European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2013:T008305.20130708 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 08 Juli 2013 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0083/05 | ||||||||
Entscheidung der Großen Beschwerdekammer: | G 0002/13 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99915886.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | A01H 5/10 | ||||||||
Verfahrenssprache: | EN | ||||||||
Verteilung: | A | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | Plant Bioscience Limited | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Syngenta Participations AG Groupe Limagrain Holding |
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Kammer: | 3.3.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausschluss von im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen - mögliche Auswirkung auf die Gewährbarkeit eines Erzeugnisanspruchs für Pflanzen oder Pflanzenmaterial - Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung - Befassung der Großen Beschwerdekammer | ||||||||
Orientierungssatz: |
Die in der Entscheidungsformel aufgeführten Rechtsfragen 1 bis 4 werden der Großen Beschwerdekammer zur Entscheidung vorgelegt. |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegende Beschwerde betrifft das europäische Patent Nr. 1 069 819 mit der Bezeichnung "Verfahren zur selektiven Erhöhung der antikarzinogenen Glucosinolate bei Brassica-Sorten". Das Patent wurde auf die Anmeldung Nr. 99915886.8 (veröffentlicht als WO?A?99/52345) erteilt. Es enthielt Verfahrensansprüche, die auf Verfahren zur Herstellung von Brassica oleracea mit erhöhten Mengen an bestimmten Glucosinolaten gerichtet waren, und Erzeugnisansprüche, die auf bestimmte Brassica- und Broccolipflanzen sowie auf Teile dieser Pflanzen (genießbarer Teil, Samen, Infloreszenz, Pflanzenzelle) gerichtet waren.
II. Zwei Einsprechende legten Einspruch gegen das Patent ein. Die Einsprüche wurden auf mehrere Gründe gestützt, u. a. auf den Ausschluss des Gegenstands der Verfahrensansprüche des Patents von der Patentierbarkeit nach Artikel 53 b) EPÜ. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung focht keine der Einsprechenden die Erzeugnisansprüche des Patents auf der Grundlage von Artikel 53 b) EPÜ an. Die Einspruchsabteilung entschied, das europäische Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 11 des damaligen Hauptantrags der Patentinhaberin aufrechtzuerhalten, der sowohl Verfahrens- als auch Erzeugnisansprüche umfasste.
III. Gegen diese Entscheidung legten die Einsprechende 01 (Beschwerdeführerin I) und die Einsprechende 02 (Beschwerdeführerin II) Beschwerde ein. Die Beschwerdeführerinnen brachten vor, dass das Patent (in geändertem Umfang) und die Erfindung, die es zum Gegenstand habe, nicht den Erfordernissen des EPÜ genügten. Dabei beriefen sie sich auf die Einspruchsgründe der unzureichenden Offenbarung, der mangelnden Neuheit, der mangelnden erfinderischen Tätigkeit und der unzulässigen Erweiterung des Erfindungsgegenstands. Die Beschwerdeführerin II machte zudem geltend, dass der Gegenstand der Verfahrensansprüche im Hauptantrag der Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) vor der Einspruchsabteilung nach Artikel 53 b) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sei.
IV. In der ersten mündlichen Verhandlung vor dieser Kammer (in anderer Besetzung) reichte die Beschwerdegegnerin einen neuen Hauptantrag und einen Hilfsantrag mit jeweils 9 Ansprüchen ein. Die unabhängigen Ansprüche des neuen Hauptantrags lauteten wie folgt:
"1. Verfahren zur Herstellung von Brassica oleracea mit erhöhten Mengen an 4-Methylsulfinylbutylglucosinolaten oder 3-Methylsulfinylpropylglucosinolaten oder beidem, bei dem man
a) wilde Brassica-oleracea-Spezies aus der Gruppe der Brassica villosa und Brassica drepanensis mit doppelt haploiden Broccoli-Zuchtlinien kreuzt und
b) Hybride mit Mengen an 4-Methylsulfinylbutylglucosinolaten oder 3-Methylsulfinylpropylglucosinolaten oder beidem auswählt, die höher als die anfänglich in doppelt haploiden Broccoli-Zuchtlinien gefundenen Mengen sind,
c) Pflanzen mit der genetischen Kombination, die die Expression von erhöhten Mengen an 4-Methylsulfinylbutylglucosinolaten oder 3-Methylsulfinylpropylglucosinolaten oder beidem codiert, rückkreuzt und auswählt und
d) eine Broccoli-Linie mit erhöhten Mengen an 4-Methylsulfinylbutylglucosinolaten oder 3-Methylsulfinylpropylglucosinolaten oder beidem auswählt, die in der Lage sind, eine starke Induktion von Phase-II-Enzymen zu bewirken,
wobei in den Schritten b und c molekulare Marker dazu verwendet werden, Hybride mit einer genetischen Kombination auszuwählen, die die Expression von erhöhten Mengen an 4-Methylsulfinylbutylglucosinolaten oder 3-Methylsulfinylpropylglucosinolaten oder beidem codiert, die in der Lage sind, eine starke Induktion von Phase-II-Enzymen zu bewirken.
5. Genießbare Brassica-Pflanze, hergestellt nach dem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 4.
6. Genießbarer Teil einer Broccoli-Pflanze, hergestellt nach dem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 4.
7. Samen einer Broccoli-Pflanze, hergestellt nach dem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 4.
8. Broccoli-Pflanze mit erhöhten Mengen an 3-Methylsulfinylpropylglucosinolaten oder 4-Methylsulfinylbutylglucosinolaten oder beidem, wobei die Broccoli-Pflanze eine Hybridpflanze nach dem Kreuzen von doppelt haploiden Broccoli-Zuchtlinien mit wilden Brassica-oleracea-Spezies aus der Gruppe der Brassica villosa und Brassica drepanensis ist und die Mengen an 3-Methylsulfinylpropylglucosinolaten oder 4-Methylsulfinylbutylglucosinolaten oder beidem zwischen 10 und 100 µmol pro Gramm Trockengewicht der Pflanze liegen.
9. Broccoli-Infloreszenz mit erhöhten Mengen an 3-Methylsulfinylpropylglucosinolaten oder 4-Methylsulfinylbutylglucosinolaten oder beidem, wobei die Broccoli-Infloreszenz aus einer Hybridpflanze nach dem Kreuzen von doppelt haploiden Broccoli-Zuchtlinien mit wilden Brassica-oleracea-Spezies aus der Gruppe der Brassica villosa und Brassica drepanensis erhalten wird und die Mengen an 3-Methylsulfinylpropylglucosinolaten oder 4-Methylsulfinylbutylglucosinolaten oder beidem zwischen 10 und 100 µmol pro Gramm Trockengewicht der Infloreszenz liegen."
