European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1983:T011583.19831108 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 08 November 1983 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0115/83 | ||||||||
Anmeldenummer: | 79102360.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | - | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Zu Elastomeren vernetzbare Massen, Verfahren zu ihrer He stellung und eine Verwendung der Massen | ||||||||
Name des Anmelders: | Wacker-Chemie | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Patentanspruch - wesentliches Merkmal Patentanspruch - Stützung durch Beschreibung claim - essential feature claim - support from the description |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die am 10. Juli 1979 eingegangene und am 23. Januar 1980 veröffentlichte europäische Patentanmeldung 79 102 360.9 (Veröffentlichungs-Nr. 0 007 090), für welche die Priorität der deutschen Voranmeldung vom 11. Juli 1978 in Anspruch genommen wird, wurde durch die Entscheidung der Prüfungsabteilung 014 des Europäischen Patentamts vom 26. April 1983 zurückgewiesen. Der Entscheidung liegen die gemäß Antrag vom 21. Oktober 1980 geänderten ursprünglichen vier Patentansprüche zugrunde, von denen Anspruch 1 folgenden Wortlaut hat:
"Zu Elastomeren mittels Radikalbildung vernetzbare Massen auf Grundlage von Diorganopolysiloxan mit einer Viskosität von mindestens 4 . 10 hoch 6 mPa . s bei 25°C, von Si-gebundenen, kondensierbaren Gruppen freiem, Methylreste ggf. neben Phenylresten als organische Reste enthaltendem Organopolysiloxan mit einer Viskosität von höchstens 200mPa . s bei 25°C in einer Menge von 0,3 bis 5 Gewichtsprozent, bezogen auf das Gewicht von Diorganopolysiloxan mit einer Viskosität von mindestens 4 . 10 hoch 6 mPa . s bei 25°C, und Füllstoff, dadurch gekennzeichnet, daß sie als Diorganopolysiloxan mit einer Viskosität von mindestens 4 . 10 hoch 6 mPa . s bei 25°C solches enthalten, bei dem mindestens 95 % der Anzahl der organischen Reste Methylreste sind."
II. Die Zurückweisung wird damit begründet, daß der geltende Anspruch 1 den Voraussetzungen des Art. 84 EPÜ insofern nicht genüge, als die beanspruchte Zusammensetzung nicht alle wesentlichen Komponenten aufzähle. Das Hydroxyendgruppen aufweisende niederviskose Polysiloxanöl sei eine derartige wesentliche Komponente und müsse deshalb im Anspruch 1 aufgenommen werden.
Der Anmeldungsgegenstand sei zwar neu; das verbesserte Extrusionsverhalten der Polysiloxanmasse gemäß Beispiel 1 gegenüber der einer Masse, in welcher das niederviskose Polydimethylsiloxanöl ausschließlich Hydroxyendgruppen aufweist, dürfe auch als Zeichen einer erfinderischen Leistng der Anmelderin angesehen werden. Dies könne aber die Patentfähigkeit des Gegenstandes vorliegenden Anspruchs 1 nicht ohne weiteres rechtfertigen, wenn dieser nicht alle wesentlichen Merkmale der Erfindung enthalte.
Andererseits sei aus der US-A-4 022 747 das Zusetzen eines mit Trimethylsiloxyendgruppen blockierten Siloxanöls als alleinige niederviskose Komponente einer vulkanisierbaren Polysiloxanmasse bekannt, so daß diese Maßnahme allein die erfinderische Tätigkeit nicht begründen könne. Die Prüfungsabteilung sei der Meinung, daß die vorteilhaften Auswirkungen eines Zusatzes an niederviskosen, Trimethylsiloxyendgruppen aufweisenden Siloxanöl nur dann als Beweis einer erfinderischen Tätigkeit anzusehen sind, wenn in die Zusammensetzung eine beträchtliche Menge von Hydroxyendgruppen aufweisenden Siloxanöls gleichzeitig aufgenommen werde. Das bloße Zusetzen von einem Trimethylsiloxyendgruppen aufweisenden, niederviskosen Siloxanöl, auch wenn es eine deutliche Verbesserung der Verarbeitbarkeit hervorrufe, gehört demgegenüber zum gewöhnlichen Können eines Durchschnittsfachmanns.
