T 0112/95 () of 19.2.1998

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1998:T011295.19980219
Datum der Entscheidung: 19 Februar 1998
Aktenzeichen: T 0112/95
Anmeldenummer: 87101988.1
IPC-Klasse: B23D 51/02
B23D 49/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Stichsäge
Name des Anmelders: FESTO AG & Co
Name des Einsprechenden: Atlas Copco Elektrowerkzeuge GmbH
Robert Bosch GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
Schlagwörter: Änderungen - kollidierende Erfordernisse der Absätze 2 und 3 des Artikels 123 EPÜ, Aufnahme eines keinen technischen Beitrag zum Gegenstand der beanspruchten Erfindung leistenden, ursprünglich nicht offenbarten Merkmals in den Anspruch 1, ungerechtfertigter Vorteil für Patentinhaber (verneint), Anspruchserweiterung (verneint) (siehe Punkte 2.2 - 2.2.2)
Änderungen - Einspruchsverfahren
Klarheit der Ansprüche (bejaht)
Neuheit, erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/93
T 0384/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0418/12

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 87 101 988.1 wurde das europäische Patent Nr. 0 242 519 erteilt.

II. Von den Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechenden I und II) eingelegte Einsprüche, die auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) (mangelnde Neuheit, fehlende erfinderische Tätigkeit), Artikel 100 b) (mangelnde Ausführbarkeit) und Artikel 100 c) EPÜ (unzulässige Änderungen) und u. a. auf die Druckschriften

D1: EP-A-0 163 186

D2: US-A-28 27 085

D3: US-A-29 31 402

D4: WO 86/05 427 (veröffentlicht 25. September 1986)

gestützt waren, führten zum Widerruf des Patents mit der am 28. Dezember 1994 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr am 2. Februar 1995 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 20. April 1995 eingegangen.

IV. In einer Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung verwies die Beschwerdekammer im Zusammenhang mit den damals geltenden Fassungen für den Anspruch 1 auf sich aus den Anforderungen gemäß Artikel 123 (2) und (3) EPÜ ergebende Fragen. Weiterhin wurde im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit auf die Druckschriften D1 und D2 Bezug genommen.

Am 19. Februar 1998 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit den in der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 1998 überreichten Unterlagen (Ansprüche 1 bis 5, Beschreibung Spalten 1 bis 11, Figuren 1 bis 7).

Die Beschwerdegegnerinnen I und II beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

VI. Der geltende Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Stichsäge mit einem mit einer Laufsohle (8) auf einem zu bearbeitenden Werkstück aufzulegenden Sägetisch (1), mit einem in einem Motorkopf (3) untergebrachten Antriebsaggregat und einem durch das Antriebsaggregat periodisch bewegbaren Werkzeughalter (5) mit einem endseitig einspannbaren Sägeblatt (6), wobei der Motorkopf (3), das Antriebsaggregat und der Motor (4) eine Antriebseinheit (2) bilden, die mit dem Sägeblatt (6) am Sägetisch (1) diesem gegenüber verschwenkbar bzw. in Vorschubrichtung gesehen seitlich verkippbar gelagert ist, sowie mit einer Einrichtung (16) zur Führung und Abstützung des Sägeblattes (6), die zwei das Sägeblatt (6) im unteren Endbereich etwa in Höhe des Sägetisches (1) von beiden Seiten flankierende und es zwischen sich aufnehmende Haltearme (35, 35') mit seitlich führenden, annähernd in der Ebene des Sägetisches (1) von beiden Seiten am Sägeblatt (6) anliegenden Stabilisierungselementen (30, 30') und eine pendelnde und gegen die Sägeblattrückseite anliegende Stützrolle enthält, die an einem am Motorkopf (3) gehalterten Stützrollenhalter mit einer zur Sägeblattebene rechtwinkligen Achse gehaltert ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Haltearme (35, 35') in Vorderansicht der Stichsäge gesehen mit Abstand zum Sägeblatt (6) fest am Motorkopf (3) angebracht sind und sich, ebenfalls in Vorderansicht gesehen, ausgehend vom Motorkopf (3) abgekröpft, abgewinkelt oder abgebogen zum Sägetisch (1) hin erstrecken und an ihrem dem Motorkopf (3) entgegengesetzten freien Endbereich (36) die Stabilisierungselemente (30, 30') tragen, so daß das Sägeblatt (6) auch im verschwenkten Zustand durch die Stabilisierungselemente (30, 30') beidseits abgestützt ist, wobei sich die Stabilisierungselemente (30, 30') in einer beim Verschwenken des Sägeblattes (6) das Eintauchen der Haltearme (35, 35') gestattenden Ausnehmung (7, 39) des Sägetisches (1) befinden."