V. In ihrer Zwischenentscheidung vom 22. Mai 2007 entschied die Kammer, der Großen Beschwerdekammer zwei Rechtsfragen vorzulegen. Beide Fragen bezogen sich auf die Auslegung der in Artikel 53 b) EPÜ verankerten Ausschlussbestimmung für Verfahren, d. h. auf die Bedingungen, unter denen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen als "im Wesentlichen biologisch" anzusehen sind. In dieser Zwischenentscheidung befasste sich die Kammer außerdem mit allen sonstigen Einwänden, die die Beschwerdeführerinnen bis dahin im Beschwerdeverfahren erhoben hatten, und befand, dass keiner dieser Einwände einer Aufrechterhaltung des Patents in der gemäß dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin geänderten Fassung entgegenstehe (s. Entscheidungsgründe: Nr. 4: keine Erweiterung, Nr. 7: ausreichende Offenbarung, Nr. 18: Neuheit, Nrn. 28 und 35: erfinderische Tätigkeit).
VI. Die Große Beschwerdekammer beantwortete die ihr vorgelegten Rechtsfragen in der Entscheidung G 2/07 vom 9. Dezember 2010. Am 24. März 2011 lud die jetzige Kammer die Beteiligten zu einer mündlichen Verhandlung, die am 26. Oktober 2011 stattfinden sollte.
VII. Mit Schreiben vom 29. April 2011 reichte die Beschwerdegegnerin einen neuen Hauptantrag und einen neuen Hilfsantrag ein, die alle früheren Anträge ersetzten. Diese neuen Anträge enthielten keine Verfahrensansprüche. Der Hauptantrag umfasste fünf unabhängige Ansprüche 1 bis 5. Anspruch 1 lautete wie folgt:
"1. Genießbare Brassica-Pflanze, hergestellt nach einem Verfahren zur Herstellung von Brassica oleracea mit erhöhten Mengen an 4-Methylsulfinylbutylglucosinolaten oder 3-Methylsulfinylpropylglucosinolaten oder beidem, bei dem man
a) wilde Brassica-oleracea-Spezies aus der Gruppe der Brassica villosa und Brassica drepanensis mit doppelt haploiden Broccoli-Zuchtlinien kreuzt und
b) Hybride mit Mengen an 4-Methylsulfinylbutylglucosinolaten oder 3-Methylsulfinylpropylglucosinolaten oder beidem auswählt, die höher als die anfänglich in doppelt haploiden Broccoli-Zuchtlinien gefundenen Mengen sind,
c) Pflanzen mit der genetischen Kombination, die die Expression von erhöhten Mengen an 4-Methylsulfinylbutylglucosinolaten oder 3-Methylsulfinylpropylglucosinolaten oder beidem codiert, rückkreuzt und auswählt und
d) eine Broccoli-Linie mit erhöhten Mengen an 4-Methylsulfinylbutylglucosinolaten oder 3-Methylsulfinylpropylglucosinolaten oder beidem auswählt, die in der Lage sind, eine starke Induktion von Phase-II-Enzymen zu bewirken,
wobei in den Schritten b und c molekulare Marker dazu verwendet werden, Hybride mit einer genetischen Kombination auszuwählen, die die Expression von erhöhten Mengen an 4-Methylsulfinylbutylglucosinolaten oder 3-Methylsulfinylpropylglucosinolaten oder beidem codiert, die in der Lage sind, eine starke Induktion von Phase-II-Enzymen zu bewirken."
Die Ansprüche 2 und 3 des neuen Hauptantrags waren auf einen genießbaren Teil und auf den Samen einer Broccolipflanze gerichtet, die nach einem Verfahren hergestellt waren, das genauso definiert war wie in Anspruch 1. Die Ansprüche 4 und 5 waren identisch mit den Ansprüchen 8 und 9 des früheren Hauptantrags der Beschwerdegegnerin, mit dem sich die Kammer in ihrer Zwischenentscheidung vom 22. Mai 2007 befasst hatte (s. Nr. IV).
VIII. Für den Fall, dass die Kammer nicht beabsichtige, das Patent auf der Grundlage des neuen Hauptantrags aufrechtzuerhalten, beantragte die Beschwerdegegnerin eine mündliche Verhandlung. Mit Schreiben vom 27. September 2011 bzw. 11. Oktober 2011 beantragten die Beschwerdeführerin II und die Beschwerdeführerin I eine mündliche Verhandlung für den Fall, dass die Kammer beabsichtige, das Patent auf der Grundlage eines anderen Antrags als der zu diesem Zeitpunkt anhängigen Anträge der Beschwerdegegnerin aufrechtzuerhalten. Die Kammer sagte die für den 26. Oktober 2011 anberaumte mündliche Verhandlung ab und erklärte ihre Absicht, eine Entscheidung in schriftlicher Form zu erlassen.
IX. Am 8. November 2011 fand in der Beschwerdesache T 1242/06 (Tomaten/STAAT ISRAEL) eine zweite mündliche Verhandlung statt. Auch in dieser Sache hatte die Kammer der Großen Beschwerdekammer zu einem früheren Zeitpunkt Rechtsfragen zur Auslegung des in Artikel 53 b) EPÜ verankerten Verfahrensausschlusses vorgelegt, die diese in ihrer Entscheidung G 1/08 (ABl. EPA 2012, 206) beantwortete, die in Sachverhalt und Anträgen sowie Entscheidungsgründen mit der oben angeführten Entscheidung G 2/07 (s. Nr. VI) übereinstimmt. Der Patentinhaber in der Sache T 1242/06 hatte zwar - ähnlich wie die Patentinhaberin im vorliegenden Fall - im Anschluss an die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer sämtliche Verfahrensansprüche gestrichen; die Einsprechende hielt aber daran fest, dass die Anträge des Patentinhabers, die nunmehr nur noch Erzeugnisansprüche enthielten, nach wie vor nicht den Erfordernissen des Artikels 53 b) EPÜ genügten. Am Ende der zweiten mündlichen Verhandlung in der Sache T 1242/06 verkündete die Kammer ihre Absicht, die Große Beschwerdekammer erneut mit Rechtsfragen zu befassen.
X. Im vorliegenden Fall gingen am 1. November 2011 Einwendungen Dritter ein.
XI. Mit Schreiben vom 22. November 2011 beantragte die Beschwerdeführerin I eine Aussetzung des Verfahrens, bis die mit der Beschwerdesache T 1242/06 befasste Kammer ihre Rechtsfragen zur Vorlage an die Große Beschwerdekammer formuliert und die Große Beschwerdekammer über die Zulassung dieser Fragen entschieden habe. Außerdem beantragte sie eine mündliche Verhandlung für den Fall, dass die Kammer den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens ablehnen sollte.
