European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1987:T016286.19870707 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 07 Juli 1987 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0162/86 | ||||||||
Anmeldenummer: | 82103443.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | C12N 15/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | Hoechst | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | Ohne Leitsatz | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Auswahl nicht nahegelegt Technische Aufgabe - Einschränkung |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung 82 103 443.6, die am 23. April 1982 unter Inanspruchnahme der Priorität vom 30. April 1981 eingereicht worden war, wurde von der Prüfungsabteilung durch Entscheidung vom 3. Februar 1986 zurückgewiesen. Dieser Entscheidung lagen zwei Anspruchs sätze zugrunde mit den Ansprüchen 1 bis 5, eingegangen am 28. Januar 1985, für alle benannten Vertragsstaaten außer Österreich, sowie den Ansprüchen 1 bis 4, ebenfalls ein gegangen am 28. Januar 1985, für den Vertragsstaat Österreich.
a) Anspruch 1 für die Vertragsstaaten BE, CH, DE, FR, GB, IT, LI, LU, NL und SE lautete:
"1. Plasmid p SG 2, erhältlich aus Streptomycesghanaensis ATCC 14672, gekennzeichnet durch ein Molekulargewicht von 9,2 Megadalton, eine Konturlänge von 4,58 µm und eine Moleküllänge von etwa 13,8 kb."
b) Anspruch 1 für den Vertragsstaat AT lautete:
"1. Verfahren zur Gewinnung des Plasmids p SG 2, dadurch gekennzeichnet, daß man eine Kultur von Streptomycesghanaensis ATCC 14672 lysiert und das Plasmid isoliert."
In beiden Anspruchssätzen betrafen die übrigen Ansprüche Verfahren zur Herstellung des Plasmids p SG 2 bzw. dessen Verwendung zur Konstruktion von Vektorplasmiden.
II. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß die Gegenstände dieser Ansprüche zwar neu seien, diese jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten. Der Streitanmeldung liege die Aufgabe zugrunde, ausreichende Mengen eines Plasmids zu gewinnen, das als Vektor zur genetischen Verbesserung von Streptomyces-Stämmen geeignet sei, doch bringe die vorgeschlagene Lösung, d. h. das beanspruchte Plasmid p SG 2 gegenüber dem aus DE-A-3 005 226 (i) bekannten Plasmid p UC 6 keine ersichtliche (genetische) Verbesserung mit sich. Auch die hier anvisierte Verwendung könne eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen, da eine solche in der Natur der Sache liege. Ein Plasmid diene nämlich aufgrund der wissenschaftlichen Definition der Plasmide zur Konstruktion von Vektor(Hybrid)-plasmiden, und dies sei auch aus Dokument (i) bekannt gewesen. Des weiteren sei unstreitig aus dem Stand der Technik bekannt, daß Plasmide in Streptomyces-Arten vorkommen. Hieraus ergebe sich zwangsläufig die Schlußfolgerung, daß der Fachmann erwarten konnte, daß Plasmide auch in Streptomyces-Arten wie in der bekannten Streptomyces ghanaensis vorkomme. Im übrigen seien der Prüfungsabteilung keine Streptomyces-Arten ohne Plasmid bekannt. Selbst ohne diese Begründung wäre der Sachanspruch 1 unter Artikel 56 nicht gewährbar, da im vorliegenden Fall das bloße Gewinnungsverfahren eines Plasmids aus Streptomycesghanaensis eine erfinderische Tätigkeit für das Plasmid selbst nicht begründen könne.
III. Gegen die genannte Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Anmelderin) mit dem am 27. März 1986 eingegangenen Schreiben unter Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde erhoben und diese mit einem am 2. Mai 1986 eingegangenen Schreiben begründet.
