sowie Sportboden belägen in Schulsportanlagen, Ballspielanlagen und Sporthallen. Es kann dahingestellt bleiben, ob Bowling ein Ballspiel oder eine Kugelsportart ist. Nach Auffassung der Kammer fällt jedenfalls Bowling bzw. die Spielfläche einer Bowlingbahn unten den anspruchsgemäßen Begriff "Sportbodenbelag in Sporthallen". Zwar hat die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die DIN - Norm D13 (Seite 2, Punkte 2.1. und 2.3. und Seite 9, Tabelle A2) das Argument vorgebracht, dass Bowling kein Hallensport sei, da es nicht in der Liste der Sportarten aufgeführt sei, die laut besagter Tabelle A2 in Sporthallen für Turnen und Spiele betrieben würden. Das Argument ist jedoch nicht überzeugend, da zum Beispiel Punkt 2.2. derselben DIN - Norm D13, betreffend Sporthallen für Spiele, keinen Hinweis auf die Tabelle A2 enthält und daher bezüglich der Sport- bzw. Spielarten nicht eingeschränkt ist. Im Übrigen enthält das Streitpatent keinen Hinweis, dass "Sporthallen" streng im Sinne der DIN - Norm D13 zu verstehen wäre. Wie die Beschwerdeführerin selbst eingeräumt hat, ist der Begriff "Sporthalle" mit einer gewissen Unschärfe behaftet und schließt nach Ansicht der Kammer beliebige Räumlichkeiten von solchen Ausmaßen, dass in ihnen Bowlingsport betrieben werden kann, mit ein.
Dokument D6 offenbart somit alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag in Kombination. Der Anspruch ist nicht neu (Artikel 54 EPÜ) und der Antrag nicht gewährbar.
5.2. Hilfsantrag I
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I ist dadurch gekennzeichnet, dass das Auftragen der wässrigen Dispersionen als Spritzbeschichtung, Verlaufs beschichtung oder als Spachtelmasse erfolgt. Keines dieser Auftragsverfahren ist in D6 offenbart. Der Anspruchsgegenstand unterscheidet sich weiter hinsichtlich Ausführungsform (i) dadurch, dass die Polyurethan-Dispersion zusammen mit Strukturfüllstoffen aufgebracht wird; hinsichtlich Ausführungsform (ii) dadurch, dass die Applikation der Polyurethan-Dispersion zusammen mit Einstreugranulat erfolgt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I ist daher neu gegenüber Dokument D6. Er ist auch neu im Hinblick auf die anderen von der Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren zitierten Dokumente D4, D5 und D7, aus folgenden Gründen:
Aus D4 sind wässrige Polyurethan-Dispersionen als Beschichtungsmittel für Holz, Glas, Papier, Metall etc. bekannt. Die Dispersionen sind nicht lösemittelfrei und in vielen Beispielen ist der Feststoffgehalt mit ca. 35 % zu niedrig.
Dokument D5 wurde am 7. Oktober 1999, also nach dem Prioritätstag des Streitpatents, veröffentlicht. Das Dokument gehört zum Stand der Technik nach Artikel 54(3)(4) EPÜ für alle benannten Vertragsstaaten, was nicht bestritten wurde. Es offenbart lösemittelfreie, wässrige Polyurethan-Dispersionen und deren Verwendung für einkomponentige, isocyanat- und lösemittelfreie Beschichtungen, Dichtstoffe, Klebstoffe oder Membranen im Baubereich (Seite 1, Zeilen 6 - 10). Der Feststoff gehalt an Polyurethan - Polymer der Dispersionen beträgt 40 - 70 Gew.