XII. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2011 machte die Beschwerdegegnerin geltend, dass die Beschwerdeführerin I mit ihrem neuen Vorbringen einen neuen Einspruchsgrund in das Beschwerdeverfahren einzuführen scheine, nämlich einen Einwand nach Artikel 53 b) EPÜ gegen die Erzeugnisansprüche. Sollte die Große Beschwerdekammer die zweite Vorlage in der Sache T 1242/06 für nicht zulässig befinden, so würde die Beschwerdegegnerin der Zulassung dieses neuen Einspruchsgrunds zum Verfahren nicht zustimmen. Anderenfalls würde sie zustimmen. Die Beschwerdegegnerin regte ferner an, dass die Kammer ihre nächste Miteilung erst erlassen solle, wenn die Große Beschwerdekammer über die Zulässigkeit der zweiten Vorlage in der Sache T 1242/06 entschieden habe. Für den Fall, dass die Kammer entgegen den Anträgen im Vorbringen der Beschwerdegegnerin entscheiden sollte, beantragte diese eine mündliche Verhandlung.
XIII. Am 31. Mai 2012 erließ die Kammer in der Sache T 1242/06 eine zweite Zwischenentscheidung, mit der sie der Großen Beschwerdekammer die folgenden Rechtsfragen vorlegte:
"1. Kann sich der Ausschluss von im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen in Artikel 53 b) EPÜ negativ auf die Gewährbarkeit eines Erzeugnisanspruchs auswirken, der auf Pflanzen oder Pflanzenmaterial wie eine Frucht gerichtet ist?
2. Ist insbesondere ein Anspruch, der auf Pflanzen oder Pflanzenmaterial gerichtet ist, bei denen es sich nicht um eine Pflanzensorte handelt, auch dann gewährbar, wenn das einzige am Anmeldetag verfügbare Verfahren zur Erzeugung des beanspruchten Gegenstands ein in der Patentanmeldung offenbartes im Wesentlichen biologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen ist?
3. Ist es im Rahmen der Fragen 1 und 2 relevant, dass sich der durch den Erzeugnisanspruch verliehene Schutz auf die Erzeugung des beanspruchten Erzeugnisses durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren für die Züchtung von Pflanzen erstreckt, das nach Artikel 53 b) EPÜ als solches nicht patentierbar ist?"
Das Vorlageverfahren ist unter dem Aktenzeichen G 2/12 bei der Großen Beschwerdekammer anhängig (s. ABl. EPA 2012, 468).
XIV. Mit einer Mitteilung vom 15. Juni 2012 forderte die Kammer die Verfahrensbeteiligten auf, ihre Anträge klarzustellen. Nachdem innerhalb der gesetzten Frist nur die Beschwerdeführerin I Schriftsätze zur Sache eingereicht hatte, lud die Kammer zu einer mündlichen Verhandlung. Daraufhin reichten alle Beteiligten weitere Vorbringen ein. Außerdem gingen Einwendungen Dritter ein.
XV. Mit Schreiben vom 31. Januar 2013 erklärte die Beschwerdegegnerin ihre vorbehaltlose Zustimmung zur Prüfung des gegen die Erzeugnisansprüche in ihren Anträgen erhobenen Einwands nach Artikel 53 b) EPÜ. Sie beantragte die Zulassung dieses Einwands zum Verfahren und die erneute Vorlage von Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer. So solle die Große Beschwerdekammer nochmals mit den drei mit der Zwischenentscheidung T 1242/06 vom 31. Mai 2012 vorgelegten Rechtsfragen sowie mit einer oder beiden der folgenden Fragen befasst werden:
"4. Falls ein Anspruch, der auf Pflanzen oder Pflanzenmaterial gerichtet ist, bei denen es sich nicht um eine Pflanzensorte handelt, für nicht gewährbar befunden wird, weil sich der durch den Erzeugnisanspruch verliehene Schutz auf die Erzeugung des beanspruchten Erzeugnisses durch ein nach Artikel 53 b) EPÜ nicht patentierbares Verfahren erstreckt, kann dann das nicht patentierbare Verfahren durch einen Disclaimer ausgeklammert werden?"
5. Wenn sich der Ausschluss von im Wesentlichen biologischen Verfahren auf die Patentierbarkeit von Erzeugnissen auswirkt, die mittels dieser Verfahren hergestellt wurden, beschränkt sich diese Auswirkung dann auf Product-by-process-Ansprüche, die das im Wesentlichen biologische Verfahren einschließen, oder erstreckt sie sich auch auf Erzeugnisansprüche, die das Erzeugnis durch strukturelle Merkmale charakterisieren?"
XVI. Am 1. März 2013 fand die mündliche Verhandlung statt, bei der alle Verfahrensbeteiligten anwesend waren. Die Beschwerdeführerin I reichte verschiedene Rechtsfragen ein, die der Großen Beschwerdekammer vorgelegt werden sollten; die Fragen 2, 3 und 5 lauteten wie folgt:
"2. Wenn sich der Ausschluss von im Wesentlichen biologischen Verfahren auf die Patentierbarkeit von Erzeugnissen auswirkt, die mittels dieser Verfahren hergestellt wurden, beschränkt sich diese Auswirkung dann auf Product-by-process-Ansprüche, die das im Wesentlichen biologische Verfahren einschließen, oder erstreckt sie sich auf Erzeugnisansprüche, die das Erzeugnis durch strukturelle Merkmale charakterisieren? Spielt es eine Rolle, ob Letztere neben den strukturellen Merkmalen auch Verfahrensschritte wie die geschlechtliche Kreuzung umfassen?
3. Wenn sich der Patentierbarkeitsausschluss auch auf Erzeugnisansprüche im Allgemeinen erstreckt, spielt es dann eine Rolle, ob das Erzeugnis auch durch ein technisches (nicht im Wesentlichen biologisches) Verfahren hätte hergestellt werden können, das nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist? Muss ein solches Verfahren in der Patentanmeldung ausdrücklich beschrieben und/oder durch Beispiele belegt sein oder genügt eine Beschreibung im Stand der Technik?
5. Macht es für den Ausschluss von der Patentierbarkeit als im Wesentlichen biologisches Verfahren einen Unterschied, ob ein Verfahren, das Schritte der Kreuzung und Selektion umfasst, als Ganzes technischen Charakter hat? Falls NEIN, welche Auswirkung und Bedeutung hat dann (wenn überhaupt) Regel 27 c) für Artikel 53 b) EPÜ?"
Die Beschwerdeführerin II reichte die folgende Frage ein, mit der die Große Beschwerdekammer befasst werden solle:
"Falls (die mit T 1242/06 vorgelegte) Frage 1 bejaht wird, was ist dann in Bezug auf Pflanzen nach dem EPÜ noch patentierbar?"
Die Beschwerdegegnerin reichte neue Hilfsanträge 1 und 2 ein. Der neue Hilfsantrag 1 war mit dem Hauptantrag identisch, den sie mit Schreiben vom 29. April 2011 eingereicht hatte, außer dass am Ende jedes Anspruchs eine "wobei"-Klausel folgenden Wortlauts hinzugefügt worden war: "wobei der Anspruch kein im Wesentlichen biologisches Verfahren zur Herstellung einschließt." In den Ansprüchen 1 und 4 bezog sich diese Klausel auf die Herstellung "der Pflanze", in Anspruch 2 auf die "des genießbaren Teils der Pflanze", in Anspruch 3 auf die "des Samens der Pflanze" und in Anspruch 5 auf die "der Infloreszenz".
