European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2021:T199218.20210331 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 31 März 2021 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1992/18 | ||||||||
Anmeldenummer: | 12725758.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | E01C23/088 E01C19/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUM BESTIMMEN EINER VON MINDESTENS EINER BAUMASCHINE ODER ABBAUMASCHINE MIT EINER FRÄSWALZE GEFRÄSTEN FLÄCHE | ||||||||
Name des Anmelders: | Wirtgen GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | CATERPILLAR INC. | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja) Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja) Fehlende Substantiierung in der Beschwerdebegründung - (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 2 718 500 Beschwerde eingelegt.
II. In der angefochtenen Entscheidung wird von folgenden Entgegenhaltungen ausgegangen, die auch der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegen:
KBS4: DE 92 04 614 U;
KBS5: US 6 047 227 A;
KBS6: US 6 212 862 B1;
KBS7: "Das Kraftpaket für hohe Tagesfräsleistungen
Kaltfräse W 2100", Wirtgen, 2008, 27 Seiten
(System "WIDIS 32" auf Seite 6/7);
KBS8: DE 10 2008 008 260 A.
III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die Einspruchsgründe unter Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) und unter Artikel 100 b) EPÜ (mangelnde Ausführbarkeit) der Aufrechterhaltung des erteilten Patents nicht entgegenstehen. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 wurde ausgehend von KBS7 unter Berücksichtigung von KBS8 oder KBS6 als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen, ebenso ausgehend von KBS4 unter Berücksichtigung von KBS5 oder KBS6. In analoger Weise wurde der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 9 ebenfalls als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen.
IV. Am 31. März 2021 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des europäischen Patents auf der Basis eines der mit Beschwerdeerwiderung vom 18. Februar 2019 eingereichten Hilfsanträge I bis V aus dem erstinstanzlichen Verfahren.
V. Anspruch 1 wie erteilt lautet gemäß Merkmalsanalyse der Einsprechenden (eingereicht im Einspruchsverfahren als KBS3a) wie folgt:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Anspruch 9 wie erteilt lautet gemäß Merkmalsanalyse der Einsprechenden (eingereicht im Einspruchsverfahren als KBS3b) wie folgt:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin kann wie folgt zusammengefasst werden:
Die Entscheidung sei allein aus dem Grund aufzuheben, dass die Einspruchsabteilung Bezug nehme auf einen Fachmann, ohne diesen zu definieren. Der Fachmann sei ein Maschinenbauingenieur für mobile Arbeitsmaschinen mit Universitätsabschluss und mehrjähriger Erfahrung bei der Konzeption von Steuerungen, der für die hier relevante Tätigkeit der Bestimmung einer Fräsfläche mit einem Vermessungsingenieur und Computerfachmann zusammenarbeite. Diesem (Team-)Fachmann sei bewusst, dass Überlappungsflächen bei Berechnung des gefrästen Gesamtflächeninhalts zu berücksichtigen seien. Es sei der gleiche Wissensstand bei Beurteilung der Ausführbarkeit und erfinderischen Tätigkeit anzusetzen.
Mangelnde Ausführbarkeit
Das Verfahren gemäß Streitpatent erfordere im Kern eine rechnerische Umsetzung. Im Streitpatent selbst werde herausgestellt (Spalte 1, Zeilen 58 ff.), dass die rechnerische Berechnung der Überlappung von irgendwie gekrümmten Fräsbahnen komplex und nicht trivial sei. Die Ermittlung von gekrümmten Überlappungsflächen mit der geforderten Genauigkeit sei mathematisch (aufgrund komplizierter Randbegrenzungen) dem Fachmann nicht geläufig und händisch noch weniger möglich. Folglich müsse die Patentschrift dem Fachmann eine Anleitung geben und für die Umsetzung dieser nichttrivialen rechnerischen Berechnung zumindest einen Weg aufzeigen, der ohne unzumutbaren Aufwand vom Fachmann nacharbeitbar sei. Das Streitpatent (Absatz [0042]) offenbare aber nur (ohne Angaben zur mathematischen und programmtechnischen Umsetzung), dass eine Überlappung festgestellt werde, sowie übliche Überlegungen, überlappende Teilflächen "herauszurechnen". Es fehle an einer technischen Lehre, wie die Prüfung der Überlappungsflächen konkret auszuführen sei und sich deren Größe im Einzelnen berechnen lasse.
Eine beanspruchte Maßnahme dürfe nicht das normale fachmännische Können übersteigen (T 10/86), und der Fachmann müsse Informationsdefizite durch seinen allgemeinen Wissensstand ausgleichen können (T 219/85). Die von der Einspruchsabteilung lediglich behaupteten mathematischen Grundkenntnisse seien zum einen nicht ausreichend, zum anderen offensichtlich nicht geläufig.