IV. Eine mündliche Verhandlung fand am 7. Juli 1987 statt. Zur Begründung ihrer Beschwerde führte die Beschwerdeführerin im Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes aus:
In Dokument (i) sei über den Wirtsbereich von p UC 6 nichts ausgesagt. Hiergegenüber bringe das beanspruchte Plasmid schon insofern eine "genetische Verbesserung" mit sich, als die daraus hergestellten Hybridvektoren in Streptomyces ghanaensis-Wirtszellen aufgrund des endogenen Vektoranteils erfahrungsgemäß eine besondere Stabilität erwarten ließen. Gegenüber Dokument (i) bestehe die eigentliche Aufgabe darin, ein als (Hybrid)-Vektor geeignetes Plasmid zur Verfügung zu stellen, das von dem als Wirtszelle eingesetzten Streptomyceten-Stamm nicht alsbald wieder eliminiert werde. Diese Aufgabe werde durch das beanspruchte endogene, aus Streptomyces ghanaensis (ATCC 14 672) gewonnene Plasmid p SG 2 gelöst.
Da der Stand der Technik nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür ergebe, daß in Streptomyces ghanaensis überhaupt Plasmide vorkommen, geschweige denn in einem bestimmten Stamm, sei aufgrund der schon im Prüfungsverfahren am 28. Januar 1985 eingegangenen "Declaration", die Feststellung der Prüfungsabteilung, daß ihr bis heute keine Streptomyces-Arten ohne Plasmid bekannt worden seien, eine absolut unhaltbare Behauptung. In Wirklichkeit sei das Vorkommen von Plasmiden in Streptomyceten eher selten, wie übrigens das am 2. Mai 1986 eingegangene Gutachten bestätige.
Im Laufe des Prüfungsverfahrens hatte die Beschwerdeführerin außerdem geltend gemacht, daß die in Dokument DE-C-1 113 791 (II) neben Streptomyces ghanaensis genannten Streptomyceten-Stämme ihrer Kenntnis nach plasmidfrei seien (siehe Schreiben, eingegangen am 28.08.85, Seite 2, Abs. 2).
V. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsent scheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen zu erteilen.
a) Der nun geltende Anspruch 1 (für alle benannten Vertragsstaaten außer Österreich) lautet:
"1. Plasmid p SG 2, dadurch gekennzeichnet, daß es aus einer Kultur von Streptomyces ghanaensis ATCC 14 672 erhältlich ist und eine Konturlänge von 4,58 µm und eine Moleküllänge von etwa 13,8 Kilobasen (= kb) aufweist und daß es von den Restriktions-Endonukleasen EcoR I, BamH I, Sal I, Hpa I und Hind II nicht fragmentiert wird, jedoch von der Restriktions-Endonuklease Hind III in ein Fragment einer Länge von etwa 14 kb, von Cla I in zwei Fragmente mit den Längen 10,15 und 3,65 kb und von Pst I in zwei Fragmente mit den Längen 10,85 und 3,0 kb, von Bgl II in zwei Fragmente mit den Längen 11,25 kb und 2,6 kb, sowie von Bcl I in drei Fragmente mit den Längen 11,6 kb, 1,25 kb und 1,0 kb zerlegt wird."
b) Der nun geltende Anspruch 1 für Österreich unterscheidet sich hiervon nur dadurch, daß der Erzeugnisanspruch in ein Verfahren zur Gewinnung des Plasmids p SG 2 umgewan delt ist. Im übrigen ist er wortgleich.
Alle übrigen Ansprüche sind in beiden Anspruchssätzen identisch mit den Ansprüchen gleicher Numerierung, die dem Zurückweisungsbeschluß zugrundelagen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 und der Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.