VII. Die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die im Anspruch 1 definierte, pendelnd gelagerte Stützrolle sei im letzten Absatz der ursprünglichen Beschreibung offenbart und die Stützrollenhalterung am Motorkopf mittels einer rechtwinkligen Achse sei eine allgemein übliche Maßnahme, die auch schon bei dem in der ursprünglichen Beschreibungseinleitung gewürdigten Stand der Technik vorhanden sei. Außerdem leisteten diese Teilmerkmale keinen Beitrag zum Gegenstand der Erfindung und stünden mit ihm auch nicht in einer funktionellen Wechselwirkung. Somit könnten nach der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/93 ABl. 1994, 541, Punkt 16 diese Teilmerkmale die Zulässigkeit des Anspruchs 1 unter dem Gesichtspunkt von Artikel 123 (2) EPÜ nicht in Frage stellen. Beim Streitpatent seien ausgehend von der gattungsgemäßen Vorrichtung nach der D1 die Haltearme mit den Stabilisierungselementen im Sinne der Lehre des Anspruchs 1 spezifisch gestaltet und angeordnet. Im Gegensatz zur Stichsäge nach dem Streitpatent betreffe die weitere Entgegenhaltung D2 eine Bandsäge mit einem flexiblen, umlaufenden Sägeblatt, das zwangsläufig unterhalb und oberhalb des bei solchen Werkzeugmaschinen kippbar angeordneten Tisches geführt werden müsse. Solche normalerweise Großwerkzeuge darstellende Bandsägen seien nicht mit Handwerkzeugen gleichzustellen und der Fachmann würde sich bei der Weiterbildung von Stichsägen nicht bei solchen Werkzeugmaschinen informieren. Außerdem weise eine Stichsäge ein steifes Sägeblatt auf, das schon im Motorkopf geführt sei. Sie werde bei Gehrungsschnitten motorseitig gekippt, während bei einer Bandsäge die Antriebseinheit stehen bliebe und der Tisch verschwenkt werde. Bei der D2 seien die Stabilisierungselemente für das Sägeblatt aus je einem Paket (111) geschichteter Führungsblättchen gebildet und seien nicht an einem an einem Motorkopf befestigten Haltearm gehaltert. Die Halterung erfolge vielmehr über Zapfen (115, 117), die mit anderen Elementen der Werkzeugmaschine in Verbindung stünden. Bei der D2 enthielten ferner die Stabilisierungselemente eine an ihnen unmittelbar gelagerte Rolle zur rückwärtigen Abstützung des Sägebandes. Somit sei die aus der D2 bekannte rückwärtige Sägebandabstützung eher mit der aus der D1 bekannten Abstützung vergleichbar, bei der die rückwärtige und die seitliche Abstützung der Stichsäge an einer genuteten Stützrolle stattfänden. Die Ausführung nach der D2 gebe somit keine Anregung für die beanspruchte Weiterbildung der gattungsgemäßen Stichsäge nach der D1. Im Zusammenhang mit der D2 sei auch deren Alter (aus dem Jahre 1958) in Betracht zu ziehen. Obwohl es zu jener Zeit auch schon Stichsägen gegeben habe, habe der Fachmann bis zum Anmeldetag des Streitpatents hieraus keine Merkmale auf Stichsägen übertragen.

Bei der D3 sei, im Gegensatz zum Streitpatent, die genutete Stützrolle für das Sägeblatt durch eine gerade, vertikal verlaufende Halterung abgestützt, während die in Figur 2 der D3 erkennbaren abgekröpften Bauelemente (33) Bodenteile des Gehäuses zum Leiten der Kühlluft darstellten.

Die Druckschrift D4 betreffe einen lediglich zur Frage der Neuheit heranzuziehenden Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ. Bei dieser Stichsäge seien die Stabilisierungselemente an Haltearmen angebracht, die in Vorderansicht gesehen gerade verlaufen, und die Stützrolle sei entweder pendelnd oder nicht pendelnd an den gemeinsamen Haltearmen angeordnet. Im Gegensatz hierzu seien beim Streitpatent abgekröpfte bzw. abgewinkelte Haltearme für die Stabilisierungselemente und eine unabhängige pendelnde Halterung für die Stützrolle vorgesehen. Die beanspruchte Stichsäge sei somit gegenüber der D4 offensichtlich neu.

VIII. Die Beschwerdegegnerinnen I und II argumentierten in etwa wie folgt:

Die im Anspruch 1 angegebenen Stützrollenmerkmale seien von den ursprünglichen Unterlagen nicht ausreichend gestützt. Auch dem in der ursprünglichen Beschreibungseinleitung genannten Stand der Technik könne man darüber nichts entnehmen, denn die dort unter der falschen Nummer "2 420 442" genannte "DE-OS" 3 420 442 beschreibe keine pendelnde Stützrolle. Auch das weitere Merkmal, daß die Haltearme fest am Motorkopf angebracht sind, sei ursprünglich nicht offenbart. Selbst wenn man den im letzten Absatz der ursprünglichen Beschreibung vorhandenen Hinweis auf eine "pendelnd gelagerte Andrückrolle" als Nachweis für die ursprüngliche Offenbarung zulasse, dann stünden für die Halterung dieser Rolle immer noch mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Der Stützrollenhalter könne nicht nur am Motorkopf, sondern auch am Tisch der Stichsäge gehaltert sein. Außerdem sei auch eine in bezug auf die Sägeblattebene schräg verlaufende Pendelachse möglich. Als weitere mögliche Halterung für die Stützrolle kämen die Haltearme für die Stabilisierungselemente in Frage. Die die Stützrolle betreffenden Merkmale des geltenden Anspruchs 1 seien für den beanspruchten Gegenstand auch wesentlich, denn sie dienten zur Abgrenzung gegenüber dem nächstkommenden Stand der Technik nach der D1.

Weiterhin sei das in den letzten Zeilen des Anspruchs 1 enthaltene und eine Ausnehmung (39) des Sägetisches betreffende Merkmal gegenüber der ursprünglichen Offenbarung unzulässig geändert worden. Die Stabilisierungselemente befänden sich nämlich in der Durchbrechung (7) und nicht in den Ausnehmungen (39). In der ursprünglichen und geltenden Beispielsbeschreibung (Spalte 8, Zeilen 33 bis 37) sei ausdrücklich auf zwei Ausnehmungen (39) verwiesen, die nach innen, zur Durchbrechung (7) hin, offen seien.

Die in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbarten Teilmerkmale aus dem geltenden Anspruch 1 seien darüber hinaus zumindest zum Teil schon im erteilten Anspruch 1 des Streitpatents enthalten. Sie könnten demnach auch im geltenden Anspruch nicht mehr gestrichen werden, ohne eine unzulässige Erweiterung des Schutzumfangs und damit einen Verstoß gegen gemäß Artikel 123 (3) EPÜ zu bewirken.

Die Stichsäge nach der D4 offenbare alle im Anspruch 1 des Streitpatents aufgeführten Merkmale. Die das Stützrollenlager und die Stabilisierungselemente betreffenden Merkmale des Streitpatents seien insbesondere aus den Figuren 9 und 10 der D4 zu entnehmen, wobei die dort gezeigten Tragarme (71) ebenfalls abgewinkelt seien. In der Beschreibung zur Figur 9, Seite 17, erster Absatz sei erwähnt, daß der Pendelhalter (22) für die Andrückrolle (35), der auch die Haltearme (71) für die Stabilisierungselemente darstelle, gelenkig oder starr am Motorkopf (2) gelagert sein kann. Die D4, die eine Entgegenhaltung gemäß Artikel 54 (3) EPÜ darstelle, nehme somit den Gegenstand nach dem Anspruch 1 des Streitpatents neuheitsschädlich vorweg.

