T 0757/91 () of 10.3.1992

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1992:T075791.19920310
Datum der Entscheidung: 10 März 1992
Aktenzeichen: T 0757/91
Anmeldenummer: 80902232.0
IPC-Klasse: B05B 15/04
B01D 46/04
Verfahrenssprache: DE
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Pulverbeschichten von Werkstücken mit einer das Werkstück zeitweise aufnehmen Sprühkabine
Name des Anmelders: ESB Sprüh- Beschichtungsanlage
Name des Einsprechenden: SFB Filter- Anlagenbau
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 110
European Patent Convention 1973 Art 111(2)
European Patent Convention 1973 R 27
European Patent Convention 1973 R 34
Schlagwörter: Adaptation of description to amended claims -
Further appeal
Anpassung der Beschreibung an geänderte Ausprüche
Folgebeschwerde
Orientierungssatz:

The description had to be adapted to new claims - further appeal based on the allegation that description was not adapted to the amended claims which were held valid in the first appeal proceedings

Angeführte Entscheidungen:
T 0037/85
T 0096/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1063/92
T 0027/94
T 0436/95
T 0636/97
T 0546/98
T 0056/21

Sachverhalt und Anträge

I. Mit Entscheidung vom 17. Januar 1991 hat die Technische Beschwerdekammer 3.2.3 des Europäischen Patentamts unter dem Beschwerdeaktenzeichen T 96/89 - 3.2.3 entschieden, daß

a) die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts vom 27. Oktober 1988 über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 0 044 310 in geändertem Umfang aufgehoben werde und daß

b) die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen sei, mit der Auflage, das Patent auf der Basis des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchs 1, der mit Eingabe vom 29. November 1990 eingereichten abhängigen Ansprüche und einer hieran angepaßten, in Reinschrift vorzulegenden Beschreibung in Verbindung mit der erteilten Zeichnung aufrechtzuerhalten.

II. Nach Aufforderung seitens der Einspruchsabteilung hat die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) Reinschriften der Seiten 1 bis 16 der Beschreibung und der Ansprüche 1 bis 8 sowie die Zeichnungen gemäß Patentschrift EP-B-0 044 310 eingereicht. Die Seiten 1 bis 8 Zeile 12 der Beschreibungseinleitung sind dieser Entscheidung als Anlage beigefügt.

III. In der Zwischenentscheidung im Sinne von Artikel 106 (3) EPÜ vom 29. Juli 1991 hat die Einspruchsabteilung festgestellt (wörtliches Zitat):

"Die Ansprüche entsprechen den Erfordernissen des EPÜ wie in der Entscheidung der Beschwerdekammer festgestellt. Die neuen Seiten der Beschreibung entsprechen den Auflagen der Beschwerdekammer die in der Entscheidung ausgesprochen sind, das heißt der neu genannte Stand der Technik ist gewürdigt und die neuen Ansprüche sind gemäß Regel 27 (1) dargestellt. Die Beschreibung erfüllt somit ebenfalls die Erfordernisse des EPÜ."

IV. Gegen die unter Abschnitt III. genannte Zwischenentscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende I) mit dem am 30. September 1991 eingegangenen Schreiben unter gleichzeitiger Bezahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese mit dem am 29. November 1991 eingegangenen Schreiben begründet.

Zunächst beantragt sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufforderung an die Beschwerdegegnerin zu erlassen "die Beschreibung ... an die Diktion des geltenden Anspruchs 1 anzupassen", gemäß Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.2.3 vom 17. Januar 1991 unter Abschnitt 5.

In der Beschwerdebegründung wiederholt die Beschwerdeführerin ihren Vorwurf, daß die Beschreibung "nicht an die Diktion des geltenden Anspruches 1 angepaßt sei" und stellt dann mit Blick auf die entsprechende Aufforderung der Beschwerdekammer fest, daß diese "auf keine Formulierung des Europäischen Patentübereinkommens noch der dazugehörigen Regelungen" zurückgehe.

