T 0219/85 (Unzureichende Beschreibung) of 14.7.1986

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1986:T021985.19860714
Datum der Entscheidung: 14 Juli 1986
Aktenzeichen: T 0219/85
Anmeldenummer: 82200439.6
IPC-Klasse: H44C 17/00
Verfahrenssprache: FR
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Hakoune
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: Die Erfindung ist nicht ausreichend offenbart, und die Anmeldung genügt den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ nicht, wenn der Anmelder im Prüfungsverfahren einräumt, dass er in der Beschreibung der Patentanmeldung nicht die tatsächlichen Einzelheiten der Herstellung angegeben hat, damit die Erfindung nicht ohne weiteres nachgeahmt werden kann, und wenn der Fachmann dieses Informationsdefizit nicht durch seinen allgemeinen Wissensstand ausgleichen kann.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: Unvollständige Offenbarung der Erfindung
Unklare Patentansprüche
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0036/96
T 0655/96
T 1163/98
T 1034/02
T 0809/07
T 0272/17
T 1838/17
T 2166/17
T 1992/18

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 13. April 1982 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 82 200 439.6, die die Priorität einer Voranmeldung vom 7. Mai 1981 in Anspruch nimmt, wurde unter der Nummer 0 064 780 veröffentlicht. Sie wurde mit Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 10. April 1985 zurückgewiesen.

II. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, daß der Gegenstand des ursprünglichen Patentanspruchs 1 nicht patentierbar im Sinne des Artikels 52 EPÜ sei, da er angesichts der Entgegenhaltung BE-A-868 383 nicht neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ sei. Dieser ursprüngliche Patentanspruch lautete wie folgt: "Verfahren zur Bearbeitung eines Edelsteines, um auf einer seiner Flächen oder Facetten, auf der Tafel oder auf der Rondiste eine Inschrift anzubringen, durch die der Stein identifiziert werden kann, dadurch gekennzeichnet, daß man auf dem Stein einen Lack des Typs "Photoresist" aufbringt, auf die Lackschicht einen fotografischen Film legt, der die obengenannte Inschrift trägt, die Lackschicht durch Belichtung entwickelt, die belichteten Teile des Lackes in bekannter Weise entfernt und den so behandelten Teil des Steines einem Kathodenbeschuß aussetzt, auch Ätzen genannt, so daß an den nicht vom Lack geschützten Stellen eine Gravur im Stein erscheint."

III. Im Prüfungsverfahren hat der Beschwerdeführer mit dem am 28. September 1984 eingegangenen Schreiben eine Neufassung des Anspruchs 1, nachstehend Hilfsanspruch 1 genannt, vorgeschlagen, die wie folgt lautet:

"Verfahren zur Bearbeitung eines Edelsteines, um auf einer seiner Flächen oder Facetten, auf der Tafel oder auf der Rondiste eine Inschrift anzubringen, durch die der Stein identifiziert werden kann, wobei auf den Stein ein Lack des Typs "Photoresist" aufgebracht wird, auf die Lackschicht ein fotografischer Film mit der obengenannten Inschrift gelegt wird, die Lackschicht durch Belichtung entwickelt wird und die entwickelten Teile der Lackschicht in bekannter Weise entfernt werden, dadurch gekennzeichnet, daß man den so behandelten Teil des Steines einem Kathodenbeschuß aussetzt, auch Ätzen genannt, und zwar unter solchen Bedingungen, daß an den nicht vom Lack geschützten Stellen eine 50 bis 500 Angström tiefe Gravur im Stein erscheint."

Die Prüfungsabteilung hielt diesen Hilfsanspruch 1 nicht für patentierbar im Sinne des Artikels 52 EPÜ, da sein Gegenstand gegenüber dem aus der Druckschrift BE-A-868 383 bekannten Stand der Technik keine erfinderische Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ aufweise.