Zusammenfassend sei festzustellen, daß, obwohl eine erfinderische Tätigkeit beim Vorliegen einer Zusammensetzung wie im Beispiel anerkannt werde, die Anmelderin nicht in der tage oder Willens gewesen sei, eine entsprechende Fassung des Anspruchs 1 vorzulegen, die den Voraussetzungen des Artikels 84 EPÜ genüge.
III. Gegen diese Entscheidung vom 26. April 1983 hat die Beschwerdeführerin am 15. Juni 1982 unter Entrichtung der vorgesehenen Gebühr Beschwerde erhoben und diese gleichzeitig etwa wie folgt begründet:
Das Öl, dessen Aufnahme in den Hauptanspruch gefordert worden sei, stelle einen herkömmlichen Zusatz in Organopolysiloxanmassen dar und könne auch weggelassen werden, wenn die Massen vor der Weiterverarbeitung nicht gelagert würden. Ein Stoff, der weggelassen werden könne, stelle kein wesentliches Merkmal der Erfindung dar, so daß die Anmelderin keine vernünftige Möglichkeit für eine Änderung der Ansprüche sehe.
Es sei auch nicht dargelegt worden, weshalb die Verwendung des im Oberbegriff von Anspruch 1 der vorliegenden Anmeldung definierten Öls allein eine erfinderische Tätigkeit der Anmelderin nicht begründen könne. Abgesehen davon, daß nicht übergangen werden dürfe, daß gemäß der US-A- 4 022 747 im Organopolysiloxangummi 8 - 80 Mol-% der organischen Reste als Kohlenwasserstoffreste mit 2 bis 4 C-Atomen vorliegen müßten, sei in der genannten Druckschrift nirgends eine Stelle zu finden, die erwarten ließe, daß die gemäß dieser Druckschrift mitverwendeten Öle auch bei anderen Hochpolymeren Vorteile bringen würden.
Die Beschwerdeführerin stellt den Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das nachgesuchte Patent zu erteilen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und der Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.
2. Gegen die geltende Fassung der Patentansprüche bestehen keine formalen Einwände, weil sie durch die Erstunterlagen gedeckt ist (vgl. die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 5 i.V.m. Seite 4, Zeilen 15 bis 18).
3. Die Prüfungsabteilung hat sich in ihrer Entscheidung auf Artikel 84 EPÜ berufen, ohne allerdings auszuführen, welches der dort festgelegten drei Kriterien Anspruch 1 nicht erfüllen soll. Der die Entscheidung vorbereitende Bescheid vom 11. Dezember 1981 läßt jedoch den Schluß zu (vgl. Punkt 2, 1. Satz), daß dieser Anspruch als nicht von der Beschreibung gestützt angesehen wird.
Ein solcher Mangel liegt nicht vor, weil im vorangehenden Abschnitt die Quellen für die Stütze der Ansprüche bereits hervorgehoben wurden.
Die Zurückweisung verfolgt insbesondere den Zweck, die Anmelderin zur Aufnahme eines als notwendig erachteten Merkmals in den Hauptanspruch zu veranlassen. Hierfür bietet Art. 84 Satz 2 EPÜ schon begrifflich keine Handhabe; denn nur im Anspruch Vorhandenem kann die Stütze durch die Beschreibung fehlen.
4. Es steht aber außer Frage, daß ein europäisches Patent nur auf der Grundlage eines Patentanspruchs erteilt werden darf, der alle zur Lösung der gestellten Aufgabe notwendigen technischen Merkmale enthält. Dieses Erfordernis ergibt sich aus Art. 84 Satz 1 i.V.m. den Regeln 29 (1) und (3) EPÜ. Aus diesen Vorschriften ergibt sich, daß jeder Patentanspruch die wesentlichen Merkmale der Erfindung wiedergeben muß.