Die Druckschrift D1, die zur Formulierung des Oberbegriffs des Anspruchs 1 des Streitpatents gedient haben soll, offenbare zwar in den Ausführungsbeispielen gemäß Figur 5 ff. am Sägetisch angebrachte Stabilisierungselemente (38, 39), die jedoch nur eine von zwei Anbringungsmöglichkeiten darstellten. Nach dem Gesamtinhalt der D1 beschränke sich die Lehre dieser Druckschrift nicht auf diese in den Figuren gezeigte Befestigung, sondern es seien der Beschreibung, insbesondere Seite 5, zweiter Absatz und Seite 16, Zeilen 32, 33 Hinweise zu entnehmen, die auf eine Befestigung am Motorkopf hinwiesen. Insofern enthalte schon die D1 Angaben, die in Richtung der beanspruchten Lösung wiesen.

Der D2 könne nicht entnommen werden, ob es sich bei der darin beschriebenen Bandsäge um ein großes oder kleines Gerät handle. Außerdem würden bei Bandsägen und Stichsägen die gleichen Problemstellungen für die seitliche Stabilisierung der Sägeelemente gelten. Für die Entwicklung von Band- und Stichsägen sei demnach der gleiche Fachmann zuständig. Beim Ausführungsbeispiel nach Figuren 10 und 11 der D2 seien die Stabilisierungselemente (166 bis 168) ebenfalls an abgewinkelten Haltern (158) befestigt, die mit dem Motorkopf in Verbindung stünden. Der Figur 10 sei weiterhin zu entnehmen, daß die unterhalb des Tisches (36) angeordneten Stabilisierungselemente Halter (158) aufweisen, die beim Verschwenken in eine Ausnehmung des Sägetisches (36) eintauchen. Es sei kein Problem für einen Fachmann, diese Einzelmerkmale der Stabilisierungselemente, die auch in der Beschreibung der D2 erwähnt seien, auf die Stichsäge nach der D1 zu übertragen. Weiterhin liege auch bei der D2, Figur 10 die Abstützrolle (164) hinter dem Sägeband und sei zwischen den Tragarmen (158) angeordnet. Bei einem Vergleich der Figur 10 der D2 mit der Figur 3 des Streitpatents komme die Übereinstimmung zwischen beiden Ausführungen deutlich zum Ausdruck.

Es sei somit für einen Fachmann naheliegend, die Stichsäge nach der D1 durch Merkmale insbesondere der Stabilisierungselemente aus der D2 zu ergänzen, um zur Lehre nach dem Anspruch 1 des Streitpatents zu gelangen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Zulässigkeit der geänderten Unterlagen des Patents

2.1. Artikel 123 (2) EPÜ

Die von der Beschwerdegegnerin als nicht ursprünglich offenbart beanstandeten bzw. im Beschwerdeverfahren neu in den Anspruch aufgenommenen oder berichtigten Textstellen lauten wie folgt:

(a) Stichsäge ...., mit einem in einem Motorkopf (3) untergebrachten Antriebsaggregat und einem durch das Antriebsaggregat periodisch bewegbaren Werkzeughalter (5) ...."

(b) "wobei der Motorkopf (3), das Antriebsaggregat und der Motor (4) eine Antriebseinheit (2) bilden, ...."

(c) "sowie mit einer Einrichtung (16) zur Führung und Abstützung des Sägeblattes (6), die .... und eine pendelnde und gegen die Sägeblattrückseite anliegende Stützrolle enthält,

(d) die an einem am Motorkopf (3) gehalterten Stützrollenhalter mit einer zur Sägeblattebene rechtwinkligen Achse gehaltert ist,

(e) daß die Haltearme (35, 35') in Vorderansicht der Stichsäge gesehen mit Abstand zum Sägeblatt (6) fest am Motorkopf (3) angebracht sind und sich, ebenfalls in Vorderansicht gesehen, ausgehend vom Motorkopf (3) abgekröpft, abgewinkelt oder abgebogen zum Sägetisch (1) hin erstrecken und an ihrem dem Motorkopf (3) entgegengesetzten freien Endbereich (36) die Stabilisierungselemente (30, 30') tragen,

(f) wobei sich die Stabilisierungselemente (30, 30') in einer beim Verschwenken des Sägeblattes (6) das Eintauchen der Haltearme (35, 35') gestattenden Ausnehmung (7, 39) des Sägetisches (1) befinden.

2.1.1. In der Merkmalsgruppe (a) wurde die im erteilten Anspruch 1 auf "in einem Motorkopf (3) untergebrachten Antriebseinheit" lautende Textstelle sprachlich klargestellt. Diese Klarstellung stützt sich auf den ursprünglichen Beschreibungstext Seite 8, Zeilen 2 bis 5 in Verbindung mit den Figuren 1 und 2. Dabei wurde der offensichtlich im wesentlichen als nachgeschaltetes Getriebeaggregat zu verstehende Begriff "Antriebseinheit" aus dem erteilten Anspruch 1 (Spalte 11, Zeilen 22, 23) durch das Wort "Antriebsaggregat" ersetzt, wobei die auf der ursprünglichen Seite 8 in den Zeilen 4, 5 enthaltene Wortfolge "Antriebsaggregat (Stabmotor) (4)" in den Begriff "Motor (4)" umzuändern war (geltende Beschreibung).

2.1.2. Die Merkmalsgruppe (b) stützt sich sinngemäß auf den Text der ursprünglichen Beschreibung Seite 8, Zeilen 2 bis 5, wobei ebenfalls die für das Teilmerkmal (a) erläuterte Änderung der Bezeichnungen stattgefunden hat.

2.1.3. Das Teilmerkmal (c) stützt sich auf den letzten Absatz der ursprünglichen Beschreibung Seite 18, Zeilen 15 bis 18, in dem darauf hingewiesen wird, daß sich die Führungseinrichtung auch bei Stichsägen verwirklichen läßt, die "eine pendelnd gelagerte Andrückrolle aufweisen, die zur Werkzeugabstützung ... auf die Werkzeugrückseite einwirkt".

