European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1996:T002794.19960514 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 Mai 1996 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0027/94 | ||||||||
Anmeldenummer: | 83109368.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | B21B 31/18 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | B | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum Walzen von Metallbändern | ||||||||
Name des Anmelders: | SMS SCHLOEMANN-SIEMAG AKTIENGESELLSCHAFT | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Mannesmann Aktiengesellschaft | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Bindungswirkung einer Beschwerdeentscheidung (res judicata; ratio decidendi) Appeal procedure - binding effects - remittal for continuation proceedings - amendments in the claims Amendments - agreed by Boards (no) Novelty Inventive step |
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Orientierungssatz: |
Wird durch eine Entscheidung einer Beschwerdekammer die Angelegenheit zur weiteren sachlichen Prüfung (hier der erfinderischen Tätigkeit) des Gegenstands eines als formal zulässig erachteten Patentanspruchs an die Vorinstanz zurückverwiesen, so sind weder diese noch eine nachträglich befaßte Beschwerdekammer an den Inhalt dieses Patentanspruchs gebunden (Punkt 2 der Entscheidungsgründe). |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 112 969 (Anmeldenummer: 83 109 368.7).
II. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) legte gegen das Patent Einspruch ein und beantragte, das Patent wegen mangelnder Patentfähigkeit zu widerrufen.
Sie berief sich dabei auf die folgenden Dokumente:
D1: DE-C-3 038 865
D2: DE-A-2 260 256 und
D3: DE-C-200 426.
III. Nach Prüfung des Einspruchs wurde das Patent durch Entscheidung der Einspruchsabteilung widerrufen.
In einem anschließenden ersten Beschwerdeverfahren nannte die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) erstmals die Dokumente
D4: DE-C-2 335 809 und
D5: US-A-2 047 883.
IV. Durch die Entscheidung T 502/90 der damals zuständigen Kammer - 3.2.5 vom 12. Januar 1993 wurde die Widerrufsentscheidung aufgehoben und die Sache an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Auflage,
"die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des in der mündlichen Verhandlung überreichten, formal zulässigen Anspruchs anhand der Druckschriften D3, D4 und D5 durchzuführen".
Am Schluß der Gründe der Entscheidung T 502/90 wird zusammenfassend ausgeführt, daß eine Kombination der Lehren gemäß den Dokumenten D2 und D3 nicht zum Verfahren gemäß Patentanspruch 1 führe. Angesichts der Bedeutung der erst im Beschwerdeverfahren genannten Dokumente D4 und D5 sehe die Kammer beim derzeitigen Verfahrensstand davon ab, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob das Verfahren gemäß dem Patentanspruch gegenüber den den Dokumenten D4, D3 und D5 zu entnehmenden Lehren auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
V. Mit Entscheidung in der mündlichen Verhandlung vom 4. November 1993, in schriftlich begründeter Form am 1. Dezember 1993 zur Post gegeben, hat die Einspruchsabteilung das europäische Patent erneut widerrufen.
Gemäß dieser Entscheidung ergibt sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach den Dokumenten D3 und D4.
VI. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 20. Januar 1994 unter gleichzeitiger Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein.
Die Beschwerdebegründung wurde am 31. März 1994 eingereicht.
VII. Es wurde am 14. Mai 1996 vor der Kammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Patentanspruchs (Hauptantrag), hilfsweise mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen (Patentanspruch, Beschreibung) zusammen mit den am 1. Dezember 1992 eingegangenen Figuren 1 bis 7c.
