T 0377/17 (Druckfestes Porenbetonmaterial/XELLA) of 2.7.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T037717.20190702
Datum der Entscheidung: 02 Juli 2019
Aktenzeichen: T 0377/17
Anmeldenummer: 09161131.9
IPC-Klasse: C04B 28/18
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Porenbetonmaterial sowie Verfahren zu seiner Herstellung
Name des Anmelders: Xella Technologie- und Forschungsgesellschaft mbH
Name des Einsprechenden: PORIT GmbH
Rodgauer Baustoffwerke GmbH & Co. KG
Paul Wüseke Kalksandsteinwerk GmbH & Co. KG
Paderborn
H+H Deutschland GmbH
Bundesverband Porenbetonindustrie e.V.
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 100(b)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (nein)
Ausreichende Offenbarung - unzumutbarer Aufwand (ja)
Ausreichende Offenbarung - Nacharbeitbarkeit (nein)
Antrag auf Erstellen eines unabhängigen Gutachtens (abgelehnt)
Vorlage an die Große Beschwerdekammer - (nein)
Beweisaufnahme - Begutachtung durch Sachverständigen (nein)
Beweisaufnahme - Zeugenvernehmung (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0014/83
T 0206/83
T 0171/84
T 0312/88
T 0931/91
T 0516/99
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent Nr. 2 163 534 zu widerrufen. Das Patent betrifft Porenbetonmaterial sowie Verfahren zu seiner Herstellung.

II. Anspruch 1 in seiner erteilten Fassung (Hauptantrag im Beschwerdeverfahren) hat folgenden Wortlaut:

"1. Hydrothermal gehärtetes Porenbetonmaterial in Form von als geschnittene Formkörper vorliegenden Porenbetonsteinen, aufweisend ein Feststoffsteggerüst, das Mikroporen aufweist und aus einem Schaum resultierende oder durch einen Treibprozess erzeugte Poren umgibt, wobei das Feststoffsteggerüst aus Calziumsilikathydrat-Phasen ausgebildet ist, über 50 Masse-% 11 Å-Tobermorit aufweist und bis zu 10 Masse-% Restquarzkörner enthält, wobei das Porenbetonmaterial eine Steindruckfestigkeit von mindestens 2,5 N/mm**(2)und eine Wärmeleitfähigkeit von höchstens 0,09 W/mK aufweist und die Rohdichte zwischen 300 und 400 kg/m**(3)beträgt."

III. In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehe. Die der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegenden Hilfsanträge erfüllten nicht das Erfordernis nach Artikel 83 EPÜ.

Um die Lehre des Streitpatents nachzuarbeiten, finde der Fachmann die konkretesten Hinweise für ein mögliches Vorgehen in Bezug auf eine zu verwendende Rezeptur in Absatz [0022] bzw. in Anspruch 8 des Streitpatents. Die in den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Versuchen

D46: Fraunhofer IBP-Bericht BBH 022/2016/285

offenbarten Werte für die Aluminiumkomponente von 0,16 Gew.-%, wichen von den entsprechenden, im Patent an den genannten Stellen offenbarten Werten von 0,6 bis 0,7 Gew.-% erheblich ab. Um einen geeigneten Gehalt an Aluminiumkomponente einzustellen, seien daher Vorversuche nötig. Gemäß D46 sei das C/S-Verhältnis so einzustellen, dass es unterhalb von 0,9 liege. Welches C/S-Verhältnis die einzelnen Proben in D46 aufwiesen, gehe aus diesem Dokument jedoch nicht hervor. Trotz Vorversuchen zu Gehalt an Aluminiumkomponente und C/S-Verhältnis habe in D46 nur einer von vier Versuchen zum Erfolg geführt, d.h. sei ein Porenbetonmaterial mit den in Anspruch 1 des Streitpatents angegebenen Eigenschaften erhalten worden. Es handle sich somit um eine Situation von "Versuch und Irrtum". In einem solchen Falle müssten die Beschreibung des Patents oder das allgemeine Fachwissen dem Fachmann eine brauchbare Anleitung liefern, die ihn nach Auswertung anfänglicher Fehlschläge zwangsläufig und ohne Umwege zum Erfolg führe. Im vorliegenden Fall könne der Fachmann hingegen nur durch Herumexperimentieren feststellen, ob er die vielen Parameter des Streitpatents so gewählt habe, dass sich ein befriedigendes Ergebnis einstellen würde. Dies sei ein unzumutbarer Aufwand.