2.1.4. Die Merkmalsgruppe (d) enthält zwei Merkmale:

(d1) die Stützrolle ist an einem .... Stützrollenhalter mit einer zur Sägeblattebene rechtwinkligen Achse gehaltert;

(d2) der Stützrollenhalter ist am Motorkopf (3) gehaltert;

Den Figuren, der Beschreibung und den Ansprüchen der ursprünglichen Unterlagen läßt sich mit Ausnahme des letzten Absatzes auf der Seite 18 kein Hinweis auf die Anordnung einer Stützrolle entnehmen. Auch die in der ursprünglichen Beschreibungseinleitung genannte "DE-OS-2 420 442" offenbart diesbezüglich nichts, denn die falsche Numerierung der DE-OS wurde erst im Laufe des Prüfungsverfahrens in DE-OS-3 420 442" bzw. EP-OS-0 163 186" berichtigt.

Das Merkmal (d1) enthält zwei technische Angaben, nämlich das Vorhandensein i) eines "Stützrollenhalters" sowie ii) "einer zur Sägeblattebene rechtwinkligen Achse", wobei sich ii) je nach Auslegung auf die Drehachse der Stützrolle oder auf die Pendelachse des "Stützrollenhalters" beziehen kann.

Die Existenz eines Stützrollenhalters folgt notwendig aus dem Merkmal "pendelnd gelagerte Andrückrolle" (vgl. den vorstehenden Punkt 2.1.3). Insoweit wird das Merkmal (d1) durch den Offenbarungsinhalt des letzten Absatzes auf Seite 18 der ursprünglichen Beschreibung mitgetragen.

Dies gilt jedoch nicht für Auslegung des restlichen Teils (d1') von (d1) "mit einer zur Sägeblattebene rechtwinkligen Achse" der Stützrolle und auch nicht für das Merkmal (d2). Neben dem aus der D1 (Figuren 1, 2 und 14) ersichtlichen "rechtwinkligen" Verlauf der Stützrollenachse ist es offensichtlich auch möglich die Stützrollendrehachse schräg zur Sägeblattebene verlaufen zu lassen (vgl. in der D2, Figuren 10, 11 die Stützrolle (164)) oder die Stützrollenachse auch parallel zur Sägeblattebene anzuordnen (vgl. in der D2, Figuren 5, 6 die Stützrolle (145)). Es steht somit nicht zwangsläufig fest, daß der in der ursprünglichen Beschreibung nirgends erwähnte Drehachsenverlauf der Stützrolle "rechtwinklig zur Sägeblattebene" sein muß.

Auch die Halterung des Stützrollenhalters am Motorkopf gemäß (d2) folgt nicht notwendig aus der knappen Offenbarung einer "pendelnd gelagerten Andrückrolle", denn es wäre auch eine Halterung an den Haltearmen der Stabilisierungselemente, am Motorgehäuse oder an sonstigen Elementen der gesamten Antriebseinheit denkbar. Die Beschränkung der im Anspruch 1 definierten Stichsäge auf eine ursprünglich nirgends dargestellte oder beschriebene Achsausrichtung der Stützrolle (d1') und auf die Halterung des Stützrollenhalters (d2) am Motor stellt somit eine in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbarte technische Lehre dar, die im Laufe des Erteilungsverfahrens dem Anspruchstext hinzugefügt worden ist.

2.1.5. Die Merkmalsgruppe (e) läßt sich von den unveränderten Figuren 1, 3 und 5 des Streitpatents in Verbindung mit dem ursprünglichen Beschreibungstext Seite 13, Zeilen 8 bis 32 ableiten.

2.1.6. Die Merkmalsgruppe (f) wird vom ursprünglichen Beschreibungstext auf Seite 6, Zeilen 27 bis 30, vom ursprünglichen Anspruch 10 und von den Figuren 1 und 5 gestützt. Im Anspruch 10 wird der Ausnehmung des Sägetisches das Bezugszeichen 7 zugeordnet und die Figur 1 zeigt weiter, daß sich die als Durchbrechung ausgebildete Ausnehmung (7) beidseitig als nutförmige Einsenkung im Sägetisch fortsetzt, wobei, wie durch die gestrichelte Linie (41) in Figur 1 angedeutet, diese seitlichen Bereiche der Ausnehmung beim Verschwenken des Sägeblattes das Eintauchen der Haltearme (35, 35') gestatten. In der ursprünglichen Beschreibung Seite 14, Zeilen 11 bis 17 und 21 bis 24 sowie im Anspruch 14 wird zwar anstelle des auf Seite 6 und im Anspruch 10 im Singular benutzten Begriffs "Ausnehmung (7, 39)" auf "zwei Ausnehmungen (39)", die "nach innen, zur Durchbrechung (7) hin offen sind" verwiesen. Diese voneinander abweichenden Beschreibungen des Ausnehmungsbereichs (7, 39) stimmen jedoch im Ergebnis miteinander überein.

Die im erteilten Anspruch 1 gewählte Formulierung beinhaltet folglich bezüglich dieses Merkmals keine andere Lehre als die geltende Anspruchsfassung, die lediglich sprachlich verdeutlicht wurde.

2.1.7. Die weiteren, vorstehend nicht erörterten (und nicht beanstandeten) Textstellen des Anspruchs 1 stützen sich ebenfalls auf den Offenbarungsinhalt der ursprünglichen Unterlagen.

2.2. Zulässigkeit der nicht vollständig offenbarten Merkmale (d1), (d2) im Anspruch 1 unter dem Gesichtspunkt des Konfliktes zwischen Absatz 2 und 3 von Artikel 123 EPÜ und der Entscheidung G 1/93 (supra).

Aus den vorstehenden Erörterungen folgt, daß allein die Teilmerkmale (d1') und (d2) des geltenden Anspruchs 1 (vgl. Punkt 2.1.4) keine Stütze in den ursprünglichen Unterlagen finden.