5. Es ist daher zu prüfen, ob ein niedrigviskoses Polysiloxan mit Hydroxylendgruppen eine unentbehrliche Komponente der beanspruchten Polysiloxanmassen darstellt. Die Tatsache allein, daß ein derartiger Stoff - wie hier - im einzigen Ausführungsbeispiel zusätzlich zu den anspruchsgemäß bezeichneten übrigen Komponenten eingesetzt wird, rechtfertigt einen solchen Schluß nicht. Weitere Argumente, welche die Auffassung der Prüfungsabteilung stützen könnten, wurden in diesem Zusammenhang nicht vorgebracht.
Die Anmelderin hat in ihrer Beschreibung (Seite 6, Absatz 2) die Möglichkeit der Mitverwendung von Zusätzen erwähnt, wie sie auch bisher für ähnliche Organopolysiloxanmassen üblich waren, darunter Mittel zur Verhinderung der Verstrammung der Massen beim Lagern, wie niedermolekulare Siloxanöle oder Alkoxysilane (Seite 6, Zeilen 12-14). Solche Verbindungen sind als mögliche Zusätze für diesen Zweck bereits aus der GB-A-1 351 316 bekannt (vgl. Seite 2, Zeilen 40 bis 43) und dort in beiden Beispielen eingesetzt worden (bestimmte alpha,w-Dihydroxy-diorganopolysiloxane mit 50-100%igem Anteil an Me2S iO-Gruppen).
Nach Überzeugung der Kammer ist es glaubhaft, daß diese Mittel auch anmeldungsgemäß dem gleichen Zweck dienen, d.h. der Verhinderung der Alterung beim Lagern und nicht der Lösung der anmeldungsgemäßen Aufgabe, wie sie etwa die Anmelderin in der Beschreibungseinleitung herausgestellt hat. Eines eigenen Nachweises hierfür bedarf es daher nicht.
6. Wenngleich die Entscheidung neben dem eigentlichen Zurückweisungsgrund, der Beanstandung des Anspruchs 1 wegen Fehlens eines wesentlichen Merkmals, beiläufig einige Bemerkungen zur erfinderischen Tätigkeit enthält (Ziffer 7, letzter Absatz), so ist diese Frage - soweit aus den Akten ersichtlich - weder im Prüfungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt erörtert, noch entschieden worden. Hierzu bedarf es in erster Linie, wie die Kammer wiederholt ausgesprochen hat, der Definition der der vorliegenden Anmeldung zugrundeliegenden Aufgabe, eine Frage, die bisher nicht angeschnitten wurde. Dabei wird sich die Prüfungsabteilung entscheiden müssen, ob nächstliegender Stand der Technik die GB-A- 1 351 316 (vgl. Seite 1, Absatz 1 der Beschreibung i.V.m. dem Vergleichsversuch) oder die US-A- 4 022 747 ist (vgl. den Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1).
Schließlich wurde bislang außer Acht gelassen, daß die in der zuletzt genannten Druckschrift offenbarten Massen, die in ihrer Zusammensetzung äußerst nahe an die beanspruchten herankommen, ebenfalls eine ausgezeichnete Verarbeitbarkeit aufweisen (Spalte 2, Absatz 1). Wenngleich ihre Extrudierbarkeit nicht eigens erwähnt ist (Spalte 4, Zeilen 3-5 und 44-51), wird man sich fragen müssen, ob letztere nicht impliziert wird, besonders wenn sich zeigen sollte, daß diese Art der Verarbeitung eine der gängigsten Methoden der Herstellung elektrischer Kabelisolierungen darstellt. Für die Erörterung solcher Fragen ist in erster Linie die Prüfungsabteilung berufen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Es wird wie folgt entschieden:
1. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung 014 des Europäischen Patentamts vom 26. April 1983 wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Vorinstanz zur weiteren Sachprüfung auf der Grundlage der ursprünglichen vier Patentansprüche mit den am 21. Oktober 1980 beantragten Einfügungen in die Ansprüche 1 und 3 zurückverwiesen.