2. Es erscheint aus Gründen der Deutlichkeit unerläßlich, neben den im zurückgewiesenen Anspruch 1 angegebenen Merkmalen noch weitere im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung liegende Merkmale mit einzubeziehen, damit eine eindeutige Charakterisierung des beanspruchten Plasmids gewährleistet ist. Neben Herkunftsangabe (Stamm), Konturlänge, Molekular gewicht bzw. Moleküllänge ist das Fragmentierungsverhalten bei Verdauung mit verschiedenen Enzymen in dieser Beziehung als wesentlich zu betrachten, zumal die Bestimmung des Molekulargewichts bzw. der Moleküllänge mit einer nicht zu vernachlässigenden Ungenauigkeit behaftet ist und auch in Gegenwart von mehreren Plasmiden, die u.U. Derivate von ein und demselben Plasmid sein können und möglicherweise ursprünglich erst gar nicht erkannt worden waren, jederzeit sichergestellt sein muß, welches Plasmid durch den Anspruch geschützt ist. Es ist aber hierzu nicht unbedingt erforderlich, alle in der ursprünglichen Beschreibung angegebenen Fragmentierungsresultate in den Anspruch aufzunehmen, insbesondere dann nicht, wenn solche Angaben an Genauigkeit mangeln. Der nun geltende Anspruch 1 genügt den hier gestellten Erfordernissen und erfüllt daher die Bedingungen des Artikels 84 EPÜ.
3. Keine der beiden Anspruchsfassungen ist unter Artikel 123(2) EPÜ zu beanstanden.
Der nun geltende Anspruch 1 (für alle benannten Vertragsstaaten außer Österreich) ergibt sich aus der Zusammenfassung der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 unter Streichung des Molekulargewichts des Plasmids ausgedrückt in Megadalton. Bei dieser Streichung handelt es sich lediglich um die Weglassung einer Angabe, die sich ohnehin für den Fachmann aus der im Anspruch angegebenen Moleküllänge in Kilobasen ableiten läßt.
Das gleiche gilt für den neugefaßten Anspruch 1 für Österreich hinsichtlich der plasmidbezogenen Merkmale. Die übrigen verfahrensbezogenen Merkmale dieses Anspruchs finden ihre Stütze im ursprünglichen Anspruch 3.
4. Der Gegenstand der Streitanmeldung betrifft das Plasmid p SG 2 und ein Verfahren zu seiner Gewinnung aus einer Kultur von Streptomyces ghanaensis ATCC 14 672.
5. Am nächsten kommender Stand der Technik ist Dokument (i), welches die Gewinnung des Plasmids p UC 6 aus einer Kultur von Streptomyces espinosus (NRRL 11 439) beschreibt. Dieses ebenfalls aus einem Streptomyceten-Stamm gewonnene Plasmid mit einer Moleküllänge von ca. 9,2 Kilobasen und einer Restriktionskarte entsprechend der Zeichnung eignet sich als Klonungsvektor und kann zur Schaffung rekombinanter Plasmide, die durch Transformation in Wirtsbakterien eingefügt werden können, herangezogen werden (siehe Seite 6, Abs. 1 und 2; Seite 18, letzter Absatz und Zeichnung). Der Nutzen des Plasmids p UC 6 beruht auf seiner Fähigkeit zur Wirkung als Plasmidvektor bei industriell bedeutenden Mikroorganismen, z. B. Streptomyces. So erhält man durch Klonung einer genetischen Information aus Streptomyces in p UC 6 eine Möglichkeit zur Steigerung industriell wertvoller Produkte aus diesen Organismen, z. B. von Antibiotika. Da dieses Plasmid ein Streptomycetenplasmid darstellt, ist es als Vektor für die Gattung Streptomyces ideal geeignet, kann aber auch in dieser Hinsicht in anderen Mikroorganismen (z. B. Bacillus, Arthrobacter) dienen (siehe Seite 20, Abs. 1 und Seite 21, Zeilen 9 bis 11).