IV. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung wurde u.a. noch auf folgende Dokumente Bezug genommen:

D1: Lippe et al., Wärmeleitfähigkeit von Porenbeton, Freiberger Forschungshefte A, Bd. 851, 1999, Seiten 224 bis 229

D2: Homann, M., Porenbeton Handbuch, Bundesverband Porenbeton, 6. Auflage 2008

D4: Technische Mitteilungen, Bundesverband Kalksteinindustrie eV, 1986.08.01

D7: Schlegel, E., et al., Porenbeton - die Entwicklung von Gefüge und Eigenschaften eines Werkstoffes, das Mauerwerk, Band 6, Heft 3/2002, Seiten 82-88

D12: Stellungnahme Prof. Schlegel

D15: Eidesstattliche Versicherung Herr Bodner

D43: Laborbericht LB-P-20 samt Anlagen

D48: Laborbericht des Institute of Ceramics and Building Materials

V. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin einen Hilfsantrag ein, dessen Anspruch 1 denselben Wortlaut hat wie Anspruch 1 in seiner erteilten Fassung. Sie reichte u.a. auch noch folgende Dokumente ein:

D55: Laborbericht LB-P-24 samt Anlagen

D56: Laborbericht LB-P-25 samt Anlagen

VI. Die Beschwerdeführerin reichte noch folgendes Dokument ein:

D64: Laborbericht LB-P-347 samt Anlage

VII. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer reichte die Beschwerdeführerin Hilfsantrag 2 ein, dessen Anspruch 1 denselben Wortlaut hat wie Anspruch 1 in seiner erteilten Fassung.

VIII. Die Beschwerdeführerin trug im Wesentlichen wie folgt vor:

Vor die Aufgabe gestellt, die beanspruchte Erfindung nachzuarbeiten, würde der Fachmann nicht von den im Patent angegebenen Bereichen ausgehen, sondern als Ausgangspunkt jeweils die in seinem eigenen Werk für Porenbetonmaterialien der Druckfestigkeitsklasse P2 verwendeten Rezepturen verwenden. Die im Patent angegebenen Werte für den Gehalt an Aluminiumkomponente seien nicht fehlerhaft. Der Fachmann würde erkennen, dass die im Patent für die Aluminiumkomponente angegebenen Masse-% sich auf eine Suspension dieser Komponente bezögen. Ausgehend von den ihm zur Verfügung stehenden Rezepturen müsse der Fachmann in Anbetracht der Lehre des Patents lediglich den C/S-Gehalt einstellen. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100b) EPÜ stehe daher der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.

Es werde die Erstellung eines unabhängigen Sachverständigengutachtens beantragt. In einem solchen Gutachten könne ein Sachverständiger dazu Stellung nehmen, worin die Lehre des Streitpatents liege und wie der Fachmann von dieser ausgehend vorgehen würde, um zum beanspruchten Material zu gelangen und insbesondere, ob ein Fachmann in der Lage sei, die Menge an Aluminiumkomponente einzustellen.

Im Zusammenhang mit den Dokumenten D55 und D56 werde Zeugenbeweis durch die bei der Erstellung dieser Dokumente beteiligten Personen bzw. durch die mit der entsprechenden Versuchsdurchführung betrauten Mitarbeiter der Beschwerdeführerin angeboten.

