T 0462/98 () of 7.8.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T046298.20020807
Datum der Entscheidung: 07 August 2002
Aktenzeichen: T 0462/98
Anmeldenummer: 92120006.9
IPC-Klasse: C25D 11/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Erzeugung von ggf. modifizierten Oxidkeramikschichten auf sperrschichtbildenden Metallen und damit erhaltene Gegenstände
Name des Anmelders: Electro Chemical Engineering GmbH
Name des Einsprechenden: Nussbaum Oberflächentechnik GmbH
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
Schlagwörter: Ausführbarkeit - bejaht
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0032/82
T 0115/83
T 0269/87
T 0019/90
T 0418/91
T 0435/91
T 0548/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. In einer Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung wurde festgestellt, daß unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin (= Beschwerdegegnerin) vorgenommenen Änderungen das europäische Patent Nr. 545 230 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen. Das Patent betrifft Verfahren zur Erzeugung von Oxidkeramikschichten.

II. Gegen diese Entscheidung wurde von der Einsprechenden (= Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem die folgenden Druckschriften zitiert:

D3 CH-A-565 871

D4 DD-A-289065

Im Beschwerdeverfahren wurden unter anderem auch die folgenden Druckschriften zitiert:

D20 Wirtz et al, "Ceramic Coatings by Anodic Spark Deposition", Materials and Manufacturing Processes, 6(1), 87-115(1991){bereits im Prioritätsdokument des Streitpatents genannt)

D23 Güntherschulze et al, "Untersuchungen über die Funken der elektrolytischen Ventilwirkung", Z.f. Physik, Nr. 107 (1937), S. 347-353

D25 L.L. Gruss et al, "Anodic Spark Reaction Products in Aluminate, Tungstate and Silicate Solutions", Electrochemical Technology, Vol. 1, Nr. 9-10, 1963, S. 283-287

D26 L.L. Gruss et al, "The Anodic Oxidation of Several Rare Earth Metals in Sodium Aluminate Solution", J.Electrochem. Soc. Vol. 120, Nr. 3, 1973, S. 337-340.

III. Das Merkmal des Anspruchs 1 des Streitpatents, wonach unter plasmachemisch anodischen Bedingungen "eine Stromdichte von mindestens 1A/dm2 konstant gehalten wird bis sich die Spannung auf einen Endwert einstellt", sah die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung als nicht aus dem herangezogenen Stand der Technik herleitbar. Dies gelte auch für das im Anspruch 7 beanspruchte Merkmal, wonach "eine Stromdichte von mindestens 5A/dm2 konstant gehalten wird bis sich die Spannung auf einen Endwert einstellt".

IV. Eine mündliche Verhandlung wurde von beiden Parteien hilfsweise beantragt und aufgrund dessen von der Kammer anberaumt. Während der Verhandlung erklärten beide Parteien, daß sie wegen der langen bisherigen Dauer des Verfahrens eine Berücksichtigung der erst mit der Beschwerde eingereichten Druckschriften durch die Kammer einer Zurückverweisung zur erstinstanzlichen Überprüfung dieser Druckschriften vorziehen würden.

V. Die Standpunkte der Parteien lassen sich wie folgt zusammenfassen:

i) Anträge der Beschwerdeführerin

Widerruf des Patents

Argumentation der Beschwerdeführerin

Einer Vielzahl von Entscheidungen der Beschwerdekammern sei zu entnehmen, daß die Offenbarung eines (einzigen) Weges zur Ausführung einer Erfindung nur dann ausreichend sei, wenn hierdurch die Ausführung der Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich ermöglicht werde. Hierzu werde auf die Entscheidungen T 409/91, T 19/90, T 435/91, T 242/92, T 418/91 und T 659/93 verwiesen. Die angebliche Erfindung sei in den von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Ansprüchen 1 und 7 und der zugehörigen Beschreibung unzureichend offenbart und das Patent daher gemäß Artikel 100 b) EPÜ zu widerrufen. Die Ansprüche umfaßten eine Vielzahl von nicht offenbarten Substanzen und seien somit zu breit gefaßt. Weiterhin ergebe sich bezüglich der Verdünnung des Elektrolyten gemäß dem Anspruch 7 keine für den Fachmann nachvollziehbare Lehre. Es gebe außerdem eine Diskrepanz zwischen den pH-Werten gemäß den Ansprüchen 1 und 7. Die Ansprüche seien von den lediglich fünf Beispielen nicht gestützt, was bedeute, daß die angebliche Erfindung nicht im gesamten Umfang der Ansprüche offenbart sei. Insbesondere biete das Beispiel 5 keine Offenbarung für den Anspruch 7, da sich aus einer Addition von je 0,1 mol/l Aluminat und Silikat zu 0,766 mol/l Anionen nach 100-facher Verdünnung eine Anionenkonzentration unterhalb des im Anspruch 7 angegebenen Konzentrationsbereichs (0,01-0,1 mol/l) ergebe. Sollte die Addition nach der Verdünnung stattfinden, so wären die ursprünglichen Anionen kaum mehr als Spurenelemente.