Das Argument der Einspruchsabteilung, eine nachträgliche Überlappung von gefrästen Teilflächen ließe sich auch von Hand ohne Hilfe eines Rechners prüfen, gehe an der Sache vorbei, da gemäß Streitpatent eine bisher "händisch" vorgenommene Berechnung nunmehr mittels Rechner durchzuführen sei. Zudem fordere Anspruch 9 einen Rechner, der diese dem Fachmann nicht geläufige rechnerische Umsetzung leisten solle. Die Offenbarung eines einzigen Wegs zur Ausführung der Erfindung (z. B. "händisch") genüge nur dann, wenn sie die Ausführung der Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich ermögliche, wie in zahlreichen Entscheidungen der Beschwerdekammern vertreten (z. B. T 1173/00). Dies gelte auch, wenn die Erfindung durch ihre Funktion, also eine unbestimmte Vielzahl möglicher Alternativen, definiert werde. Dies sei solange zulässig, wie alle Alternativen dem Fachmann zur Verfügung stünden (T 1121/03, T 369/05). Um Überlappungsflächen mit der geforderten Genauigkeit zu ermitteln, sei eine händische/visuelle Prüfung weder praxisgerecht noch akzeptabel. Die Erfindung sei somit zumindest im wesentlichen Umfang der Schutzbereiche der Ansprüche 1 und 9 des Streitpatents nicht ausführbar.
Mangelnde erfinderische Tätigkeit - Anspruch 1
Der Angriff ausgehend von KBS7 unter Berücksichtigung des Fachwissens sei aufgrund der Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung, die ein spezielles Fachwissen voraussetzte, vorgetragen worden. Zudem gelte der Grundsatz der Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (Art. 114 (1) EPÜ) grundsätzlich auch für das Beschwerdeverfahren.
Für die Frage der erfinderischen Tätigkeit sei der relevante Fachmann ausschlaggebend, da einfachste mathematische Überlegungen anzustellen seien.
KBS7 offenbare unstrittig die Merkmale 1 und 2.
Die Merkmale 3 und 4 seien aufgrund ihrer Einfachheit implizit offenbart, auf jeden Fall aber durch das Fachwissen nahegelegt. Gemäß Streitpatent sei bekannt, aus der von einer Maschinensteuerung herauslesbaren Wegstrecke und einer Frästiefe unter der Annahme, dass die installierte Fräswalzenbreite der effektiv gefrästen Fräsbreite entspreche, einen Näherungswert für das momentan gefräste Volumen zu bestimmen. Ein Beispiel für ein derartiges System sei "WIDIS 32" aus KBS7, das die Ermittlung von Fräsfläche und Fräsvolumen unter Berücksichtigung einer Fräswalzenbreite und durch Auswerten einer gemessenen Wegstrecke ermögliche. In KBS7 werde die gefräste Fläche protokolliert. Dies sei nur möglich bei Erfassung einer Fräsbreite und einer gefrästen Länge (Länge X Breite = Fläche). Damit offenbare KBS7 implizit, dass sowohl die Fräsbreite als auch die Wegstrecke erfasst würden. Selbstverständlich würden dabei Positionen erfasst und eine vorgegebene Fläche in mehreren "Frästrajektorien" bearbeitet. Der Begriff "Frästrajektorie" besage nichts anderes, als dass die Breite und die gefräste Länge zur Ermittlung verwendet würden.
Die weiteren Merkmale 5 - 7 definierten lediglich ganz allgemein, dass die bekanntlich für die Genauigkeit der Berechnung problematischen Überlappungsflächen ermittelt und von der überfahrenen Fläche abgezogen würden, wobei Merkmal 7 nur das Resultat angebe. Die Lehre von Anspruch 1 des Streitpatents erschöpfe sich im "Herausrechnen" der das Problem verursachenden Überlappungsflächen, was für den Fachmann (um die Genauigkeit zu erhöhen) trivial und zwangsläufig nahegelegt sei, da dort keine Fräsleistung erbracht werde und einmal gefräste Flächen nicht doppelt zu zählen seien (siehe dazu auch das in der mündlichen Verhandlung eingereichte Blatt zum Wissen von Schülern der 5./6. Klasse).
Veranlasst durch die Aufgabe, die Genauigkeit der Bestimmung der gefrästen Fläche bzw. des gefrästen Volumens zu erhöhen, führe die Kombination von KBS7 mit dem Fachwissen somit zum Gegenstand von Anspruch 1.