6. In bezug auf Dokument (i) hat die Beschwerdeführerin jedoch mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß weder der darin genannte Stamm, noch die Gattung S. espinosus ihres Wissens nach irgendeine technische Bedeutung erlangt hat. Nichts deutet darauf hin, daß dem nicht so sei. Die Kammer hat daher keinen Grund diese Aussage anzuzweifeln. Bei der Verwendung von Vektoren auf Basis des vorbeschriebenen Plasmids p UC 6 in anderen Spezies als S. espinosus, die z.B. für die Herstellung von Antibiotika eine industrielle Bedeutung haben, sind Eliminierungsprobleme aber Quelle des Mißerfolgs aufgrund des in diesen Fällen notwendigerweise exogenen Charakters des Ausgangsplasmids.
7. Gegenüber Dokument (i) besteht die Aufgabe daher darin, ein Plasmid zur Verfügung zu stellen, das bei Verwendung als Hybridvektor von dem als Wirtszelle eingesetzten Strepto myceten-Stamm nicht alsbald wieder eliminiert wird, d.h. im Wirt stabil ist.
Hinsichtlich der dafür vorgeschlagenen Lösung (Plasmid p SG 2) hatte die Beschwerdeführerin schon im Prüfungsverfahren darauf hingewiesen, daß das Plasmid p SG 2 gegenüber dem aus (i) bekannten Plasmid p UC 6 zumindest den Vorteil hat, daß es als endogenes Streptomyces ghanaensis-Plasmid in diesem Wirt auch in Form von Hybridplasmiden aufgrund seines endogenen Anteils stabil ist (siehe Eingabe, eingegangen am 28.08.85, Seite 5, 1. Abs.). Hierauf gründet auch die im Beschwerdeverfahren geltend gemachte "genetische Verbesserung" des beanspruchten Plasmids. Nach Auffassung der Kammer wird dadurch nur die in der ursprünglichen Beschreibung gemachte Angabe, das Plasmid p SG 2 sei u. a . ein geeignetes Ausgangsplasmid für die Anwendung gentechnologischer Methoden auf den Stamm Streptomyces ghanaensis selbst, verdeutlicht (siehe Seite 2, Zeilen 7 bis 22 der Beschreibung).
Zur objektiven Ermittlung der Aufgabe ist aufgrund der ständigen Rechtsprechung nur das gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik tatsächlich Erreichte maßgebend. Wenn gleich die allgemeine Aufgabe, die gemäß der ursprünglichen Beschreibung gelöst werden sollte, darin bestand, ausreichende Mengen eines Plasmids zu gewinnen, das als Vektor zur genetischen Verbesserung von Streptomyces geeignet ist, darf es aber nicht verwehrt sein, noch im Beschwerdeverfahren eine sich im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung befindliche Präzisierung der ursprünglichen Aufgabe vorzunehmen (vgl. Entscheidung T 184/82 "Formkörper aus Poly (p-methylstyrol)/Mobil", ABl. EPA 6/1984, Seiten 263 und 264, insbesondere Entscheidungsgründe 3. bis 5.). Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer solchen Abwandlung der Aufgabe gegeben, da - wie weiter oben dargelegt - der Vorteil, auf den sich die Beschwerdeführerin beruft, in der ursprünglichen Aufgabe schon impliziert ist.
8. Zur Lösung der bestehenden Aufgabe wird gemäß dem Erzeugnis anspruch 1 das Plasmid p SG 2 vorgeschlagen, das aus einer Kultur von Streptomyces ghanaensis ATCC 14 672 stammt und zusätzlich durch eine Reihe von weiteren im Anspruch angegebenen Merkmalen, wie Konturlänge, Moleküllänge, Fragmentierungsverhalten (Schnittmuster) bei Verdauung mit verschiedenen Enzymen, gekennzeichnet ist.
