European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1993:T028991.19930310 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 10 März 1993 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0289/91 | ||||||||
Anmeldenummer: | 82110070.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | C07D 209/52 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | A | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Derivate der cis, endo-2-Azabicyclo-(3.3.0)-octan-3- carbonsäure, Verfahren zu ihrer Herstellung, diese enthaltende Mittel und deren Verwendung | ||||||||
Name des Anmelders: | HOECHST AKTIENGESELLSCHAFT | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Knappwost, Adolf, Professor Dr. | ||||||||
Kammer: | 3.3.01 | ||||||||
Leitsatz: | 1. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist als unverzichtbare prozessuale Voraussetzung der sachlichen Prüfung des Einspruchsvorbringens in jedem Verfahrensstadium, also auch im Beschwerdeverfahren, von Amts wegen zu prüfen (Nr. 2.1 der Gründe). 2. Eine eidesstattliche Erklärung darüber, daß der Einsprechende im eigenen Namen handelt, darf nur dann gefordert werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für ernsthafte Zweifel an der wahren Identität des Einsprechenden mitgeteilt werden. Ernsthafte Zweifel an der wahren Identität des Einsprechenden bestehen nicht schon dann, wenn ein persönliches oder wirtschaftliches Interesse des Einsprechenden am Patentgegenstand nicht offensichtlich ist (im Anschluß an T 635/88, siehe Nr. 2.2 der Gründe). |
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Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit des Einspruchs erstmals im Beschwerdeverfahren bestritten Einspruchsberechtigung (ja) Ausforschungsantrag zur Feststellung des wahren Einsprechenden zurückgewiesen Neuheit (ja, Auswahl) Erfinderische Tätigkeit (ja) Ermittlung des nächsten Standes der Technik |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
Sachverhalt und Anträge
I. Die am 5. April 1991 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr erhobene Beschwerde richtet sich gegen die am 26. November 1989 verkündete und am 7. Februar 1991 schriftlich begründete Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, mit der ein Einspruch gegen das europäische Patent 0 079 022 zurückgewiesen worden ist. Dieses Patent wurde am 12. März 1986 aufgrund von 15 Patentansprüchen für 10 näher bezeichnete Vertragsstaaten sowie 12 Patentansprüchen für den Vertragsstaat Österreich erteilt. Es geht auf die am 2. November 1982 unter Beanspruchung der Priorität zweier Voranmeldungen in der Bundesrepublik Deutschland vom 5. November 1981 und 17. Juli 1982 eingereichte europäische Patentanmeldung 82 110 070.8 zurück. Patentanspruch 1 für die Vertragsstaaten außer Österreich hat folgenden Wortlaut (nach Berichtigung offensichtlicher Schreibfehler): Verbindung der Formel I'
FORMEL
in der die Wasserstoffatome an den Brückenkopfatomen zueinander cis-konfiguriert sind, die Carboxylgruppe am C-Atom 3 endoständig zum bicyclischen Ringsystem orientiert (d. h. dem Cyclopentanring zugewandt) ist, und die Chiralitätszentren an den mit einem Stern (*) markierten beiden C-Atomen der Kette und am C-Atom 3 des Bicyclus in der S-Konfiguration vorliegen und in der R2 = Wasserstoff, Methyl, Ethyl oder Benzyl bedeutet sowie deren physiologisch unbedenkliche Salze.
II. Die angefochtene Entscheidung stützt sich auf 9 Dokumente, von denen die folgenden im Beschwerdeverfahren aufgegriffen wurden:
(1) EP-A-50 800
(2) EP-B-12 401
(3) EP-A-37 231.
Sie führt aus, aufgrund der Angaben in den Beispielen I und III der Voranmeldung in der Bundesrepublik Deutschland vom 5. November 1981 sei davon auszugehen, daß die dort beschriebenen Verbindungen mit denen der Beispiele I und III des Streitpatents identisch seien, so daß diesen Produkten, die der Formel I' mit R2 = H oder Ethyl entsprechen, die beanspruchte Priorität vom 5. November 1981 zukomme. Für diese Verbindungen gehöre daher Druckschrift (1) nur zum Stande der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ. Die Beispiele 20 und 21 dieser Druckschrift enthalten keine Angaben zur sterischen Konfiguration; solche Angaben seien auch aus dem übrigen Inhalt der Druckschrift nicht vollständig zu ergänzen. Die bestimmte Konfiguration der Verbindungen des Streitpatents sei daher gegenüber dieser Druckschrift neu. Nachdem bereits im Prüfungsverfahren nachgewiesen worden sei, daß diese Verbindungen eine überraschend hohe blutdrucksenkende Wirkung haben, sei auch die erfinderische Tätigkeit anzuerkennen. Dies gelte auch für die Verbindungen mit R2 = Methyl oder Benzyl, für die Druckschrift (1) Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ sei, da ihnen nur die Priorität vom 17. Juli 1982 zukomme.