Wie von der Einspruchsabteilung zugestanden, hätte der Fachmann bei der Suche nach einer Lösung der genannten Aufgabe bei bewegten Maschinen geschaut und die KBS6 herangezogen. KBS6 zeige, dass eine Erfassung der Position bei diesen Maschinen hinlänglich bekannt sei. Es spiele keine Rolle, dass KBS6 ein anderes Produkt zeige. Um Merkmal 3 zu realisieren, sei ein GPS wie in KBS6 gezeigt das Mittel der Wahl gewesen. Damit seien aber die Frästrajektorien bekannt, um alle Schritte gemäß Anspruch 1 auszuführen. Durch laufende GPS-Ortung sei möglich, die Positionen der Baumaschine zueinander zu bestimmen als Folge von kleinen Trajektorien und dann durch Aufsummieren die Länge der Frästrajektorie. Das aus KBS6 bekannte Verfahren umfasse das Bestimmen von Teilflächen basierend auf einer zurückgelegten Wegstrecke und einer wirksamen Arbeitsbreite basierend auf Informationen einer Positionsbestimmungsvorrichtung und einer Geländekartendatenbank, was impliziere, dass von der tatsächlichen Arbeitsbreite etwas abgezogen werde. Dies ermögliche, auch den Flächeninhalt von Streifen zu bestimmen, die schmaler als die Breite der Schneidvorrichtung seien. Damit offenbare KBS6 ein Verfahren, bei dem durch Bestimmung der wirksamen Arbeits- bzw. Fräsbreite fortlaufend oder nachträglich auf Überlappungsflächen gemäß Merkmal 5 geprüft und die Überlappungsflächen bei der Berechnung der gesamten Erntefläche berücksichtigt bzw. abgezogen seien. Aus einer ersten und einer zweiten Position und einer effektiven Breite werde die Fläche eines Polygons bestimmt (siehe Abstract von KBS6), und die insgesamt gefräste Fläche ergebe sich durch Aufsummieren von kleineren oder größeren Polygonen (KBS6, Spalte 3, Zeilen 61 ff.) abhängig von der gewünschten Genauigkeit als Summe aller wirksamen Teilflächen basierend auf der wirksamen Fräsbreite. Dies entspreche einem mathematischen Äquivalent zu einer Addition aller Teilflächen abzüglich der Überlappungsflächen gemäß den Merkmalen 6 und 7. Der Fachmann sei durch die KBS6 motiviert, die bereits bei der KBS7 als problematisch erkannten Überlappungsflächen rechnerisch zu erfassen. Der Abzug dieser Überlappungsflächen sei eine zwingende Notwendigkeit, um die gewünschte Fräsfläche zu erhalten. Die KBS6 gebe den entscheidenden Hinweis zur Lösung der gestellten Aufgabe, indem die Mittel zur Flächenbestimmung bereitgestellt würden. Wenn der Fachmann die Positionen und Fräsflächen kenne, sei es banal, die Überlappung der Fräsflächen herauszurechnen.
Der Fachmann hätte (siehe angegriffene Entscheidung) bei der Suche nach einer Lösung der genannten Aufgabe auch die KBS8 herangezogen. Die KBS8 betreffe eine Fräsmaschine und offenbare (Absätze [0010], [0043] und [0047]) ein Berechnungsverfahren, bei dem die Länge der Frässpur eingehe und Überlappungsflächen benachbarter Frässpuren durch Bestimmung der effektiven Arbeitsbreite nicht bei der Berechnung der gesamten Fräsfläche bzw. des -volumens berücksichtigt würden. Durch Verwendung der effektiven (anstelle der installierten) Breite der Fräswalze werde die Genauigkeit der Berechnung einer gefrästen Fläche erhöht und die Überdeckung benachbarter Frässpuren "herausgerechnet". Der Fachmann verändere das gemäß KBS7 bekannte System dahingehend, dass statt der installierten Fräswalzenbreite die effektive Breite herangezogen werde, und gelange - wie mit KBS6 - zu einem Berechnungsverfahren mit einer Prüfung auf Überlappungsflächen gemäß Merkmal 5 und einem mathematischen Äquivalent zu den Merkmalen 6 und 7.
Auch ohne einen weiteren Hinweis zu Überlappungsflächen in KBS8 oder KBS6 wisse der Fachmann bei der Aufgabe, die Genauigkeit der Flächenberechnung zu verbessern, dass die möglichen Überlappungsflächen das Problem begründeten. Es genüge die mit KBS8 oder KBS6 vermittelte Lehre, wie Flächen an sich unter Verwendung von Navigationsdaten zu ermitteln seien. Folglich gelange der Fachmann unmittelbar und zwangsläufig zu einem Verfahren, dass die Merkmale 1 bis 7 nach Anspruch 1 erfülle und die Merkmale 6 und 7 mathematisch äquivalent verwirkliche.
