T 0090/90 () of 25.6.1992

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1992:T009090.19920625
Datum der Entscheidung: 25 Juni 1992
Aktenzeichen: T 0090/90
Anmeldenummer: 84105959.5
IPC-Klasse: E05D 15/52
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Treibstangenbeschlag für Fenster, Türen o. dergl.
Name des Anmelders: Carl Fuhr GmbH & Co.
Name des Einsprechenden: I. Siegenia-Frank KG
II. Wilh. Frank GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nach Änderung ja)
Inventive step (yes)
Appeal - inadmissible
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0432/88
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0283/97
T 0075/00
T 0165/00
T 0349/00

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen das am 9. März 1988 erteilte, vier Patentansprüche umfassende Patent Nr. 128 429 sind am 12. Oktober 1988 und am 8. Dezember 1988 zwei Einsprüche eingereicht worden, mit dem Antrag, das Patent zu widerrufen, da dessen Gegenstand den Artikeln 52, 54(1) und 56 EPÜ nicht genüge.

Die Einsprüche stützten sich insbesondere auf folgende Druckschriften:

D1: DE-A-3 022 163

D5: AT-B- 372 481

D8: DE-U-1 993 392

II. Die Einsprüche wurden durch Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 1. Dezember 1989 zurückgewiesen. Die Entscheidung wurde damit begründet, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 für den Fachmann insbesondere auch nicht aus den Dokumenten D1 und D5 in naheliegender Weise hervorgehe.

III. Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 27. Januar 1990 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr eingegangene Beschwerde der Beschwerdeführerin (Einsprechende OI), die am 21. Juli 1990 schriftlich begründet wurde. In der Beschwerdebegründung wurde noch die folgende Druckschrift genannt:

D10: DE-U-1 963 732.

IV. Die weitere Beteiligte (Einsprechende OII) hat am 5. Februar 1990 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Gemäß Beschwerdeschriftsatz der weiteren Beteiligten wurde deren bisheriges Einspruchsvorbringen zum Gegenstand der vorläufigen Beschwerdebegründung gemacht und außerdem das Nachreichen einer ausführlichen Beschwerdebegründung innerhalb der Frist des Artikels 108 EPÜ in Aussicht gestellt. Die weitere Beteiligte hat es jedoch in der Folge unterlassen, eine schriftliche Beschwerdebegründung gesondert einzureichen.

V. Die Beschwerdeführerin macht inbesondere geltend:

a) In der angefochtenen Entscheidung fehle eine Zusammenschau der Dokumente D1 und D5.

b) Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich lediglich durch folgende Merkmale von Dokument D5:

- der Schließzapfen ist federbelastet rastend in der spaltoffenenen Lüftungsstellung;

- die Feder besteht aus einem die Angriffsnasen umfangenden Kuststoffteil.

c) Aus der Zusammenschau der Dokumente D1 und D5 würden jedoch diese beiden Merkmale dem Fachmann nahegelegt werden, mit Ausnahme der Werkstoffauswahl "Kunststoff" für die Feder. Eine solche sei aber für den Fachmann auf dem Beschlägesektor seit langem Routine; dies ergebe sich aus den Dokumenten D8 und D10.

VI. Die Beschwerdegegnerin hält insbesondere entgegen:

a) Werden die Dokumente D1 und D5 kombiniert, so käme man zu einem ähnlichen Beschlag wie in D5, jedoch mit einer Blattfeder. Um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen, wären noch folgende Schritte erforderlich:

b) Vergrößerung des Abstands zwischen Fangschulter 5 und Angriffsnase 10;

c) Die Angriffsnase muß durch eine weitere Feder gegenüber den Taschenrand abgefedert werden;

d) Die Schraubenfederung muß durch ein die Angriffsnasen umfassendes Kunststoffteil ersetzt werden.

e) Die Schritte b), c) und d) würden, wenn nicht schon einzeln, in Kombination auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