III. In der am 24. Mai 1991 eingereichten Beschwerdebegründung und einem weiteren Schriftsatz wird unter gutachtlicher Bezugnahme auf zwei nachveröffentlichte Patentanmeldungen der Beschwerdegegnerin, nämlich
(10) EP-A-84 164
(11) DE-A-3 210 701
vorgetragen, das Prioritätsdokument vom 5. November 1981 enthalte keine ausreichenden Informationen über die Konfiguration der darin beschriebenen Verbindungen. Die Beispiele I und III enthalten keine Drehwertangaben, so daß auch nicht überprüft werden könne, ob die nunmehr beanspruchten bestimmten Diastereomeren in reiner Form erhalten worden waren. Hinsichtlich des Informationsgehalts bestehe somit kein Unterschied zwischen dem Prioritätsbeleg und der Druckschrift (1). Da die Einspruchsabteilung die Offenbarung der nunmehr beanspruchten bestimmten Diastereomeren in Druckschrift (1) verneint habe, müsse dies auch für den Prioritätsbeleg gelten. Druckschrift (1) sei somit Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ. Zudem lehre diese Druckschrift bei sachgemäßer Würdigung ihres Gesamtinhalts sehr wohl, welche Konfiguration die Verbindungen der Beispiele 20 und 21 haben müssen, auch wenn die notwendigen Angaben nicht wörtlich in diesen Beispielen zu finden seien. In diesem Zusammenhang wurde auf die Entscheidungen T 54/82 (ABl. EPA 1983, 446) und T 153/85 (ABl. EPA 1988, 1) der Kammer verwiesen. Schließlich mangle es den Verbindungen des Streitpatents im Hinblick auf die Druckschriften (1) und (3) an erfinderischer Tätigkeit. Insbesondere könne in der Auswahl des wirksamsten der von den entsprechenden Strukturformeln umfaßten Stereoisomeren angesichts der schon in den Druckschriften (2) und (3) angesprochenen Bevorzugung der all-S-Konfiguration nichts Erfinderisches gesehen werden.
IV. Am 10. März 1993 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Der Beschwerdeführer hat der Kammer am 3. März 1993 mitgeteilt, daß er an dieser Verhandlung nicht teilnehmen werde, jedoch seine im schriftlichen Verfahren gestellten Anträge aufrechterhalte.
V. Die Beschwerdegegnerin hat unter Bezugnahme auf mehrere Erklärungen ihrer Angestellten und ein Gutachten eines Professors der Universität Mainz vorgetragen, zumindest den Verbindungen der Formel I' mit R2 = H oder Ethyl komme die Priorität der Voranmeldung vom 5. November 1981 zu, da diese Verbindungen darin durch ihr Herstellungsverfahren eindeutig beschrieben seien. Der Einwand mangelnder Neuheit gegenüber Druckschrift (1) beruhe auf der unzulässigen Kombination aus dem Zusammenhang gerissener Teilinformationen. Bei zutreffender Würdigung dieser Druckschrift sei darin, selbst wenn man die Nacharbeitbarkeit des Beispiels 20 und die cis-Konfiguration des darin erwähnten Bicyclus unterstelle, weder die endo-Konfiguration am C-Atom 3 noch die S-Konfiguration am C-Atom 1 offenbart. Auch die erfinderische Tätigkeit sei gegeben, denn gegenüber dem hierfür relevanten, durch die Druckschriften (2) und (3) gebildeten Stande der Technik, zu dem Druckschrift (1) nicht gehöre, sei durch Vergleichsversuche eine nicht vorhersehbare Wirkungsverbesserung nachgewiesen worden.
In einem am 31. Oktober 1992 eingegangenen Schriftsatz hat die Beschwerdegegnerin weiterhin erstmals unter Hinweis auf die Entscheidungen T 635/88 (zur Veröffentlichung im ABl. EPA bestimmt, Leitsatz siehe ABl. EPA 8/1992) und T 10/82 (ABl. EPA 1983, 407) Zweifel daran geäußert, daß der Einsprechende und jetzige Beschwerdeführer im eigenen Namen handle und somit einspruchsberechtigt sei. Sie stützt diese Zweifel auf das hohe Lebensalter und die sich aus einer Publikationsliste ergebenden, dem Gegenstand des Streitpatents fernliegenden Arbeitsgebiete des Einsprechenden sowie einen in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Handelsregisterauszug. In der mündlichen Verhandlung hat sie vorgetragen, daß sie diese Zweifel schon zu Beginn des Einspruchsverfahrens hatte, jedoch erst nach Bekanntwerden der Entscheidung T 635/88 eine Möglichkeit gesehen hat, den bestehenden Zweifel durch eine eidesstattliche Erklärung des Einsprechenden beseitigen zu lassen.
VI. Der Beschwerdeführer, der, wie angekündigt, an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat, beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs als unzulässig (Hauptantrag), ferner beantragt sie, die Beschwerde zurückzuweisen (1. Hilfsantrag), bzw. das Patent in geändertem Umfang unter Beschränkung der Bedeutung von R2 in Anspruch 1 auf die Bedeutungen Wasserstoff, Methyl und Ethyl (2. Hilfsantrag) oder unter Beschränkung der Bedeutung von R2 in Anspruch 1 auf die Bedeutungen Wasserstoff und Ethyl (3. Hilfsantrag) aufrechtzuerhalten.
Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag
2.1. Die von der Beschwerdegegnerin vorgetragenen wesentlichen Umstände, auf die sich der am 31. Oktober 1992 erstmals erhobene Einwand der Unzulässigkeit des Einspruchs stützt, waren der Beschwerdegegnerin nach deren eigenen Angaben bereits während des Einspruchsverfahrens bekannt, ohne daß diese sogleich den Einwand der Unzulässigkeit erhoben oder gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, in der die Zulässigkeit des Einspruchs festgestellt wurde, Beschwerde eingelegt hat. Ein solches Verhalten ist nicht zu billigen. Dennoch kann nach Auffassung der Kammer der Einwand der Unzulässigkeit des Einspruchs, z. B., wie hier, wegen fehlender Einspruchsberechtigung des Einsprechenden, in jedem, also auch noch in einem späten Verfahrensstadium, erhoben werden; denn die Zulässigkeit des Einspruchs ist unverzichtbare prozessuale Voraussetzung für eine sachliche Prüfung des Einspruchsvorbringens und daher von Amts wegen zu prüfen. Dies gilt auch für das Verfahren vor der Beschwerdekammer.
2.2. Der von der Beschwerdegegnerin erhobene Einwand, der Beschwerdeführer handle nicht im eigenen Namen, stützt sich nach Überzeugung der Kammer nur auf Vermutungen und rechtfertigt keine Beweisaufnahme zur Ermittlung des angeblichen Auftraggebers des jetzigen Beschwerdeführers durch die Kammer. Einen solchen "Ausforschungsantrag" hält die Kammer für unzulässig.
2.2.1. Die Kammer hatte deshalb bereits in der Mitteilung nach Art. 11 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern vom 19. November 1992 zu erkennen gegeben, daß sie die beantragte Beweisaufnahme durch Vernehmung des Beschwerdeführers zur Feststellung des "wahren Einsprechenden" nicht für erforderlich hielt. Eine solche Vernehmung und die von der Beschwerdegegnerin ebenfalls angeregte Aufforderung zur Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung wäre nur angezeigt gewesen, wenn sich die Beschwerdegegnerin auf konkrete Verdachtsmomente dafür hätte berufen können, daß der Einsprechende im Namen eines bestimmten Dritten handle. So lag der Fall in der Sache T 635/88. Dort hatte in einem Verletzungsverfahren vor einem nationalen Gericht ein Dritter behauptet, er (und nicht der vor dem EPA angeblich im eigenen Namen aufgetretene Einsprechende) habe vor dem EPA gegen das Patent, wegen dessen Verletzung er angeklagt war, Einspruch erhoben. Im der Sache T 10/82 hatte der Einsprechende (ein zugelassener Vertreter) später selbst angegeben, er habe den Einspruch im Namen eines Dritten eingelegt, so daß diese Tatsache feststand.
2.2.2. Im Gegensatz zu diesen Sachverhalten hat die Beschwerdegegnerin hier nur vorgetragen, es sei angesichts des Lebensalters, der Arbeitsgebiete und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers unwahrscheinlich, daß dieser im eigenen Namen und auf eigene Kosten Einspruch erhoben hätte. Aus dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Handelsregisterauszug geht nur hervor, daß die Ehefrau des Beschwerdeführers Geschäftsführerin einer auf pharmazeutischem Gebiet tätigen Firma ist. Daraus wollte jedoch nicht einmal die Beschwerdegegnerin selbst die Folgerung ziehen, der Einspruch sei im Namen dieser Firma eingelegt worden. Sie hat vielmehr lediglich vorgetragen, sie vermute, daß sich der "wahre Einsprechende" hinter dieser Firma verberge.
2.2.3. Nachdem Art. 99 (1) EPÜ jedoch ausdrücklich festlegt, daß gegen ein erteiltes europäisches Patent "jedermann" in einer bestimmten Frist und Form Einspruch einlegen kann, muß die Kammer grundsätzlich davon ausgehen, daß jedermann, der beim EPA im eigenen Namen Einspruch gegen ein europäisches Patent einlegt, auch tatsächlich im eigenen Namen handelt. Eine Aufforderung, dies grundsätzlich bei nicht offensichtlich gegebenem wirtschaftlichem Interesse am Gegenstand des Streitpatents durch eine Erklärung unter Eid zu bestätigen, sieht das EPÜ nicht vor.
2.2.4. Nach Überzeugung der Kammer darf eine solche Erklärung von einem Einsprechenden daher nur dann gefordert werden, wenn der Kammer, wie in der Sache T 635/88, konkrete Anhaltspunkte für ernsthafte Zweifel an der wahren Identität des Einsprechenden mitgeteilt werden, denn nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen kann die Kammer den Einsprechenden ersuchen, zur Behebung der bestehenden Zweifel beizutragen.