Zur Lösung der ausgehend von KBS7 formulierten Aufgabe ziehe der Fachmann auch die KBS5 heran, die ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Steuern einer Erdbewegungsmaschine betreffe, die mit einem GPS-Empfängersystem zur Positionsbestimmung ausgestattet sei (Zusammenfassung; Fig. 2). Basierend auf Positionsdaten der Maschine werde ein aktuelles Modell der Baustelle überwacht und in Echtzeit aktualisiert. So werde der Bewegungspfad der Maschine über die Baustelle (Spalte 5, Zeile 67 bis Spalte 6, Zeile 1) oder eine Streifenbahn des Schneidstreifens eines Großhydraulikbaggers (Spalte 9, Absatz 2; Fig. 9) ermittelt. KBS5 offenbare (Spalte 8, Zeile 40), dass das erstellte aktuelle Baustellenmodell für weitere Analysen verwendet werden könne und prinzipiell auch für Echtzeit-Überwachungen der Veränderungen der Baustellenumgebung (Spalte 10, Zeilen 31 - 36). Der Fachmann entnehme der KBS5 daher, dass der Einsatz von GPS-Technologie und die darauf basierende Erstellung von aktuellen Baustellenmodellen auch prinzipiell für die Analyse der Fräsflächen geeignet sei. Er löse die genannte Aufgabe dadurch, dass er die GPS-Technologie in die Straßenfräse der KBS7 integriere. Der Fachmann erkenne, dass ihm die Positionsbestimmung mittels GPS ermögliche, die Positionen der Fräsflächen zu ermitteln und damit eine Prüfung auf die zwangsweise auftretenden Überlappungsflächen gemäß Merkmal 5 durchzuführen. Die GPS-Technologie der KBS5 schaffe die Voraussetzung dafür, das bekannte Problem der Berücksichtigung der Überlappungsflächen - wie in der Theorie mit Hilfe der analytischen Geometrie - auf einfache Weise zu lösen, nämlich durch Berechnung aller Einzelflächen abzüglich der Schnittflächen. Diese mathematische Modellierung gemäß den Merkmalen 6 und 7 liege im handwerklichen Können des Fachmanns.
Mangelnde erfinderische Tätigkeit - Anspruch 9
Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 9 reduziere sich auf die Anwendung des Verfahrens nach Anspruch 1 in einer mit entsprechender Ausrüstung versehenen Baumaschine oder Abbaumaschine. Die gegenüber dem Verfahrensanspruch 1 hinzugefügten Geräte seien in KBS4, KBS5, KBS6 oder KBS8 offenbart. Der Gegenstand nach Anspruch 9 ergebe sich folglich analog und naheliegend wie für das Verfahren nach Anspruch 1 aus der Kombination KBS4 und KBS5, der Kombination KBS4 und KBS6 sowie der Kombination KBS7 und KBS8.
VII. Die Beschwerdegegnerin entgegnete dem Vorbringen der Beschwerdeführerin wie folgt:
Der Fachmann sei vorliegend ein Maschinenbauingenieur mit Universitätsabschluss und mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Baumaschinen. Die Aufgabe gemäß Streitpatent verlange nicht unterschiedliche Fachleute.
Ausführbarkeit
Das in Absatz [0042] des Streitpatents beschriebene Vorgehen sei für den Fachmann eine rein handwerkliche Tätigkeit und ohne erfinderisches Zutun auszuführen. Wie die Einspruchsabteilung ausgeführt habe, könne ein Fachmann händisch anhand einer Figur (ähnlich Figur 3 der Patentschrift) nachträglich die Bestimmung der Überlappungsflächen durch visuelle Prüfung der Überlappungen manuell vornehmen, z. B. durch Einteilen der Überlappungsflächen in Einheitsflächen und Zählen der Einheitsflächen. Ein Rechner sei nicht zwingend erforderlich, könne aber nach demselben Prinzip vorgehen und führe dies als iteratives Verfahren durch, was zum Grundwissen des Ingenieurs gehöre.
Erfinderische Tätigkeit - Anspruch 1
Der völlig neue Vortrag zur Kombination der KBS7 mit Fachwissen sei als verspätet zurückzuweisen.
Die Merkmale 3 und 4 seien nicht in der KBS7 offenbart. Es sei weder offenbart, dass die Länge derjenigen Frästrajektorie bestimmt werde, an der ein Fräsbetrieb stattgefunden habe, noch dass Maschinenpositionen fortlaufend bestimmt und die bisherigen Teilflächen aufsummiert würden. Möglicherweise werde die gefräste Fläche in KBS7 ermittelt, indem die Fortbewegung der Kettenlaufwerke aufgenommen werde. KBS7 lasse auch offen, ob die installierte Breite der Fräswalze in die Ermittlung der gefrästen Teilflächen eingehe. Möglich sei auch eine manuelle Eingabe einer effektiven Breite durch den Bediener wie in KBS6. Die Argumentation, die Merkmale 5 bis 7 seien für den Fachmann naheliegend, sei eine Ex-post-facto-Analyse, da entscheidend sei, ob der Fachmann veranlasst sei diese Schritte auszuführen. Wenn die Position nicht erfasst werde, seien auch die nachfolgenden Schritte nicht auszuführen, da die Trajektorie unbekannt und auch keine Überlappung von gefrästen Teilflächen festzustellen sei.
