T 0752/93 () of 16.7.1996

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1996:T075293.19960716
Datum der Entscheidung: 16 Juli 1996
Aktenzeichen: T 0752/93
Anmeldenummer: 87108088.3
IPC-Klasse: F04D 13/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished | Unpublished v2
Bezeichnung der Anmeldung: Pumpe mit Spaltrohr
Name des Anmelders: Reinecker, Heyko
Name des Einsprechenden: Richter Chemie-Technik GmbH
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 112(1)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Vorlage an die Große Beschwerdekammer (zurückgewiesen)
Anträge der nicht-beschwerdeführenden Partei
Amendments - agreed by the Boards
Appeal procedure - rights of parties under Art. 107 EPC - reformatio in peius
Inventive step
Orientierungssatz:

Eine Änderung während des Beschwerdeverfahrens der durch die Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung kann diese Fassung nicht nur beschränken, sondern auch erweitern, auch wenn die Patentinhaberin keine Beschwerde eingelegt hat. Eine solche Änderung muß jedoch sachdienlich und erforderlich sein - Abschnitte 2.3 und 2.4.

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/92
G 0004/93
T 0061/85
T 0123/85
T 0369/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
G 0001/99
T 0815/94
T 1002/95
T 0185/96
T 0336/96
T 0065/97
T 0315/97
T 0822/04

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 4. Juni 1987 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 87 108 088.3 wurde mit Wirkung vom 2. Oktober 1991 das europäische Patent Nr. 0 268 013 erteilt.

II. Gegen das erteilte Patent haben drei vormalige Einsprechende, die inzwischen ihre Einsprüche zurückgenommen haben, und die Beschwerdeführerin (Einsprechende 04) Einspruch eingelegt und den Widerruf des Patents wegen mangelnder Neuheit bzw. mangelnder erfinderischer Tätigkeit beantragt. Zur Stützung ihres Vorbringens haben sie u. a. auf folgende Dokumente hingewiesen:

D1: SU-A-0 684 679 (mit Übersetzung in der deutschen Sprache)

D2: DE-A-3 337 086

D3: DE-U-8 208 046.

III. In einer Zwischenentscheidung vom 21. Juni 1993, in schriftlich begründeter Form zur Post gegeben am 2. August 1993, hat die Einspruchsabteilung das angefochtene Patent in geändertem Umfang mit den Unterlagen, wie sie in der mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 1993 eingereicht wurden, aufrechterhalten.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 14. August 1993 unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung wurde am 11. November 1993 eingereicht.

V. Es wurde am 16. Juli 1996 mündlich verhandelt.

i) Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents, sowie, hilfsweise, die während der mündlichen Verhandlung eingereichten Rechtsfragen der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.

Der Wortlaut dieser Rechtsfragen lautet:

"Es wird angeregt, im Hinblick auf die nicht erschöpfenden Ausführungen in den bisherigen Großen Beschwerdekammerentscheidungen G 4/93 und G 9/92, die im Gegensatz zu den Entscheidungen T 369/91 und T 61/85 stehen, folgende Fragen der Großen Beschwerdekammer vorzulegen:

1. Ist die Patentinhaberin als sonstige Verfahrensbeteiligte nach Artikel 107, Satz 2 EPÜ, deren Patent beschränkt aufrechterhalten worden ist, berechtigt, ihr Patent in einer weiteren Fassung zu verteidigen, obgleich sie durch das Nichterheben der Beschwerde zu erkennen gegeben hat, daß sie mit der beschränkt aufrechterhaltenen Version des erteilten Patents einverstanden ist und auf einen weitergehenden Schutzbereich einen Teilverzicht ausgesprochen hat?

2. Wenn ja, bis zu welchem Zeitpunkt kann die Verfahrensbeteiligte derartige Anträge einreichen, ohne einen Verfahrensmißbrauch zu begehen?

3. Wenn ja, verursacht ein derartiges unnötig verspätetes Einreichen eines Anspruchssatzes eine Auferlegung von Kosten nach Artikel 104 (1) EPÜ, Regel AO 63 (1) EPÜ?"