Es werde beantragt, die Große Beschwerdekammer mit der folgenden Rechtsfrage zu befassen:

"Ist es zur Gewährleistung eines fairen und rechtssicheren Patenterteilungsverfahrens grundsätzlich geboten, in einem Einspruchsverfahren oder Einspruchsbeschwerdeverfahren von [sic] einer Einspruchsabteilung oder einer Beschwerdekammer einen unabhängigen Fachmann, im vorliegenden Fall einen Porenbetonfachmann, zu Rate zu ziehen, wenn

- die Ausführbarkeit des Gegenstandes der Erfindung auf der Basis der Formulierungen eines Produktanspruchs und eines sich darauf beziehenden Verfahrensanspruches von der Einsprechenden bestritten und von der Patentinhaberin verteidigt wird, sodass widersprüchliche Angaben zur Bewertung für eine Entscheidung vorliegen

- objektiv keine Offensichtlichkeit der Nichtausführbarkeit ohne weiteres erkennbar ist

- und die Einspruchsabteilung oder die Beschwerdekammer nicht mit einem Mitglied besetzt ist, das Fachmann auf dem jeweils befassten Sachgebiet ist, im vorliegenden Verfahren Fachmann auf dem Sachgebiet der Produktherstellung, der Produktüberwachung und der Überwachung und Entwicklung von Rezepturen von Porenbetonprodukten."

Diese Rechtsfrage sei von grundsätzlicher Bedeutung, da in vielen Fällen Einspruchsabteilungen und Beschwerdekammern nicht mit Fachleuten auf dem speziellen Gebiet, welches das in Streit stehende Patent zum Gegenstand habe, besetzt seien.

IX. Die Beschwerdegegnerinnen haben im Wesentlichen wie folgt vorgetragen:

Der Fachmann würde von den im Patent offenbarten bevorzugten Bereichen für die Komponenten der Rezeptur ausgehen. Aus dem Patent ergebe sich für den Fachmann weder, dass es sich bei der Angabe des Bereichs für die Aluminiumkomponente um einen Fehler handle, noch dass sich diese Angabe auf eine Suspension der Aluminiumkomponenten beziehe. Auch ergebe sich aus dem Patent keine Lehre dahingehend, wie der C/S-Wert der Rezeptur einzustellen sei, um die beanspruchten Eigenschaften zu erzielen. Mithin sei die Ausführung der Erfindung für den Fachmann mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden.

Der Antrag auf Erstellung eines unabhängigen Gutachtens sei abzuweisen. Ebenso sei der Antrag auf Vorlage einer Frage an die Große Beschwerdekammer abzuweisen.

X. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung der Einsprüche, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags oder des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 2. Sie beantragte ferner die Vorlage der während der mündlichen Verhandlung eingereichten Rechtsfrage an die Große Beschwerdekammer.

Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

Ausführbarkeit (alle Anspruchssätze)

1. Offenbart das europäische Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann, so ist das Patent gemäß Artikel 100b) und 101(2) EPÜ zu widerrufen.

2. Das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung soll sicherstellen, dass der Fachmann die Erfindung ohne eigene Ermittlungen bzw. ohne unzumutbare Versuche wiederholen kann, und ist jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn er die Erfindung nicht nach wenigen klärenden Versuchen zielsicher ausführen kann, hierzu vielmehr erst erfinderisch tätig werden muss (T 312/88, Gründe 3.3, T 516/99, Gründe 3).

3. Der vorliegende Anspruch 1 des Hauptantrags beschreibt die Erfindung durch eine Mehrzahl an Parametern (Masse-% an 11 Å-Tobermorit, Masse-% an Restquarzkörnern, Mindestwert für die Steindruckfestigkeit, Höchstwert für die Wärmeleitfähigkeit, Rohdichte). Um ein Porenbetonmaterial gemäß Anspruch 1 zu erhalten, muss der Fachmann daher in Kenntnis darüber sein, wie er ohne erfinderisches Zutun eine Rezeptur bereitstellen kann und ggf. die Autoklavbedingungen einstellen muss, um die vorgeschriebenen Werte dieser Parameter zu erhalten.