Der neue Hilfsantrag 2 war mit dem mit Schreiben vom 29. April 2011 eingereichten Hilfsantrag identisch und unterschied sich vom Hauptantrag nur durch die Streichung der Ansprüche 1 bis 3 und die Umnummerierung der verbleibenden Ansprüche 4 und 5.
XVII. Die Beschwerdeführerin I (Einsprechende 01) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1 069 819 in geänderter Fassung auf der Grundlage des neuen, von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 2. Sie beantragte ferner, der Großen Beschwerdekammer folgende Rechtsfragen vorzulegen:
a) die der Großen Beschwerdekammer bereits mit T 1242/06 vom 31. Mai 2012 vorgelegten Fragen 1 bis 3,
b) die von der Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 31. Januar 2013 eingereichten Fragen 4 und 5,
c) die von ihr selbst in der mündlichen Verhandlung eingereichten Fragen 2, 3 und 5.
XVIII. Die Beschwerdeführerin II (Einsprechende 02) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 069 819. Sie beantragte außerdem, der Großen Beschwerdekammer folgende Rechtsfragen vorzulegen:
a) die der Großen Beschwerdekammer bereits mit T 1242/06 vom 31. Mai 2012 vorgelegten Fragen 1 bis 3,
b) die von der Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 31. Januar 2013 eingereichten Fragen 4 und 5,
c) die von ihr selbst in der mündlichen Verhandlung eingereichte Frage.
XIX. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 5 des mit Schreiben vom 8. April 2011 eingereichten Hauptantrags oder alternativ der Ansprüche 1 bis 5 des neuen, in der mündlichen Verhandlung am 1. März 2013 eingereichten Hilfsantrags 1 oder der Ansprüche 1 und 2 des neuen, in der mündlichen Verhandlung am 1. März 2013 eingereichten Hilfsantrags 2. Sie beantragte ferner, der Großen Beschwerdekammer folgende Rechtsfragen vorzulegen:
a) die der Großen Beschwerdekammer bereits mit T 1242/06 vom 31. Mai 2012 vorgelegten Fragen 1 bis 3,
b) die von ihr selbst mit Schreiben vom 31. Januar 2013 eingereichten Fragen 4 und 5 oder alternativ nur die unter a) genannten Fragen.
XX. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Vorsitzende, dass die Kammer beabsichtige, die Große Beschwerdekammer zumindest mit den drei bereits in T 1242/06 vorgelegten Rechtsfragen zu befassen. Anschließend erklärte sie die sachliche Debatte für beendet.
XXI. Die Vorbringen der Beschwerdeführerinnen I und/oder II im Beschwerdeverfahren lassen sich, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, wie folgt zusammenfassen:
- Der gegen die Erzeugnisansprüche erhobene Einwand nach Artikel 53 b) EPÜ sei kein neuer Einspruchsgrund, dessen Prüfung die Zustimmung der Patentinhaberin erfordere.
- Die in der Sache G 2/12 anhängigen Fragen beträfen für den vorliegenden Fall hoch relevante Rechtsfragen. Sie sollten daher nochmals vorgelegt und durch weitere Rechtsfragen ergänzt werden, damit die Große Beschwerdekammer in einer ganzheitlichen und umfassenden Weise auf alle Aspekte eingehen könne.
- Insbesondere solle klargestellt werden, ob mit dem Begriff "verfügbar" in der Vorlagefrage 2 eine theoretische Möglichkeit, eine konkrete Offenbarung oder gar die Angabe eines Beispiels im Patent gemeint sei.
XXII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren lässt sich, soweit es für die vorliegende Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:
- Auch wenn der von der Beschwerdeführerin I gegen die Erzeugnisansprüche erhobene Einwand einen neuen Einspruchsgrund darstelle, solle er zum Verfahren zugelassen werden.
- Da die erfindungsgemäßen Pflanzen zumindest auch mittels eines Verfahrens hergestellt werden könnten, das im Wesentlichen biologische Schritte umfasse, könne die von der Kammer in der zweiten Zwischenentscheidung in der Sache T 1242/06 entwickelte Begründung, der die Beschwerdegegnerin nicht zustimme, auch auf den vorliegenden Fall zutreffen.
- Die Stellungnahme der Großen Beschwerdekammer in der Vorlagesache G 2/12 sei auch für den Bestand des Streitpatents hoch relevant. Daher solle die Beschwerdegegnerin Gelegenheit erhalten, sich vor der Großen Beschwerdekammer zu dieser Thematik zu äußern. Zu diesem Zweck solle die Kammer die in der Vorlagesache G 2/12 anhängigen Fragen im Rahmen einer zweiten Vorlageentscheidung ebenfalls der Großen Beschwerdekammer vorlegen.
- Die als G 2/12 anhängige Vorlagesache sowie die Entscheidungen G 2/07 und G 1/08 der Großen Beschwerdekammer hätten zu einer erheblichen Unsicherheit in grundlegenden Fragen der Patentierbarkeit geführt. Zur Klärung dieser Fragen solle die Große Beschwerdekammer mit weiteren Rechtsfragen befasst werden.
Entscheidungsgründe
Zulässigkeit der Anträge der Beschwerdegegnerin
1. Der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin (s. Nr. VII) wurde mit Schreiben vom 29. April 2011 eingereicht, nachdem die Große Beschwerdekammer die ihr von dieser Kammer vorgelegten Rechtsfragen zur Bedeutung und zum Anwendungsbereich des in Artikel 53 b) EPÜ verankerten Verfahrensausschlusses beantwortet hatte. Die vorgenommenen Änderungen bestehen im Wesentlichen in der Streichung aller im vorherigen Hauptantrag enthaltenen Verfahrensansprüche. Die Einreichung des Hauptantrags kann daher als angemessene Reaktion auf die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer angesehen werden. Dasselbe gilt für den Hilfsantrag II der Beschwerdegegnerin, den sie mit demselben Schreiben (als "Hilfsantrag") eingereicht hatte und in dem drei weitere unabhängige Ansprüche gestrichen waren (s. Nrn. VII und XVI).
2. Der aktuelle Hilfsantrag I wurde erst in der zweiten mündlichen Verhandlung eingereicht (s. Nr. XVI). Verglichen mit dem Hauptantrag enthält er einen Disclaimer, der eine mögliche Anwendung der in Artikel 53 b) EPÜ verankerten Ausschlussbestimmung für Verfahren auf die Erzeugnisansprüche verhindern soll. Dies kann als Versuch gewertet werden, auf den von der Beschwerdeführerin I erst in einem sehr späten Verfahrensstadium erhobenen Einwand (s. Nr. 7) sowie auf die Behandlung dieses Einwands in der mündlichen Verhandlung zu reagieren.