2.3. Der Einspruch ist daher zulässig. Folglich ist der Hauptantrag zurückzuweisen.
3. 1. Hilfsantrag
Die Beschwerde greift die Entscheidung der Vorinstanz mit der Begründung an, Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Streitpatents seien zu Unrecht anerkannt worden. Es ist daher nunmehr zu untersuchen, ob diese Einwände berechtigt sind und zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen müssen.
3.1. Neuheit
Der Beschwerdeführer macht geltend, Druckschrift (1) stehe dem Gegenstand des Anspruchs 1 neuheitsschädlich entgegen. Die dieser Druckschrift entsprechende europäische Patentanmeldung ist am 15. Oktober 1981 unter Beanspruchung zweier Prioritäten in den USA vom 23. Oktober 1980 und 28. April 1981 eingereicht und am 5. Mai 1982 veröffentlicht worden. Die benannten Vertragsstaaten sind mit den im Streitpatent benannten identisch. Druckschrift (1) gehört damit mit ihrem gesamten Inhalt für alle benannten Vertragsstaaten zum Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (3) und (4) EPÜ.
Sie betrifft Verbindungen der allgemeinen Formel
FORMEL
in der die Reste R4 und R5 zusammen mit dem C- und N- Atom, an das sie gebunden sind, unter anderem auch den Bicyclus nach Formel I' des Streitpatents bedeuten können. Die Beispiele 20 und 21 beschreiben solche Verbindungen, in denen außerdem R OH oder Ethoxy, R1 ß- Phenylethyl, R2 und R7 Wassserstoff, R3 Methyl und R6 OH bedeuten, wobei die C-Atome, die die Reste R3 und R5 tragen, S-konfiguriert sind, so daß sie sich von denjenigen des Streitpatents nur durch die fehlende Konfigurationsangabe für das den Rest R1 tragende C-Atom und die fehlenden Angaben über die Konfiguration des Bicyclus (exo- oder endo-Stellung der Carboxylgruppe COR6 und cis- oder trans-Verknüpfung der Ringe) unterscheiden. Die Beschwerdeführerin meint, diese Angaben seien implizit anderen Stellen von Druckschrift (1) zu entnehmen, z. B. dem Beispiel 1 und den sich auf alle Beispiele beziehenden Erläuterungen auf Seite 26, Zeilen 15 bis 22. Dort wird angegeben, der Begriff "octahydroindole-2(S)-carboxylic acid" beziehe sich in den Beispielen immer auf das cis-, syn-Diastereomere dieser Verbindung. Die Bezeichnung "cis, syn" ist hier gleichbedeutend mit der im Streitpatent verwendeten Bezeichnung "cis, endo". Gemäß dem die Seiten 17 und 18 überbrückenden Absatz werden ferner in der Peptid- Seitenkette die Konfigurationen bevorzugt, die der Konfiguration natürlicher Aminosäuren entsprechen oder dieser am ähnlichsten sind. Dies ist, von Cystein abgesehen, die S-Konfiguration. Anspruch 10 lehrt schließlich, ebenso wie Seite 23, Zeilen 3 bis 10, zur Herstellung von optisch reinen Verbindungen entsprechende optisch reine Ausgangsverbindungen oder Zwischenprodukte zu verwenden, die nach üblichen Racemattrennverfahren erhältlich seien. Erhaltene Diastereomere könnten in an sich bekannter Weise chromatographisch oder durch fraktionierte Kristallisation getrennt werden.
Aus diesen Angaben mag sich ergeben, daß das Diastereomerengemisch mit S-Konfiguration am den Rest R1 tragenden C-Atom zur Lehre der Druckschrift (1) gehört. Jedoch betreffen die Konfigurationsangaben auf Seite 26 nur die Octahydroindolcarbonsäure und nicht die Cyclopentapyrrolcarbonsäure der Beispiele 20 und 21. Diese Säure soll vielmehr analog zu Beispiel 18A durch Umsetzung von Octahydrocyclopenta[b]pyrrol mit Quecksilberacetat, dann mit KCN und anschließender Hydrolyse erhalten werden. In Beispiel 18 A wird über die exo- oder endo-Stellung der Carboxylgruppe am Bicyclus keine Aussage gemacht. Es gibt in Druckschrift (1) keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Konfiguration der in Beispiel 1 erwähnten Octahydroindol-2(S)-carbonsäure, die eine endo-ständige Carboxylgruppe besitzt, auch der nach Beispiel 18A herstellbaren Octahydroisoindol-1- carbonsäure oder der nach Beispiel 20A erhältlichen Octahydrocylopentapyrrol-2-carbonsäure zukommt. Die Beispiele 20 und 21 der Druckschrift (1) beschreiben daher nach Überzeugung der Kammer keine sterisch einheitlichen Produkte im Sinne einer konkret ausführbaren technischen Lehre. Der Einwand mangelnder Neuheit der Verbindungen der Formel I', für die R2 Wasserstoff oder Ethyl bedeutet, kann somit nicht durchgreifen.