4. Im vorliegenden Fall offenbart das Streitpatent keine Ausführungsbeispiele. Zwar werden in Absatz [0030] Versuchsergebnisse aufgeführt. Wie diese erhalten wurden und insbesondere welche Rezepturen bzw. Autoklavbedingungen dabei verwendet wurden, geht aus dem Patent jedoch nicht hervor. In Ermangelung eines konkreten Ausführungsbeispiels würde der Fachmann im Patent nach sonstigen Angaben suchen, die ihm die Nacharbeitung der Erfindung ermöglichen, und dabei auf die im Patent als beispielhaft für die einzelnen Rezepturkomponenten angegebenen Mengenangaben stoßen. Innerhalb dieser würde er sich naheliegenderweise von den dort als bevorzugt angegebenen, bzw. mit "insbesondere" gekennzeichneten Bereichsangaben die größten Chancen für eine Nacharbeitbarkeit der Erfindung erwarten und daher zunächst von diesen ausgehen.

5. Die Beschwerdeführerin vertritt demgegenüber die Auffassung der Fachmann, welcher die beanspruchte Erfindung ausführen möchte, werde von der in "seinem" Werk verwendeten Rezeptur für Porenbetonmaterialien der Güteklasse P2 ausgehen. Dies gehe aus den Absätzen [0013] und [0014] hervor. Jeder Porenbetonhersteller arbeite mit unterschiedlichen Rohstoffen, welche jeweils unterschiedliche Wirkstoffgehalte und Reaktivitäten aufwiesen. Diese seien dem jeweiligen Fachmann jedoch bekannt, sodass er hiervor ausgehen würde. Dies stelle ein Knowhow dar, welches nicht öffentlich zugänglich ist und auch nicht offen gelegt werden solle, weshalb die Beschwerdeführerin auch im gegenständlichen Falle auf die Angabe einer konkreten Rezeptur im Patent verzichtet habe. Ausgehend von solchen ihm bekannten Rezepturen müsse der Fachmann gemäß der Lehre des Patents lediglich den Tobermoritgehalt mittels Zugabe von feingemahlenem Quarzmehl und Einstellung des C/S-Verhältnisses erhöhen.

Ein solcher Ansatz steht jedoch nicht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern und insbesondere nicht mit den oben zitierten Entscheidungen, wonach die Offenbarung der Erfindung den Fachmann, allenfalls unter Zuhilfenahme des allgemeinen Fachwissens, in die Lage versetzen muss, die Erfindung nachzuarbeiten. Die Rezepturen der verschiedenen Porenbetonhersteller und insbesondere die Wirkstoffgehalte und Reaktivitäten der verwendeten Rohstoffe gehören jedoch gerade nicht zum allgemeinen Fachwissen, da, wie die Beschwerdeführerin vorträgt, diese Informationen nicht öffentlich zugänglich sind; sie sind vielmehr geheimes Knowhow der jeweiligen Unternehmen. Im Übrigen lässt sich den von der Beschwerdeführerin zitierten Absätzen [0013] und [0014] schon keine Lehre dahingehend entnehmen, dass von einer in einem konkreten Werk verwendeten Rezeptur für ein P2-Material auszugehen sei. So wird in [0013] lediglich auf "bekannte Verfahren", also den Stand der Technik, abgestellt und in Absatz [0014] wird die Aufgabe der Erfindung als die Bereitstellung eines Porenbetonmaterials mit der Druckfestigkeitsklasse P2 und einer bestimmten Wärmeleitfähigkeit beschrieben. Eine an den Fachmann gerichtete Lehre dahingehend, dass er von ihm bekannten konkreten Rezepturen auszugehen habe, ist diesen Absätzen nicht zu entnehmen.