3. Die Beschwerdeführerinnen haben keine Einwände gegen die Zulässigkeit der Sachanträge der Beschwerdegegnerin erhoben. In Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) lässt die Kammer daher alle diese Anträge zum Verfahren zu.
Hauptantrag
Andere Einspruchsgründe als Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 53 b) EPÜ
4. In ihrer Zwischenentscheidung vom 22. Mai 2007 (ABl. EPA 2007, 644), mit der sie der Großen Beschwerdekammer Rechtsfragen zur Auslegung von Artikel 53 b) EPÜ vorlegte, befasste sich diese Kammer bereits mit allen anderen Einspruchsgründen, die die Beschwerdeführerinnen gegen die Zulässigkeit des damaligen Hauptantrags der Beschwerdegegnerin vorgebracht hatten, d. h. mit Artikel 100 a) in Verbindung mit den Artikeln 54 und 56 EPÜ sowie mit Artikel 100 b) und c) EPÜ (s. Nr. V). Sie gelangte zu dem Schluss, dass keiner dieser Gründe der Aufrechterhaltung des Streitpatents in geändertem Umfang auf der Grundlage dieses Antrags entgegenstand.
5. Der aktuelle Hauptantrag der Beschwerdegegnerin (s. Nr. VII) unterscheidet sich von ihrem vorherigen Hauptantrag (s. Nr. IV) nur dadurch, dass
- alle Verfahrensansprüche 1 bis 4 gestrichen wurden,
- die ehemaligen Erzeugnisansprüche 5 bis 9 in die Ansprüche 1 bis 5 umnummeriert wurden und
- die Bezugnahme in den ehemaligen unabhängigen Erzeugnisansprüchen 5 bis 7 auf das in den ehemaligen Ansprüchen 1 bis 4 definierte Verfahren in den neuen Ansprüchen 1 bis 3 durch eine ausführliche Definition des Verfahrens gemäß dem ehemaligen Anspruch 1 ersetzt wurde.
6. Diese Änderungen schränken den ursprünglich beanspruchten Schutzbereich ein, ändern aber nichts an der Sach- und Rechtslage, aufgrund deren die Kammer in ihrer Zwischenentscheidung vom 22. Mai 2007 (a. a. O.) bezüglich aller Einspruchsgründe außer dem des Artikels 100 a) in Verbindung mit Artikel 53 b) EPÜ zu ihren (für die Beschwerdegegnerin positiven) Schlussfolgerungen gelangt ist. Somit hat die dieser Entscheidung zugrunde liegende Beurteilung nach wie vor Gültigkeit. Dies wurde von keiner der Verfahrensbeteiligten bestritten.
Nach Artikel 8 (2) VOBK ist jedes neue Mitglied einer Beschwerdekammer an bereits getroffene Zwischenentscheidungen dieser Kammer wie die übrigen Mitglieder gebunden. Dies bedeutet, dass der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin den Erfordernissen der Artikel 54, 56, 83 und 123 (2) EPÜ genügt.
Zulässigkeit des gegen die Erzeugnisansprüche erhobenen Einwands nach Artikel 53 b) EPÜ
7. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung haben die Beschwerdeführerinnen nie vorgebracht, dass die Ausschlussbestimmung des Artikels 53 b) EPÜ der Gewährbarkeit der Erzeugnisansprüche des Patents in der erteilten oder in der von der Beschwerdegegnerin geänderten Fassung entgegenstehe. Diesen Einwand erhob die Beschwerdeführerin I erst in einer sehr späten Phase des Beschwerdeverfahrens in einem schriftlichen Vorbringen, nachdem die Kammer die ursprünglich für den 26. Oktober 2011 anberaumte zweite mündliche Verhandlung bereits abgesagt hatte (s. Nrn. VIII, XI und XII).
8. Nach Artikel 13 (1) VOBK liegt es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beschwerdeführers nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung dieses Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt.
9. Zudem ließe sich argumentieren, dass die Prüfung des gegen die anhängigen Erzeugnisansprüche erhobenen Einwands nach Artikel 53 b) EPÜ der Einführung eines neuen Einspruchsgrunds in der Beschwerdephase gleichkommt. Nach der Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer (s. G 9/91, ABl. EPA 1993, 408, Nr. 18 der Entscheidungsgründe und G 1/95, ABl. EPA 1996, 615, Nrn. 1.2 sowie 5 bis 7 der Entscheidungsgründe) kann ein solcher Einspruchsgrund nur dann in das Verfahren eingeführt werden, wenn der Patentinhaber dem zustimmt und der Einspruchsgrund prima facie hoch relevant ist.
10. Auf der einen Seite ist es sehr bedauerlich, dass die Beschwerdeführerin I den Einwand in einem so späten Verfahrensstadium erhoben hat. Ihn jetzt zuzulassen und zu prüfen, hätte zur Folge, dass sich die endgültige Entscheidung im vorliegenden Fall, die die Kammer eigentlich nach ihrer Absage der mündlichen Verhandlung im Oktober 2011 treffen wollte, weiter verzögern würde. Der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie sprechen also gegen die Zulassung des Einwands.
11. Auf der anderen Seite spricht auch einiges dafür: Erstens und vor allem die Tatsache, dass die Beschwerdegegnerin ihre vorbehaltlose Zustimmung zur Prüfung des Einwands erklärt hat (s. Nr. XV). Zweitens scheint der Einwand hoch relevant für die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang zu sein, weil es - wie unten näher erläutert (s. Nrn. 13 bis 20) - stichhaltige Argumente dafür gibt, dass der in Artikel 53 b) EPÜ verankerte Verfahrensausschluss auch Auswirkungen auf die Gewährbarkeit bestimmter Erzeugnisansprüche für Pflanzen und Pflanzenmaterial haben könnte. Drittens haben die für die Verfahrensbeteiligten kaum vorhersehbaren aktuellen Entwicklungen in der Sache T 1242/06 und insbesondere die erneute Vorlage von Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer auch im vorliegenden Fall Zweifel an der Gewährbarkeit der Erzeugnisansprüche aufkommen lassen. Die Beteiligten scheinen sich darin einig, dass das Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht abgeschlossen werden sollte, ohne dass diese für das Streitpatent entscheidende Rechtsfrage geklärt ist und ohne dass die Beteiligten Gelegenheit hatten, ihre einschlägigen Argumente im Rahmen einer weiteren Vorlage an die Große Beschwerdekammer vorzutragen.
12. In Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (1) VOBK hat die Kammer daher die obigen Überlegungen gegeneinander abgewogen und lässt den neuen Einwand zum Beschwerdeverfahren zu. In Anbetracht der von der Patentinhaberin erklärten Zustimmung und der hohen Relevanz des Einwands braucht nicht darüber entschieden zu werden, ob dieser Einwand einen neuen Einspruchsgrund darstellt, weil die sonstigen nach der einschlägigen Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer erforderlichen Voraussetzungen für seine Zulassung (s. Nr. 9) erfüllt sind.