Die Druckschriften D4 oder D3 seien als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. Insgesamt stelle der Anspruch 1 des Streitpatents eine Merkmalskombination dar, die zwar aufgrund der Vielzahl von Merkmalen insoweit "neu" sei, als sie nicht in einer einzigen Druckschrift im Stand der Technik beschrieben sei. Allerdings sei dies auch nicht verwunderlich, wenn man sich die unterschiedliche Art der Merkmale vergegenwärtige. Es handele sich um eine mehr oder weniger zufällige Auswahl aus an sich im Stand der Technik seit langem bekannten Bereichen oder um die Aufzählung bloßer Selbstverständlichkeiten. Die im Anspruch 7 enthaltenen, sich vom Anspruch 1 unterscheidenden Merkmale seien entweder nicht neu oder nicht erfinderisch.

Die erste Instanz habe die beanspruchte Strom/Spannungs-Charakteristik als nicht bekannt angesehen, dies sei jedoch ein "alter Hut". So sei im zweiten Satz des letzten Absatzes auf Seite 98 der Druckschrift D20 bereits eine Messung angeben, bei welcher die zeitliche Abhängigkeit der Spannung bei einer konstanten Stromdichte gemessen werde, und zwar für zahlreiche Systeme, die in der Tabelle 1 angegeben seien. Die Druckschrift D23 verdeutliche im Abschnitt 2 auf Seite 350, daß die Spannung bei konstanter Stromdichte auf einen Endwert steige, der nicht überschritten werden könne. Aus der Druckschrift D25 gehe auf Seite 283, rechte Spalte hervor, daß bei anodischen Reaktionen mit konstanter Stromdichte gearbeitet und die Spannung manuell erhöht werde. Die Konzentration des Elektrolyten entspreche dabei dem Anspruch 7 des Streitpatents. Die Figuren verdeutlichen, daß die Spannung bei Aluminium einen Endwert erreiche. Daß es auf die Konzentrationen ohnehin nicht ankomme, werde aus einem Vergleich der Ansprüche 1 und 7 deutlich: gemäß Anspruch 1 solle das Verfahren bei allen Stromdichten oberhalb von 1 A/dm2 (also auch bei den 5A/dm2 gemäß dem Anspruch 7) bei beliebigen Elektrolytkonzentration funktionieren, dagegen bei Verdünnung auf 0,1-0,01 mol/l nach Anspruch 7 bei allen Stromdichten oberhalb von 5 A/dm2. Auch den Figuren der Druckschrift D26 sei zu entnehmen, daß die Spannung bei konstanter Stromdichte einen Endwert erreiche.

ii) Anträge der Beschwerdegegnerin

Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang mit den in der mündlichen Verhandlung als Hauptantrag überreichten Unterlagen oder hilfsweise auf der Grundlage der Anspruchssätze gemäß den mit Schreiben von 5. Juli 2002 eingereichten Hilfsanträgen IV bis VI.

Argumentation der Beschwerdegegnerin

Die Beschwerdeführerin habe nicht substantiiert vorgetragen, unter welchen Bedingungen die Erfindung in dem beanspruchten Bereich nicht ausführbar sei. Ihre diesbezüglichen Beanstandungen seien daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen. Insofern die Beanstandungen einen Klarheitseinwand im Sinne des Artikels 84 EPÜ darstellen, können sie im jetzigen Verfahrensstadium nicht berücksichtigt werden. Der Anspruch 1 enthalte die wesentlichen Merkmale der Erfindung und der Fachmann wisse, welche Elektrolyten für plasmachemische Oxidation in Frage komme. In der Beschreibung werde hierfür auch Bezug auf den Stand der Technik genommen. Der Anspruch 7 beziehe sich nicht auf den Anspruch 1, somit ergebe sich kein Widerspruch. Der Fachmann wisse aus der Beschreibung, welche Konzentrationswerte dem Anspruch 7 zugrunde lägen. Er sähe auch, daß der Elektrolyt gemäß Beispiel 5 verdünnt und der pH-wert angehoben werde. Insgesamt sei dies völlig ausreichend, um die im Anspruch 7 beanspruchte Erfindung auszuführen.