Es folgen Ausführungen darüber, welche Anforderungen an eine Patentbeschreibung hinsichtlich "an sich bekannter Merkmale" und hinsichtlich des "freien Standes der Technik" zu stellen sind, wobei dann unter Hinweis auf die DE-A-2 809 020, DE-U-6 901 700, DE-A-2 025 381 und DE-A- 2 262 084 von Irreführung, Nichtklarheit, Nichtvollständigkeit und Nichteindeutigkeit die Rede ist, bevor zusammengefaßt wird, daß die Beschreibungseinleitung die zitierten Entgegenhaltungen unzureichend, wichtige Entgegenhaltungen zum Hauptanspruch dagegen gar nicht würdige und außerdem gegen Regel 34 (1) b) EPÜ verstoße, weil kein Vergleich mit dem Stand der Technik, sondern eine diskriminierende Wertung vorgenommen worden sei. Der Schlußsatz der Beschwerdebegründung lautet:

"Da die Beschreibungseinleitung in weiten Teilen keine klare und eindeutige Aussage zum relevanten Stand der Technik und zudem diskriminierende Äußerungen enthält, ist die Beschwerde begründet."

V. Die Beschwerdegegnerin hat diesem Vorbringen widersprochen und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise der Beschwerdegegnerin Gelegenheit zu geben von der Beschwerdekammer für erforderlich gehaltene Änderungen durchführen zu können.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 EPÜ, sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. In der Entscheidungsformel des vorangegangenen Beschwerdeverfahrens T 96/89 - 3.2.3 vom 17. Januar 1991 hat die Kammer der ersten Instanz aufgegeben, das Patent mit einer Beschreibung aufrechtzuerhalten, die an die für rechtsbeständig erachteten Ansprüche angepaßt und in Reinschrift vorzulegen ist.

2.1. Die Beschwerdegegnerin ist dieser Aufforderung erkennbar vollständig nachgekommen, wie eine Korrekturlesung der geltenden Beschreibung, insbesondere S. 1 Abs. 1 und S. 3 Z. 20 bis S. 4 Z. 7 mit Blick auf Anspruch 1, von S. 6 Abs. 2, S. 6 Z. 24 mit 28, S. 7 Z. 1 mit 5 und Z. 17 mit 21, sowie Z. 25 mit 29, S. 8 Z. 1 mit 5 und Z. 8 mit 11 mit Blick auf die Ansprüche 2 bis 8 ergibt. Der Einwand der Beschwerdeführerin ist insoweit nicht begründet.

2.2. Zum Argument, daß die "Anpassung an die Diktion des Anspruchs 1" nicht Sache des EPÜ sei, ist zunächst festzustellen, daß diese Worte in der die erste Instanz bindenden Entscheidungsformel in der Sache T 96/89 - 3.2.3 nicht vorkommen und daß ein derartiger Einwand von vornherein neben der Sache liegt. Im übrigen ist aber eine Anschlußbeschwerde im Anschluß an die die Frage der Patentfähigkeit abschließenden Beschwerde T 96/89 - 3.2.3 kein Instrument sich mit dieser Beschwerde in der Sache selbst noch einmal auseinanderzusetzen und in einer Art "Manöverkritik" Formulierungen der Entscheidung "unter die Lupe zu nehmen" und zu kommentieren.

Schließlich ist das in Rede stehende Argument der Beschwerdeführerin auch in der Sache selbst nicht fundiert, da das EPÜ in Artikel 84 EPÜ eine Vorschrift kennt, die dem Sinne nach eine Anpassung der Beschreibungseinleitung an den Wortlaut von (im Laufe des Verfahrens) geänderten Ansprüchen vorschreibt, nämlich mit den Worten die Ansprüche "müssen ... von der Beschreibung gestützt sein". Wie kann eine Stützung besser erfolgen als in einer wörtlichen Wiedergabe des unabhängigen Anspruches und in einer nur redaktionell, d. h. sprachlich geänderten, aber in der Sache unveränderten Wiedergabe der abhängigen Ansprüche?

3. Würdigung des Standes der Technik in der Beschreibungseinleitung

3.1. In der das Verfahren in der Beschwerdesache T 96/89 -3.2.3 abschließenden Entscheidung wird in den Abschnitten VIII. Absatz 3 und 4.8 herausgestellt, daß bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes gemäß Anspruch 1 nur noch die Druckschriften