Artikel 53 b) EPÜ - materiellrechtliche Aspekte
13. Was den Bereich der Pflanzenzüchtung angeht, so enthält Artikel 53 b) EPÜ zwei Ausnahmen von der Patentierbarkeit. Er verbietet zum einen die Patentierung von Pflanzensorten und zum anderen die Patentierung von im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen.
14. In der zweiten Zwischenentscheidung in der Sache T 1242/06 (ABl. EPA 2013, 42) hat sich diese Kammer in anderer Besetzung im Zusammenhang mit der Beurteilung der Patentierbarkeit der auf bestimmte Tomatenfrüchte gerichteten Erzeugnisansprüche mit diesen beiden Ausnahmen befasst. Zwar erachtete die Kammer den Ausschluss von Pflanzensorten für nicht anwendbar, räumte aber ein, dass der in Artikel 53 b) EPÜ verankerte Verfahrensausschluss durchaus eine Auswirkung auf die Gewährbarkeit der beanspruchten Erzeugnisse haben könnte, und entschied daher, der Großen Beschwerdekammer weitere Rechtsfragen zu dieser Thematik vorzulegen.
15. Im vorliegenden Fall ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags der Beschwerdegegnerin (s. Nr. VII) als genießbare Brassica-Pflanze definiert, die nach einem bestimmten Verfahren zur Herstellung von Brassica oleracea mit erhöhten Mengen an bestimmten Glucosinolaten erzeugt wird. Die Verfahrensmerkmale dieses Product-by-process-Anspruchs umfassen Schritte der Kreuzung und Selektion von Pflanzen. Die Ansprüche 2 und 3, die auf einen genießbaren Teil und auf die Samen einer Broccolipflanze gerichtet sind, enthalten dieselben Verfahrensmerkmale. Die Ansprüche 4 und 5 des Hauptantrags (s. Nrn. IV und VII) definieren die beanspruchte Broccolipflanze bzw. -Infloreszenz unter anderem durch das Product-by-process-Merkmal der Kreuzung doppelt haploider Broccoli-Zuchtlinien mit Brassica villosa oder Brassica drepanensis.
16. Aus denselben Gründen, die in der zweiten Zwischenentscheidung in der Sache T 1242/06 (a. a. O., Nrn. 25 bis 39 der Entscheidungsgründe) sehr ausführlich dargelegt sind, ist die Kammer der Auffassung, dass die im vorliegenden Fall beanspruchten Pflanzen oder Pflanzenteile nicht unter den in Artikel 53 b) EPÜ verankerten und in Regel 26 (4) EPÜ definierten Ausschluss von Pflanzensorten fallen. Diese Pflanzen oder Pflanzenteile sind, abgesehen davon, dass sie aufgrund der Verfahrensmerkmale der Ansprüche (s. Nr. 15) als das Ergebnis der Kreuzung bestimmter Pflanzenarten definiert sind, nicht durch eine Vielzahl von Merkmalen näher definiert, die sich aus einem bestimmten Genotyp oder einer bestimmten Kombination von Genotypen ergeben (s. G 1/98, ABl. EPA 2000, 111, Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe), sondern - direkt oder indirekt - nur durch ein bestimmtes Merkmal, nämlich die erhöhte Menge bestimmter Glucosinolate. Ein einziges Merkmal genügt jedoch in der Regel nicht für die Definition einer Pflanzensorte, wenn nicht neben der Angabe der Art noch weitere geeignete Angaben über den tatsächlichen Genotyp der pflanzlichen Gesamtheit bereitgestellt werden. Das Patentierungsverbot für Pflanzensorten findet im vorliegenden Fall also keine Anwendung. Keine der Beschwerdeführerinnen hat dies bestritten.
17. Dennoch ist - ähnlich wie in der Sache T 1242/06 (a. a. O.) - noch ein zweiter Aspekt zu behandeln, nämlich die Frage, ob sich die in Artikel 53 b) EPÜ verankerte Ausschlussbestimmung für Verfahren negativ auf die Gewährbarkeit der Erzeugnisansprüche der Beschwerdegegnerin auswirkt. Nach Auffassung der Kammer müssen zumindest die Verfahrensschritte, durch die die beanspruchten Pflanzen und Pflanzenteile in den Ansprüchen 1 bis 3 des Hauptantrags definiert werden (s. Nr. 15), als im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen angesehen werden und würden somit, wenn sie als solche beansprucht würden, unter den Verfahrensausschluss des Artikels 53 b) EPÜ fallen. Diese Ansprüche beziehen sich also auf Pflanzen oder Pflanzenteile, die durch ein ausgeschlossenes Verfahren hergestellt werden. Der Kammer ist durchaus bewusst, dass der Gegenstand eines Product-by-process-Anspruchs nach der ständigen Rechtsprechung nicht auf die durch das betreffende Verfahren tatsächlich hergestellten Erzeugnisse beschränkt ist, sondern sich auch auf Erzeugnisse erstreckt, die mit diesen Erzeugnissen strukturell identisch sind und nach einem anderen Verfahren hergestellt werden (s. G 1/98, a. a. O., Nr. 4 der Entscheidungsgründe und T 219/83, ABl. EPA 1986, 211, Nr. 10 der Entscheidungsgründe). Allerdings scheint weder in der Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung noch im Patent ein Verfahren zur Herstellung der beanspruchten Pflanzen und Pflanzenteile offenbart zu sein, das nicht die Schritte der Kreuzung und Selektion umfasst.
18. Gemäß dem Grundsatz des absoluten Erzeugnisschutzes (s. G 2/88, ABl. EPA 1990, 93, Nr. 5 der Entscheidungsgründe) gewährt ein Anspruch auf ein Erzeugnis dem Patentinhaber einen Schutz, der generell den Schutz mit umfasst, den ein auf das Verfahren zur Herstellung dieses Erzeugnisses gerichteter Patentanspruch bietet (s. G 2/06, ABl. EPA 2009, 306, Nr. 25 der Entscheidungsgründe). Würden im vorliegenden Fall also die Erzeugnisansprüche gewährt, so würde grundsätzlich jeglicher Akt der Herstellung der beanspruchten Brassica- und Broccolipflanzen oder -pflanzenteile unter die Ausschlussbefugnis des Patentinhabers fallen. Infolgedessen könnte der Patentinhaber anderen die Anwendung des Züchtungsverfahrens untersagen, das in der Patentbeschreibung gelehrt wird und auf das in den Ansprüchen Bezug genommen wird, auch wenn es als im Wesentlichen biologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen angesehen werden könnte und als solches unter das Patentierungsverbot des Artikels 53 b) EPÜ fiele.