6. Die Kammer hat daher zu beurteilen, ob der Fachmann in Kenntnis des Streitpatents, ausgehend von den in Absatz [0022] angegebenen bevorzugten Bereichen für die einzelnen Komponenten, und aufgrund des allgemeinen Fachwissens in der Lage ist, ein Porenbetonmaterial nach Anspruch 1 herzustellen.

6.1 Aluminiumgehalt

6.1.1 In Absatz [0022] bzw. Anspruch 8 in der erteilten Fassung wird für die Aluminiumkomponente ein Wert von 0,6 bis 0,7 Masse-% angegeben. Es steht außer Streit, dass bei einem Gehalt an Aluminiumkomponente in diesem Bereich das gewünschte Porenbetonmaterial nicht erhalten wird bzw. dass alle im gegenständlichen Verfahren eingereichten Versuche, bei denen ein anspruchsgemäßes Porenbetonmaterial erzielt wurde, mit einem wirksamen Gehalt an Aluminiumkomponente in einer Größenordnung von 0,13 bis 0,16 Masse-% erhalten wurden.

6.1.2 Die Beschwerdeführerin trägt dabei vor, dass es sich in Absatz [0022] bzw. Anspruch 8 bei der Angabe der Masse-% nicht um einen Fehler, sondern vielmehr um die Angabe der Masse-% einer Suspension der Aluminiumkomponente handele. Sie verweist hierzu auf D2, Seite 12, Abschnitt 1.2.

6.1.3 Der Vortrag der Beschwerdeführerin überzeugt nicht. So beziehen sich die Angaben in Absatz [0022] und Anspruch 8 des Patents explizit auf "Massenprozent, bezogen auf die trockene Mischung" (Hervorhebung durch die Kammer), weshalb der Fachmann die Angabe "Aluminiumkomponte... 0,6 bis 0,7" in Absatz [0022] und Anspruch 8 als Masse-% des wirksamen Gehalts an Aluminiumkomponente betrachten würde. Der Fachmann würde daher weder erkennen, dass es sich um eine fehlerhafte Angabe handelt, noch dass es sich um die Angabe des Gehalts an Suspension der Aluminiumkomponente handelt. Auch der Verweis auf D2, welche als Nachweis für das allgemeine Fachwissen angesehen werden kann, vermag diese fehlerhafte Angabe nicht zu korrigieren. Zwar kann man der Abbildung 1.1 auf Seite 12 entnehmen, dass der Aluminiumgehalt 0,13 Masse-% beträgt, um eine Rohdichte von 400 kg/m**(3) zu erhalten. Allerdings wird zum einen nicht auf die Zugabe der Aluminiumkomponente als Suspension abgestellt; zum anderen geht aus D2, Seite 12, Abschnitt 1.2, hervor, dass die Rohdichte nicht nur vom Gehalt an Aluminiumkomponente abhängt, sondern auch vom Feststoffgehalt und der Dosierung der Bindemittel. Aus D2 geht somit nicht hervor, dass der Fachmann den im Patent offenbarten Bereich von 0,6 bis 0,7 Masse-% als bezogen auf eine Suspension mit ca. 3 Teilen Wasser und 1 Teil Feststoffen (vgl. auch D56, Fußnote in Tabelle 3) ansehen würde. Der Fachmann würde mit seinem durch D2 nachgewiesenen Fachwissen und der in Absatz [0022] und Anspruch 8 des Patents enthaltenen Lehre bei der Ausführung der Erfindung vielmehr die an den genannte Stellen des Patents offenbarten Werte auf den wirksamen Gehalt an Aluminiumkomponente beziehen und entsprechende Anpassungen bei Feststoffgehalt und Dosierung der Bindemittel vornehmen, bevor er diese Werte durch den in D2 offenbarten ersetzen würde.