Der einzige Patentanspruch gemäß Hauptantrag lautet:
"Verfahren zum Walzen von Metallbändern (20) in einem Vier-Walzen-Gerüst unter Nutzung axial verschiebbarer sowie biegemomentbeaufschlagbarer Arbeitswalzen (10, 11) und axial verschiebbarer Stützwalzen (7, 17), wobei die Stützwalzen in Abhängigkeit von der Breite des jeweiligen Walzgutes gegensinnig derart verschiebbar sind, daß je ein Ballenende der oberen Stützwalze (17) mit einer der Flanken des Walzbandes (20) und das gegenüberliegende Ballenende der unteren Stützwalze (7) mit der der ersten gegenüberliegenden Flanke des Walzbandes (20) bündig stehen und wobei die Arbeitswalzen (10, 11) beim Walzen von Metallbändern gleicher Breite nach dem Durchlauf eines oder mehrerer Bänder gegen diese axial um gegenläufige Verschiebewege verschoben werden zwischen einem Arbeitszustand, bei dem die untere Stützwalze (7) und die untere Arbeitswalze (10) gemeinsam verschoben sind, bis die Ballenenden der beiden Walzen (7, 10) bündig mit der einen Bandkante stehen und die obere Arbeitswalze (11) und die obere Stützwalze (17) so verschoben sind, bis deren Ballenenden bündig mit der anderen Bandkante des Walzgutes (20) stehen (Fig. 5) und einem Arbeitszustand, bei dem die auf einer Seite des Walzgutes laufenden Walzen (7, 10; 11, 17) jeweils gegensinnig so verschoben sind, daß jeweils ein Ballenende der Stützwalzen bündig mit einer Bandkante steht und die zugehörigen Arbeitswalzen jeweils mit der anderen Bandkante bündig stehen (Fig. 6)."
Der einzige Patentanspruch gemäß Hilfsantrag lautet:
"Verfahren zum Walzen von Metallbändern (20) in einem Vier-Walzen- Gerüst unter Nutzung biegemomentbeaufschlagbarer Arbeitswalzen (10, 11) und axial verschiebbarer Stützwalzen (7, 17), wobei die Stützwalzen in Abhängigkeit von der Breite des jeweiligen Walzgutes gegensinnig derart verschoben werden, daß je ein Ballenende der oberen Stützwalze (17) mit einer der Flanken des Walzbandes (20) und das gegenüberliegende Ballenende der unteren Stützwalze (7) mit der der ersten gegenüberliegenden Flanke des Walzbandes (20) bündig stehen, wobei die Arbeitswalzen (10, 11) beim Walzen von Metallbändern gleicher Breite nach dem Durchlauf eines oder mehrerer Bänder gegen diese axial um gegenläufige Verschiebewege verschoben werden auf einen Arbeitszustand, bei dem die auf einer Seite des Walzgutes laufenden Walzen (7, 10; 11, 17) jeweils gegensinnig so verschoben sind, daß jeweils ein Ballenende der Stützwalzen bündig mit einer Bandkante steht und die zugehörigen Arbeitswalzen jeweils mit der anderen Bandkante bündig stehen (Fig. 6)."
VIII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages führte sie im wesentlichen aus:
i) Die Beschwerdekammer sei an die rechtliche Beurteilung der ersten Entscheidung T 502/90 und insbesondere an deren Tenor gebunden, der den Patentanspruch bezeichne, der der weiteren Entscheidung zugrunde zu legen ist. Die Kammer sei daher im Hinblick auf Artikel 111 (2) EPÜ nicht berechtigt, über den später eingereichten, wesentlich abgeänderten Patentanspruch gemäß Haupt- oder Hilfsantrag zu entscheiden.
ii) Der abgeänderte Patentanspruch gemäß Hauptantrag gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Artikel 123 (2) EPÜ). Der beanspruchte Verschiebeweg zwischen den in Figur 5 und Figur 6 dargestellten Arbeitszuständen finde keine Stütze in dem ursprünglich Offenbarten.
iii) Das Verfahren gemäß dem Patentanspruch nach Hilfsantrag ergebe sich in naheliegender Weise aus der Zusammenschau der Dokumente D4 und D3 oder D5.
Bei dem am nächsten kommenden Stand der Technik nach Dokument D4 sei die Teilaufgabe, Bänder guter Planheit herstellen zu können, schon gelöst. Ausgehend von diesem Stand der Technik bestehe daher die zu lösende Aufgabe noch darin, beim Walzen von Bändern gleicher Breite optimale Verschleißbedingungen an Arbeitswalzen zu erhalten. In Dokument D3 sei ausdrücklich angegeben, daß beim Walzen von Metallbändern gleicher Breite die Arbeitswalzen zur Erzielung einer gleichmäßigen Abnutzung von Zeit zu Zeit axial um gegenläufige Verschiebewege axial verschoben werden sollen.
Es stehe zwar außer Frage, daß sich das im Patentanspruch definierte Vier-Walzen-Gerüst und das Walzwerk gemäß Dokument D3 voneinander unterscheiden. Dies ändere aber nichts an der Tatsache, daß dieses Dokument den vorstehend genannten klaren Hinweis gebe.