Alle vorher gestellten weiteren Anträge wurden von der Beschwerdeführerin zurückgezogen.

ii) Während der mündlichen Verhandlung reichte der Beschwerdegegner (Patentinhaber), nachdem die Kammer Bedenken hinsichtlich Artikel 123 (2) und (3) EPÜ gegenüber der durch die Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung geäußert hatte, neue Ansprüche 1 bis 10 ein und beantragte in einem einzigen Antrag, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit diesen neuen Ansprüchen.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

"1. Pumpe (S), deren Antrieb einen inneren Drehteil (4) sowie einen damit magnetisch gekoppelten äußeren Antriebsteil (3) hat, wobei äußeres Antriebs- und inneres Drehteil (4) mittels eines mindestens axial abschnittweise doppelwandigen Spaltrohres hermetisch voneinander getrennt sind und der von den konzentrisch angeordneten Rohrwänden (14, 21) umschlossene Spaltrohr-Wandungsinnenraum (10) ein Anzeigemedium aufweist, wobei bei Beschädigung wenigstens des inneren doppelwandigen Wandungsabschnittes ein Anzeiger (37; 37b) oder dergleichen beaufschlagt wird, wodurch eine Wandundichtigkeit des doppelwandigen Spaltrohrabschnittes geräteaußenseitig anzeigbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß das innere Drehteil (4) vom äußeren Antriebsteil (3) mittels eines wenigstens einen axialen durchgehenden Wandungsinnenraum (10) aufweisenden Spaltrohrtopfes (7) getrennt ist, wobei der Boden (49) des Spaltrohrtopfes mindestens abschnittweise doppelwandig (13, 34) ausgebildet ist und dessen Topfboden-Wandungsinnenraum (33) mit dem Wandungsinnenraum (10) des axialen Spaltrohres (9) in Anzeigeverbindung steht, und daß in dem axial durchgehenden Wandungsinnenraum (10) des Spaltrohrtopfes (7) und in dem Topfboden-Wandungsinnenraum (33) ein gasförmiges oder flüssiges Anzeigemedium oder eine Signalfolie als Anzeigemedium vorgesehen ist, wobei der Abstand (d) zwischen den Rohrwänden (14, 21) gerade noch für das gasförmige oder flüssige Anzeigemedium durchlässig ist."

VI. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrags, insofern diese bezüglich der neuen Unterlagen noch relevant sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Der geltende Anspruch 1 erfülle zwar die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ, dieser Anspruch wurde jedoch gegenüber dem im Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen Anspruch 1 derart geändert, daß auf frühere Merkmale, für die ein Teilverzicht ausgesprochen wurde, zurückgegriffen wurde. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens sei ausschließlich eine Entscheidung darüber, ob das beschränkt aufrechterhaltene Patent Bestand habe. Deshalb seien die Rechte der lediglich als Verfahrensbeteiligte auftretenden Patentinhaberin auf eine Verteidigung der beschränkt aufrechterhaltenen Fassung des Anspruchs 1 und der entsprechenden abhängigen Ansprüche beschränkt. Ein Zurückgehen auf eine vorherige, allgemeinere Fassung sei damit ausgeschlossen.

Sollten die vorgeschlagenen Änderungen des von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Anspruchs zugelassen werden, dann werde beantragt, die Fragen gemäß dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag, der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.

Die Neuheit des Patentgegenstands sei gegeben.

Dem Fachmann seien aus D1 und D2 Spaltrohrtöpfe bekannt, die doppelwandig ausgeführt seien und die gemäß D1, zudem über ein Anzeigemedium mit Anzeiger verfügen, um eventuelle Beschädigungen der Topfwände anzuzeigen.

Das Spaltrohr gemäß der D2 sei auch im Bodenbereich doppelwandig ausgestaltet und da zwischen der Kunststoffinnenwandung und der äußeren metallischen Wandung zwangsläufig ein Fluid - Luft oder bei Undichtigkeit des Kunststoffmaterials ein austretendes Fördermedium - vorhanden sei, brauche der Fachmann lediglich die aus D1 bekannte Lehre einer geräteaußenseitigen Anzeige anzuwenden, um in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen. Darüber hinaus gehöre die doppelwandige Ausgestaltung von stehenden Behältern oder doppelwandigen Rohrleitungen im Zusammenhang mit einer Leckanzeige bereits zum allgemeinen Fachwissen.