19. Angesichts einer vergleichbaren Sachlage im Fall T 1242/06 (a. a. O.) hatte diese Kammer in anderer Besetzung ernsthafte Bedenken bezüglich der Gewährbarkeit von Erzeugnisansprüchen auf Pflanzenmaterial, das durch ein im Wesentlichen biologisches Züchtungsverfahren gewonnen wird. Sie äußerte die Befürchtung, dass solche Ansprüche de facto die mit der Formulierung des Verfahrensausschlusses verfolgten Absichten des Gesetzgebers aushebeln würden und der Ausschluss in vielen Fällen durch eine geschickte Anspruchsformulierung umgangen werden könnte, was der Konsistenz und Glaubwürdigkeit des im EPÜ abgesteckten rechtlichen Rahmens für patentierbare Gegenstände abträglich wäre. In Anbetracht dieser Bedenken erachtete es die Kammer für erforderlich, die Große Beschwerdekammer mit weiteren Rechtsfragen zu befassen.
20. Die Kammer in der jetzigen Besetzung unterstützt voll und ganz die detaillierte Analyse der relevanten Fragen in der zweiten Vorlageentscheidung in der Sache T 1242/06 (a. a. O.). Die Nummern 40 bis 66 der dortigen Entscheidungsbegründung werden daher ausdrücklich in die vorliegende Entscheidung aufgenommen und sind Bestandteil dieser Entscheidung.
Der Kammer sind die in der anhängigen Vorlagesache G 2/12 eingegangenen Stellungnahmen des EPA-Präsidenten und Dritter ("Amicus-curiae-Schriftsätze") bekannt. Da jedoch keine der am vorliegenden Verfahren Beteiligten im Einzelnen darauf abgehoben hat oder beantragt hat, sie im jetzigen Verfahrensstadium, d. h. im Zusammenhang mit einer weiteren Vorlageentscheidung, zu berücksichtigen, erachtet es die Kammer weder für notwendig noch für sachdienlich, die obige Analyse zu vertiefen.
Vorlage nach Artikel 112 (1) EPÜ
21. Die Beantwortung der obigen Frage, ob sich die in Artikel 53 b) EPÜ verankerte Ausschlussbestimmung für Verfahren negativ auf die Gewährbarkeit der Erzeugnisansprüche der Beschwerdegegnerin auswirkt, ist für die vorliegende Beschwerde entscheidend. Es wäre eindeutig unangemessen, wenn die Kammer diese Frage selbst entscheiden würde, bevor die Große Beschwerdekammer die Vorlagefragen in der Sache G 2/12 beantwortet hat. Daher kann die Kammer entweder das Verfahren aussetzen oder die Große Beschwerdekammer erneut mit Rechtsfragen befassen. Aus den nachstehend dargelegten Gründen entscheidet sie sich für die zweite Option.
22. Alle Verfahrensbeteiligten haben ausdrücklich eine weitere Vorlage beantragt. Eine solche Vorlage gibt ihnen Gelegenheit, sich vor der Großen Beschwerdekammer zu einer sehr wichtigen Rechtsfrage zu äußern, deren Beantwortung für den Ausgang des vorliegenden Falls maßgebend ist. Sie können somit eigene Argumente vorbringen und weitere Aspekte beleuchten und dadurch die Grundlage erweitern, auf der die Große Beschwerdekammer ihre Entscheidung treffen wird. Zudem ergeben sich im vorliegenden Fall aufgrund der anhängigen Anträge der Beschwerdegegnerin zusätzliche relevante Aspekte, die sich durch die Formulierung weiterer Rechtsfragen in die anhängige Vorlage integrieren lassen (s. Nrn. 24 bis 28). Hinzu kommt, dass in Anbetracht der jüngsten Entwicklungen in der Sache T 1242/06 und der anhängigen Vorlage G 2/12 - die Beschwerdeführerin II hat ihren Einspruch zurückgenommen, und der Beschwerdeführer I/Patentinhaber hat wiederholt eine Beendigung des Verfahrens beantragt - nicht auszuschließen ist, dass dieser Fall ohne eine Entscheidung in der Sache abgeschlossen wird. All dies spricht gegen eine Aussetzung des Verfahrens im vorliegenden Fall.
23. Alle Verfahrensbeteiligten waren sich darin einig, dass eine Vorlageentscheidung im vorliegenden Fall die Rechtsfragen aus der zweiten Zwischenentscheidung in der Sache T 1242/06 (a. a. O.) aufgreifen sollte. Die Kammer stimmt dem grundsätzlich zu. Aus den oben genannten Gründen (s. Nrn. 17 bis 20) hält sie deren Beantwortung nach Artikel 112 (1) EPÜ für erforderlich. Allerdings ist eine geringfügige Anpassung der Frage 1 notwendig, weil die Ansprüche der Patentinhaberin im vorliegenden Fall nicht auf Früchte, sondern auf Pflanzen und bestimmte Pflanzenteile (Samen, genießbarer Teil, Infloreszenz) gerichtet sind.
24. Die Verfahrensbeteiligten haben außerdem die Vorlage weiterer Rechtsfragen beantragt, damit die Große Beschwerdekammer die entscheidende Fragestellung umfassend behandeln könne. Nach Auffassung der Kammer wirft der vorliegende Fall tatsächlich weitere Aspekte auf, die bei der Formulierung der Vorlagefragen berücksichtigt werden sollten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Großen Beschwerdekammer alle von den Beteiligten vorgeschlagenen zusätzlichen Fragen nach Artikel 112 (1) EPÜ vorgelegt werden können oder müssen.
25. Zwei der von den Verfahrensbeteiligten vorgeschlagenen Fragen, nämlich die von der Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 31. Januar 2013 eingereichte Frage 5 (s. Nr. XV) und die von der Beschwerdeführerin I in der mündlichen Verhandlung eingereichte Frage 2 (s. Nr. XVI), betreffen die Tatsache, dass die Erzeugnisse in allen Ansprüchen der Beschwerdegegnerin durch Verfahrensmerkmale definiert sind. Dieser Umstand kann bei der Beantwortung der Frage von Bedeutung sein, ob und inwieweit sich der in Artikel 53 b) EPÜ verankerte Verfahrensausschluss negativ auf die Gewährbarkeit von Erzeugnisansprüchen auswirkt. Die Kammer hält es daher für angebracht, diesen Aspekt in Frage 2 ihrer Vorlage aufzunehmen.
26. Die von der Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 31. Januar 2013 eingereichte Frage 4 (s. Nr. XV) wirft einen weiteren Aspekt auf, nämlich die Möglichkeit der Aufnahme einer bestimmten Art von Disclaimer für den Fall, dass sich der Verfahrensausschluss auf die Gewährbarkeit von Erzeugnisansprüchen auswirken sollte. Dieser Aspekt ist im Zusammenhang mit den Ansprüchen im Hilfsantrag I der Beschwerdegegnerin von Bedeutung, die alle einen Disclaimer des folgenden Typs enthalten: "wobei der Anspruch kein im Wesentlichen biologisches Verfahren zur Herstellung [der Pflanze, des genießbaren Teils der Pflanze, des Samens der Pflanze bzw. der Infloreszenz] einschließt".