Es ist zu prüfen, ob durch den beanspruchten Gegenstand die gestellte Aufgabe gelöst wird oder konkreter ausgedrückt, das Problem der Stabilität des Plasmids bei seiner Verwendung als Vektor in der Herstellung von Antibiotika. Dokument (i) enthält keinerlei Angaben über die technische Bedeutung der Species S. espinosus und der Fachmann kommt daher nicht umhin, sich zu fragen, welche Verwendung ein solcher Mikroorganismus als Wirt haben könnte. Nur von anderen Streptomyceten weiß er, daß sie für die Herstellung von Antibiotika geeignet sind. Aus Dokument (II) ist z.B. bekannt, daß man für die Herstellung des Antibiotikums Moenomycin ein Stamm von S. bambergiensis oder andere gleichwertige Streptomyceten, wie z.B. S. ghanaensis, S. ederensis oder S. geysiriensis, verwendet (siehe Patent anspruch).
Nun gelangen in Dokument (II) offensichtlich keine gentechnologischen Methoden zur Anwendung. War der Fachmann aber bestrebt, wie im vorliegenden Fall, solche neuen Techniken in herkömmlichen Herstellungsverfahren wie sie in Dokument (i) beschrieben sind, anzuwenden, stand ihm jedoch bisher nur das dort beschriebene, aus S. espinosus gewonnene exogene Plasmid p UC 6 zur Verfügung, für welches sich zwangsweise die Frage der Kompatibilität gegenüber potentiellen Wirtsorganismen stellt.
Die u.a. von der Fachwelt über diesen Weg angestrebte Verbesserung der Antibiotika-Produktion läßt sich indessen nur zufriedenstellend realisieren, wenn die dazu notwendigen Vektoren dauerhaft in den Mikroorganismus integriert werden können. Vektoren auf Basis von exogenen Plasmiden bieten hierzu naturgemäß nicht die besten Voraussetzungen. Im übrigen wäre es wenig sinnvoll, einen Wirtsorganismus zu verwenden, in dem der Vektor zwar die nötige Stabilität hätte, der aber nur ein Produkt für das überhaupt kein Interesse besteht oder im extremen Fall gar ein unverwert bares Produkt herstellen könnte (z.B. aus Toxizitätsgründen). Dadurch aber, daß jetzt ein für solche Zwecke geeignetes Ausgangsplasmid aus dem technisch nützlichen Stamm S. ghanaensis und somit einem für die Herstellung von Antibiotikum geeigneten Wirt ein eigenes (endogenes) Ausgangsplasmid zur Verfügung steht, wird nach Ansicht der Kammer die gestellte Aufgabe glaubhaft gelöst, weil der Fachmann erwarten kann, daß endogene Plasmide zu Hybridplasmiden mit hoher Stabilität führen.
9. Die Neuheit des Plasmids p SG 2 wurde von der Prüfungsabteilung bejaht. Eine Überprüfung der im Laufe des Verfahrens zitierten Dokumente durch die Kammer konnte ebenfalls die Neuheit des beanspruchten Plasmids p SG 2 nicht in Frage stellen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 (für alle benannten Staaten außer Österreich) ist daher neu.
10. Es ist somit zu untersuchen, ob die beanspruchte Lösung auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
10.1. Das aus Dokument (i) bekannte Plasmid p UC 6 ist ein aus Streptomyces espinosus (NRRL 11 439) gewonnenes Plasmid, das insbesondere für die Gattung Streptomyces als Klonungsvektor geeignet ist und somit eine Möglichkeit zur Steigerung industrieller wertvoller Produkte (z. B. Antibiotika) aus diesen Organismen eröffnet.
Nähere Angaben über den Wirtsbereich solcher Vektoren werden in Dokument (i) nicht gemacht, doch wird in diesem Dokument offensichtlich von einer diesbezüglich breiten Verwendung innerhalb der Gattung Streptomyces ausgegangen und z. T. sogar darüber hinaus (in Bacillus usw.). Das heißt aber, daß in der Regel ein solcher Vektor für den ausgewählten Wirt aus einem exogenen Plasmid besteht und daher damit gerechnet werden muß, daß der Vektor in der Wirtszelle nicht immer stabil ist.