Auch die Kombination der Lehren der D3 und D2 führe in naheliegender Weise zum Patentgegenstand. Die D3 zeige ebenfalls einen zweiwandig ausgestalteten Spalttopf, der im Hinblick auf die möglichst kompakte Gestaltung eines solchen Topfes zur Verminderung der Antriebsverluste gemäß der D2 gestaltet werden kann, und deshalb unmittelbar zur Pumpe nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents führe. Wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit sei der Gegenstand des angefochtenen Patents daher zu widerrufen.

VII. Der Beschwerdegegner hat dem Vorbringen der Beschwerdeführerin widersprochen und dabei im wesentlichen folgendes geltend gemacht:

In der Entscheidung G 2/92 hat die Große Beschwerdekammer zwar festgestellt, daß die Patentinhaberin auf die alleinige Beschwerde der Einsprechenden primär darauf beschränkt sei, das Patent in der Fassung zu verteidigen, welche die Einspruchsabteilung ihrer Zwischenentscheidung zugrunde gelegt habe, die Große Beschwerdekammer ließ aber ausdrücklich die Möglichkeit offen, daß solche Änderungen, die sachdienlich oder sonstweitig erforderlich sind, zugelassen werden können. Im vorliegenden Fall wurde der, von der Einspruchsabteilung für gewährbar gehaltene, Anspruch 1 insbesondere hinsichtlich der Erfüllung formaler Erfordernisse (Artikel 123 EPÜ) geändert. Solche Änderungen seien als sachdienlich anzusehen.

Im Gegensatz zu der von der Beschwerdeführerin geäußerten Meinung, sei ein Wandungsinnenraum zwischen dem Kunststofftopf einerseits und seiner Ummantelung andererseits in der D2 nicht vorgesehen. Darüber hinaus habe die dort zugrundeliegende Aufgabenstellung einer Form- und Lagestabilisierung des Spaltrohrtopfes nichts mit einer Leckanzeige zu tun.

Auch die D1 könne dem Fachmann keinen Hinweis in Richtung des Patentgegenstands vermitteln. Das aus D1 bekannte Spaltrohr sei lediglich über einen axialen Abschnitt doppelwandig ausgebildet und zudem noch in diesem Bereich mit magnetflußleitenden Brücken ausgestattet, was einen geringen Abstand zwischen den Spaltrohrwänden verhindere. Der Druckschrift D3 sei weder eine Offenbarung noch ein Hinweis auf die Verwendung eines doppelwandigen Spaltrohres zur Leckanzeige zu entnehmen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1. Der vorliegende Anspruch 1 enthält alle Merkmale des erteilten Anspruchs 1. Im Oberbegriff des Anspruchs wurde die konzentrische Anordnung der Rohrwände und der dadurch umschlossene Spaltrohr-Innenraum, wie es in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen aus der Beschreibung der Ausführungsbeispiele ersichtlich ist, näher spezifiziert. Im kennzeichnenden Teil des geltenden Anspruchs 1 wurde aufgenommen, daß in dem axial durchgehenden Wandungsinnenraum (10) des Spaltrohrtopfes (7) und in dem Topfboden-Wandungsinnenraum (33) ein gasförmiges oder flüssiges Anzeigemedium oder eine Signalfolie als Anzeigemedium vorgesehen ist, wobei der Abstand (d) zwischen den Rohrwänden (14, 21) gerade noch für das gasförmige oder flüssige Anzeigemedium durchlässig ist.

Diese Merkmale finden ihre Stütze auf Seite 5, Zeile 12 bis Seite 7, Zeile 11 bzw. Seite 10, Zeile 1 bis 4 der ursprünglich eingereichten Beschreibung.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 10 betreffen im wesentlichen Wiederholungen der erteilten Ansprüche 2 bis 8, 10 und 11.