Diese Feststellung der Kammer steht nicht, wie der Beschwerdeführer meint, im Gegensatz zu der sich aus den Entscheidungen T 54/82 und T 153/85 ergebenden früheren Rechtsprechung der Beschwerdekammern. Vielmehr hat die Kammer hier ebenso wie in der Entscheidung T 153/85 (siehe Nr. 4.2 der Gründe) zunächst den sich dem Fachmann erschließenden Offenbarungsgehalt der Druckschrift (1) ermittelt und diesen dann mit dem Gegenstand des Streitpatents verglichen. Die dort wesentliche Frage, inwieweit der Inhalt einer weiteren Druckschrift (Sekundärliteratur) zu diesem Offenbarungsgehalt zählt, wenn auf sie ausdrücklich Bezug genommen ist, stellt sich hier nicht, denn in Druckschrift (1) ist im hier wesentlichen Zusammenhang keine weitere Druckschrift genannt worden. In der Sache T 54/82 wurde bei der Ermittlung des Offenbarungsgehalts einer Druckschrift festgestellt, daß unter bestimmten, hier nicht vorliegenden Umständen Angaben zu einer von zwei von einem Patentanspruch umfaßten Alternativen (Mono- und Bisoxazoline, die sich von identischen Dicarbonsäuren ableiten) vom Fachmann auch als für die zweite Alternative zutreffend verstanden werden mußten. Diese Angaben betrafen die Struktur des beiden Verbindungs- klassen gemeinsamen Dicarbonsäurerests. Im Gegensatz dazu bestand im vorliegenden Falle kein Zusammenhang zwischen den vom Beschwerdeführer zum Nachweis der mangelnden Neuheit in Verbindung gebrachten Teilen der Druckschrift (1).
3.2. Erfinderische Tätigkeit
3.2.1. Im Hinblick auf die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist zunächst festzustellen, welche Druckschriften zum Stande der Technik im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ gehören. Diese Frage ist hier in Bezug auf Druckschrift (1) streitig, denn diese Druckschrift wurde zwar nach Einreichung der ersten, aber vor Einreichung der zweiten prioritätsbegründenden Voranmeldung veröffentlicht. Soweit daher dem Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 die Priorität der ersten Voranmeldung nicht zukommt, ist Druckschrift (1) auch bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in Betracht zu ziehen.
Die Einspruchsabteilung hat festgestellt, daß die Verbindungen der Formel I' mit R2 = Wasserstoff und Ethyl in den Beispielen I und III der ersten Voranmeldung nacharbeitbar beschrieben sind und somit deren Priorität zu Recht in Anspruch nehmen, während den übrigen Verbindungen der Formel I' nur die Priorität der zweiten Voranmeldung zukommt. Der Beschwerdeführer hat demgegenüber die Auffassung vertreten, auch den Verbindungen der Formel I' mit R2 = Wasserstoff und Ethyl komme die Priorität der ersten Voranmeldung nicht zu. Die Kammer teilt diese Auffassung nicht. Obwohl diese Frage für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit letztlich nicht entscheidend war, hält es die Kammer für nützlich, hierauf ausführlicher einzugehen:
Im ersten Prioritätsdokument sind im Zusammenhang mit der Herstellung von Verbindungen der generischen Formel I für den bicyclischen Reaktionspartner der Formel III auf Seite 2 die Brückenkopf-C-Atome durch verdickte Punkte dargestellt. Dies ist, wie die Beschwerdegegnerin zutreffend vorgetragen hat, eine übliche Schreibweise für über der Papierebene angeordnete Wasserstoffatome. Damit ist die cis-Verknüpfung der Fünfringe im Bicyclus eindeutig offenbart. Aus Beispiel I ergibt sich ferner die L-Konfiguration der drei Carboxylfunktionen tragenden C-Atome. Diese entspricht hier der S-Konfiguration (siehe Druckschrift (1), den die Seiten 17 und 18 überbrückenden Absatz). Jedoch ist der Voranmeldung kein allgemeiner Hinweis auf die Stellung der Carboxylgruppe am Bicyclus (exo oder endo) zu entnehmen. Hierzu hat die Beschwerde- gegnerin vorgetragen, das Produkt des Beispiels I der Voranmeldung, dessen Herstellung zwei Kristallisations- stufen und eine Säulenchromatographie einschließe, sei nachträglich als die endo-Verbindung identifiziert worden. Dieser auf im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren eingereichte Erklärungen (siehe Declarations Dr. Teetz vom 23. Mai 1985 und 25. Februar 1986, Declarations von Dr. Paulus vom 26. September 1984 und 24. Mai 1985, alle vorgelegt am 27. Mai 1987; sowie der damit sachlich übereinstimmenden Declarations von Dr. Teetz vom 18. bzw. 22. Dezember 1992, vorgelegt am 7. Januar 1993) und ein am 17. Februar 1993 eingegangenes Gutachten von Prof. Dr. H.W. Kunz von der Universität Mainz gestützte Vortrag der Beschwerdegegnerin ist derzeit nicht widerlegbar und auch glaubhaft.