(D1) DE-U-6 901 700

(D11) DE-A-2 025 381

(D7) DE-A-2 809 020 und

(D16) DE-A-2 262 084 eine Rolle gespielt haben, und zwar in Anlehnung an die vorgetragenen Argumente, die sich bezüglich Artikel 56 EPÜ in der alleinigen Bezugnahme auf (D1), (D7), (D11) und (D16) erschöpften. Wie die Abschnitte 4.9 und 4.13 der Entscheidung in der Beschwerdesache T 96/89 - 3.2.3 erhellen, ist (D7) ein Dokument, welches ein Merkmal, nämlich das erste kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 als "an sich bekannt" ausweist, wobei gefolgert wurde, daß es demzufolge wenig zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit der in Anspruch 1 beanspruchten Vorrichtung beitragen könne. Ferner wurde sogar vorgetragen, daß allein die Druckschriften (D1) und (D11), in Kombination gesehen, den Gegenstand des Anspruchs 1 ergäben. Die Dokumente (D7) und (D16) "seien dabei lediglich heranzuziehen, aber eigentlich nicht nötig, um das Fehlen erfinderischer Tätigkeit zu belegen"

3.2. Unter Berücksichtigung der Entscheidung in der Beschwerdesache T 96/89 -3.2.3 ergibt sich somit eine klare Hierarchie des relevanten Standes der Technik, dergestalt, daß die Dokumente (D1) und (D11) eindeutig über den Dokumenten (D7) und (D16) anzusiedeln sind.

3.3. In der Beschwerdeentscheidung T 96/89 - 3.2.3 wurde unter Bezugnahme auf die Entscheidung T 37/85, veröffentlicht in ABl. EPA 1988, 86 (Leitsatz) ausgeführt, daß das Streitpatent Nr. 0 044 310 auf eine Kombinationserfindung gerichtet ist, vgl. Abschnitte 4.4 mit 4.6, die demzufolge unter besonderen Gesichtspunkten zu prüfen ist, weil das Bekanntsein einzelner oder mehrerer Merkmale noch keinen zuverlässigen Schluß auf das Naheliegen der Kombination zuläßt.

3.4. Vorstehende Überlegungen berücksichtigend, ist nun die geltende Beschreibungseinleitung dahingehend zu prüfen, ob sie Anlaß für einen Einwand im Sinne des EPÜ liefert oder nicht:

In den obigen Abschnitten 3.1 und 3.2 wurde die Relevanz der Dokumente (D1) und (D11) herausgestellt. Wie die Beschreibungseinleitung erhellt, vgl. S. 1 Z. 31 ff. und S. 3 Abs. 1, sind diese beiden Druckschriften im Sinne von Regel 27 (1) b) EPÜ als "der bisherige Stand der Technik" angegeben, "soweit er nach Kenntnis des Anmelders für das Verständnis der Erfindung ... als nützlich angesehen werden kann". Erkennbar sind die weiteren Randbedingungen wie "Erstellung des Recherchenberichtes" und die "Prüfung" im gegebenen Verfahrensstadium (Beschwerdeverfahren) nicht mehr relevant, so daß allenfalls die erste Randbedingung "für das Verständnis der Erfindung ... als nützlich angesehen werden kann" noch von Interesse sein kann. Es fällt auf, daß ausdrücklich auf den Anmelder abgestellt ist, dergestalt, daß es auf seine Kenntnis ankommt was für "das Verständnis der Erfindung ... nützlich" ist. Damit ist von vornherein eine subjektive Komponente impliziert und kein Raum für die Interpretation der Beschwerdeführerin, wonach die Beschreibungseinleitung den "freien Stand der Technik" und die "an sich bekannten Merkmale" ausweisen müßte.

3.4. So gesehen ist allenfalls noch diskutabel, ob auch das Dokument (D7) neben den Dokumenten (D1), (D11) und (D16) hätte in der Beschreibungseinleitung angegeben werden sollen oder nicht.

In diesem Zusammenhang darf aber die Relevanz des Dokuments (D7) nicht vergessen werden, die in der Beschwerdeentscheidung T 96/89 - 3.2.3 aber ausführlich als "sekundär" eingestuft worden ist. Bei dieser Sachlage ist es mehr als zweifelhaft, ob die in Rede stehende Druckschrift "für das Verständnis der Erfindung" nützlich ist, da es -wie vorstehend schon ausgeführt wurde - im Falle des Streitpatents Nr. 0 044 310 nicht auf das Bekanntsein oder Nichtbekanntsein eines Einzelmerkmales der Kombinationserfindung ankommen kann, wenn diese im Lichte des Artikels 56 EPÜ zu beurteilen ist.