Die Änderungen erfüllen somit die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.

Die Kammer möchte noch darauf hinweisen, daß Artikel 123 (3) EPÜ sich auf die Patentansprüche des europäischen Patents bezieht, d. h. auf den Wortlaut der erteilten Patentansprüche, und nicht auf die durch die Einspruchsabteilung aufrechterhaltene Fassung.

2.2. Die Änderungen in der Beschreibung (Spalten 1 bis 11) betreffen lediglich die erforderlichen Anpassungen an das neue Schutzbegehren sowie die Berichtigung einiger offensichtlicher Fehler und sind ebenfalls nicht zu beanstanden.

2.3. Die Beschwerdeführerin war der Meinung, daß die Änderungen in bezug auf den von der Einspruchsabteilung für gewährbar gehaltenen Anspruch 1, insbesondere ein Zurückkehren zu dem Wortlaut des ersten kennzeichnenden Merkmals der erteilten Fassung, im Hinblick auf die Rechtsprechung in u. a. der Entscheidung G 9/92 (ABl. EPA 1994, 875) der Großen Beschwerdekammer und die Entscheidungen T 369/91 und T 61/85 nicht zulässig seien. Sollten die Änderungen zugelassen werden, so seien der Großen Beschwerdekammer die drei in der mündlichen Verhandlung eingereichten Rechtsfragen vorzulegen.

Darüber hinaus sei, nach Meinung der Beschwerdeführerin, ein durch die Einspruchsabteilung in bezug auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ fehlerhaft aufrechterhaltenes Patent in einem Fall, in dem die Einsprechende die alleinige Beschwerdeführerin gegen eine Zwischenentscheidung sei, nicht mehr zu retten, weil durch die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 9/92 in einem solchen Fall die notwendigen Änderungen nicht mehr erlaubt werden können.

2.4. Die Kammer sieht in der Entscheidung G 9/92, in der übrigens bereits die Entscheidung T 369/91 berücksichtigt wurde, keine Basis für ein allgemeines Verbot, von dem im Einspruchsverfahren geänderten Wortlaut eines Merkmales zu dessen Formulierung in den erteilten Ansprüchen zurückzukehren.

Nach der Entscheidung G 9/92 ist im Falle, daß der Einsprechende der alleinige Beschwerdeführer gegen eine Zwischenentscheidung über die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang ist, der Patentinhaber primär darauf beschränkt, das Patent in dieser Fassung zu verteidigen. Dabei können Änderungen, die der Patentinhaber als Beteiligter nach Artikel 107, Satz 2 EPÜ vorschlägt, von der Beschwerdekammer abgelehnt werden, wenn sie weder sachdienlich noch erforderlich sind, also nicht durch die Beschwerde veranlaßt werden. Dies kann die Kammer nicht als allgemeines Verbot betrachten.

Die Kammer möchte darauf hinweisen, daß ein nicht beschwerdeführender Patentinhaber, zwar ein Beteiligter nach Artikel 107 (2) EPÜ ist, aber trotzdem nicht die gleiche Stellung einnimmt, wie andere nicht-beschwerdeführende Parteien, weil er als einziger Beteiligter nach Artikel 107 (2) EPÜ Anspruchsänderungsvorschläge machen kann. Durch die Entscheidungen G 2/92 und G 4/93 wird skizziert, wann eine Beschwerdekammer solche Änderungsvorschläge eines nicht-beschwerdeführenden Patentinhabers ablehnen kann. Änderungsvorschläge, die, wie im vorliegenden Fall (siehe Abschnitt V ii), ausgehend von der aufrechterhaltenen Fassung, der vorgebrachten Beschwerde, insbesondere den vorgebrachten relevanten Patentierungshindernissen, Rechnung tragen, können also durch die Kammer als zulässig betrachtet werden und sind nicht von vornherein abzulehnen.