Diese Maßnahme bei dem bekannten Verfahren gemäß Dokument D4 anzuwenden, um auch dort die entsprechende Aufgabe zu lösen, sei als im Bereich fachmännischer Überlegungen liegend anzusehen.
iv) Gemäß der Streitpatentschrift sollten die Walzen zur Erzielung der besten Planheit entsprechend der jetzigen Figur 6 angeordnet werden. Diese Lage stelle aber nur einen Endpunkt der Verschiebung der Arbeitswalzen dar und es sei nicht erkennbar, wie das Erreichen dieses Endpunkts zu der guten Planheit beitragen könne.
IX. Die Beschwerdeführerin trat diesem Vorbringen in allen Punkten entgegen. Sie vertrat insbesondere die Auffassung, daß der geänderte Patentanspruch gemäß Hauptantrag nicht über das ursprünglich Offenbarte hinausgehe. Wenn Figur 5 einen Endpunkt und Figur 6 einen anderen Punkt der Verschiebung zeigten und die Streitpatentschrift lehre, die Walzen bei dem erfindungsgemäßen Verfahren axial zu verschieben, so sei für den fachmännischen Leser ohne weiteres erkennbar, daß, wie beansprucht, die Walzen zwangsläufig zwischen den beiden Endpunkten verschoben werden.
X. Das von der Beschwerdegegnerin verspätet genannte Dokument JP-A-55-77 903 wurde von der Kammer wegen fehlender Relevanz nicht berücksichtigt (Artikel 114 (2) EPÜ).
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Bindungswirkung der früheren Entscheidung T 502/90 der Beschwerdekammer 3.2.5:
Es geht hier um die Frage, ob die neuen Patentansprüche (Patentanspruch laut Haupt- und Hilfsantrag), die sich von dem in der Entscheidung T 502/90 bezeichneten Patentanspruch unterscheiden, von der Beschwerdekammer im Hinblick auf Artikel 111 (2) EPÜ berücksichtigt werden können. Dabei ist nach gefestigter Rechtsprechung davon auszugehen, daß sich die Bindungswirkung nach Artikel 111 (2) nicht nur auf das betreffende Organ der ersten Instanz, sondern auch auf die mit der Sache ggf. erneut befaßte Beschwerdekammer erstreckt (vgl. T 79/89, ABl. EPA 1992, 283, T 843/91, ABl. EPA 1994, 818).
Artikel 111 (2) stellt klar, daß bei Zurückverweisung zur weiteren Entscheidung eine Bindung an die rechtliche Beurteilung durch die Kammer nur besteht, soweit der Tatbestand unverändert bleibt. Im Einspruchsverfahren kann sich aber generell die tatsächliche Grundlage einer Beschwerdeentscheidung nachträglich nicht nur durch die Ermittlung eines weiteren Standes der Technik, sondern auch durch eine Änderung der Patentansprüche verändern.
2.2. Gemäß Artikel 111 (2) EPÜ wird davon ausgegangen, daß eine Beschwerdekammer eine oder mehrere Teilentscheidungen getroffen hat, die Angelegenheit jedoch im übrigen zur weiteren Entscheidung an die Vorinstanz zurückverweist. Das Einspruchsverfahren wird in einem solchen Fall für den noch zu entscheidenden zurückverwiesenen Teil - im vorliegenden Fall die Frage der erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf die Dokumente D3 bis D5 - vor der Vorinstanz fortgesetzt. Dabei ist es selbstverständlich, insbesondere wenn die Frage der erfinderischen Tätigkeit anhand verspätet vorgebrachter Dokumente zu prüfen ist, daß die Patentinhaberin auch in dieser Phase des Verfahrens die Möglichkeit haben muß (vgl. Regel 57 a)), ihr Patentbegehren anzupassen, um diesem neuen Stand der Technik Rechnung zu tragen.
2.3. Im vorliegenden Fall sind durch die frühere Entscheidung T 502/90 folgende Punkte endgültig entschieden worden:
i) Die formale Zulässigkeit des in der Entscheidung bezeichneten Patentanspruchs im Hinblick auf Artikel 123 EPÜ;
ii) die Berücksichtigung der verspätet vorgebrachten Dokumente D4 und D5 bei der Prüfung der Patentfähigkeit;
iii) die Neuheit des in der Entscheidung bezeichneten Patentanspruchs gegenüber den Dokumenten D2 bis D5; und
iv) die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands dieses Patentanspruchs im Hinblick auf die Kombination der Lehren gemäß den Dokumenten D2 und D3.