Er steht auch nicht im Widerspruch zum Sachvortrag des Beschwerdeführers. Dessen wesentliche Gegenargumente stützen sich auf die nachveröffentlichten, als Gutachten zu wertenden Druckschriften (10) und (11), die sich auf die mögliche Bildung des trans-Bicyclus im Zuge des in der Voranmeldung für die cis-Verbindung beschriebenen Herstellungsverfahrens beziehen. Selbst wenn jedoch der trans-Bicyclus als Nebenprodukt der Cyclisierungsreaktion gebildet werden sollte, so würde dieses Nebenprodukt bei der anschließenden Umkristallisation (siehe Prioritäts- dokument, Beispiel I, Teil 2) entfernt werden. Auch der Einwand des Beschwerdeführers, das NMR-Spektrum des nach dem Prioritätsdokument, Beispiel I, Stufe 4 erhaltenen Produkts sei mit der angegebenen Struktur nicht vereinbar, hält der näheren Überprüfung nicht stand. Die zunächst widersprüchliche Angabe "4,17,q,3H" bedeutet nämlich, wie sich aus der der Declaration von Dr. Teetz vom 18. Dezember 1992 beigefügten Kopie des Original- spektrums vom 28. Oktober 1981 entnehmen läßt, nichts weiter, als daß sich an dieser Stelle ein breites, einem einzelnen C-H-Proton entsprechendes Signal mit dem zum Quartett aufgespaltenen Signal der beiden Protonen einer CH2-Gruppe überlagert. Ein Widerspruch zu der angegebenen Struktur ist darin nicht zu sehen.
Begründete Zweifel am zwangsläufigen Erhalt der endo- Verbindung beim Nacharbeiten der - im Gegensatz zu Beispiel 20 in Druckschrift (1) - sehr detaillierten experimentellen Angaben, die eine säulenchromato- graphische Diastereomerentrennung einschließen, hat der Beschwerdeführer nicht geäußert. Unter diesen Umständen ist es unerheblich, daß das Prioritätsdokument keine Drehwertangaben enthält, da die Herstellungsangaben nach Überzeugung der Kammer ausreichen, das gewünschte Produkt auch ohne Kenntnis des Drehwerts sicher zu erhalten.
Da die in Beispiel III des Prioritätsdokuments angegebene Verseifung der Estergruppe in der Seitenkette die Konfiguration am Bicyclus nicht ändern kann, ist damit auch die Konfiguration der dem Ethylester des Beispiels I entsprechenden freien Säure, d. h. der Verbindung der Formel I' mit R2 = H, im Prioritätsdokument vollständig offenbart.
3.2.2. Soweit Druckschrift (1) nach den vorstehenden Ausführungen nicht zum Stande der Technik gemäß Artikel 54(2) EPÜ gehört, ist - in Übereinstimmung mit der Einspruchsabteilung und den Parteien - von Druckschrift (3) als nächstem Stand der Technik auszugehen. Diese Druckschrift beschreibt gleichfalls blutdrucksenkend wirksame Verbindungen, darunter in Beispiel 16 und 17 Verbindungen, die sich von denjenigen der Formel I' des Streitpatents mit R2 = Ethyl bzw. H nur dadurch unterscheiden, daß der Cyclopentanring im Bicyclus durch einen Cylohexanring ersetzt ist. Die räumliche Konfiguration stimmt mit derjenigen der Verbindungen nach dem Streitpatent vollständig überein. Bereits im Erteilungsverfahren sind Versuchsergebnisse vorgelegt worden, aus denen sich eine bessere blutdrucksenkende Wirkung der Verbindung des Beispiels I des Streitpatents gegenüber derjenigen des Beispiels 16 der Druckschrift (3) ergibt.
Die dem Streitpatent zugrundeliegende und durch die Bereitstellung der Verbindungen der Formel I' mit R2 = Ethyl oder H glaubhaft gelöste technische Aufgabe kann daher darin gesehen werden, stärker antihypertensiv wirksame Verbindungen des aus Druckschrift (3) bekannten Strukturtyps zur Verfügung zu stellen.
Es ist zwar richtig, daß, wie der Beschwerdeführer vorträgt, die Verbindungen des Streitpatents ebenso wie diejenigen der Druckschrift (3) zu einer gut untersuchten Klasse blutdrucksenkender Wirkstoffe (Angiotensin Converting Enzyme Inhibitors, kurz ACE-Inhibitoren) gehören. Es mag deshalb durchaus sein, daß der Fachmann grundsätzlich auch von den Verbindungen des Streitpatents eine entsprechende Wirkung erwarten konnte. Die Druckschrift enthält jedoch keine Anhaltspunkte, aus denen sich für den Fachmann auch nur eine entfernte Vermutung ergeben hätte, daß der Austausch des Cyclohexanrings der Verbindung des Beispiels 16 der Druckschrift (3) gegen einen Cyclopentanring zu einer erheblichen Wirkungsverbesserung und somit zur Lösung der bestehenden Aufgabe führt.