27. Aus der Sicht der Kammer sind diese Disclaimer im Hilfsantrag I der Beschwerdegegnerin nicht als herkömmliche Disclaimer gedacht, d. h. nicht zur Ausklammerung eines Teils des im jeweiligen Anspruch definierten Gegenstands (s. die Definition in G 1/03, ABl. EPA 2004, 413, Nr. 2 der Entscheidungsgründe). Die Formulierung dieser Klauseln lässt darauf schließen, dass die Beschwerdegegnerin nicht alle durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren erzeugten Pflanzen oder Pflanzenteile ausschließen möchte, sondern offenbar eher versucht, auf einen Teil der Ausschlussbefugnis zu verzichten, die ihr als Inhaberin eines Erzeugnispatents zukommt und die das Recht einschließt, anderen jegliche Herstellung des patentierten Erzeugnisses zu verbieten. Die mögliche Wirkung des von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagenen Disclaimers bestünde darin, dass die Herstellung des beanspruchten Erzeugnisses durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren nicht mehr untersagt werden könnte.
28. Es ist fraglich, ob ein solcher Disclaimer oder Verzicht nach europäischem Patentrecht zulässig ist. Der Kammer ist keine Rechtsprechung zu diesem speziellen Sachverhalt bekannt. Als sich die Große Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung G 1/93 (ABl. EPA 1994, 541) mit möglichen Konflikten zwischen den Erfordernissen von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ befasste, kam sie zu dem Schluss, dass das EPÜ keine Grundlage für die sogenannte "Fußnoten-Lösung" enthält, die in der deutschen Rechtsprechung angewandt wurde und in einer Erklärung bestand, dass ein nicht offenbartes Merkmal, das im Anspruch beibehalten wird, eine unzulässige Erweiterung darstellt, aus der keine Rechte hergeleitet werden können (s. Nr. 6 der Entscheidungsgründe). In den Vorschriften des EPÜ sei weder vorgesehen noch zugelassen, dass in die Beschreibung eines bestimmten Patents eine Erklärung darüber aufgenommen wird, welche Rechte aus dem Vorhandensein eines bestimmten technischen Merkmals in einem Anspruch dieses Patents hergeleitet werden können. Auch wenn diese Schlussfolgerungen in einem anderen Kontext als dem vorliegenden gezogen wurden, könnten sie doch als Indiz für die generelle Unzulässigkeit von Disclaimern oder Verzichten hinsichtlich von Rechten, die aus einem europäischen Patent abgeleitet werden, interpretiert werden. Dennoch kann die Kammer eine gewisse Berechtigung in der Argumentation der Beschwerdegegnerin erkennen, dass der vorgeschlagene Disclaimer/Verzicht den Konflikt zwischen der Patentierbarkeit von Pflanzen (sofern es sich dabei nicht um eine Pflanzensorte handelt) und dem Ausschluss von im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen lösen könnte. Daher hat die Kammer entschieden, eine entsprechende Rechtsfrage in ihre Vorlage aufzunehmen.
29. Die übrigen von den Verfahrensbeteiligten vorgeschlagenen Fragen werden der Großen Beschwerdekammer nicht vorgelegt. Bei der von der Beschwerdeführerin I vorgeschlagenen Frage 3 (s. Nr. XVI) geht es darum, ob es im Falle einer möglichen Auswirkung des Verfahrensausschlusses auf Erzeugnisansprüche von Bedeutung ist, ob das Erzeugnis auch anhand eines Verfahrens hätte hergestellt werden können, das nicht nach Artikel 53 b) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist. Für den vorliegenden Fall ist diese Frage jedoch rein hypothetischer Natur, weil keine der Verfahrensbeteiligten nach Ergehen der Entscheidung G 2/07 (a. a. O.) je vorgebracht hat, dass die beanspruchten Pflanzen oder Pflanzenteile auch anders als durch ein ausgeschlossenes Verfahren hätten hergestellt werden können (s. auch Nr. 17). Die von der Beschwerdeführerin I vorgeschlagene Frage 5 (s. Nr. XVI) betrifft die Bedeutung des Begriffs "im Wesentlichen biologisch" in Artikel 53 b) EPÜ. Auf diese Bedeutung ist die Große Beschwerdekammer aber bereits in ihrer Entscheidung G 2/07 eingegangen, an die diese Kammer nach Artikel 112 (3) EPÜ gebunden ist. Die von der Beschwerdeführerin II eingereichte Frage (s. Nr. XVI) ist sehr breit formuliert und umfasst daher zahlreiche Aspekte, die für die Beantwortung der Fragen, die sich im vorliegenden Fall in Zusammenhang mit Artikel 53 b) EPÜ stellen, nicht relevant sind.
Deshalb ist die Kammer der Auffassung, dass nach Artikel 112 (1) EPÜ eine Beantwortung dieser weiteren von den Verfahrensbeteiligten vorgeschlagenen Fragen durch die Große Beschwerdekammer nicht erforderlich ist.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Großen Beschwerdekammer werden folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:
1. Kann sich der Ausschluss von im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen in Artikel 53 b) EPÜ negativ auf die Gewährbarkeit eines Erzeugnisanspruchs auswirken, der auf Pflanzen oder Pflanzenmaterial wie Pflanzenteile gerichtet ist?<ORD> 2. Ist insbesondere
a) ein Product-by-process-Anspruch, der auf Pflanzen oder Pflanzenmaterial gerichtet ist, bei denen es sich nicht um eine Pflanzensorte handelt, gewährbar, wenn seine Verfahrensmerkmale ein im Wesentlichen biologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen definieren?
b) ein Anspruch, der auf Pflanzen oder Pflanzenmaterial gerichtet ist, bei denen es sich nicht um eine Pflanzensorte handelt, auch dann gewährbar, wenn das einzige am Anmeldetag verfügbare Verfahren zur Erzeugung des beanspruchten Gegenstands ein in der Patentanmeldung offenbartes im Wesentlichen biologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen ist?
3. Ist es im Rahmen der Fragen 1 und 2 relevant, dass sich der durch den Erzeugnisanspruch verliehene Schutz auf die Erzeugung des beanspruchten Erzeugnisses durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren für die Züchtung von Pflanzen erstreckt, das nach Artikel 53 b) EPÜ als solches nicht patentierbar ist?
4. Falls ein Anspruch, der auf Pflanzen oder Pflanzenmaterial gerichtet ist, bei denen es sich nicht um eine Pflanzensorte handelt, für nicht gewährbar befunden wird, weil sich der durch den Erzeugnisanspruch verliehene Schutz auf die Erzeugung des beanspruchten Erzeugnisses durch ein nach Artikel 53 b) EPÜ nicht patentierbares Verfahren erstreckt, kann dann auf den Schutz für diese Erzeugung verzichtet werden, indem das nicht patentierbare Verfahren durch einen Disclaimer ausgeklammert wird?