Diese Merkmale befassen sich mit der Ausbildung und Befestigung des Stützrollenhalters für die gegen die Sägeblattrückseite anliegende Stützrolle und haben somit offensichtlich eine technische Bedeutung und bewirken (wie aus 2.1.4 folgt) eine Einschränkung des Schutzumfangs der im Anspruch 1 definierten Stichsäge. Die Streichung dieser schon im erteilten Anspruch 1 aufgeführten, ursprünglich nicht offenbarten Teilmerkmale würde somit zu einer Erweiterung des durch den erteilten Anspruch 1 vorgegebenen Schutzbereiches und zu einem Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ führen. Insofern scheinen im vorliegenden Fall die Erfordernisse der Absätze 2 und 3 des Artikels 123 EPÜ zu kollidieren.

2.2.1. Die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/93 (supra) hat sich mit dieser Frage befaßt und hat gemäß Ziffer 2 der Entscheidungsformel wie folgt entschieden:

"Ein Merkmal, das in der Anmeldung ursprünglich nicht offenbart war, ihr aber während der Prüfung hinzugefügt wurde und - ohne einen technischen Beitrag zum Gegenstand der beanspruchten Erfindung zu leisten - lediglich den Schutzbereich des Patents in der erteilten Fassung einschränkt, indem es den Schutz für einen Teil des Gegenstands der in der ursprünglichen Anmeldung beanspruchten Erfindung ausschließt, ist nicht als Gegenstand zu betrachten, der im Sinne des Artikels 123 (2) EPÜ über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ steht deshalb der Aufrechterhaltung eines europäischen Patents, das ein solches Merkmal enthält, nicht entgegen".

Unter Punkt 16 der Entscheidung hat die Große Beschwerdekammer festgestellt, daß es von den Umständen abhängt, "ob die Hinzufügung eines nicht offenbarten Merkmals, das den Schutzbereich des Patents in der erteilten Fassung einschränkt, dem Zweck des Artikels 123 (2) EPÜ zuwiderläuft". Weiterhin wird gesagt, daß der Artikel 123 (2) EPÜ verhindern soll, daß sich der Anmelder mit dem nicht ordnungsgemäß offenbarten Merkmal einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft und als typisches Beispiel hierfür wird der Fall genannt, "daß das beschränkende Merkmal zu einer erfinderischen Auswahl führt, die in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht offenbart ist und sich auch sonst nicht daraus ableiten läßt".

2.2.2. Im vorliegenden Fall verbleibt somit nach den Feststellungen unter Punkt 2.2 noch zu prüfen, ob die nicht offenbarten Teilmerkmale (d1') und (d2), die den Schutzbereich des Streitpatents in der erteilten Fassung offensichtlich einschränken, einen technischen Beitrag zum Gegenstand der beanspruchten Erfindung leisten.

Beim Streitpatent wird durch die Anbringung der Stabilisierungselemente an Haltearmen, die ihrerseits fest am Motorkopf angebracht sind und dessen Verschwenkung bei Gehrungsschnitten mitmachen, bei allen Einstellungen der Stichsäge eine sichere und zuverlässige Seitenführung des Sägeblattes gewährleistet. Bei den bisherigen Stichsägen (D1) erfolgt die Seitenführung durch am Sägetisch angebrachte Stabilisierungselemente, was bei verschwenktem Sägeblatt zu einer ungenügenden Seitenführung des Sägeblatts bei Gehrungsschnitten führte. Bei der D3 bewirkt die mit einer umlaufenden Führungsnut versehene, mit dem Motorkopf verschwenkbare Stützrolle lediglich eine beschränkte seitliche Führung bei geraden Schnitten und Gehrungschnitten.

Beim Streitpatent hingegen übernehmen allein die seitlichen Stabilisierungselemente die Seitenführung. Die gegen die Sägeblattrückseite anliegende Stützrolle leistet hierzu offensichtlich keinen technischen Beitrag, was sich auch darin zeigt, daß in den ursprünglichen Unterlagen des Streitpatents weder in den Ansprüchen noch in den Ausführungsbeispielen eine Stützrolle erwähnt war und nur der letzte Absatz der Beschreibung am Rande bemerkte, daß sich "die erfindungsgemäße Führungseinrichtung auch bei Stichsägen verwirklichen läßt, die ..... eine .... Andrückrolle aufweisen ...., die zur Werkzeugabstützung .... auf die Werkzeugrückseite einwirkt."

Aus dem Vorstehenden folgt, daß auch weitere konstruktive Einzelheiten der Stützrolle, wie deren Achsorientierung gemäß (d1) und die Halterung ihres Stützrollenhalters am Motorkopf gemäß (d2) auf den auf eine sichere Seitenführung des Sägeblattes ausgerichteten Gegenstand der beanspruchten Erfindung keinen Einfluß haben und folglich mit den übrigen, die technische Aufgabe der beanspruchten Erfindung lösenden Merkmalen nicht in einer funktionellen Wechselwirkung stehen.

Die nicht offenbarten Merkmale (d1') und (d2) leisten somit im Sinne der Entscheidung G 1/93 und ihrer Auslegung durch die T 384/91 (ABl. 1995, 745 Pkt. 5) keinen "technischen Beitrag zum Gegenstand der beanspruchten Erfindung", sondern schließen lediglich den Schutz für einen Teil des in den ursprünglichen Unterlagen beanspruchten Gegenstandes aus. Die Hinzufügung dieser Merkmale hat deshalb dem Anmelder zu keinem ungerechtfertigten Vorteil verholfen und beeinträchtigt auch nicht die Interessen Dritter. Im vorliegenden Fall sehen sich nämlich Dritte, "die sich auf die Anmeldung in der eingereichten und veröffentlichten Fassung verlassen haben, einem erteilten Patent gegenübergesehen, daß keinen breiteren, sondern einen engeren Schutzbereich hat als erwartet und daher ihre Tätigkeit weniger behindert hat" (G 1/93, Punkt 12, letzter Satz).

Die Teilmerkmale (d1') und (d2) sind somit im Sinne der Entscheidung G 1/93 nicht als Gegenstand zu betrachten, der über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

Folglich verstößt der geltende Anspruch 1 nicht gegen das Erfordernis von Artikel 123 (2) EPÜ.