Druckschrift (2) betrifft andere ACE-Inhibitoren, darunter den bekannten, im Handel befindlichen Wirkstoff "Enalapril" (siehe Beispiel 26), die sich von den Verbindungen des Streitpatents strukturell stärker unterscheiden. Insbesondere enthalten sie anstelle des Bicyclus einen Monocyclus, z.B. den Prolinrest. Eine Anregung, die bestehende Aufgabe durch die Bereitstellung der Verbindungen des Streitpatents, d.h. durch Ersatz des Prolinrests durch den Rest der 2-Azabicyclo-(3.3.0)octan- 3-carbonsäure zu lösen, ist dieser Druckschrift daher ebenfalls nicht zu entnehmen.
Auch aus der kombinierten Betrachtung der beiden Druckschriften erhält der Fachmann keine zusätzliche Information darüber, wie die bestehende Aufgabe zu lösen sei, denn die Lehre keiner dieser Druckschriften umfaßt Verbindungen, die den Rest der 2-Azabicyclo-(3.3.0)octan- 3-carbonsäure enthalten, auch nur als eine theoretisch in Betracht kommende Möglichkeit zur Herstellung weiterer, geschweige denn besser wirksamer ACE-Inhibitoren.
Im Hinblick auf den zum 5. November 1981 gemäß Artikel 56 EPÜ, Satz 2 zu berücksichtigenden Stand der Technik ist daher das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit anzuerkennen.
3.2.3. Soweit dem Gegenstand des Streitpatents ein späteres Prioritätsdatum zukommt, d.h. für die Verbindungen der Formel I' mit R2 = Methyl oder Benzyl, gehört auch Druckschrift (1) zum Stande der Technik gemäß Artikel 54(2) EPÜ. Die Kammer betrachtet die Verbindung des Beispiels 1 dieser Druckschrift als nächsten Stand der Technik. Diese Verbindung ist ein Derivat der Octahydroindol-2(S)-carbonsäure, das sich von Beispiel 16 der Druckschrift (3), also dem unter Ziffer 3.2.2 bewerteten nächsten Stand der Technik, nur durch den Ersatz der Ethylestergruppe in der Seitenkette durch eine Methylestergruppe und die unbestimmte sterische Konfiguration des diese Methylestergruppe tragenden C- Atoms unterscheidet. Zwar kommen die Verbindungen der Beispiele 20 und 21 aus Druckschrift (1) dem Gegenstand des Streitpatents strukturell wesentlich näher; die sehr umfangreiche Druckschrift (1) umfaßt jedoch eine so unüberschaubare Anzahl von Verbindungen, daß es dem Fachmann schwer fällt, eine Auswahl bezüglich einer besonders geeigneten Grundstruktur zu treffen, selbst wenn man berücksichtigt, daß innerhalb dieser generisch beschriebenen Verbindungsklasse in der Beschreibung engere, aber immer noch eine riesige Zahl von Verbindungen umfassende Gruppen (Formeln III, IV, VI, IX bis XII) spezifiziert werden. In dieser Druckschrift werden die Isomerengemische der Beispiele 20 und 21 neben den übrigen konkret genannten zahlreichen Verbindungen (Gemischen von Diastereomeren) (67 Beispiele und 24 Seiten Aufzählung weiterer Verbindungen der unterschiedlichsten Strukturen) ohne besondere Hervorhebung beschrieben. Im Gegensatz zu dem der Entscheidung T181/82 (ABl. EPA 1984, 401) zugrundeliegenden Sachverhalt ist hier allgemeines Fachwissen, das auf eine besondere Eignung der nach diesen Beispielen erhältlichen Produkte hingedeutet hätte, weder geltend gemacht worden noch der Kammer bekannt. Es muß aber bei der Ermittlung des nächsten Standes der Technik stets sichergestellt sein, daß der Fachmann diesen Ausgangspunkt nicht nur wählen konnte, sondern ihn bei realistischer Beurteilung aller Umstände im Lichte seines allgemeinen Fachwissens auch gewählt hätte (siehe auch T 121/91 vom 2. Juli 1992, Nr. 2.2.1 der Gründe). Diese Voraussetzung erfüllen die Verbindungen der Beispiele 20 und 21 jedoch nicht; vielmehr enthält hier ausnahmsweise das Herausgreifen dieser Diastereomerengemische aus der riesigen Anzahl der von Druckschrift (1) umfaßten Verbindungen bereits einen Ansatz zur Lösung der Aufgabe. Die technische Aufgabe einer Erfindung muß jedoch so formuliert werden, daß sie weder Teile der Lösung noch Lösungsansätze enthält (siehe T 229/85, ABl. EPA 1987, 237 und T 99/85, ABl. EPA 1987, 413).
Nach Überzeugung der Kammer wäre der Fachmann in dieser Situation von derjenigen Grundstruktur ausgegangen, die in Druckschrift (1) als besonders bevorzugt bezeichnet worden ist und somit am ehesten gute Erfolgsaussichten bot. Hierbei handelt es sich um die bicyclischen Octahydroindole der Formel VII, die in zahlreichen Beispielen (1 bis 15, 18, 19, 65 bis 67) näher beschrieben sind und für die Beispiel 1 repräsentativ ist.