VII. Auf eine Mitteilung der Kammer vom 8. November 1991 reicht die Beschwerdegegnerin mit ihrer am 14. Januar 1992 eingegangenen Stellungnahme einen geänderten Anspruch 1 folgenden Wortlauts, sowie eine neue Fassung für Spalte 1 bis Zeile 56 der Beschreibung ein:

"1. Treibstangenbeschlag für Fenster, Türen oder dergleichen, mit an den Treibstangen (7) vorstehenden Schließzapfen (8), die in Verriegelungsstellung in Hintergriff treten zu Halteschultern (12) rahmenseitiger Gegenschließteile (9, 9''') und mit einer Einrichtung zur Erzielung einer spaltoffenen Lüftungsstellung des Fensterflügels (2) zum Fensterrahmen (1) in einer Zwischenstellung des Treibstangen-Betätigungsgriffes (6) zwischen Öffnungs- und Schließstellung, wobei die Einrichtung an einem rahmenseitigen Schließblech (16, 16''') eine Auflaufschräge (17, 17') besitzt, deren Scheitelzone (18) einer Fangschulter (19) gegenüberliegt und einer der Schließzapfen (8) in spaltoffener Lüftungsstellung des Fensterflügels (2) auf einer gegenüber der Halteschulter (12) falzauswärts vorverlagerten Ebene zwischen Scheitelzone (18) und Fangschulter (19) aufgenommen wird, wobei die Fangschulter (19) von dem einen Schenkel eines Winkelschiebers (20) gebildet ist, der sich in dem Schließblech (16, 16''') mit einem Führungsschenkel (21) führt und daß der Führungsschenkel eine abgewinkelte Angriffsnase (24) besitzt, die von einer in einer Tasche (26) an der Unterseite des Schließblechs einliegenden Feder in Richtung der Spaltöffnungsstellung gedrückt wird, dadurch gekennzeichnet,

a. daß der Führungsschenkel (21) mindestens eine weitere Angriffsnase aufweist und

b. daß die Feder (25) als die Angriffsnasen (24) umfassendes und in der Tasche (26) formschlüssig einliegendes Kunststoffteil ausgebildet ist,

c. daß das Kunststoffteil den Winkelschieber (20) in einer Mittelstellung hält, aus welcher er in beiden Richtungen entgegen Federbelastung verschiebbar ist,

d. daß der Schließzapfen in spaltoffener Lüftungsstellung im federbelasteten Klemmsitz in einer Mulde der Scheitelzone (18) rastend aufgenommen wird." (Das fettgedruckte Wort Feder enthält die Korrektur des offensichtlichen Schreibfehlers in "Fender" gemäß Eingabe vom 14. Januar 1992).

VIII. Die Beschwerdegegnerin macht in ihrer Stellungnahme vom 14. Januar 1992 im wesentlichen geltend:

a) Nach Dokument D5 werde die Angriffsnase in die Spaltöffnungsstellung gedrückt, nicht aber bei der Erfindung; dieses Bauteil befinde sich in einer Zwischenstellung, die in der Patentschrift als "neutrale Mittelstellung" bezeichnet werde. Der gesamte Stand der Technik würde jedoch nicht den geringsten Hinweis bringen, überhaupt mit der neutralen Mittelstellung eines federbelasteten Schiebers zu arbeiten. Diese neutrale Mittelstellung werde nun aber nicht nur über die Verrastung verändert, sondern ebenfalls durch das Kippmoment, was ohne jedes Vorbild im Stand der Technik sei.

b) Dokument D5 weise ausdrücklich weg von Überlegungen in Richtung zur Erfindung, denn dort gehe es darum, die Spaltlüftungsstellung so groß wie möglich zu machen. Das erfordere einen möglichst weit austretenden Winkelschieber, also das Gegenteil der angefochtenen Lösung, die eine neutrale Mittelstellung vorsehe.

c) Man könne auch nicht dadurch zur Erfindung gelangen, daß man die Konstruktion nach Dokument D5 einfach umbaue. Die zur Führung nötigen Zapfen (9) bei D5 würden den Taschenfreiraum auf ein Maß beschränken, das ein als Feder arbeitendes Kunststoffteil nicht mehr zulasse.

d) Nachgiebige Lagerung je nach Gewicht sei an sich nicht zu erwarten gewesen - da früher ein fester Anschlag üblich gewesen sei.