2.3. Erfordernisse gemäß Artikel 123 (3) EPÜ

2.3.1. Der geltende Anspruch 1 enthält neben den erst im Beschwerdeverfahren hinzugefügten, im oben stehenden Absatz 2.1 aufgezählten Merkmalen (b) und (e), sowie dem durch das Wort "pendelnde" näher definierten Begriff "Stützrolle" noch den gesamten Text des erteilten Anspruchs 1.

2.3.2. Es wurden ferner im Anspruchstext (vgl. in Spalte 11 des Streitpatents die Zeilen 22, 23 und 45 bis 48) noch weitere Umformulierungen vorgenommen. Bei diesen Änderungen (vgl. auch den oben stehenden Absatz 2.1.1) handelt es sich zunächst um eine Berichtigung des in den Zeilen 22 und 23 des erteilten Anspruchs 1 enthaltenen Begriffs "Antriebseinheit". In den ursprünglichen und in den erteilten Unterlagen wurde nämlich der Begriff "Antriebseinheit" für die Gesamtvorrichtung der Stichsäge benutzt, die aus dem Motorkopf (3), einem Getriebe (also einem "Antriebsaggregat") und einem Motor (4) besteht. Es ist für einen fachkundigen Leser des erteilten Anspruchs 1 offensichtlich, daß es sich bei dem Begriff "Antriebseinheit" im erteilten Anspruch 1 lediglich um weiteres Aggregat im Sinne eines Getriebeteils der Stichsäge handeln kann, zumal in der ursprünglichen Beispielsbeschreibung Seite 8, Zeile 3 ein Hinweis auf "ein Getriebe enthaltenden Motorkopf" gegeben ist. Die Korrektur des Wortes "Antriebseinheit" in "Antriebsaggregat" ändert somit den technischen Inhalt nicht.

Dies gilt auch für das Teilmerkmal (f) des geltenden Anspruchs 1.

Das Wort "Eintauchen" ist im erteilten Anspruch 1 nämlich eindeutig im Sinne von "sich befinden in" zu verstehen, wie dies auch eindeutig in der Beschreibung dargestellt und in den Figuren gezeigt ist. Um zu vermeiden, daß beim Lesen des diesbezüglichen Anspruchstextes, ohne Heranziehung der weiteren Unterlagen, Mißverständnisse dahingehend auftauchen können, daß die Stabilisierungselemente erst beim Verschwenken in die Ausnehmung eintauchen sollen, war das Teilmerkmal (f) im geltenden Anspruch 1 unter Heranziehung der Beschreibung und der Figur zu verdeutlichen.

2.3.3. Aus dem Vorstehenden folgt, daß der Inhalt des geltenden Anspruchs 1 sinngemäß die gesamte Lehre des erteilten Anspruchs 1 sowie weitere einschränkende Merkmale enthält. Die Änderungen haben somit zu keiner Erweiterung des Schutzumfangs des erteilten Anspruchs 1 geführt. Der geltende Anspruch 1 entspricht mithin auch den Erfordernissen von Artikel 123 (3) EPÜ.

2.3.4. Auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 5, die Beschreibung und die Figuren sind in bezug auf Artikel 123 (2) (3) EPÜ ebenfalls nicht zu beanstanden. Diesbezüglich sind auch keine Einwände erhoben worden.

3. Ausführbarkeit (Artikel 83 und 100 b) EPÜ)

Der weitere Einspruchsgrund "mangelnde Ausführbarkeit" ist im Beschwerdeverfahren nicht mehr vorgebracht worden.

Da die Beschwerdekammer - wie die Einspruchsabteilung - diesbezüglich keine Bedenken hat, erübrigen sich weitere Ausführungen zu dieser Frage.

4. Gegenstand des Streitpatents (Anspruch 1); Neuheit

4.1. Der Anspruch 1 geht im Oberbegriff von einem Stand der Technik nach der D1 aus. Bei der darin beschriebenen Stichsäge sind zur Führung des Sägeblattes ein am Motorkopf gehalterter Stützrollenhalter und von beiden Seiten am Sägeblatt anliegende Stabilisierungselemente vorgesehen, die am Sägetisch der Stichsäge gehaltert sind. Bei einer Verschwenkung des Motorkopfes relativ zum Sägetisch zwecks Erzeugung eines Gehrungsschnittes machen die am Sägetisch befestigten bzw. geführten Stabilisierungselemente die Schwenkbewegung des Motorkopfes nicht mit und können somit nur bei senkrechten Schnitten zuverlässig führen. Zur Verbesserung der seitlichen Führung wird in der D1 auch vorgeschlagen, die Enden der Stabilisierungselemente an den aneinander zugewandten Seiten zuzuspitzen.

Die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe besteht darin, eine Stichsäge zu schaffen, bei der das Sägeblatt sowohl bei der Durchführung von Geradschnitten als auch von Gehrungsschnitten sicher und zuverlässig geführt und dadurch am Verlaufen, Verkanten oder dgl. gehindert wird.

Diese Aufgabe wird bei einer Stichsäge mit den im Oberbegriff des Anspruchs 1 aufgeführten Gattungsmerkmalen durch die im Kennzeichen des Anspruchs 1 definierte Halterung der Stabilisierungselemente (mittels am Motorkopf fest verankerter Haltearme) sowie die näher definierte Ausbildung dieser Haltearme und der das Verschwenken des Sägeblattes erlaubenden Ausnehmung des Sägetisches gelöst.

Da bei der beanspruchten Stichsäge die Stabilisierungselemente die Schwenkbewegung des Motorkopfes mitmachen, läßt sich auch bei Gehrungsschnitten eine sichere Seitenführung erzielen.

4.2. Die Stichsäge nach der gattungsgemäßen D1 unterscheidet sich vom beanspruchten Gegenstand durch die im Kennzeichen des Anspruchs 1 aufgeführten Merkmale.

4.2.1. Die D2 beschreibt eine in einem Maschinenständer geführte Bandsäge mit einem am Ständer verschwenkbar befestigten Sägetisch. Es handelt sich mithin um einen gattungsfremden Gegenstand, der sich schon bezüglich der im Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents aufgeführten Merkmale vom beanspruchten Gegenstand unterscheidet.