6.1.4 Der Fachmann, der vor die Aufgabe gestellt ist, die Erfindung auszuführen, müsste daher bereits hinsichtlich des Aluminiumgehalts herumexperimentieren, ohne dass jedoch entsprechende Anweisungen aus dem Patent oder dem allgemeinen Fachwissen ersichtlich sind, wie er die Erfindung nach wenigen klärenden Versuchen zielsicher ausführen kann.

6.1.5 Dieser Schlussfolgerung stehen auch nicht die von der Beschwerdeführerin beigebrachten Beweismittel entgegen. So wird in D46 (Tabelle 1) ein Aluminiumgehalt von 0,16 Massen-% verwendet (also ca. ein Faktor von 4 unterhalb des im Patent angegebenen Bereichs). Dieser Wert wurde "auf Basis der Erfahrungen des IBP, der zu erreichenden Rohdichte von 350 kg/m**(3), sowie unter Berücksichtigung der am IBP verwendeten Alu-Komponente gesondert ermittelt" (D46, Seite 4, 1. Absatz). Wie dieser Wert ermittelt wurde und ob hierfür wenige klärende Versuche vonnöten waren, geht aus D46 nicht hervor. Vielmehr legt die zitierte Stelle den Schluss nahe, dass auf Kenntnisse zurückgegriffen wurde, die nicht zum allgemeinen Fachwissen gehören bzw. nicht nachweislich öffentlich zugänglich waren (vgl. den Ausdruck "Erfahrungen des IBP"). Den von der Beschwerdeführerin angeführten Stellen von D48 (Seite 8, Abschnitt 2 und Seite 9, Tabelle 9) lässt sich zwar auch ein wirksamer Gehalt an Aluminiumgehalt von etwa 0,13 % entnehmen, diese enthalten jedoch keine Information dahingehend, wie dieser eingestellt wurde, d.h. weshalb der im Patent offenbarte Wert von 0,6 bis 0,7 % durch den vorgenannten Wert ersetzt wurde.

6.1.6 Auch verfängt das Argument der Beschwerdeführerin nicht, wonach der Autor von D15 keine Probleme gehabt habe, den Aluminiumgehalt einzustellen, um zur beanspruchten Rohdichte zu gelangen. Zwar wird in D15 ein Gehalt an Aluminiumkomponente von 0,13 Masse-% eingestellt (siehe Anlage C), allerdings ergibt sich aus D15 nicht, wie dieser Wert ermittelt wurde. Darüber hinaus steht außer Streit, dass keiner der fünf Versuche von D15 zu einem Porenbetonmaterial geführt hat, welches die in Anspruch 1 geforderten Eigenschaften besitzt (vgl. Anlage C, "Ergebnisse"), sodass D15 jedenfalls nicht als Nachweis dafür dienen kann, dass der Fachmann anhand weniger klärender Versuche die Erfindung nacharbeiten kann.

6.1.7 Auch D55 ist als ein solcher Nachweis ungeeignet. Zum einen geht aus D55 nicht hervor, weshalb der beauftragte Laborleiter von den Angaben im Patent hinsichtlich des Aluminiumgehalts abgewichen ist, d.h. ob und weshalb er die diesbezüglichen Daten als fehlerhaft beurteilte bzw. diese als bezogen auf eine Suspension angesehen hat. Zum anderen wurde der in D55 angegebene Gehalt an Aluminiumkomponente "aus realen Rezepten berechnet" (D55, Anlage 3, Seite 2 von 2, Punkt 10), d.h. aus Rezepten, welche dem Laborleiter zur Verfügung standen, jedoch nicht notwendigerweise öffentlich zugänglich waren bzw. zum allgemeinen - und damit öffentlich zugänglichen - Fachwissen gehörten. Überdies wird in D55 angegeben, dass "die Alu-Mengen [...] für die [Kleinversuche] in Vorversuchen, entsprechend der vorgegebenen Treibhöhe angepasst werden [müssen]" (D55, loc.cit.) und der Laborleiter "den Erfolg einer einstufigen Lösung von der Rezeptur zum gewünschten Ergebnis kritisch [sieht]" (D55, Anlage 3, Seite 1 von 2). An einer weiteren Stelle von D55 (Anlage 2, E-Mail vom 21. Februar 2017) heißt es wie folgt:

"Es ist jedoch nicht möglich, ein Rezept anzugeben, das die Anforderungen erfüllt und auch in der Produktion funktioniert, ohne die Rezepte in Gießversuchen zu verifizieren. Man kann die Rezepte nur schrittweise in mehreren Versuchsstufen entwickeln".