Zwar muß der Patentinhaber (d. h. der Beschwerdegegner) primär die aufrechterhaltene Fassung verteidigen, doch sollte er die Möglichkeit haben, fehlerhafte Änderungen, wenn sie im weiteren Verfahren aufgegriffen werden, zu berichtigen. Dies bedeutet aber nicht nur, daß eine Änderung in Form einer erforderlichen Beschränkung des im Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen, unabhängigen Anspruchs erlaubt ist, sondern, daß unter denselben Voraussetzungen (d. h. sachdienlich und erforderlich), gerade im Hinblick auf die Vermeidung einer Verletzung von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ, eine Änderung in Form einer Erweiterung des der Kammer vorgelegten, aufrechterhaltenen Anspruchs ebenfalls erlaubt ist. Eine derartige Änderung ist also nicht ohne weiteres abzulehnen, soweit natürlich der Schutzbereich des durch eine solche Änderung entstandenen Anspruchs nicht über den Schutzbereich des erteilten Patents hinausgeht (Artikel 123 (3) EPÜ), da während des Ablaufs des ganzen Beschwerdeverfahrens die erteilte Fassung, durch die aufschiebende Wirkung der Beschwerde, immer noch als Änderungsgrenze (wenn erforderlich und sachdienlich) zu betrachten ist (Artikel 106 (1) und 123 (3) EPÜ).

Im vorliegenden Fall wurde eine im Einspruchsverfahren durchgeführte Änderung, die nach Meinung und Absicht des Patentinhabers inhaltlich mit dem übereinstimmenden abgeänderten Teil der erteilten Fassung gleich sein sollte und bereits deswegen von der Einspruchsabteilung als unsachdienlich und nicht erforderlich hätte verweigert werden sollen, und die darüber hinaus auch noch im Hinblick auf Artikel 123 (3) EPÜ zweifelhaft war, im Beschwerdeverfahren rückgängig gemacht. Die anderen im Beschwerdeverfahren vorgenommenen Änderungen befaßten sich mit den während des Einspruchsverfahrens hinzugefügten "Anzeigemedium"-Merkmalen. Diese Änderungen behoben einerseits die in bezug auf Artikel 123 (2) EPÜ fehlerhaften Kombinationsmöglichkeiten der angegebenen Anzeigemedia, beließen aber andererseits im Anspruch das im Einspruchsverfahren hinzugefügte Merkmal "Anzeigemedium".

Diese Änderungen gegenüber der aufrechterhaltenen Fassung betrafen also nur Merkmale, die von der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren nach Artikel 123 (2) und (3) EPÜ beanstandet wurden. Nur die beanstandeten Merkmale (das erste kennzeichnende Merkmal und die zweit- und drittletzten kennzeichnenden Merkmale) wurden so abgeändert, daß die in der Beschwerde vorgebrachten Einwände ausgeräumt wurden.

Die Merkmale wurden nicht einfach gestrichen, sondern angepaßt, und zwar so, daß nicht nur eine durch die Beschwerdeführerin angedeutete Erweiterung gegenüber der erteilten Fassung rückgängig gemacht worden ist (also eine Beschränkung gegenüber der aufrechterhaltenen Fassung), sondern auch eine gemäß Artikel 123 (2) EPÜ nicht erlaubbare Beschränkung der erteilten Fassung zu einer ähnlichen, aber erlaubbaren Beschränkung umgeformt worden ist, die darüber hinaus noch eine Beschränkung der aufrechterhaltenen Fassung beinhaltete. Eine Verschlechterung der Position der einzigen Beschwerdeführerin liegt deshalb nicht vor, und es ist deshalb auch nicht ersichtlich, welche Merkmale, worauf nach Meinung der Beschwerdeführerin verzichtet worden wäre, jetzt im Anspruch vorliegen sollten. Solche Änderungen sind deshalb nach Meinung der Kammer, zweifellos "sachdienlich" und sogar "erforderlich" und können im Sinne der Entscheidung G 2/92, Abschnitt 16 von der Beschwerdekammer nicht abgelehnt werden.