IX. Auf eine Mitteilung der Kammer vom 27. Februar 1992 vertritt die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme, eingegangen mit Telefax 28. April 1992, insbesondere die folgende Ansicht:

a) Das auf die neutrale Mittelstellung des Winkelschiebers bezügliche Merkmal sei zwar ursprünglich offenbart, jedoch gehe weder aus den ursprünglichen Unterlagen noch aus dem erteilten Patent hervor, daß es sich dabei um ein erfindungswesentliches Merkmal handle.

b) Deshalb könne das Dokument

D12: DE-A-2 851 249

erst jetzt in das Verfahren eingeführt werden. Diese Druckschrift betreffe eine Verschlußvorrichtung und erläutere ein Ausführungsbeispiel "bei dem in der Entriegelungsstellung der Verschlußvorrichtung ein als Fangglied dienender Winkelhebel (51) durch eine von einem Ringkörper (61) aus elastisch verformbarem Werkstoff (Hartgummi oder Hartkunststoff) gebildete Feder in einer neutralen Mittelstellung gehalten wird."

In diesem Dokument würden aber als Federelemente auch Schraubenfedern verwendet. Der Fachmann könne daher ohne erfinderische Tätigkeit "anstelle der Schraubenfeder (6) nach Fig. 1 und 2 des Dokuments D5 auch elastische Ringkörper in Gebrauch nehmen, diese auf die Führungsbolzen (9) aufstecken und mit Löchern (8) im Winkelstück (7) zusammenwirken lassen, die auf ihre Umrißform abgestimmt sind."

Daher sei die Fachwelt allein auf der Basis der Dokumente D5 und D12 in die Lage versetzt, "zu einem Gegenstand zu gelangen, der dem angefochtenen Patent entspricht und bei dem die Fangschulter durch die elastischen Ringkörper in eine neutrale Mittellage gebracht werden kann."

X. In ihrer Stellungnahme dazu, eingegangen am 25. Mai 1992, verweist die Beschwerdegegnerin darauf, daß Dokument D12 ein völlig anderes Sachgebiet betreffe und daß auch keine schlüssige Eingliederung dieser Schrift in die aus Aufgabenstellung und Lösung bestehende Gesamtlehre des Anmeldungsgegenstandes möglich sei.

XI. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung der Vorinstanz aufzuheben und das Patent im vollen Umfang zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, das Patent in geändertem Umfang nach den im Abschnitt VII oben erwähnten Änderungen und im übrigen wie erteilt aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist zulässig. Dagegen ist die Beschwerde der weiteren Beteiligten aus folgenden Gründen als unzulässig zu verwerfen: In der Beschwerdebegründung ist darzulegen, aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die angefochtene Entscheidung aufgehoben werden soll. Ein allgemeiner Hinweis auf die Vorbringen im Verfahren vor der ersten Instanz erfüllt diese Voraussetzung nicht (siehe T 432/88 vom 15.6.1989). Die Beschwerde der weiteren Beteiligten genügt somit den Erfordernissen des Artikels 108 EPÜ nicht. Ihre Verwerfung als unzulässig ist daher aufgrund von Regel 65 (1) EPÜ gerechtfertigt.

2. Änderungen

Die Änderungen in Anspruch 1 und Beschreibung berücksichtigen Dokument D5 als nächsten Stand der Technik und betreffen weitere wesentliche Merkmale. Sie gehen nicht über den Inhalt der ursprünglichen Fassung der Anmeldung hinaus und führen nicht zur Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Anspruchs 1. Die Änderungen genügen somit den Anforderungen von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ. Da die Beschwerdeführerin die Änderungen insofern nicht angefochten hat, sind weitergehende Begründungen nicht erforderlich.