Bei den Verfahren gemäß den Druckschriften D3 oder D4 seien die erfindungsgemäßen Bedingungen nicht verwirklicht, es sei daher auch nicht verwunderlich, wenn die Beschwerdeführerin mehrere weitere Druckschriften benötige, um zur erfindungsgemäßen Merkmalskombination zu gelangen. Einen klareren Beweis für eine erfinderische Tätigkeit könne es kaum geben.

Das Merkmal, das sich auf die Strom/Spannungs-Charakteristik beziehe, führe zur Bildung einer wenig porösen Schicht, sei aber nicht losgelöst von den vorigen Merkmalen anzusehen. Die Druckschrift D23 beschäftige sich mit der Formierung elektrolytischer Ventilanoden, um ein Dielektrikum für Kondensatoren zu erhalten. Das Auftreten von Funken sei dabei nicht gewünscht und die Formierung werde bei einer sehr kleinen Stromdichte durchgeführt. Die Druckschrift D25 beschreibe eine anodische Funkentladung in Aluminat-, Wolframat- und Silikatelektrolyten mit einer so geringen Konzentration (0,1N), daß eine praktische Durchführung des Verfahrens nicht möglich sei. Im Beispiel 5 des Streitpatents werde dagegen je 0,1 mol/l Natriumaluminat und Natriumsilikat zugesetzt, um den pH-Wert des verdünnten Elektrolyts zu erhöhen. Die Druckschrift D26 beschreibe eine anodische Oxidation unter Funkenentladung auf Seltenen Erden mit Natriumaluminatlösung als Elektrolyt. Es handele sich keinesfalls um die Ausbildung von Oxidkeramikschichten auf Aluminium. Die von der Beschwerdeführerin angesprochene Parallele der Spannungskurven in Figur 1 dieser Druckschrift gebe noch keine Veranlassung zu der Vermutung, unter welchen Bedingungen dickere und trotzdem zugleich abriebfeste und korrosionsbeständige Oxidkeramikschichten zu erzeugen seien.

VI. Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Erzeugung von Oxidkeramikschichten auf AL, Mg, Ti, Ta, Zr, Nb, Hf, Sb, W, Mo, V, Bi oder deren Legierungen durch plasmachemische anodische Oxidation, dadurch gekennzeichnet, daß in einem chloridfreien Elektrolytbad mit einem pH-Wert von 2 bis 8 bei konstanter Badtemperatur von -30 bis +15 °C eine Stromdichte von mindestens 1A/dm2 konstant gehalten wird bis sich die Spannung auf einen Endwert einstellt."

"7. Verfahren zur Erzeugung von besonders verschleißfesten Oxidkeramikschichten auf Aluminium oder deren Legierungen durch plasmachemische anodische Oxidation bei einer Stromdichte von mindestens 5 a/dm2, die konstant gehalten wird bis sich die Spannung auf einen Endwert einstellt, unter Verwendung eines Elektrolytbades, das weniger als 5 * 10-3 mol/l Chloridionen und Phosphat-, Borat- und Fluoridionen bis insgesamt 2 mol/l enthält, nach Verdünnung auf eine Konzentration von 0,01 bis 0,1 mol/l und Anheben des pH-Wertes auf 10 bis 12, vorzugsweise 11."

Aus dem in Ziffer 7 der Entscheidungsgründe angegebenen Grund erübrigt sich die Wiedergabe des Wortlauts der unabhängigen Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen.

VII. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Kammer ihre Entscheidung.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den in Regel 65 (1) EPÜ genannten Bestimmungen und ist somit zulässig.

2. Verspätet eingereichte Druckschriften

Dem Wunsch der Parteien, die erst mit der Beschwerde eingereichten Druckschriften ohne Zurückverweisung zu berücksichtigen, wurde von der Kammer entsprochen, da sowohl der Kammer als auch den Parteien genügend Zeit zur Prüfung dieser Druckschriften zur Verfügung stand und beide Parteien bereit waren, auf eine Überprüfung durch zwei Instanzen zu verzichten.