Auch führt, wie von der Beschwerdeführerin behauptet wurde, das bloße Einreichen eines geänderten Anspruchs 1 im Einspruchsverfahren nicht immer und automatisch zu einem Verzicht von Seiten des Patentinhabers auf allgemeineren Fassungen des Anspruchs. Die ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern sieht dies nicht vor (siehe z. B. T 123/85, ABl. EPA 1989, 336). Darüber hinaus kann im vorliegenden Fall von einer einfachen Streichung eines während des Einspruchsverfahrens in den Anspruch 1 eingefügten Merkmals, wie oben ausgeführt, nicht die Rede sein, und liegt eine klare eindeutige Verzichtserklärung auch nicht vor. Da der vorliegende Anspruch gegenüber dem aufrechterhaltenen Anspruch nach Meinung der Kammer auch weiter eingeschränkt worden ist, können die Folgerungen der Beschwerdeführerin, die auf dem Argument des "Verzichtes" basieren, von der Kammer nicht übernommen werden.

Es wäre auch unbillig und durch keine Vorschrift des EPÜ gedeckt dem Beschwerdegegner zu verwehren von einer Fassung des Anspruchs 1 abzurücken, zu der durch die Kammer festgestellt wurde, daß sie im Hinblick auf Artikel 123 (2) oder (3) EPÜ fehlerhaft war.

Abgesehen davon, daß die Entscheidung T 369/91, ABl. EPA 1993, 561 bereits in der Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer G 9/92 und G 4/93 berücksichtigt worden ist und deswegen die darin vorgebrachte Rechtsposition überholt ist, befaßt sie sich mit einer direkt beantragten Rückkehr zur erteilten Fassung. Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil hier zuerst die aufrechterhaltene Fassung verteidigt wurde und die Änderungen aus dieser Verteidigung heraus entstanden sind. Deshalb ist diese Entscheidung in diesem Fall nicht relevant.

Das gleiche gilt für die von der Beschwerdeführerin weiter herangezogene Entscheidung T 61/85, die sich mit dem Erteilungsverfahren befaßt und eine völlig andere Sachlage betrifft.

2.5. Wie aus den Erwägungen in den Abschnitten 2.3 und 2.4 hervorgeht, ist im vorliegenden Fall, nachdem die Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer G 9/92 und G4/93 vorlagen, weder eine uneinheitliche Rechtsprechung zu der Frage, ob der lediglich verfahrensbeteiligte Patentinhaber sein Patent in einer weiteren geänderten Fassung verteidigen darf zu erkennen, noch liegt ein solcher Fall vor. Darüber hinaus stellt sich nach Meinung der Kammer zu diesem Punkt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Daher sieht die Kammer keinen Grund den Hilfsantrag der Beschwerdeführerin auf Vorlage von Fragen an die Große Beschwerdekammer stattzugeben.

3. Neuheit

Die Neuheit der Pumpe nach dem vorliegenden Anspruch 1 ist gegeben, da die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs zumindest in bezug auf einen Spaltrohrtopfboden, der doppelwandig ausgeführt ist und wobei der Zwischenraum ein gasförmiges oder flüssiges Anzeigemedium oder eine Signalfolie als Anzeigemedium enthält, in dem Stand der Technik ohne Vorbild sind.

Die Neuheit wurde im Beschwerdeverfahren nicht mehr angegriffen, so daß sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Ausgehend von der Pumpe nach der D1, welche der Kombination der Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 entspricht, besteht die zu lösende Aufgabe des Patents darin, eine Pumpe zu schaffen, bei der das innere Antriebsteil und die Fördermedium führenden Pumpenteile zum einen hermetisch mittels eines Spaltrohres abzutrennen sind, bei der aber auch eine Beschädigung des Spaltrohres schnell und sicher angezeigt wird (siehe Spalte 2, Zeilen 16 bis 20 der Beschreibung).

4.2. Diese Aufgabe wird mit den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst. Dabei ermöglicht die Verwendung eines gasförmigen oder flüssigen Anzeigemediums oder eine Signalfolie als Anzeigemedium, daß die jeweils gegenüberliegenden Rohrwände, sowie die Spaltrohrtopf-Bodenplatten eng aneinander gelegt werden können, so daß die Übertragungsverluste zwischen dem äußeren Antriebsteil und dem inneren Drehteil klein gehalten werden können und darüber hinaus auch die Wärmeübertragung begünstigt wird (siehe auch die geltende Beschreibung Spalte 3, Zeilen 7 bis 23).