Über die erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf die Dokumente D3, D4 und D5 wurde dagegen ausdrücklich nicht entschieden. Die Beschwerdekammer hat die Sache vielmehr an die Einspruchsabteilung mit der Auflage zurückverwiesen, diese Prüfung durchzuführen.
Das EPA (einschließlich der Beschwerdekammer) ist im vorliegenden Fall folglich nur an die rechtliche Beurteilung gebunden, die den Teilentscheidungen i) bis iv) zugrundegelegt ist (res judicata), nicht aber bezüglich des den zurückverwiesenen Teil betreffenden, noch zu entscheidenden Punkts. Der Inhalt des Patentanspruchs, der laut der früheren Entscheidung T 502/90 auf erfinderische Tätigkeit anhand der Dokumente D3 bis D5 zu prüfen ist, ist dabei als ein Ausgangspunkt für die Gestaltung des weiteren Verfahrens vor der Einspruchsabteilung nach der Zurückverweisung zu betrachten. Der Hinweis auf diesen Patentanspruch kann in diesem Zusammenhang keine Bindungswirkung entfalten, denn er bezeichnet lediglich die zurückverwiesene Sache (d. h. die noch ausstehende Prüfung auf erfinderische Tätigkeit), über die noch nicht entschieden ist.
Laut Artikel 100 a) EPÜ unterliegt "der Gegenstand des europäischen Patents" der Prüfung auf Patentfähigkeit nach den Artikeln 52 bis 57 und auf erfinderische Tätigkeit (Artikel 56). Eine Beschränkung der Prüfung auf den Inhalt eines einmal als formal zulässig betrachteten Patentanspruchs ist damit nicht verbunden.
2.4. Anderes gilt, wenn die Beschwerdekammer die angefochtene Entscheidung aufhebt und die Sache an die erste Instanz zurückverweist mit der Auflage, das Patent mit den von der Beschwerdekammer benannten, in Wortlaut festgelegten Patentansprüchen nach Anpassung der Beschreibung aufrechtzuerhalten. In diesem Fall ist die Vorinstanz an die rechtliche Beurteilung, die der Entscheidung der Beschwerdekammer zugrunde liegt, gebunden. Über die Patentfähigkeit der Patentansprüche ist in diesem Fall endgültig entschieden, so daß dieser Teil der Entscheidung res judicata ist. In eine Prüfung der Patentfähigkeit darf die Einspruchsabteilung in einem solchen Fall nicht mehr eintreten, auch nicht, wenn sich der Tatbestand geändert hat (siehe Schulte, PatG. 5. Auflage (Anhang), § 73 Rdn. 35 und die oben zitierte Entscheidung T 843/91).
2.5. Es ist ergänzend zu bemerken, daß der einschränkend geänderte Patentanspruch gemäß Hauptantrag gleichzeitig mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurde und somit eine Reaktion auf die erneute Widerrufsentscheidung der Einspruchsabteilung darstellt. Mithin kann diese einschränkende Änderung des Patentbegehrens, mit der Bedenken des EPA gegen die Patentfähigkeit begegnet werden soll, auch nicht als verspätet zurückgewiesen werden.
2.6. Aus alledem folgt, daß die nachträgliche Einreichung neuer Patentansprüche (Patentanspruch laut Haupt- bzw. Hilfsantrag) im Hinblick auf Artikel 111 (2) EPÜ zulässig ist.
3. Zum Hauptantrag:
3.1. Artikel 123 (2) EPÜ:
Der der früheren Entscheidung T 502/90 zugrunde gelegte Patentanspruch wurde durch die folgenden Merkmale ergänzt:
Die gegenläufige Verschiebung der Arbeitswalzen erfolgt, "zwischen einem Arbeitszustand, bei dem die untere Stützwalze (7) und die untere Arbeitswalze (10) gemeinsam verschoben sind, bis die Ballenenden der beiden Walzen (7, 10) bündig mit der einen Bandkante stehen und die obere Arbeitswalze (11) und die obere Stützwalze (17) so verschoben sind, bis deren Ballenenden bündig mit der anderen Bandkante des Walzgutes (20) stehen (Fig. 5) und einem Arbeitszustand, bei dem die auf einer Seite des Walzgutes laufenden Walzen (7, 10; 11, 17) jeweils gegensinnig so verschoben sind, daß jeweils ein Ballenende der Stützwalzen bündig mit einer Bandkante steht und die zugehörigen Arbeitswalzen jeweils mit der anderen Bandkante bündig stehen (Fig. 6)."
Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Frage, ob die nunmehr beanspruchte, auf Figur 5 bezogene Endstellung eine Stütze in dem ursprünglich Offenbarten findet; diese Frage ist zu bejahen und wird von keinem der Beteiligten bezweifelt. Entsprechendes gilt für die zweite in Figur 6 gezeigte Endstellung. Es geht vielmehr um die Frage, ob die beanspruchte Verknüpfung dieser beiden Merkmale, nämlich der Verschiebeweg gerade zwischen diesen beiden Endstellungen, über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgeht.
Es ist unbestritten, daß das Verschieben der Walzen zwischen der Endstellung der Figur 5 und der der Figur 6 nicht ausdrücklich erwähnt oder dargestellt ist. Die Beschwerdeführerin hat in dieser Hinsicht vorgebracht, daß der beanspruchte Verschiebeweg für den fachmännischen Leser aus dem ursprünglich Offenbarten erkennbar sei: einerseits seien die beiden Endstellungen eindeutig offenbart und andererseits wisse der Fachmann, daß die Walzen längsverschoben werden.
Diesen Ausführungen liegt offenbar die Annahme zugrunde, daß nur ein Verschiebeweg möglich ist. Das ist jedoch nicht der Fall: Auf Seite 5, letzter Absatz der ursprünglichen Anmeldung ist darauf hingewiesen, daß zur Erreichung der Endstellung gemäß Figur 5 die untere Stützwalze (7) und die untere Arbeitswalze (10) gegen die vertikale Symmetrieebene des Gerüstes gemeinsam nach rechts verschoben seien, bis die Ballenenden der beiden Walzen bündig mit der linken Bandkante stehen, und entsprechend seien die obere Arbeitswalze (10) und die Stützwalze (17) nach links verschoben, bis ihre rechten Ballenenden bündig mit der rechten Seitenkante des Walzengutes (20) stehen.
Da bei diesem Verschieben die Ausgangsstellung die symmetrische Walzenanordnung gemäß Figur 2 ist, wird hierdurch eine gegenläufige Verschiebung suggeriert, bei der die Walzen zwischen der symmetrischen Ausgangsstellung gemäß Figur 2 und der Endstellung nach Figur 5 verschoben werden. Ebenfalls läßt sich die beschriebene Endstellung nach Figur 6 (neu) von der symmetrischen Ausgangsstellung gemäß Figur 2 aus erreichen. Mithin wird der fachmännische Leser auf zwei mögliche Alternativen hingewiesen, nicht jedoch auf eine Verschiebung zwischen den genannten beiden Endstellungen.
Aus den vorstehend genannten Gründen entspricht der Patentanspruch des Hauptantrages nicht den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ, weshalb der Hauptantrag der Beschwerdeführerin zurückzuweisen ist.
4. Zum Hilfsantrag
4.1. Artikel 123 (2) EPÜ
Der Patentanspruch gemäß Hilfsantrag enthält zusätzlich zu dem der früheren Entscheidung T 502/90 zugrundegelegten Patentanspruch die Angabe der Endstellung der Verschiebung nach Figur 6.
In der vorstehend genannten Entscheidung wurde bereits über die Zulässigkeit der vorgenommenen Änderungen im damaligen Patentanspruch entschieden. Insoweit ist die hier entscheidende Kammer durch die Vorentscheidung gebunden.
Das ergänzende Merkmal ist der ursprünglichen Figur 7 und dem die Seiten 12 und 13 überbrückenden Absatz der ursprünglichen Beschreibung entnehmbar.
Mithin geht der Patentanspruch nicht über das ursprünglich Offenbarte hinaus (Artikel 123 (2) EPÜ).
Der geltende Patentanspruch enthält sämtliche Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1, so daß auch sein Schutzbereich nicht erweitert worden ist (Artikel 123 (3) EPÜ).
4.2. Neuheit
Bereits in der früheren Entscheidung T 502/90 wurde die Neuheit des damals beanspruchten Verfahrens bejaht (Punkt 5 der Entscheidungsgründe). Da der Patentanspruch gemäß Hilfsantrag sämtliche Merkmale dieses Anspruchs enthält sowie ein ergänzendes Merkmal, ist auch dessen Neuheit gegeben.