Hauptantrag

3. Artikel 123 EPÜ - Änderungen

3.1. Der Wortlaut der Ansprüche 1 bis 6 und 8 entspricht demjenigen der erteilten Ansprüche 1 bis 6 und 8. Im erteilten Anspruch 7 wurde der Elektrolyt als "nach einem der Ansprüche 1-6" definiert, wogegen der geänderte Anspruch 7 das Merkmal "ein Elektrolytbad, das weniger als 5x10-3 mol/l Chloridionen und Phosphat-, Borat- und Fluoridionen bis insgesamt 2 mol/l enthält" enthält. Der wesentliche Unterschied ist somit, daß die Definition des Begriffs "chloridfrei" aus der Beschreibung in den Anspruch 7 aufgenommen und die verwendeten Anionen namentlich angegeben wurden. Diese Unterschiede stellen Einschränkungen dar, die in den Zeilen 47 und 48 auf Seite 2 bzw. Zeilen 6 und 7 auf Seite 3 der Patentschrift offenbart sind. Somit bestehen seitens der Kammer keine Bedenken unter Artikel 123 EPÜ.

3.2. Der neue Anspruch 9 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 6 dadurch, daß er nicht auf die Ansprüche 1 bis 5, sondern auf den Anspruch 7 rückbezogen ist. Da darin Bezug genommen wird auf das im Anspruch 7 definierte Elektrolytbad und dieses durch einen ursprünglich offenbarten Stabilisator näher charakterisiert wird, gelangt die Kammer auf entsprechende Weise zum Ergebnis, daß auch der Anspruch 9 dem Artikel 123 EPÜ genügt.

4. Artikel 100 b) EPÜ - Ausführbarkeit

4.1. Die Kammer kann der Beschwerdeführerin insofern zustimmen, daß ein Verfahren zur Erzeugeng von Oxidkeramikschichten durch plasmachemische Oxidation nicht mit "beliebig" zusammengesetzten Elektrolyten auszuführen wäre. Die Kammer geht allerdings davon aus, daß der Fachmann, an den die Lehre des Patents gerichtet ist, dies weiß, zumal auf einen einschlägigen Stand der Technik hingewiesen wird und im Streitpatent Beispiele der Komponenten (vgl. die Zeilen 3 bis 5 auf Seite 3) sowie Ausführungsbeispiele 1 bis 5 angegeben werden. Die erfindungswesentlichen Parameter sind in den Ansprüchen angegeben. Sollte sich aus den Ansprüchen eine Unklarheit über den auszuwählenden Elektrolyten ergeben, würde dies eher auf einen Mangel gemäß Artikel 84 EPÜ (Klarheit)deuten, wofür aber im Einspruchsverfahren sowie im anschließenden Beschwerdeverfahren keine Prüfungsgrundlage gegeben ist. Im Anspruch 7 werden die Komponenten des Elektrolyten vor der Verdünnung angeben sowie ihre Konzentration nach der Verdünnung. Die Kammer sieht daher keine Schwierigkeit für den Fachmann, diese Angaben nachzuvollziehen. Ferner verweist die Beschwerdeführerin auf eine nach ihrer Meinung vorhandene Unstimmigkeit der Konzentrationswerte gemäß dem Beispiel 5 im Vergleich mit den im Anspruch 7 angegebenen Werten. Auch dieser Einwand, der eigentlich die Aufrundung der dritten Nachkommastelle betrifft, ist auf den Artikel 84 EPÜ (Klarheit) gerichtet und ist somit im Einspruchsverfahren einer Überprüfung nicht zugänglich.

4.2. Auch die von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen bilden keine Grundlage, die Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung in Zweifel zu ziehen. Sie betreffen zum Teil ex parte Verfahren (so zum Beispiel T 32/82, T 115/83, T 269/87, T 19/90), wo auch auf Artikel 84 EPÜ basierende Einwände geprüft werden können. Für den vorliegenden Fall eher von Bedeutung erschient die Entscheidung T 435/91, wonach "... der Schutzbereich eines Patents dem technischen Beitrag entspricht, den die Offenbarung der darin beschriebenen Erfindung zum Stand der Technik leistet; daher darf sich das mit dem Patent verliehene Monopol nicht auf Gegenstände erstrecken, die dem Fachmann auch nach der Lektüre der Patentschrift noch nicht zur Verfügung stehen". Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern liegt die Beweislast in dieser Hinsicht bei der Einsprechenden (vgl. T 548/91, Punkt 3.1. oder T 418/91, Punkt 4.1.4). Im Lichte dieser Entscheidungen gelangt die Kammer zu der Ansicht, daß die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall keine überzeugenden Beweise für die fehlende Ausführbarkeit, insbesondere keine Vergleichsversuche vorgelegt hat, die dieser Beweislast genügen könnten.