4.3. Nach Auffassung der Kammer sind in dem entgegengehaltenen Stand der Technik keine Hinweise in Richtung der im Anspruch 1 vorgeschlagenen Lösung zu finden.

Die von der Beschwerdeführerin auch für die beanspruchte Lösung besonders relevant gehaltene D1 offenbart zwar die Verwendung einer doppelwandigen Ausbildung eines axialen Abschnitts einer Wand zusammen mit einer Leck-Anzeigemöglichkeit, der doppelwandige Abschnitt zwischen den Wänden ist jedoch, zur verlustfreien Übertragung des rotierenden Magnetfeldes, mit aufeinanderfolgenden magnetischen Brücken und nicht-magnetischen Hohlstäben ausgefüllt (vgl. Seite 2 der Übersetzung der D1, Zeilen 7 bis 10).

4.4. Im Gegensatz zu solchen magnetischen Brücken, die einer zusätzlichen Ausweitung der Doppelwandigkeit auf den Bodenbereich der aus D1 bekannten Schutzhülse entgegenstehen, werden nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents die magnetischen Verluste dadurch eingeschränkt, daß der Abstand zwischen den Rohrwänden besonders klein gehalten wird (siehe letztes Merkmal des Anspruchs 1), wobei im Falle, daß eine Signalfolie, welche ebenfalls einen minimalen Abstand der Rohrwände impliziert, als Anzeigemedium verwendet wird, die Rohrwände unter Einklemmung der Folie fest aufeinanderliegend angebracht sein können, wodurch zusätzlich noch die Stabilität des gesamten Spaltrohrtopfes erhöht wird. Hinweise in Richtung solcher Maßnahmen sind der D1 nicht zu entnehmen.

4.5. Auch die D2 kann den Fachmann nicht zu einer Änderung der aus D1 bekannten Pumpe in Richtung des nun Beanspruchten veranlassen.

Der aus D2 bekannte Spaltrohrtopf ist zwar durchgehend doppelwandig ausgebildet, jedoch besteht hier die Innenwand aus insbesondere säurebeständigem Kunststoff und dient einem zweiten Spaltrohrtopf in Form einer Metallummantelung als eine Form- und Lagestabilisierung dieses Kunststoff-Spaltrohrtopfs (siehe Seite 7, erster und zweiter Absatz). Eine Anzeige bei Beschädigung einer der Spaltrohrtopfwände ist weder vorgesehen noch beabsichtigt.

Die Beschwerdeführerin war der Meinung, daß, obwohl dies nicht explizit offenbart sei, zwischen den Spaltrohrwänden ein Raum vorhanden sein müsse und, daß im Hinblick auf die Lehre der D1 naheliegenderweise ein solcher Zwischenraum mit einem Anzeigemittel zu verbinden sei, so daß ein Fachmann ohne erfinderisches Zutun zur beanspruchten Pumpe hingeleitet werde.

Die Kammer kann dieser Auffassung nicht folgen. In der D2 wird die Möglichkeit einer Leckanzeige nicht angesprochen und, wie ebenfalls von dem Beschwerdegegner vorgebracht worden ist, ist in der D2 auch nichts offenbart, was auf einen als Leckanzeigeraum verwendbaren Zwischenraum der Spaltrohrtöpfe hinweist.

Die von der Beschwerdeführerin in dieser Hinsicht herangezogene Demontage-Möglichkeit der zwei Spaltrohrtöpfe und deren Dichtungen schließt zwar nicht aus, daß bei der Montage der inneren und äußeren Spaltrohrtöpfe ein (minimaler) Abstand zwischen den Topfwänden vorhanden sein kann, aber gerade die in D2 angesprochene fehlende Stabilität des Kunststoff-Spaltrohrtopfes und die daraus folgende beabsichtigte Abstützung des Kunststoff-Spaltrohrtopfes und des äußeren Metalltopfes schließt zumindest bei Betrieb der Pumpe einen Zwischenraum aus.