IV. Am 31. Mai 1985 hat der Beschwerdeführer unter Entrichtung der Beschwerdegebühr gegen die Zurückweisung der Anmeldung Beschwerde eingelegt; in der Beschwerdebegründung, die am 31. Juli 1985 beim Amt eingegangen ist, macht er geltend, daß der Gegenstand des zurückgewiesenen ursprünglichen Anspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik neu sei, da keine der Entgegenhaltungen lehre, wie eine mikroskopisch kleine Inschrift in die Oberfläche eines Diamanten eingeritzt werden könne.

V. Hinsichtlich der Beschreibung, der Unteransprüche und der Zeichnungen sowie der im Recherchenbericht und vom Beschwerdeführer genannten Druckschriften wird auf die Akte verwiesen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig. Nach Prüfung der in der Akte enthaltenen Unterlagen ist die Kammer zu dem Schluß gelangt, daß das Verfahren zur Bearbeitung eines Edelsteines nach dem ursprünglichen Anspruch 1 neu ist, da keine der genannten Vorveröffentlichungen eine Gravur des Steines zum Gegenstand hat. Dies gilt auch für den Hilfsanspruch 1 vom 28. September 1985.

2. Um die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des ursprünglichen Anspruchs 1 und des Hilfsanspruchs 1 beurteilen zu können, muß näher auf deren Inhalt eingegangen werden.

2.1. Die Kammer stimmt mit der Prüfungsabteilung in ihrer Würdigung der Entgegenhaltung BE-A-868 383 überein; diese Druckschrift offenbart ein Verfahren zur Bearbeitung eines Diamanten, bei dem eine kennzeichnende Inschrift auf einer seiner Flächen oder Facetten angebracht wird. Ein Lack des Typs "Photoresist" wird auf den Stein so aufgebracht, daß er eine lichtbeständige Schicht bildet; dann wird auf die Lackschicht ein fotografischer Film gelegt, der die gewünschte Inschrift trägt, und dieser belichtet, wobei er mit einer der gewünschten Inschrift entsprechenden Maske abgedeckt wird; der Film wird dann entwickelt, und die Teile, die dem belichteten Motiv entsprechen, werden entfernt.

Die dadurch freigelegten Teile des Diamanten werden dann in einem gasförmigen Argonmilieu einem Kathodenbeschuß ausgesetzt. Bis hierhin decken sich das bekannte und das anmeldungsgemäße Verfahren.

Bei dem in den Entgegenhaltungen BE-A-868 383, US-A-3 945 902, US-A-3 325 393, FR-A-1 481 918 und FR-A-1 476 536 beschriebenen Stand der Technik dient der Beschuß der Oberfläche des Diamanten dazu, diese so vorzubehandeln, daß eine anschließend aufgebrachte metallisierte Schicht eine feste Verbindung mit dem Diamanten eingehen kann. Der Beschuß der Oberfläche des Diamanten bewirkt eine Art intensiver Reinigung, die auch als Vorbehandlung der Oberfläche bezeichnet wird. In keiner der Entgegenhaltungen, die einen solchen Beschuß von Diamanten zum Gegenstand haben, soll eine Gravur erzielt werden.

2.2. Betrachtet man nun das Verfahren nach dem ursprünglichen Anspruch 1 und dem Hilfsanspruch 1, so findet sich auch hier dasselbe Verfahren zur Oberflächenbehandlung eines Diamanten. Die Behandlung wird jedoch so (ursprünglicher Anspruch 1) oder unter solchen Bedingungen (Hilfsanspruch 1) durchgeführt, daß im Stein eine Gravur erzeugt wird.

2.3. Dasselbe Verfahren zur Behandlung der gleichen Oberfläche bewirk im Stand der Technik (Nr. 2.1) eine Reinigung und nach der europäischen Patentanmeldung (soweit es dort erläutert ist) (Nr. 2.2) eine Gravur des Diamanten.