4.3. Aufgabe und Lösung
4.3.1. Es ist unbestritten, daß Dokument D4 den nächstkommenden Stand der Technik repräsentiert.
Dieses Dokument offenbart ein Verfahren zum Walzen von Metallbändern in einem Vier-Walzen-Gerüst unter Nutzung biegemomentbeaufschlagbarer Arbeitswalzen und axial verschiebbarer Stützwalzen, bei dem die Stützwalzen in Abhängigkeit von der Breite des jeweiligen Walzgutes gegensinnig derartig verschiebbar sind, daß je ein Ballenende der oberen Stützwalze mit einer der Flanken des Walzbands und das gegenüberliegende Ballenende der unteren Stützwalze mit der dieser Flanke gegenüberliegenden Flanke des Walzbands bündig stehen. Durch diese Verschiebbarkeit der Stützwalzen soll eine gute Planheit der Walzgutoberfläche erzielbar sein (vgl. Patentanspruch 1 sowie Spalte 2, Zeilen 11 bis 31 und Figur 3 des Dokuments D4).
4.3.2. Von dem Verfahren gemäß dem Dokument D4 unterscheidet sich das Verfahren gemäß dem Patentanspruch durch die Merkmale
i) die Arbeitswalzen werden beim Walzen von Metallbändern gleicher Breite nach dem Durchlauf eines oder mehrerer Bänder gegen diese axial um gegenläufige Verschiebewege verschoben, und
ii) bei einem Arbeitszustand sind die auf einer Seite des Walzgutes laufenden Walzen jeweils gegensinnig so verschoben, daß jeweils ein Ballenende der Stützwalzen bündig mit einer Bandkante steht und die zugehörigen Arbeitswalzen jeweils mit der anderen Bandkante bündig stehen (Figur 6).
Die Verfahrensmaßnahme i) bewirkt, daß beim Walzen von Metallbändern gleicher Breite der durch die Bandkante hervorgerufene Verschleiß der Arbeitswalzen gleichmäßig über deren Breite verteilt wird, wodurch die Standzeit der Arbeitswalzen verlängert werden kann (vgl. Spalte 3, Zeilen 48 bis 58 der Streitpatentschrift).
Die Verfahrensmaßnahme ii) bewirkt eine "maximale Planheit" des Bandes (Spalte 5, Zeile 50), da bei dem Arbeitszustand nach Figur 6 die geringsten Deformationen des Walzprofiles auftreten und die maximale Wirkung der Arbeitswalzendurchbiegung erzielt wird (vgl. Spalte 5, Zeilen 50 bis 60). Diese Angaben werden durch die am 6. Mai 1993 eingereichten Vergleichsversuche der Patentinhaberin untermauert. Werden bei einem Vier-Walzen-Gerüst die Arbeitswalzen gegensinnig verschoben, wie dies in Figur 6 der geänderten Streitpatentschrift dargestellt ist, so zeigt sich gemäß Abbildung 9 der Vergleichsversuche, daß der Walzspalt über die Walzbandbreite nahezu horizontal und gleichmäßig verläuft, auch wenn die Arbeitswalzen nicht biegebeaufschlagt sind.
4.3.3. Ausgehend von diesem nächstkommenden Stand der Technik kann die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe daher, wie im wesentlichen in der früheren Entscheidung T 502/90 angegeben, darin gesehen werden, ein Verfahren zum Walzen von Metallbändern gleicher Breite in einem Vier-Walzen-Gerüst bereitzustellen, das es erlaubt, optimale Verschleißbedingungen an Arbeitswalzen zu erhalten, wobei die gefertigten Metallbänder möglichst plan sein sollen.
4.4. Erfinderische Tätigkeit
Die entgegengehaltenen Dokumente D2, D3 und D5 geben dem Fachmann keinen Hinweis, ausgehend von Dokument D4 die auf einer Seite des Walzgutes laufenden Walzen jeweils gegensinnig so zu verschieben, daß jeweils ein Ballenende der Stützwalzen bündig mit einer Bandkante steht und die zugehörigen Arbeitswalzen jeweils mit der anderen Bandkante bündig stehen (vorstehend angegebene Verfahrensmaßnahme ii)):
4.4.1. Gegenstand des Dokuments D3 ist ein Walzwerk mit zwei Walzen, d. h. ein sogenanntes Duo-Gerüst ohne Stützwalzen. Der Gedanke, die auf einer Seite des Walzgutes laufenden Arbeits- und Stützwalzen laut der Verfahrensmaßnahme ii) zu verschieben, taucht somit nicht auf.