4.3. Die Beschwerdeführerin gelang es somit nicht, die Kammer zu überzeugen, daß der Fachmann die in den Ansprüchen 1 bzw. 7 beanspruchten Verfahren nicht durchführen kann.

5. Stand der Technik

Druckschrift D3

Diese Druckschrift betrifft ein Verfahren zur Herstellung beschichteter Gegenstände, die zur Gänze oder teilweise aus Aluminium oder Aluminiumlegierungen bestehen. Aluminiumoxydoberflächen werden in Zeile 59 der Spalte 3 erwähnt. Nach diesem Verfahren werden die Gegenstände in einem Elektrolytbad, das mindestens ein in der Elektrolytflüssigkeit lösliches alkalisches Silikat sowie mindestens einen organischen Komplexbildner enthält, unter Verwendung von Gleich-, Wechsel oder Impulsstrom einer anodischen Oxydation unterworfen. Nach den Zeilen 61 und 62 in Spalte 2 kann die Spannung bei konstanter Stromdichte hochgeregelt werden. Gemäß dem Beispiel 10 wird ein Aluminiumblech bei einer Spannung von 300V langsam in das Bad eingetaucht. Hierbei bildet sich bei heftiger Funkentwicklung eine weiße Schicht, wobei die Funkenbildung sehr bald abnimmt. Die Eintauchgeschwindigkeit wird so groß gehalten, daß eine Stromdichte von etwa 3A/dm2 bis 5A/dm2 erreicht wird.

Druckschrift D4

Diese Druckschrift betrifft ein Verfahren zur Erzeugung einer Keramikschicht aus Mischoxiden auf Leichtmetallen oder deren Legierungen. Ein pH-Wert von 8,5 wird erwähnt. Gemäß dem ersten Beispiel ist ein Bauteil von Elektrolyten umgeben. Die Spannung wird bis zu einer Arbeitsspannung hochgeregelt, die durch das Auftreten von Funkenlawinen charakterisiert ist und bei der sich eine konstante Stromdichte von zum Beispiel 2 und 3 A/dm2 einstellt. Mit zunehmender Schichtdicke sinkt die Stromdichte.

Druckschrift D20

In Tabelle 1 werden verschiedene Elektrolytsysteme angegeben. Im letzten Absatz auf Seite 98 wird unter Hinweis auf die Druckschrift D25 erwähnt, daß bei konstanter Stromdichte von 0,16 A/cm2 die Spannung ein Plateau erreicht.

Druckschrift D23

Gegenstand dieser Druckschrift sind Untersuchungen über die Funken der elektrolytischen Ventilwirkung. In der Figur 1 wird gezeigt, daß bei der Formierung einer Ta-Anode mit konstanter Stromdichte (bis 1000 micro A in Tabelle 1) die Spannung mit der Einschaltdauer ansteigt. Die Figur zeigt einen Knick in der Kurve, nach dem die Kurve beträchtlich langsamer ansteigt. In der Tabelle 2 auf Seite 23 werden NaOH, Na AlO2 und C6H8O7 als Elektrolyt genannt.

Druckschrift D25

Diese Druckschrift betrifft eine Studie über die Reaktionsprodukte anodischer Funkenentladungreaktionen in NaAlO3, Na2Wo4 und Na2SiO3. Die anodischen Reaktionen wurden bei gleichbleibender Stromdichte durchgeführt, wobei die Spannung zur Beibehaltung der Stromdichte manuell erhöht wurde. Eine Temperatur von 25 +/- 1 °C wurde thermostatisch geregelt. In der Figur 1 wird eine anfangs steil ansteigende Spannungskurve gezeigt, die sich in einer etwa umgekehrten "L"-Form abflacht.

Druckschrift D26

Die anodische Oxidation mehrerer Seltenerdmetalle in 0,1N Natriumaluminatlösungen wird in dieser Druckschrift beschrieben. Auch hier wird in der Figur 1 eine anfangs steil ansteigende Spannungskurve gezeigt, die sich in einer etwa umgekehrten "L"-Form abflacht.