3.2.4. Auch gegenüber diesem nächsten Stande der Technik kann die bestehende technische Aufgabe darin gesehen werden, besser wirksame blutdrucksenkende Verbindungen zur Verfügung zu stellen.
Die Lösung dieser Aufgabe besteht in der Angabe der Verbindungen der Formel I' mit R2 = Methyl oder Benzyl.
Die Verbindung des Beispiels 1 aus Druckschrift (1) unterscheidet sich, wie bereits ausgeführt, strukturell nur unwesentlich von der Verbindung des Beispiels 16 aus Druckschrift (3). Zudem beschreibt dieses Beispiel ein Isomerengemisch und die Beschwerdegegnerin hat Versuchs- ergebnisse eingereicht (Erklärung BECKER vom 21. Dezember 1992, eingegangen am 7. Januar 1993), aus denen hervorgeht, daß unter 14 Diastereomeren der Verbindung der Formel I' des Streitpatents mit R2 = Ethyl das beanspruchte Diastereomere (dort mit X bezeichnet) das bei weitem wirksamste ist, so daß glaubhaft ist, daß auch gegenüber diesem Stande der Technik die angestrebte Wirkungsverbesserung eintritt und somit die bestehende technische Aufgabe gelöst wird.
3.2.6. Es mag zutreffen, daß der Fachmann bei der Suche nach einer Lösung dieser Aufgabe zunächst daran gedacht hätte, die in Druckschrift (1) beschriebenen Isomerengemische aufzutrennen; denn bei Verbindungen mit Asymmetriezentrum sind nach allgemeinem Fachwissen Einzelverbindungen in der Regel wirksamer als Gemische, ohne daß es allerdings möglich wäre, allgemeingültige Aussagen darüber zu machen, welche Konfigurationen jeweils die wirksamsten sind. Druckschrift (1) bot jedoch, wie sich aus den Ausführungen unter Ziffer 3.2.3 ergibt, keinen Anhaltspunkt dafür, als Ausgangspunkt für die Lösung der bestehenden Aufgabe gerade die Isomerengemische der Beispiele 20 und 21 in Betracht zu ziehen. Zudem hätte die bei der Nacharbeitung dieser Beispiele erzielbare unbefriedigende Ausbeute (siehe declaration Meinwald vom 30. Juni 1988, eingereicht von der Beschwerdegegnerin am 26. August 1989, Kapitel II, "Patentee's method", gemäß der bei einer Nacharbeitung des Beispiels 20A durch einen offensichtlich an einer Optimierung der Ausbeute interessierten Sachverständigen maximal 14 bis 16 Mol-% der als Zwischenprodukt benötigten bicyclischen Aminosäure erhalten wurden) den Fachmann eher davon abgehalten, gerade diese "exotischen" Beispiele in die engere Wahl zu ziehen.
Bei sachgerechter Würdigung der Druckschrift (1) bietet diese also im Vergleich mit dem aus den Druckschriften (3) und (2) entnehmbaren Sachverhalt (siehe Ziffer 3.2.2) keine zusätzliche Information, die den Fachmann zur Suche nach einer Lösung der bestehenden Aufgabe unter den Derivaten der cis,endo-2-Azabicyclo-(3.3.0)octan-3- carbonsäure und damit zur Bereitstellung der Verbindungen der Formel I' zu diesem Zweck anregen konnte.
Der Gegenstand des Streitpatents beruht somit auch gegenüber Druckschrift (1) allein deshalb auf einer erfinderischen Tätigkeit. Es kommt daher nicht darauf an, ob es außerdem einer erfinderischen Tätigkeit bedurfte, ausgehend von dem einmal gewählten Isomerengemisch zu ermitteln, welches Isomere das wirksamste sein würde.
4. Der Aufrechterhaltung des Patents mit dem erteilten Anspruch 1 stehen deshalb die geltend gemachten Einspruchsgründe nicht entgegen. Die Gegenstände der übrigen Patentansprüche, d.h. der Ansprüche auf ein Verfahren zur Herstellung der Verbindungen nach Anspruch 1, auf Zwischenprodukte hierfür und deren Herstellung, sowie auf pharmazeutische Zusammensetzungen, die die Verbindungen nach Anspruch 1 enthalten, betreffen nur andere Ausprägungen derselben technischen Lehre und leiten daher ihre Patentierbarkeit von derjenigen der Verbindungen des Anspruchs 1 ab. Auch der Beschwerdeführer hat nichts anderes vorgetragen als daß diese Ansprüche ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen könnten, wenn dieser Einwand Anspruch 1 zu Fall brächte. Es bedarf also keiner zusätzlichen Begründung für die Patentierbarkeit der genannten Gegenstände. Dies gilt ebenso für die gesonderten Patentansprüche für den Vertragsstaat Österreich. Demnach kann dem ersten Hilfsantrag stattgegeben werden und ein Eingehen auf die weiteren Hilfsanträge erübrigt sich.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
1. Der Hauptantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.