4.2.2. Die D3 offenbart eine Stichsäge mit schwenkbarem Sägetisch, wobei die Führung des Sägeblattes durch eine pendelnd gelagerte, mit einer umlaufenden Führungsnut versehene Stützrolle erfolgen soll. Seitliche Stabilisierungselemente sind nicht offenbart.

4.2.3. Die Druckschrift D4 ist im Prioritätsintervall des Streitpatents veröffentlicht und ist für diejenigen im Streitpatent genannten Vertragsstaaten, die in der D4 als Bestimmungsstaaten genannt sind (AT, BE, CH, DE, FR, GB, IT, LU, NL und SE) lediglich als Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) (4) EPÜ zu bewerten, sofern die für das Streitpatent beanspruchte Priorität zu Recht besteht. Dies ist zu bejahen, da sämtliche Merkmale des Anspruchs 1, die einen technischen Beitrag zum Gegenstand der Erfindung leisten (vgl. Punkt 2.2.2), aus den Prioritätsunterlagen zu entnehmen sind.

In der Druckschrift D4 ist eine Stichsäge mit verschwenkbarem Motorkopf offenbart, bei der zur Führung des Sägeblattes seitliche Stabilisierungselemente und eine auf die Rückseite des Sägeblattes wirkende Stützrolle vorgesehen sind. Die Stabilisierungselemente können dabei entweder am Sägetisch oder an einem am Motorkopf gelenkig oder starr angebrachten Halter angeordnet sein. Bei der Ausführungsform gemäß den Figuren 9 bis 11 ist ein gegebenenfalls am Motorkopf fest angebrachter Halter (22) an seinem dem Sägetisch zugewandten Ende mit zwei Tragarmen (71) versehen, die das Sägeblatt seitlich flankieren und es zwischen sich aufnehmen. In den Enden der Tragarme (71) sind als Stellschrauben (53) ausgebildete Stabilisierungselemente für die seitliche Führung des Sägeblattes vorgesehen. Bei der D4 verlaufen die Tragarme (71) (Figuren 9, 10 bzw. Beschreibung Seite 17, zweiter Absatz), in Vorderansicht gesehen, zueinander parallel und gerade und sind somit nicht abgekröpft, abgewinkelt oder abgebogen, wie dies gemäß Teilmerkmal (e) des Anspruchs 1 des Streitpatents gefordert wird. Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 des Streitpatents unterscheidet sich somit zumindest in diesem Punkt von den ihm am nächsten kommenden Ausführungsbeispielen der D4.

4.2.4. Die weiteren im Verfahren genannten Entgegenhaltungen kommen dem beanspruchten Gegenstand zumindest nicht näher als die Druckschriften D1 bis D4. Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 des Streitpatents ist mithin gegenüber dem aufgedeckten Stand der Technik neu.

5. Erfinderische Tätigkeit

Keine der Entgegenhaltungen D1 und D3, die eine Stichsäge betreffen, offenbart eine am Motorkopf gehalterte Führung für die beidseitig am Sägeblatt anliegenden Stabilisierungselemente. Es trifft zwar zu, daß in der D1, wie die Beschwerdeführerin I argumentiert, erst im abhängigen Anspruch 7 die Befestigung der Stabilisierungselemente am Sägetisch (Spänefang (37)) erwähnt wird und die vorausgehenden Ansprüche 1 bis 6 keinen Hinweis auf die Art der Befestigung der seitlichen Führungselemente enthalten. Die insoweit unbeschränkte Lehre in den Ansprüchen 1 bis 6. der D1 kann jedoch ohne Vorkenntnis des Streitpatents nicht dahingehend ausgelegt werden, daß hiermit indirekt auf eine Halterung der Stabilisierungselemente am Motorkopf hingewiesen wird. In der Beschreibung (Seite 20, Absatz 2) der D1 ist vielmehr angegeben, daß aufgrund der Befestigung am Sägetisch die Stabilisierungselemente eine Schwenkbewegung des Motorkopfes nicht mitmachen, so daß sie nur bei einem senkrechten Sägeschnitt Verwendung finden können. Im Anschluß an diesen Satz wird erwähnt, daß auch eine Abwandlung denkbar sei, bei der die einander zugewandten Enden der Stabilisierungselemente zugespitzt sind und das Sägeblatt zwischen den Enden geschwenkt werden könne. Der D1 kann somit kein Hinweis entnommen werden, daß das in Rede stehende Problem durch Stabilisierungselemente gelöst werden kann, die an fest am Motorkopf gehalterten Haltearmen angeordnet sind.

5.2. Bei der Stichsäge nach der D3, bei der die gesamte Antriebseinheit gegenüber dem Sägetisch verschwenkbar ist, sind seitliche Stabilisierungselemente für das Sägeblatt nicht vorhanden. Eine gewisse seitliche Führung erfolgt durch die umlaufenden Nut der Stützrolle.

5.3. Die als stationäre Ständermaschine ausgebildete Bandsäge nach der D2 weist zur seitlichen Führung des Sägebandes oberhalb und unterhalb eines gegenüber dem Ständergehäuse schwenkbaren Sägetisches (36) jeweils eine Sägeband-Führungseinrichtung (44) und (45) (Figuren 1, 2, 5 bis 9) bzw. (155) und (156) (Figuren 10 bis 14) auf. Jede dieser Führungseinrichtungen besteht aus einem Führungsblock (110) (Figuren 5 bis 9) bzw. (157) (Figuren 10, 11), in dem zu einem Lamellenpaket (111, 112) (Figuren 5 bis 9) bzw. (158), (159) (Figuren 10, 11) zusammengefaßte Stabilisierungsblättchen (152) bis (154) bzw. (166) bis (168) befestigt sind. Der obere und der untere Führungsblock sind zur seitlichen Einstellung in Richtung der Sägebandebene mit jeweils einem horizontal gerichteten Zapfen (117) bzw. (115) versehen, der, im Falle der oberen Führungseinrichtung, an einer vertikal einstellbaren und in einem oberen Ständergehäuse (49) gehalterten Zahnstange (119) (Figur 2) bzw. im Falle der unteren Führungseinrichtung seitlich ebenfalls in Richtung der Bandebene einstellbar an einer nach oben ragenden Stützplatte (94) des unteren Ständergehäuses (50) gehalten ist. Die obere Führungseinrichtung ist im Abstand vom Sägetisch (36) angeordnet. Die untere Führungseinrichtung befindet sich mit ihren Stabilisierungsblättchen in einer beim Verschwenken des Sägeblattes das Eintauchen des Führungsblockes (110) gestattenden Ausnehmung (136) des Sägetisches (36).