3. Neuheit

Die Neuheit wird weder durch Argumente der Beschwerdeführerin noch durch die genannten Entgegenhaltungen in Frage gestellt.

4. Nächster Stand der Technik, Aufgabe und Lösung

Nach Dokument D5 wird ein Winkelschieber vorgeschlagen, dessen Führung durch zwei Zapfen (9) erfolgt; sie treten durch Längsschlitze des Winkelschiebers hindurch und hindern ihn, zusammen mit Führungsbunden, am Herauskippen aus dem Winkelschließblech. Eine abgewinkelte Angriffsnase wird von einer Druckfeder derart belastet, daß sie in eine feste Endstellung gelangt und so die spaltoffene Lüftungsposition des Flügels festlegt. Die Bauform wird wegen der gespannt zu montierenden Feder und der aufwendigen Führungen durch die Bolzen als herstellungstechnisch nachteilig erachtet. Ferner ergibt sich keine klapperfreie Lagerung und auch kein genaues Anfahren der Spaltlüftungsstellung mittels des Bedienhebels, da der Schließzapfen seine genaue Lage vor der Fangschulter nicht signalisiert.

Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, einen derartigen Treibstangenbeschlag konstruktiv und herstellungstechnisch einfacher auszubilden, und dabei auch noch eine Klemmraststellung des Schließzapfens, wie aus Dokument D1 vorbekannt, zu ermöglichen. Insbesondere durch die Verwendung des Kunststoffteils als beidseitig wirkender Feder mit einer neutralen Mittellage nach Anspruch 1 werden die obenerwähnten Nachteile auf einfache Weise vermieden; die Aufgabe ist gelöst.

5. Erfinderische Tätigkeit

Dokument D1 schlägt eine Rasterstellung des Schließzapfens mittels einer speziell geformten Feder vor, die jedoch zugleich einen unverschieblichen Endanschlag realisiert. Daher konnte dieses Dokument den von Dokument D5 ausgehenden Fachmann nicht dazu anregen, einen nachgiebigen Anschlag im Sinne des angefochtenen Anspruchs 1 zu suchen.

Dokument D8 betrifft einen "Schnäpper, insbesondere für Bau- und Möbelteile", mit einem formelastisch ausgebildeten Sperriegel. Dokument D10 betrifft einen "Schnäpper" zur Verschlußhaltung von Türen und Klappen an Möbeln u. dgl. Es besteht kein naheliegender technischer Zusammenhang zwischen diesen Konstruktionen und dem spezifischen Problem einer Spaltlüftungseinrichtung.

Die von der Beschwerdeführerin angegebenen Zusammenhänge aus der Druckschrift D12 zwischen Federelementen aus Schraubendruckfedern und Ringfedern aus elastischem Material sind ohne Bezug auf die der Aufgabe zugrunde liegende spezifische Konstruktion selbst, ohne Bezug auf die zu lösende Aufgabe und auch ohne ausreichende konstruktive Übereinstimmung.

Es ist vom Fachmann daher nicht zu erwarten, daß er aufgrund dieser Dokumente naheliegende Anregungen zur Lösung seines Problems gefunden hätte, die zur Definition des Anspruchs 1 ausgereicht haben könnten. Dessen Gegenstand ist somit nach Artikel 52 (1) EPÜ patentfähig.

Mit Anspruch 1 bleiben auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 rechtsbeständig.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde der weiteren Beteiligten wird als unzulässig verworfen.

2. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

3. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent mit den folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Patentanspruch 1 und Beschreibung Spalte 1, Zeilen 3 bis 56, eingereicht am 14. Januar 1992;

- Patentansprüche 2 bis 4, Beschreibung Spalte 1, Zeile 57, bis Spalte 5, Zeile 52, wie erteilt;

- Zeichnungen wie erteilt.

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