Die KBS6 würde der mit der Aufgabe gemäß Streitpatent betraute Fachmann nicht heranziehen, da sie eine Erntemaschine und somit ein anderes technisches Gebiet betreffe und zudem einen anderen Zweck habe. Aufgabe sei in KBS6, den Ertrag, also das Erntevolumen bezogen auf eine bestimmte Fläche zu erfassen (wozu in KBS6 das GPS nötig sei), um den Einsatz von Düngemittel zu optimieren. Das gefräste Volumen bei einer Baumaschine könne nicht wie das (über eine Waage oder über Sensoren leicht bestimmbare) Erntevolumen von Getreidekörnern bestimmt werden. Bei Erntemaschinen stelle sich auch das Problem des Streitpatents nicht, da diese auf Feldern mit bekannten Abmessungen und Größen (siehe Figuren 4, 5: bekannte effektive Mähbreite) eingesetzt würden. Die erbrachte Dienstleistung der Erntemaschine sei bekannt. Der Fachmann ziehe keinen Stand der Technik heran, der voraussetze, worauf er abziele.
Darüber hinaus zeige KBS6 keines der Merkmale 3 bis 7. Merkmal 3 sei nicht erfüllt, da es sich bei der KBS6 nicht um einen Fräsbetrieb handele und auch nicht festgestellt werde, ob ein Mähbetrieb stattfinde oder nicht. Es werde auch keine Länge der Frästrajektorie bestimmt, sondern kleine Flächen (KBS6, Anspruch 1). Für die Festlegung der Größe des geernteten Abschnitts werde stets die wirksame und nicht die installierte Arbeitsbreite (Figuren 4, 5, 6 in KBS6) berücksichtigt und ein durch die effektive Mähbreite zu einem ersten und zweiten Zeitpunkt (an Positionen A A', B B', C C') bestimmtes Polygon berechnet, um den Ertrag pro Fläche zu bestimmen. Es werde nicht berücksichtigt, wie die Erntemaschine zwischenzeitlich gefahren sei. Gemäß der vorliegenden Erfindung erfolge die Berechnung der gefrästen Flächen jedoch, indem eine erste und zweite gefrästen Fläche gespeichert und überlappende Flächen (in KBS6 überhaupt nicht berechnet) in Abzug gebracht würden. KBS6 ziehe nicht die tatsächlich installierte Breite heran und bestimme somit auch nicht gefräste Teilflächen gemäß Merkmal 4. Ziehe man die effektive Breite wie KBS6 heran, komme es nicht zu Überlappungen, die gemäß Merkmal 5 zu überprüfen und gemäß Merkmal 6 in Abzug zu bringen wären. Auch Merkmal 7 werde durch KBS6 nicht erfüllt. Das Verfahren nach Anspruch 1 habe den Vorteil, dass es jederzeit und auch nachträglich ausführbar sei, wenn genügend Rechnerleistung zur Verfügung stehe. Darüber hinaus habe die KBS6 den Nachteil, dass nur zu bestimmten Zeitpunkten die effektive Fräsbreite bestimmt werde. Das Verfahren gemäß Streitpatent sei somit wesentlich genauer.
KBS8 oder KBS5 offenbarten keines der Merkmal 3 bis 7. KBS8 betreffe ein Verfahren zum Fräsen im Tagebau mit vorgegebener Länge der Frässpur und zeige kein GPS. In Absatz [0047] der KBS8 sei lediglich beschrieben, dass die vom Fahrer frei gewählte effektive Arbeitsbreite verwendet werde. Zu KBS5 gebe die Beschwerdeführerin lediglich an, dass die darin beschriebene Technologie dazu verwendet werden könne, die Schritte 5 bis 7 auszuführen, aber nicht, ob der Fachmann tatsächlich die Veranlassung dazu gehabt habe. KBS5 zeige zwar eine Ortung mittels GPS, aber weder die Bestimmung einer Frästrajektorie bzw. deren Länge noch das Prüfen auf Überlappungen von gefrästen Teilflächen.
Erfinderische Tätigkeit - Anspruch 9
Die Angriffe zur erfinderischen Tätigkeit bezüglich Anspruch 9 gegenüber KBS4 und KBS5 bzw. KBS4 und KBS6 seien nicht begründet und nach ständiger Rechtsprechung nicht für das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Bezüglich des Einwands mangelnder erfinderischen Tätigkeit gegenüber KBS7 und KBS8 werde auf die Argumente bezüglich Anspruch 1 des Streitpatents verwiesen.