-%, vorzugsweise 50 - 60 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht der reinen Polyurethan - Dispersion (Seite 17, Zeilen 1 - 9). Die wässrigen Polyurethan-Dispersionen können bei bauchemischen Anwendungen, wie z. B. als Beschichtungen, Dichtstoffe, Klebstoffe, Lacke oder Membranen für die Oberflächen von mineralischen Baustoffen wie Beton, Gips, Zement, sowie von Glas, Holz, Papier, Metall oder Kunststoff verwendet werden. Die Applikation erfolgt mittels der in der Lacktechnologie bekannten Auftragsverfahren wie Fluten, Giessen, Rakeln, Spritzen, Streichen, Tauchen und Walzen (Seite 18, Zeile 29 bis Seite 19, Zeile 5). Eine Anwendung in oder bei der Herstellung von Sportbodenbelägen ist in D5 nicht erwähnt, ja es ist nicht erwähnt, ob es sich bei den zu beschichtenden mineralischen Baustoffoberflächen um Bodenbeläge im weitesten Sinne handelt. Die Kammer kann dem Argument der Beschwerdegegnerin nicht folgen, dass die Offenbarung der Auftragsverfahren "Fluten" und "Giessen" eine Aufbringung der Polyurethan - Dispersionen auf den Boden impliziere. Wie aus D19c (Seite 497, rechte Spalte, Figur 8.4)) und aus der 1998 veröffentlichten D19a (Seite 262; Seite 245, linke Spalte) hervorgeht, versteht der Fachmann unter "Giessen" ein Auftragsverfahren, bei dem Werkstücke aus einem Gießspalt mit einem Lack übergossen werden. Von den Werkstücken ablaufender Lack wird dabei im Kreis geführt, gekühlt und wieder verwendet. Beim "Fluten" werden die Werkstücke beim Durchlauf durch eine geschlossene Beschichtungskammer mit Lack übergossen bzw. geflutet. Der überschüssige Lack wird aufgefangen und erneut eingesetzt. Der Fachmann würde daher die in D5 angeführten Auftragsverfahren nicht in Zusammenhang mit der Aufbringung von Bodenbelägen sehen. Die Verwendung laut Anspruch 1 des Hilfsantrags I ist daher, auch bei weitester Auslegung des Begriffs "Sportbodenbelag", neu gegenüber D5.
Dokument D7 schließlich offenbart isocyanatfreie, wässrige Polyester - Polyurethan - Dispersionen, die bevorzugt höchstens 10 Gew.-% Lösungsmittel enthalten (Spalte 9, Zeilen 12 - 18). Ihr Feststoffgehalt beträgt 20 - 60 %, bevorzugt 30 - 53 Gew.-%, beispielsweise 41 % und 45 % (Beispiele 1 und 2) oder 42 % (Beispiele 4 und 6) (Anspruch 1, Spalte 2, Zeilen 52 - 54). Sie werden als Beschichtung auf verschiedenen mineralischen Baumaterialien, wie kalk- und/oder zementgebundener Putz, gipshaltige Oberflächen, Faserzement - Baumaterialien und Beton, aber auch als Beschichtung und Anstrich auf Asphalt und Bitumen enthaltende Straßenoberflächen ("asphalt and bitumen containing road surfaces") vorgeschlagen (Spalte 9, Zeilen 28 - 39). Der Auftrag erfolgt durch Sprühen, Bürsten, Rollen oder Rakeln (Spalte 9, Zeilen 45 - 52). Die Beschwerdegegnerin hat argumentiert, dass Asphalt und Bitumen enthaltende Straßenoberflächen auch als Sportbodenbeläge anzusehen seien, weil auf ihnen beispielsweise Motorsport betrieben werden könne. Sie hat darauf hingewiesen, dass in Beispiel C12 des Streitpatents ebenfalls eine Anwendung der Polyurethan-Dispersion als Verlaufsbeschichtung auf einem Untergrund aus Asphalt zur Herstellung eines Sportbodenbelags beschrieben wird. Die in D7 offenbarte Beschichtung auf Straßenoberflächen aus Asphalt und Bitumen sollte daher ebenfalls zu einem Sportbodenbelag führen. Die Kammer kann diesen Argumenten nicht folgen, denn Straßenoberflächen sind auch bei breitester Auslegung für den Fachmann keine Sportbodenbeläge. Was das Beispiel C12 des Streitpatents betrifft, so ist der Aufbau der Beschichtung zur Herstellung eines Sportbodenbelags dort komplexer als in D7, da die Verlaufsbeschichtung aus Polyurethan-Dispersion in drei Arbeitsgängen, also drei Schichten, aufgetragen wird und nach vollständiger Durchhärtung in zwei Spritzgängen versiegelt wird (Paragraph [0096]). Dieser Sportbodenbelag unterscheidet sich daher deutlich von einem einfachen Anstrich auf einer Asphaltoberfläche.