Dem Verfahren gemäß Dokument D3 liegt die Aufgabe zugrunde, beim Walzen von Metallbändern eine gleichmäßige Abnutzung der Walzen zu erreichen. Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, daß die zwei Walzen axial gegeneinander verschiebbar sind. Damit offenbart das Dokument D3 zwar an sich die Verfahrensmaßnahme i). Allerdings sind gemäß Dokument D3 die Walzen so kräftig dimensioniert, daß sie nicht - wie beansprucht - mit einem Biegemoment beaufschlagbar sind. Es liegen somit völlig andere Verhältnisse vor als beim Streitpatent.
4.4.2. Dokument D5 vermittelt die Lehre, bei einem Vier-Walzen- Gerüst die Arbeitswalzen in dieselbe Richtung axial zu verschieben, um den Verschleiß an den Arbeitswalzen verteilen zu können. Mithin sind die beiden beanspruchten Maßnahmen i) und ii) bei diesem Verfahren nicht verwirklicht.
4.4.3. Bei dem Verfahren nach Dokument D2 werden die Stützwalzen nicht axial verschoben. Es wird dort vorgeschlagen, in einem Vier-Walzen-Gerüst beim aufeinanderfolgenden Walzen von Walzgut abnehmender Breite lediglich die Arbeitswalzen gegeneinander zu verschieben.
4.4.4. Mithin ist der entgegengehaltene Stand der Technik insgesamt schon deshalb nicht geeignet, dem Fachmann die durch die Verfahrensmaßnahmen i) und ii) verwirklichte Lösung nahezulegen, da wie vorstehend ausgeführt, die Verfahrensmaßnahme ii) keinem der oben genannten Dokumente zu entnehmen ist.
Wie schon dargelegt, wird gerade durch die Verfahrensmaßnahme ii) eine möglichst hohe Planheit erzielt. Diese Maßnahme definiert zwar eine Endstellung des Verschiebewegs der Walzen, dies besagt aber nicht, daß bei dieser Endstellung die Metallbänder nicht mehr gewalzt werden. Das Walzen bis zu dieser und bei dieser Endstellung trägt nach den Angaben im Streitpatent dazu bei, die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe zu lösen, nämlich eine gleichmäßige Abnutzung sowie eine möglichst hohe Planheit zu erzielen.
4.4.5. Es ist auch festzustellen, daß der entgegengehaltene Stand der Technik dem Fachmann jeweils die Lehre vermittelt, bei einem Vier-Walzen-Gerüst lediglich ein Paar axial verschiebbarer Walzen mit einem Paar axial unverschiebbarer Walzen zu kombinieren. Gemäß Dokument D2 sind nur die Arbeitswalzen axial verschiebbar ausgebildet, während bei Dokument D4 nur die Stützwalzen axial verschiebbar sind. Ergänzend ist zu bemerken, daß in Dokument D2 auf Seite 8, Absatz 2 die axiale Verschiebung den Stützwalzen (zusätzlich zu der dort vorgeschlagenen axialen Verschiebung der Arbeitswalzen) als in der Praxis schwierig bezeichnet wird. In Dokument D4, das ein Zusatzpatent zu D2 ist und im Prinzip eine Weiterentwicklung für die patentierte Erfindung gemäß D2 enthält, wird dann gerade diese Verschiebung der Stützwalzen beansprucht, aber bei gleichzeitiger Unverschiebbarkeit der Arbeitswalzen.
Es ist bei dieser Sachlage für die Kammer nicht erkennbar, wie der vorstehend geschilderte Stand der Technik eine andere Anregung geben könnte, als diejenige, bei einem Vier-Walzen-Gerüst nur ein Paar axial verschiebbarer Walzen vorzusehen, während das andere Paar axial unverschiebbar ist.
4.4.6. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs gemäß Hilfsantrag auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Der Gegenstand des Patentanspruchs ist somit patentfähig.
Auch gegen die geänderte Beschreibung bestehen keine Bedenken.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Der Hauptantrag wird zurückgewiesen.
3. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Einziger Patentanspruch und Beschreibung, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, und Zeichnungen (Figuren 1 bis 7c), eingegangen am 1. Dezember 1992.