Der Unterschied, den das Verfahren aufweisen muß, um dieses andere Ergebnis zu erzielen, wird lediglich durch die Angabe "unter solchen Bedingungen, daß" ausgedrückt. Eine derart ungenaue Angabe kann nur dann hingenommen werden, wenn sie so deutlich ist, daß ein Fachmann die in der Anmeldung offenbarte Erfindung ausführen kann (Art. 83 EPÜ).

Es ist somit erforderlich, daß entweder der Sinn dieser Angabe bei der Lektüre der Originalfassung der Patentanmeldung klar erkennbar wird oder daß der Fachmann ohne weitere Erklärung erkennt, welche Bedingungen zu diesem anderen Ergebnis führen.

2.3.1. In der Originalfassung der europäischen Patentanmeldung ist auf Seite 5, Zeilen 18 bis 21 erwähnt, daß in der Verfahrensstufe 5 die Gravur oder das Ätzen durch Kathodenbeschuß mit Hilfe eines ionisierten Gases erzielt wird.

In den anschließenden Erläuterungen heißt es auf Seite 7, Zeilen 8 bis 12 lediglich, daß der Kathodenbeschuß eine Gravur der nicht durch den Lack geschützten Teile bewirkt.

Es werden keine zusätzlichen Informationen gegeben, aus denen hervorgeht, wie der Fachmann mit dem bekannten Verfahren das neue Ergebnis erzielen kann.

Dies wird im übrigen auch durch eine von der Technischen Abteilung des Anmelders abgefaßte Erklärung bestätigt, die seinem Schreiben vom 28. September 1984 beigefügt war und in der es wie folgt heißt: "Die Einzelheiten der tatsächlichen Herstellung wurden geheimgehalten, damit sie nicht durch bloßes Lesen des Patents nachgeahmt werden können."

2.3.2. Es muß nun noch geprüft werden, welche allgemeinen Informationen dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt der europäischen Patentanmeldung zur Verfügung standen. In seinem am 11. März 1986 eingegangenen Schreiben behauptet der Beschwerdeführer, daß der Fachmann allein durch die Verwendung der Wörter "Ätzen" oder "Kathodenbeschuß" in der Patentanmeldung in der Lage gewesen wäre, die Gravur des Diamanten anhand der einschlägigen Literatur durchzuführen.

Die Kammer kann sich dieser Behauptung aus folgenden Gründen nicht anschließen:

- Erstens wird in den Druckschriften, bei denen die Bearbeitung des Diamanten lediglich eine Reinigung bewirkt, dieselbe Terminologie verwendet.

- Zweitens geht aus der Dokumentation über die Bearbeitung anderer Werkstoffe als Diamanten nur hervor, daß der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe insbesondere von dem zu bearbeitenden Werkstoff abhängt; auf die Bearbeitung von Diamanten wird darin überhaupt nicht eingegangen.

Die Angaben "so, daß" oder "unter solchen Bedingungen, daß" sind daher zu ungenau, als daß der Fachmann ohne weiteres erkennen könnte, welche Bedingungen zum gewünschten Ergebnis führen.

2.4. Die Kammer ist zu der Schlußfolgerung gelangt, daß der ursprüngliche Anspruch 1 und der Hilfsanspruch 1 nicht deutlich im Sinne des Artikels 84 EPÜ sind und daß ferner die Erfindung in der ursprünglichen Anmeldung nicht so deutlich und vollständig offenbart ist, daß ein Fachmann sie ausführen kann, wie dies in Artikel 83 EPÜ gefordert wird. Dieser Mangel ließe sich aber keinesfalls beheben, ohne den Gegenstand so zu erweitern, daß er über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinausgeht, was wiederum gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstieße. Somit ist keiner dieser Patentansprüche gewährbar. Damit erübrigt sich auch eine Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des ursprünglichen Anspruchs 1 und des Hilfsanspruchs 1, soweit diese angesichts der mangelnden Klarheit der Ansprüche überhaupt möglich gewesen wäre.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung wird zurückgewiesen.

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