Entscheidungsgründe
1. Ausführbarkeit
1.1 Das Streitpatent offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 100 b) EPÜ).
1.2 Die Kammer folgt in diesem Punkt vollumfänglich der in der Entscheidung der Einspruchsabteilung dargelegten Auffassung, siehe dort Punkte 14 bis 16.
Mit ihrem Verweis auf die Möglichkeit, die Überlappung von gefrästen Teilflächen nachträglich auch von Hand ohne Hilfe eines Rechners zu prüfen, hat die Einspruchsabteilung nach Auffassung der Kammer durch eine Analogiebetrachtung gezeigt, wie eine Umsetzung auf einem Rechner erfolgen könnte. Die Ausführbarkeit der Erfindung im gesamten bzw. zumindest im wesentlichen beanspruchten Bereich wird dadurch nicht in Frage gestellt.
Was die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage nach der Definition des Fachmanns betrifft, ist zwischen den Parteien unstrittig, dass es sich es sich bei diesem Fachmann um einen Maschinenbauingenieur mit Universitätsabschluss und Erfahrung in der Entwicklung von Baumaschinen bzw. mobilen Arbeitsmaschinen handelt.
Wenn dieser Fachmann nun auch Kenntnisse in der Konzeption von Steuerungen für Baumaschinen mitbringt, wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, so bringt er - auch ohne dazu einen Computerfachmann zu Rate zu ziehen - das nötige Wissen mit, Algorithmen auf einem Rechner zu implementieren.
Dabei ist es aus Sicht der Kammer für die Frage der ausreichenden Offenbarung der Erfindung unerheblich, ob dieser Fachmann mit einem Vermessungsingenieur zusammenarbeitet muss oder nicht, da das Streitpatent bereits von gemessenen Positionsdaten der Maschine und damit bekannten Koordinaten ausgeht. Die Verwertung dieser Daten entsprechend dem Verfahren gemäß Anspruch 1 sowie dem Rechner gemäß Anspruch 9 lag nach Auffassung der Kammer am Prioritätstag des Streitpatents im Fachwissen des Maschinenbauingenieurs, der aufgrund seines Studiums weit mehr als nur grundlegende mathematische Kenntnisse besitzt.
1.3 Die Kammer sah im Übrigen keinen Grund, die angefochtene Entscheidung allein deshalb aufzuheben, dass darin Bezug genommen wird auf einen zuvor nicht definierten Fachmann, wie von der Beschwerdeführerin gerügt. Insbesondere konnte die Kammer nicht erkennen, dass damit besondere Gründe vorliegen, die Anlass zu einer Zurückverweisung an die Vorinstanz geben könnten (siehe Artikel 11 VOBK 2020 der am 1. Januar 2020 in Kraft getretenen neuen Verfahrensordnung der Beschwerdekammern).
2. Erfinderische Tätigkeit ausgehend von KBS7
2.1 Der Gegenstand des unabhängigen Verfahrensanspruchs 1 und ebenso des korrespondierenden Produktanspruchs 9 beruhen ausgehend von KBS7 als nächstliegendem Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 56 EPÜ).
Auch hier schließt sich die Kammer im wesentlichen der Entscheidung der Einspruchsabteilung an.
Im Einzelnen:
2.2 Unstrittig zeigt KBS7 die Merkmale 1 und 2, aber nicht die Merkmale 5 bis 7 des Anspruchs 1. Die Kammer folgt der Beschwerdeführerin allerdings nicht darin, dass die Merkmale 3 und 4 implizit aus KBS7 bekannt seien. KBS7 lässt offen, wie die protokollierte gefräste Fläche bestimmt wird. Es fehlt somit sowohl eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung für die mit Merkmal 3 geforderte Bestimmung der Länge der Frästrajektorie durch Auswerten der fortlaufenden Maschinenpositionen, als auch der Schritt eines Aufsummierens der bisher gefrästen Teilflächen gemäß Merkmal 4 als Produkt der Länge der Frästrajektorie mit der installierten Breite der Fräswalze. Wie in dem im Streitpatent beschriebenen Stand der Technik kann die Länge der Frästrajektorie in KBS7 auch durch Messung der gefahrenen Wegstrecke bestimmt werden. Die gefräste Fläche muss zudem nicht auf der installierten Breite der Fräswalze beruhen, sondern möglicherweise auf einer durch den Bediener der Maschine eingegebenen effektiven Fräsbreite.
2.3 Mit diesem Unterschied stellt sich ausgehend von KBS7 die Aufgabe, die erbrachte Dienstleistung, also die tatsächlich gefräste Fläche mit hoher Genauigkeit zu bestimmen, wie im Streitpatent formuliert und von der Beschwerdeführerin zugestanden.
2.4 Die Beschwerdeführerin trug ausgehend von KBS7 zu Anspruch 1 Angriffslinien in Kombination mit dem Fachwissen oder mit KBS6, KBS8 oder KBS5 vor.