10.2. Es ist unstrittig, daß die Gefahr einer Eliminierung des Vektors herabgesetzt werden kann, wenn zur Konstruktion des in die Wirtszelle einzuschleusenden Vektors ein endogenes Plasmid zur Verfügung steht, das die für derartige Zwecke notwendigen Voraussetzungen (Molekulargewicht, Kopienzahl usw.) erfüllt.
Würden alle Bakterien oder zumindest alle Streptomyceten ein Plasmid enthalten, wäre der Fachmann wohl normalerweise ohne weiteres in der Lage, bei einem beliebigen Wirtsmikroorganismus aus der Gattung der Streptomyces das endogene Plasmid zu gewinnen und es verbliebe nur zu untersuchen, ob die Beschaffenheit des Plasmids eine gentechnische Verwendung erwarten lasse. Von einer derartigen "Allgegenwärtigkeit" der Plasmide kann aber gar nicht die Rede sein, wie aus der im Prüfungsverfahren vorgelegten "Declaration" der Beschwerdeführerin eindeutig hervorgeht, worin u. a. im einzelnen dargelegt wird, daß in einer rechtzeitig veröffentlichten Literaturstelle von 34 untersuchten (Streptomyces)-Stämmen nur 4 Plasmide enthielten und an anderer Stelle (ebenfalls rechtzeitig veröffentlicht) von 32 untersuchten Stämmen lediglich 7 "supercoiled" DNA enthielten (was einen Anhaltspunkt für Plasmide darstellen kann) (ibid 4 c) und 4 d)). Diese an sich schon überzeugenden Darlegungen der Beschwerdeführerin werden durch das am 2. Mai 1986 eingegangene Beweismaterial (Kurzfassung eines Vortrags aus dem Jahr 1985 - (III)) noch weiter untermauert. Hieraus ergibt sich, daß von 127 untersuchten Streptomyces-Stämmen aus 4 Species lediglich 9 ein Plasmid enthielten. Die Beschwerdeführerin hat hinsichtlich des Vorkommens von Plasmiden somit einen überzeugenden Beweis für den äußerst heterogenen Charakter die ser Gattung erbracht.
Der durch nichts belegte Einwand der Prüfungsabteilung, ihr seien bis heute keine Streptomyces-Arten ohne Plasmid bekannt geworden, ist demgegenüber nicht überzeugend und erscheint wirklichkeitsfremd. In einer früheren nicht veröffentlichten Entscheidung hat eine andere Kammer einen nicht substantiierten Neuheitseinwand, der ausschließlich auf persönliches Wissen gegründet war, nicht anerkannt (vgl. T 21/83, insbesondere Punkt 4 der Entscheidungsgründe).
Obwohl es im vorliegenden Fall nicht um die Frage der Neuheit geht, hat die Kammer jedoch allein schon im Hinblick auf die erwähnte "Declaration" keinen Anlaß für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit etwas anderes gelten zu lassen. Bei dieser Sachlage muß die Kammer daher davon ausgehen, daß das Vorkommen von Plasmiden in Streptomyceten als sporadisch anzusehen ist. Sie hat daher keinen Grund anzuzweifeln, daß die in Dokument (II) neben Streptomyces ghanaensis weiterhin genannten Streptomyceten-Stämme alle plasmidfrei sind. Unterstellt man, daß der Fachmann versucht hätte, die neuen gentechnologischen Methoden auf das in Dokument (II) beschriebene herkömmliche Verfahren anwenden zu wollen, würde er aller Wahrscheinlichkeit nach den in diesem Dokument an erster Stelle genannten Stamm der Spezies S. bambergiensis, der einzige übrigens, für den es ein Ausführungsbeispiel in der Beschreibung gibt, ausgewählt haben. Wohl wissend, daß von vornherein nur wenig Aussicht bestehen würde, einen plasmidhaltigen Stamm ausfindig zu machen und daß nicht jedes gefundene Plasmid sich für gentechnologische Anwendungen eignet (siehe weiter unten), hätte er durch ein solches Experiment nur die Abwesenheit von Plasmiden in diesem Mikroorganismus feststellen können. Diese nicht unerwartete Feststellung hätte ihn aber sicher nicht ermutigt, diesen Weg weiter zu verfolgen. Hieraus folgt jedoch zwingend, daß der entgegengehaltene Stand der Technik keinen Anhaltspunkt dafür ergeben konnte, daß Streptomyces ghanaensis ATCC 14 672 ein Plasmid enthält, geschweige denn, daß dieses Plasmid derart beschaffen ist, daß es sich für gentechnologische Anwendungen, wie z. B. zur Konstruktion von Vektoren, eignet.