5.4. Elektrisch betriebene Bandsägen einerseits und Stichsägen andererseits stellen, obwohl es sich im einen Falle um Handwerkzeuge und im anderen Falle um stationäre Ständermaschinen handelt, verwandte Einrichtungen dar, die in benachbarten Fachgebieten einzuordnen sind. Demnach ist zumindest grundsätzlich nicht auszuschließen, daß konstruktive Vorkehrungen von einer Gattung auf die andere übertragen werden können.

Es erhebt sich somit die Frage, ob die aus der D2 bei Bandsägen bekannte Führungseinrichtung einen Fachmann dazu anregen konnte, die aus der D1 bekannte Stichsäge im Sinne der beanspruchten Lehre des Streitpatents weiterzuentwickeln.

Bei der Ständerbandsäge nach der D2 sind der Maschinenständer, das Antriebsaggregat und der Motor stationär angeordnet, während der Sägetisch verschwenkt wird. Bei einer Stichsäge handelt es sich um ein nicht stationäres Werkzeug, bei dem während des Arbeitsvorganges der Sägetisch im allgemeinen in einer horizontalen Ebene bleibt, während das Sägeblatt zusammen mit dem Antriebsaggregat und dem Motor der Stichsäge verschwenkt wird. Außerdem weist das Sägeblatt einer Stichsäge funktionsbedingt eine gewisse Steifigkeit auf, die von sich aus schon eine Seitenführungsstabilität erzeugt. Bei einem Sägeband hingegen, das antriebsbedingt eine hohe seitliche Biegsamkeit aufweisen muß, sind optimale seitliche Führungen zwingend erforderlich. Insofern gelten, was die Anforderungen an die Seitenführung betrifft, für Stichsägeblätter andere Vorbedingungen als für die Sägebänder einer Bandsäge. Ein Fachmann wird deshalb nur in Sonderfällen die Konstruktion von Bandsägen als Vorbild nehmen, wenn Stichsägen weiterentwickelt werden.

5.5. Aber selbst wenn ein Fachmann von der D2 die Anregung aufnehmen sollte, bei der Stichsäge nach der D1 die Seitenstabilisierungselemente für das Sägeblatt nicht am Sägetisch, sondern an Teilen des Antriebsaggregats zu führen, würde die Lehre nach der D2 aus folgenden Gründen noch nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents führen.

Aus dem oben beschriebenen Aufbau der Führungen für das Sägeband nach der D2 (vgl. Punkt 5.3) und deren Halterung an Teilen des Maschinenständers folgt, daß diese Ausführung nicht mit der beim Streitpatent beanspruchten Haltearmkonstruktion übereinstimmt. Nach dem Anspruch 1 des Streitpatents ist nämlich, in Vorderansicht der Stichsäge gesehen (d. h. in Richtung der Sägeblattebene), jeder der beiden Haltearme (35, 35') der Führungseinrichtung mit Abstand zum Sägeblatt angebracht und erstreckt sich, ebenfalls in Vorderansicht gesehen, abgekröpft, abgewinkelt oder abgebogen zum Sägetisch hin. Bei der Bandsäge nach der D2 verläuft die den beiden Haltearmen beim Streitpatent entsprechende Haltevorrichtung (siehe die Zapfen (115), (117) und die Zahnstange (119) bei der oberen Führung bzw. die Stützplatte (94) bei der unteren Führung), in Vorderansicht gesehen als stabförmiges Halterungselement hinter dem Sägeband und in der Sägebandebene. Diese Anordnung ist in der D2 in der Seitenansicht nach der Figur 2 im Zusammenschau mit den in Vorderansicht des Sägebandes gesehenen Darstellungen in den Figuren 7 bis 9. und 12 bis 14 erkennbar. Zur Halterung der Führungseinrichtung dient hier nur ein einziges, bei Vorderansicht hinter dem Sägeband liegendes Halteelement, während beim Streitpatent zwei Haltearme für die Führungseinrichtung vorgesehen sind, von denen jeder in Vorderansicht der Stichsäge gesehen, mit Abstand seitlich vom Sägeblatt verläuft und zum Sägetisch hin abgekröpft, abgewinkelt oder abgebogen ist. Die Halterung der Führungseinrichtung ist somit bei der D2 konstruktiv anders ausgebildet als beim Streitpatent und würde, falls sie für eine Weiterentwicklung des Standes der Technik nach der D1 als Vorbild herangezogen würde, offensichtlich zu einer anderen Ausführung als der beanspruchten führen.

5.6. Die Ansicht der Beschwerdegegnerin I, daß aus der Figur 10 der D2 eine mit den beanspruchten Haltearmen vergleichbare Form ersichtlich sei, ist nicht zutreffend, denn die in der Figur 10 dargestellten, pfeilförmig verlaufenden Elemente (158, 159) stellen die Stabilisierungselemente und nicht die zum Maschinenständer führende in der Figur 10 nicht sichtbare Halterung dar, die, wie oben erörtert, anders ausgestaltet ist als beim Streitpatent.

5.7. Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, daß sich die im geltenden Anspruch 1 des Streitpatents definierte Lehre nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, so daß die beanspruchte Vorrichtung auch als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend anzusehen ist (Artikel 56 EPÜ).

Das Patent hat somit auf der Basis der geltenden, in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen Bestand.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen

Ansprüche: 1 bis 5,

Beschreibung: Spalten 1 bis 11

Zeichnungen: Figuren 1 bis 7

aufrechtzuerhalten.

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