Der Gegenstand nach Anspruch 9 ergebe sich laut Beschwerdeführerin in analoger Weise wie für das Verfahren nach Anspruch 1 in naheliegender Weise ausgehend von KBS7 aus der Kombination mit KBS8.
Die Beschwerdeführerin hat weiterhin argumentiert, dass die zusätzlichen strukturellen Merkmale des Anspruchs 9 in KBS8 sowie in KBS6, KBS5 oder KBS4 offenbart seien. Eine Kombination von KBS7 mit KBS6, KBS5 oder KBS4 kann aber auch nur dann zum Gegenstand des Anspruchs 9 führen, wenn der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
2.5 Die Kammer bezweifelt nicht, dass eine Bestimmung der Position von Maschinen wie Baumaschinen mittels GPS dem Fachmann zum Prioritätstag des Streitpatents bekannt war, auch unabhängig von der Offenbarung in KBS6 oder KBS5. Die Kammer kann der Beschwerdeführerin auch insoweit folgen, dass der Fachmann das Problem der Überlappungsflächen von sich überlappenden Fräsflächen oder kreuzenden Frästrajektorien bei der Bestimmung der tatsächlich gefrästen Fläche eines Gebietes kennt und Überlappungsflächen "herauszurechnen" sind. Zudem beschreibt Merkmal 7 lediglich das Ergebnis der vorausgehenden Schritte 3 bis 6.
Ausgehend von dem in KBS7 gezeigten System "WIDIS 32" ist es für den Fachmann bei der gestellten Aufgabe allerdings nicht nahegelegt, die in Anspruch 1 definierten Verfahrensschritte 3 bis 6 durchzuführen und entsprechend die Merkmale 3 bis 6 gemäß Anspruch 9, wie im Folgenden dargelegt.
2.5.1 Berücksichtigt der Fachmann ausgehend von KBS7 bei der gestellten Aufgabe die KBS6, was die Beschwerdegegnerin strittig stellt, so ist eine Bestimmung der Position der Baumaschine durch laufende GPS-Ortung nahegelegt. Ob allerdings die Länge der Frästrajektorien, also der zwischen einer ersten und zweiten Position von der Maschine zurückgelegten Fräsbahnen (siehe Abstract von KBS6) aus den Maschinenpositionen bestimmt wird, ist bereits nicht klar in KBS6 gezeigt, da das Ziel in KBS6 die Ermittlung eines flächenbezogenen Ertrags für einzelne Abschnitte des abzuerntenden Feldes ist. Die gemäß KBS6 verwendete Software (Spalte 3, Zeilen 52-64) kann zwar zur Flächenbestimmung eine Aufteilung der einzelnen Abschnitte in grundlegende geometrische Formen oder in scheiben- oder gitterförmige rechteckige oder quadratischen Formen vornehmen. Dies bedeutet aber nicht, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, dass die Länge der Frästrajektorie durch Aufsummieren von kleinen Trajektorien bestimmt wird. Insbesondere legt die KBS6 auch nicht nahe, dass eine Bestimmung der Länge der Frästrajektorien nur für die Positionen erfolgt, an denen ein Fräsbetrieb stattgefunden hat, wie mit Merkmal 3 gefordert.
Auch geht die KBS6, wie von der Beschwerdeführerin anerkannt, immer von der wirksamen bzw. effektiven Arbeitsbreite an einer ersten und zweiten Position bei der Ermittlung der geernteten Teilflächen aus, bestimmt daraus die Fläche eines Polygons und summiert diese Teilflächen basierend auf der wirksamen (also nicht wie mit Merkmal 4 gefordert der installierten) Fräsbreite auf. Die Lehre der KBS6 legt somit gerade keine Prüfung der geernteten Teilflächen auf Überlappung und keinen Abzug von Überlappungsflächen von aufsummierten Flächen nahe, wie mit den Merkmalen 5 bis 7 gefordert.
Auch wenn die Lehre der KBS6 im Ergebnis die als problematisch erkannten Überlappungsflächen erfasst und mathematisch äquivalent "herausrechnet", so wird damit keineswegs die mit Anspruch 1 geforderte Abfolge von Verfahrensschritten nahegelegt.
Die Kammer folgt damit der angefochtenen Entscheidung, dass eine Kombination der Dokumente KBS7 und KBS6 nicht zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 führt. Dies gilt entsprechend auch für Anspruch 9 wie erteilt.
2.5.2 Da auch in KBS8 nur die effektive Arbeitsbreite einer Fräsmaschine das Gesamt-Fräsvolumen bestimmt (siehe Absatz [0047]), kann mit gleicher Begründung wie zu KBS6 auch eine Kombination der Dokumente KBS7 und KBS8 nicht zum Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 und 9 führen. Zudem betrifft die KBS8 (siehe Zusammenfassung) ein Verfahren zum Fräsen einer Tagebaufläche oder zum Abfräsen von Schichten einer Verkehrsfläche entlang einer Frässpur vorgegebener Länge und offenbart keine Ermittlung der Position der Arbeitsmaschine, so dass aus diesen Gründen Merkmal 3 bereits nicht durch KBS8 nahegelegt sein kann.