10.3. Zur Lösung der Aufgabe mußte innerhalb der Gattung der Streptomyceten ein plasmidhaltiger Stamm ausfindig gemacht werden, ein Unterfangen, das aufgrund des sporadischen Vorkommens der Plasmide bei den Streptomyceten kein gezieltes Vorgehen ermöglichte. Dazu kommt, daß das gesuchte Plasmid auch wirklich für den vorgesehenen Zweck geeignet sein mußte. Gemäß den Ausführungen der Beschwerdeführerin ist davon auszugehen, daß Plasmide für gentechnologische Zwecke ein Molekulargewicht von unter etwa 17 Md (entspricht 25 kb) haben sollten. Bekanntlich liegen nicht alle Molekulargewichte der Plasmide unterhalb dieser Grenze. Das beanspruchte Plasmid p SG 2 hat ein Molekulargewicht von 9.2 Md (etwa 13.8 kb) und liegt somit etwas über demjenigen des vorbeschriebenen Plasmids p UC 6 mit 6.0 Md. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür finden können, daß hierdurch ein einwandfreies Arbeiten nicht mehr möglich sei oder andere größere Nachteile entständen. Im übrigen ist das Auffinden geeigneter Plasmide nicht eine simple Routineangelegenheit, wie aus dem oben erwähnten Dokument (III) eindeutig hervorgeht. Wenn von 127 untersuchten Stämmen aus 4 Species lediglich 9 ein Plasmid enthielten und davon nur 3 ein Molekulargewicht von weniger als 17 Md (weniger als 25 kb) hatten, bedeutet dies in der Tat, daß von allen untersuchten Stämmen nur gut 2 % überhaupt ein Plasmid mit geeigneter Molekülgröße enthielten. Hierzu kommt noch, daß es offenbar auch Species gibt, bei denen trotz intensiven Suchens keine Plasmide nachgezeigt werden konnten (z.B. bei den 31 untersuchten Stämmen von S. albus).
Ein Plasmid für gentechnologische Zwecke muß nicht nur eine geeignete Molekülgröße haben, es muß außerdem manipulierbar, analysierbar und auch identifizierbar bzw. von anderen Plasmiden unterscheidbar sein. Hierbei ist das Restriktionsverhalten bei Verdauung mit verschiedenen Enzymen von Belang. Wie aber schon aus der ursprünglichen Beschreibung hervor geht (siehe Tabelle, Seite 3), kann das Plasmid p SG 2 in dieser Beziehung gegenüber dem Plasmid p UC 6 eher als überlegen angesehen werden aufgrund der größeren Anzahl zweifacher Schnittstellen (3 : 1) bei nur je einer singulären Schnittstelle. In diesem Zusammenhang hat die Beschwerdeführerin sowohl im Prüfungsverfahren (siehe Schreiben eingegangen am 28.8.85, Seite 5, erster Absatz), als auch im Beschwerdeverfahren (Begründung Seite 3, Absatz 2) ausdrücklich darauf hingewiesen, daß nach dem Anmeldetag weitere singuläre Schnittstellen gefunden wurden, so daß derzeit insgesamt 4 solcher Schnittstellen, nämlich für Hind III, Eco RV, Pvu II u. Nhe I, bekannt sind. Da singuläre Schnittstellen nur selten vorkommen, ist dies als weiteres Zeichen der vorzüglichen Eignung des Plasmids p SG 2 für gentechnologische Zwecke anzusehen. Aus Dokument (i) ist für das Plasmid p UC 6 nur eine singuläre Schnitt stelle angegeben (Bgl II). Ob nachträglich weitere singuläre Schnittstellen gefunden wurden, ist nicht bekannt.