6.1. Patentfähigkeit (Artikel 54 und 56 EPÜ)

Die Beschwerdeführerin sieht entweder die Druckschrift D4 oder die Druckschrift D3 als nächstkommenden Stand der Technik an. Unbestritten neu gegenüber diesen Druckschriften ist unter anderem die in den Ansprüchen 1 bzw. 7 beanspruchte Strom/Spannungs-Charakteristik. Das durch die neuen Merkmale des Anspruchs 1 bzw. 7 zu lösende Problem besteht darin, ein verbessertes Verfahren anzubieten, um insbesondere weniger poröse, abriebfestere und korrosionsbeständige Schichten zu erzeugen.

6.2. Um mit ihrer Beschwerde Erfolg zu haben, müßte die Beschwerdeführerin die Kammer davon überzeugen, daß sich die in den unabhängigen Ansprüchen beanspruchte Strom/Spannung-Charakteristik, im Gegensatz zur Begründung der angefochtenen Entscheidung, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, insbesondere auch unter Berücksichtigung der erst mit der Beschwerde eingereichten Druckschriften. Es stellt sich daher die Frage, ob dieses Merkmal angesichts der Druckschriften D20, D23, D25 und D26 tatsächlich als "alter Hut" anzusehen ist, wie von der Beschwerdeführerin argumentiert wurde. Die Kammer sieht diese Argumentation der Beschwerdeführerin insofern als problematisch an, als sie einen direkten Übergang von der Druckschrift D4 oder D3 zu den Druckschriften D20, D23, D25 und D26 voraussetzt. Dies impliziert, daß der Fachmann eine aus diesen Druckschriften bekannte Strom/Spannungs-Charakteristik zur Ergänzung der Lehre der Druckschrift D4 oder D3 herangezogen hätte, ohne den Gesamtinhalt dieser Druckschriften zu berücksichtigen. Dieser vereinfachte Ansatz entspricht nach Überzeugung der Kammer nicht dem Denken des Fachmanns, da zum Beispiel gemäß den Druckschriften D25 und D26 Silikatlösungen in sehr geringen Konzentrationen verwendet werden. Die Kammer erachtet die Argumentation der Beschwerdegegnerin für glaubhaft, daß bei Einhaltung der übrigen im Anspruch 1 angegebenen Parameter die gewünschten Schichten wegen Verarmung der aus den Druckschriften D25 und D26 bekannten Lösungen nicht erzielt werden könnten. In Bezug auf die Strom/Spannungs-Charakteristik verweist die Druckschrift D20 lediglich auf die Druckschrift D25. Die Druckschrift D23 wiederum liegt noch weiter weg, da bei der Formierungen elektrolytischer Ventilanoden andere Elektrolyten und Stromdichten verwendet werden. Die Beschwerdeführerin konnte somit die Kammer von einer naheliegenden Kombination der Druckschriften D3 oder D4 mit den Druckschriften D20, D23, D25 oder D26 nicht überzeugen, um auf diese Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen.

Gemäß dem Beispiel 5 des Streitpatents werden zwar Natriumaluminat und Natriumsilikat nach Verdünnung des eigentlichen Elektrolyten dem Elektrolytbad hinzugefügt, Anspruch 7 bringt jedoch klar zum Ausdruck, daß der unverdünnte Elektrolyt Phosphat-, Borat- und Fluoridionen enthält. Diese Ionen verbleiben in einer Konzentration, die nach Ansicht der Kammer nicht als Spurenelement-Konzentration zu bezeichnen ist. Nach Überzeugung der Kammer hätte der Fachmann somit auch in diesem Fall die Druckschriften D25 und D26 wegen der unterschiedlichen Eigenschaften der Elektrolyten nicht in der von der Einsprechenden anvisierten Weise herangezogen, um in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 7 zu gelangen.

6.3. Da sich nach Punkt 6.1 der Gründe der Anspruchsgegenstand auch unter Berücksichtigung der neu vorgelegten Druckschriften nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, ist eine Analyse weiterer Merkmale entbehrlich.

6.4. Die Kammer gelangt somit zu der Ansicht, daß die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 7 den Artikeln 54 und 56 EPÜ genügen. Gleiches gilt, wegen ihrer Rückbeziehung, für die abhängigen Ansprüchen 2 bis 5. und 8 bis 9.

7. Hilfsanträge

Da bereits der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin die Erfordernissen des EPÜ erfüllt, sind die Hilfsanträge gegenstandslos.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche 1 bis 9 und Beschreibung überreicht als Hauptantrag in der mündlichen Verhandlung vom 7. August 2002.

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