2.5.3 KBS5 offenbart zwar ein GPS-Empfängersystem zur Positionsbestimmung einer Erdbewegungsmaschine und die Ermittlung eines Bewegungspfads der Maschine. Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass in KBS5 ein aktuelles Modell der Baustelle aktualisiert und für weitere Analysen verwendet werden kann. Damit mag KBS5 ein Baustellenmodell nahelegen, dass prinzipiell für die Analyse von Fräsflächen geeignet ist, und die Voraussetzungen dafür schaffen, das bekannte Problem der Berücksichtigung von Überlappungsflächen zu lösen. Die Kammer war aber nicht überzeugt, dass damit ein Verfahren mit den Merkmalsschritten 3 bis 6 der Ansprüche 1 und 9 nahegelegt ist. Insbesondere ist nicht ersichtlich, wieso der Fachmann bei Kenntnis eines aktualisierten Baustellenmodells die insgesamt gefräste Fläche nicht unabhängig von einer zuvor bestimmten Länge der Frästrajektorien und einem darauf aufbauenden Algorithmus bestimmen würde.
2.5.4 Wie vorstehend zu KBS6, KBS8 und KBS5 ausgeführt, hat der Fachmann mehrere Möglichkeiten, die gefräste Fläche mit hoher Genauigkeit zu bestimmen, z. B. anhand der effektiven Arbeitsbreite (anstelle der installierten Fräswalzenbreite) oder durch Analyse eines aktuellen Baustellenmodells. Es ist zudem fraglich, ob der Fachmann ausgehend von KBS7 zur genauen Bestimmung der gefrästen Fläche die Länge der Frästrajektorien für die Phasen, in denen ein Fräsbetrieb stattgefunden hat, über Positionsdaten bestimmt hätte. Die im Streitpatent als Stand der Technik beschriebene Messung der zurückgelegten Wegstrecke ermöglicht eine genaue Bestimmung der Länge der Frästrajektorie in einfacher und zuverlässiger Weise (z. B. mittels Sensorik an den Kettenlaufwerken der Fräsmaschine), ohne Maschinenpositionen zu erfassen und auszuwerten.
Damit sind nach Auffassung der Kammer ausgehend von KBS7 bereits die Merkmale 3 und 4 der erteilten Ansprüche 1 und 9 für den Fachmann nicht nahegelegt, so dass sich der Gegenstand dieser Ansprüche für den Fachmann ausgehend von KBS7 in Alleinstellung nur rückschauend in Kenntnis der Erfindung ergibt.
Vor diesem Hintergrund erübrigt es sich, zur Frage der Zulassung dieser erstmalig mit der Beschwerdebegründung vorgetragenen Angriffslinie in das Beschwerdeverfahren Stellung zu nehmen.
2.6 Weitere Angriffslinien zu Anspruch 9
2.6.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert in der Beschwerdebegründung, dass der Gegenstand gemäß Anspruch 9 sich auch aus der Kombination KBS4 und KBS5 sowie der Kombination KBS4 und KBS6 ergebe.
Diese Angriffslinien wurden zwar im Einspruchsverfahren vorgetragen und in der angefochtenen Entscheidung beschieden. Die Beschwerdeführerin hat allerdings im Beschwerdeverfahren keine Gründe vorgebracht, inwieweit die Entscheidung der Einspruchsabteilung fehlerhaft und deshalb zu korrigieren sei.
2.6.2 Aus Artikel 12 (2) VOBK 2007 der bei Einreichung der Beschwerdebegründung geltenden Verfahrensordnung der Beschwerdekammern ergab sich beim Eintritt in das Beschwerdeverfahren für die Beschwerdeführerin die Verpflichtung, den vollständigen Sachvortrag in der Beschwerdebegründung darzulegen und insbesondere anzugeben, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder abzuändern ist. Dieser Pflicht zur Substantiierung ihrer Einwände ist die Beschwerdeführerin in Bezug auf Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 9 ausgehend von KBS4 jedoch nicht nachgekommen.
Es besteht gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007, letzter Halbsatz, keine Verpflichtung der Kammer, ein Vorbringen eines Beteiligten zu berücksichtigen, dass sich nicht auf die Beschwerdesache bezieht und die Erfordernisse des Artikels 12 (2) VOBK 2007 erfüllt.
2.6.3 Die Kammer sieht deshalb vorliegend keinen Grund, die angefochtene Entscheidung dahingehend zu überprüfen, ob der Gegenstand des Anspruchs 9 ausgehend von KBS4 als nächstliegendem Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.