Die Tatsache, daß dem Fachmann aus der Fachliteratur eine Anzahl weiterer plasmidhaltiger Streptomyces-Stämme bekannt sein mußten, konnte aber bei der Suche nach einem für gentechnologische Zwecke geeigneten Plasmid auch nicht weiter helfen, da er hierdurch keinen konkreten Hinweis bekommen konnte, wo er im vorliegenden Fall innerhalb der Gattung suchen mußte, um Erfolg zu haben.
10.4. Die Lösung der gestellten Aufgabe ergibt sich deshalb umittelbar aus der innerhalb der Gattung Streptomyces getroffenen und nicht nahegelegten Auswahl.
Ein wirklich gravierender Nachteil konnte aus dem etwas höheren Molekulargewicht des beanspruchten Plasmids gegenüber dem Plasmid p UC 6 nicht nachgewiesen werden, obwohl das Plasmid p SG 2 dadurch der als kritisch anzusehenden Grenze von 17 Md näher kommt als das vorbeschriebene Plasmid. Auch der Unterschied in der Kopienzahl, die für p UC 6 mit 20 bis 40 etwa doppelt so hoch liegt, wie beim beanspruchten Plasmid (10 bis 20), kann nicht von vornherein als Nachteil oder Vorteil gewertet werden. Wenngleich eine höhere Kopienzahl für die Isolierung des Plasmids von Vorteil ist, so kann dies jedoch u.U. fatale Folgen für die Wirtszelle haben (siehe "Declaration", Punkt 2.). Diese Unterschiede können daher unberücksichtigt bleiben. Sie sind für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ohnehin nicht relevant, da sie weder mit der Aufgabe noch mit der Lösung in irgendeinem Zusammenhang stehen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 (für alle benannten Staaten außer Österreich), d.h. das beanspruchte Plasmid p SG 2 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.
11.1. Das dazugehörige Verfahren gemäß Anspruch 2 und den davon abhängigen Unteransprüchen 3 und 4 ist ein sogenanntes Analogieverfahren, das in der Streitanmeldung zum ersten Mal zur Gewinnung eines Plasmids aus einer Kultur von Streptomyces ghanaensis ATCC 14 672 eingesetzt wurde. Der Gegenstand des Anspruchs 2 ist daher neu. Das gleiche gilt für die davon abhängigen Ansprüche 3 und 4. Auch die Verwendung des Plasmids p SG 2 zur Konstruktion von Vektorplasmiden ist offensichtlich nicht vorbeschrieben und daher neu.
11.2. Analog zu anderen chemischen Bereichen ist auch dafür eine erfinderische Tätigkeit anzuerkennen, da eine solche sich hier aus dem erfinderischen Erzeugnis ergibt, nämlich aus dem Plasmid p SG 2, welches zur Konstruktion eines im Wirtsorganismus stabilen Vektors geeignet ist.
12. Obige Ausführungen gelten sinngemäß auch für die Verfahrens ansprüche 1 bis 3 und den Verwendungsanspruch 4 für Österreich.
13. Der Gegenstand beider Anspruchssätze ist demnach neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Beide Anspruchssätze sind deshalb gewährbar (Artikel 52(1) EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Auflage, ein europäisches Patent mit folgenden in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen zu erteilen:
- Ansprüche 1 bis 5 für die Vertragsstaaten BE, CH, DE, FR, GB, IT, LI, LU, NL und SE
- Ansprüche 1 bis 4 für Österreich
- Beschreibung mit den Seiten 1 bis 8.