3.5. Die Kammer kommt deshalb zu der Schlußfolgerung, daß die Einwände der Beschwerdeführerin bezüglich Regel 27 EPÜ neben der Sache liegen und daß die geltende Beschreibung aus der Sicht der Regel 27 EPÜ nicht angreifbar ist, da in Regel 27 EPÜ nirgendwo steht, daß der Stand der Technik so vollständig sein muß, daß "ohne weitere Recherchen" der freie Stand der Technik und die an sich bekannten Merkmale des Anspruchs abzuschätzen sind.

4. Einwand gemäß Regel 34 (1) b) EPÜ:

4.1. Abschließend ist noch auf den Vorwurf der Beschwerdeführerin einzugehen, wonach in der Beschreibungseinleitung kein Vergleich mit dem Stand der Technik, sondern eine diskriminierende Wertung desselben vorgenommen worden sei.

4.2. Zum gattungsbestimmenden Dokument (D1) sagt die Beschreibungseinleitung, vgl. den die S. 1 und 2 überbrückenden Absatz, aus, daß die Sieb- und Aufbereitungsvorrichtung als unabhängiges Aggregat von der aus Sprühkabine und Filteraggregat bestehenden Einheit aufgestellt ist. Aus diesem Merkmal wird dann abgeleitet, daß das im jeweiligen Pulverbehälter aufgefangene Pulver "von Hand" zur Sieb- und Aufbereitungsvorrichtung gebracht werden muß, was zusätzlichen Arbeitsaufwand und konstruktive Maßnahmen erfordere. Als wesentlicher Nachteil der bekannten Vorrichtung wird eine längere Betriebsunterbrechung bezeichnet, wenn ein Farbwechsel, ein Filterelement-Ersatz und eine Sauggebläse-Reparatur anstünden. Probleme werden auch bezüglich der Funktionssicherheit und auch bei der Reinigung des Filteraggregates vermutet.

4.3. Es mag grundsätzlich zutreffen, daß das Wort "Nachteil" bei der Diskussion einer Entgegenhaltung zu vermeiden und ggf. durch "Gegebenheit" oder "Besonderheit", also durch strikt neutrale Begriffe zu ersetzen ist. Das ist aber schon fast eine Stilfrage und mithin aus der Sicht der Regel 34 (1) b) EPÜ nicht zu beanstanden. Wie schon vorstehend im Zusammenhang mit Regel 27 EPÜ ausgeführt wurde, ist die Darstellung des Standes der Technik "nach der Kenntnis des Anmelders (soweit) für das Verständnis der Erfindung ... als nützlich angesehen werden kann" von vornherein mit einem subjektiven Einfluß behaftet, so daß der Anmelder diesem gesetzlich eingeräumten Handlungsspielraum auch ausschöpfen können muß.

4.4. In diesem Zusammenhang darf nach Auffassung der Kammer folgender aktenkundiger Sachverhalt, vgl. Beschwerdesache T 96/89 - 3.2.3, nicht unberücksichtigt bleiben:

Mit Eingabe vom 30. November 1990 wurde in der Beschwerdesache T 96/89 -3.2.3 eine neue Beschreibung eingereicht, in der handschriftliche Korrekturen vorgenommen worden sind und in der, vgl. S. 1 und 2, das Dokument (D1) wortwörtlich wie in der vorgelegten Beschwerdesache T 757/91 - 3.2.3 gewürdigt worden ist.

4.5. Diese neue Beschreibungseinleitung ist der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 6. Dezember 1990 zugestellt worden (zur Kenntnisnahme); sie war ihr also zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, also dem 17. Januar 1991, längst bekannt, so daß sie spätestens in der mündlichen Verhandlung, in der sie durch Hr. Patentanwalt Zellentin vertreten war, ihre Bedenken unter Regel 34 (1) b) EPÜ hätte vorbringen können, so daß die Parteien hätten darüber diskutieren, ggf. hätten gestaltend eingreifen können.

4.6. Da nichts dergleichen geschehen ist, muß seitens der Kammer davon ausgegangen werden, daß erst die Aufrechterhaltung des Patents seitens der Kammer den Einwand unter Regel 34 (1) b) EPÜ hervorgerufen hat, so daß er den Rang einer "Urteilsschelte" bzw. einer "Manöverkritik" einnimmt, wofür das EPÜ aber keine rechtliche Möglichkeit eröffnet.

4.7. Zusammenfassend ist somit auch der Einwand unter Regel 34 (1) b) EPÜ nicht fundiert und die Beschwerde insgesamt zurückzuweisen, da sachlich nicht begründet.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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