Die Beschwerdegegnerin hat die restlichen Dokumente in Zusammenhang mit der Neuheit des Anspruchs 1 nicht zitiert. Die Kammer ist ebenfalls der Auffassung, dass die Verwendung gemäß Anspruch 1 gegenüber den restlichen Dokumenten neu ist.
Die abhängigen Ansprüche 2 - 9 betreffen bevorzugte Ausführungsformen und sind aufgrund des Rückbezugs auf Anspruch 1 ebenfalls neu.
6. Zurückverweisung
Die angefochtene Entscheidung stützt sich auf den Einwand mangelnder Neuheit gegenüber dem Dokument D5. Eine Diskussion der erfinderischen Tätigkeit hat vor der Einspruchsabteilung, soweit aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ersichtlich, nicht stattgefunden.
Die Kammer macht daher von ihrem Ermessen Gebrauch, die Angelegenheit zur Fortsetzung des Verfahrens an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen (Artikel 111 (1) EPÜ).
7. Kostenverteilung
Die Beschwerdegegnerin hat Antrag auf Kostenverteilung nach Artikel 104 EPÜ gestellt, da ihr durch angeblich verfahrensmissbräuchliches Verhalten der Gegenpartei zusätzliche Kosten bei der Ausarbeitung der Antwortschreiben und bei der Vertretung während der mündlichen Verhandlung entstanden seien.
Die Kostenverteilung ist geregelt in Artikel 104 in Verbindung mit Regel 63 (1) EPÜ. Gemäß Artikel 104 (1) EPÜ trägt im Einspruchsverfahren jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst, wenn und soweit nicht von der Einspruchsabteilung oder der Beschwerdekammer eine andere Verteilung aus Billigkeitsgründen beschlossen wird. Nach T 170/83 (ABl. EPA 1984, 605, Entscheidungsgründe, Punkt 9) bedarf es besonderer Umstände, etwa eines missbräuchlichen Verhaltens, um eine einseitige Kostenauferlegung billig erscheinen zu lassen.
Einen solchen Missbrauch kann die Kammer aus den schon unter Punkt 2.1. zur Zulässigkeit diskutierten Gründen im vorliegenden Fall nicht erkennen. Die Kammer kann insbesondere keinen Verfahrensmissbrauch darin sehen, dass die Beschwerdeführerin zwei Wochen vor dem Termin der mündlichen Verhandlung drei weitere Hilfsanträge, zusätzliche Argumente und vier kurze Dokumente eingereicht hat, wobei letztere das allgemeine Fachwissen zu Fragen illustrierten, die bereits zuvor diskutiert wurden (Applikation von Stoffen durch Giessen und Fluten).
Dass die Übersetzung der Anträge und der Dokumente notwendig war und daraus Kosten entstanden, liegt in der Natur des europäischen Verfahrens mit drei offiziellen Sprachen und betrifft jede Partei gleichermaßen (T 1067/04 vom 8. Dezember 2005, Entscheidungsgründe, Punkt 8). Die Beschwerdegegnerin musste im vorliegenden Falle eines Streitpatents in deutscher Verfahrenssprache damit rechnen, dass vermehrt Eingaben in dieser Sprache erfolgen.
Die Beschwerdegegnerin gab an, dass sich ein zusätzliche Vertreter mit dem verspäteten Vorbringen befassen und zur mündlichen Verhandlung anreisen habe müssen, da sich der mit der Sache betraute Vertreter in der fraglichen Zeit in Urlaub befunden habe. Die urlaubsbedingte Abwesenheit des Vertreters kann aber nicht der anderen Partei angelastet werden. Die Kammer stellt auch fest, dass die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) gemäß Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 6. April 2006 dort von denselben beiden Vertretern vertreten wurde. Es bedurfte also für den weiteren Vertreter keiner langen Einarbeitung, um auf den neuesten Aktenstand zu gelangen.
Die beantragte Kostenverteilung wird daher abgelehnt.
8. Rückzahlung der Beschwerdegebühr
Nach den Bestimmungen der Regel 67 EPÜ wird die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet, wenn der Beschwerde stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht.
Die Beschwerdeführerin hat einen solchen wesentlichen Verfahrensmangel geltend gemacht, da die Einspruchsabteilung während der mündlichen Verhandlung Argumente der Beschwerdeführerin zur Auslegung der Ansprüche im Hinblick auf die Rechtsprechung zur zweiten medizinischen Indikation nicht zugelassen habe. Sie beantragt aus diesem Grund die Rückerstattung.
Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung (Seite 3) geht hervor, dass die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) zunächst Ausführungen zu diesem Thema machte und darauf hinwies, dass - ihrer Ansicht nach - "kein grundlegender Unterschied zwischen medizinischen und nichtmedizinischen Ansprüchen [bestehe]". Danach ist eine Erklärung des ersten Prüfers wiedergegeben, wonach es sich dabei um neue Argumente handele, deren Diskussion nicht zulässig wäre.
Die Kammer sieht hierin in der Tat einen Verstoß gegen den in Artikel 113 (1) EPÜ verankerten Grundsatz des rechtlichen Gehörs, was einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt. Nach der Rechtsprechung dürfen nämlich neue Argumente nicht unter Artikel 114 (2) EPÜ als verspätet zurückgewiesen werden; siehe T 92/92 (vom 21. September 1993; nicht veröffentlicht im ABl. EPA; Entscheidungsgründe, Punkt 2, dritter bis fünfter Absatz).
Die Kammer ist aber nicht der Ansicht, dass die Rückzahlung im vorliegenden Fall der Billigkeit entspricht, aus den folgenden Gründen. Die Einspruchsabteilung widerrief das Streitpatent, indem sie sich auf die Richtlinien C-III 4.9 und die dort gegebenen Veranschaulichungen zur Auslegung von Verwendungsansprüchen stützte. Sie machte sich dabei im wesentlichen das Vorbringen der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) zu eigen.
Es ist nicht ersichtlich, wie die Einspruchsabteilung zu einer anderen Entscheidung veranlasst hätte werden können durch die beabsichtigten weiteren Ausführungen der Beschwerdeführerin zur zweiten medizinischen Indikation, die auch vor der Kammer nicht überzeugten. Nach dem Argument der Beschwerdeführerin wäre der (der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende) Anspruch 1 als ein durch die beabsichtigte Verwendung für Sportbodenbeläge limitierter Verwendungsanspruch anzusehen gewesen, in Analogie zu einem auf eine zweite medizinische Verwendung im Sinne der Entscheidungen G 1/83 und G 5/83 gerichteten Anspruch. Bei Ansprüchen dieses Typs stelle der beabsichtigte Verwendungszweck ein den Anspruch einschränkendes Merkmal dar.
Nach Auffassung der Kammer betreffen die Entscheidungen G 1/83 und G 5/83 die Zulässigkeit von Patentansprüchen, die auf die Verwendung eines Stoffes oder eines Stoffgemisches zur Herstellung eines Arzneimittels gerichtet sind, das auf eine bestimmte neue und erfinderische therapeutische Anwendung gerichtet ist (siehe G 1/83, Entscheidungsgründe Punkt 23, Entscheidungsformel, Satz 2). Eine Interpretation dieser Entscheidungen, die dabei den Begriff des "Arzneimittels" außer Acht lässt, scheint der Kammer nicht gerechtfertigt (siehe dazu auch T 138/02, nicht im Abl. EPA veröffentlicht, vom 27. Juni 2006, Entscheidungsgründe, Punkte 2.3. und 2.7). Im Übrigen sind die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Ansprüche gar nicht in der Form "Verwendung eines Stoffes zur Herstellung eines Produkts" abgefasst, sodass schon aus diesem Grund keine Analogie zur zweiten medizinischen Verwendung zu sehen ist. Eine weitere Vertiefung dieses Vortrags vor der Einspruchsabteilung hätte daher die angefochtene Entscheidung nicht ändern können. Der wesentliche Verfahrensmangel war daher nicht ausschlaggebend für die zu überprüfende Entscheidung und die Beschwerdeentscheidung. Unter diesen Umständen ist die Kammer der Auffassung, dass eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht der Billigkeit entspricht und weist den Antrag auf Rückzahlung ab.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zurückverwiesen an die erste Instanz zur Fortsetzung des Verfahrens auf der Basis des Hilfsantrags I, eingereicht als Hilfsantrag IV mit Schreiben vom 12. Juli 2007.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
4. Der Antrag auf Kostenerstattung wird zurückgewiesen.