Auch die Tatsache, daß der Spaltrohrtopf in D2 durchgehend zweischichtig ausgebildet ist, kann dem Fachmann bei der Lösung des Problems bezüglich einer Leckanzeige für den gesamten Spaltrohrtopf nicht weiterhelfen. Die fehlende Formfestigkeit des Kunststoffspaltrohres erlaubt ihm nicht ohne das Ergreifen weiterer Maßnahmen (z. B. ein Anzeigemedium das unter Druck steht), für die weder die Druckschrift D1 noch die Druckschrift D2 Hinweise enthält, einen eventuellen Zwischenraum als Leckanzeige einzusetzen.

4.6. Die in der Beschreibungseinleitung des angefochtenen Patents genannte D3, die ebenfalls von der Beschwerdeführerin herangezogen wurde, zeigt eine Pumpe mit Spaltrohrmagnetantrieb, bei der bei Beschädigung des Spaltrohrtopfes eine Leckanzeige am Pumpengehäuse stattfindet. Dieser Druckschrift kann weder ein Hinweis auf ein doppelwandiges Spaltrohr oder einen Spaltrohrtopfboden, noch eine das Spaltrohr betreffende Leckanzeige entnommen werden.

Da weiter der Magnetantriebsrotor im Raum zwischen dem Spaltrohr und Pumpengehäuse angeordnet ist, kann die Behauptung der Beschwerdeführerin, daß es in Kenntnis der aus D1 bekannten Anordnung dem Fachmann naheliegend sei, das Spaltrohr und Gehäuse zu einem doppelwandigen Spaltrohrtopf gemäß dem geltenden Anspruch 1 des angefochtenen Patents auszubilden, nur auf einer den Gegenstand des Anspruchs 1 berücksichtigenden, rückschauenden Betrachtungsweise beruhen, denn sowohl die D1 als auch die D3 gehen entweder von einem dicken mit magnetleitenden Brücken ausgestatteten doppelwandigen Spaltrohr aus oder von einem mit dünner Wandstärke ausgebildeten einwandigen Spaltrohr, damit ein möglicherweise verlustarmer Antrieb ermöglicht wird.

Die von der Beschwerdeführerin weiter zitierte bekannte, doppelwandige Ausgestaltung von stehenden Behältern oder Rohrleitungen im Zusammenhang mit einer Leckanzeige, gehen nicht über das hinaus, was schon grundsätzlich aus der D1 bekannt ist und befassen sich auch nicht mit dem vorliegenden, spezifischen Problem der Energieübertragung.

4.7. Eine Anregung, das Spaltrohr und zumindest teilweise dessen Boden zur Aufnahme eines Leck-Anzeigemediums unter Beibehaltung einer geringen Gesamtwandstärke des Spaltrohrtopfes doppelwandig auszubilden, ergibt sich auch nicht aus den im Einspruchsverfahren berücksichtigten, im Beschwerdeverfahren jedoch nicht mehr aufgegriffenen Entgegenhaltungen, die dem Beanspruchten zumindest nicht näher kommen, als das abgehandelte Material.

5. Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß die Druckschriften D1, D2 und D3 weder für sich noch in irgendwelchen Kombinationen, sowie in Verbindung mit dem einem Fachmann zu unterstellenden Wissen, dem Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit patenthindernd entgegenstehen (Artikel 56 EPÜ), so daß das Patent auf der Basis des vorliegenden Anspruchs 1 Bestand haben kann.

Bestandsfähig sind auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 10, die vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstands des Anspruchs 1 beinhalten (Regel 29 (3) EPÜ).

Die angepaßte Beschreibung entspricht den Vorschriften des EPÜ, und steht der Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung nicht entgegen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche: 1 bis 10 gemäß Hauptantrag, wie überreicht während der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 1996,

Beschreibung und wie überreicht während der Figuren: mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 1993 (Spalten 1 bis 11. und Figuren 1 bis 9).

3. Der Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.

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