Somit vermag auch D55 die Zweifel der Kammer daran nicht auszuräumen, dass der Fachmann anhand weniger klärender Versuche die Erfindung nacharbeiten kann. Vielmehr bestätigen die darin enthaltenen Aussagen des Laborleiters den Schluss, dass es mehr als einiger weniger solcher Versuche bedarf, um die Erfindung nachzuarbeiten.

6.2 Was das C/S-Verhältnis betrifft, so geht aus dem Streitpatent hervor, dass es wesentlich ist, die SiO2-Komponente "mengenmäßig auf die CaO-Gehalte der CaO-Komponente" einzustellen, um das gewünschte Porenbetonmaterial zu erhalten (Absatz [0023] und Anspruch 6). Allerdings findet sich im Patent diesbezüglich lediglich die Lehre, dass das C/S-Verhältnis so einzustellen sei, dass "eine vollständige bis nahezu vollständige Reaktion mit dem CaO der CaO-Komponente zu CSH-Phase mit über 50 M-% 11 Å-Tobermorit im Autoklaven abläuft" (Absatz [0023]). Welche Werte hierfür in Frage kommen, lässt sich dem Patent nicht entnehmen.

6.2.1 Nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin unter Verweis auf D1, D4 und D7 sei es bekannt, dass das C/S-Verhältnis für 11 Å-Tobermorit 0,78 betrage, weshalb der Fachmann in Kenntnis der Lehre des Patents und vor dem Hintergrund des Vorliegens fein gemahlenen Sandmehls das C/S-Verhältnis über diesem Wert einstellen würde, um den gewünschten Gehalt an 11 Å-Tobermorit und damit die in Anspruch 1 des Streitpatents genannten Eigenschaften zu erreichen.

6.2.2 Auch aus D64, dessen eine Autorin die im Streitpatent genannte Erfinderin ist, geht hervor, dass zum Erreichen der gewünschten Eigenschaften, das C/S-Verhältnis entsprechend eingestellt werden muss (Punkt 4 Diskussion und Punkt 5 Zusammenfassung). In D64 betrug dieses 0,89 (Punkt 4 Diskussion).

6.2.3 Auch gemäß D46 solle das C/S-Verhältnis unterhalb von 0,9 liegen (Seite 4, 1. Absatz). Nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin betrug das C/S-Verhältnis in D46 0,89 bzw. 0,9.

6.2.4 Folgt man der Ansicht der Beschwerdeführerin, würde der Fachmann in Kenntnis der Lehre des Streitpatents und unter Zuhilfenahme seines allgemeinen Fachwissens das C/S-Verhältnis auf einen Wert von über 0,78 und bis zu 0,9 einstellen. Zwar wird in D46 für alle vier Versuche ein 11-Å-Tobermorit-Gehalt von über 50% erhalten (Tabelle 6 auf Seite 10), allerdings besitzt nur eines der vier hergestellten Porenbetonmaterialien, nämlich der "Ansatz 1 PBX_1", die in Anspruch 1 geforderten Eigenschaften (Tabelle 5 auf Seite 9). Bei diesem Porenbetonmaterial wurde jedoch der im Patent angegebene bevorzugte Bereich für das Gesteinsmehl von 5 bis 15 Masse-% verlassen und auf 0 gesetzt und - wie auch in den anderen Versuchen von D46 - ein Gehalt an Aluminiumkomponente von 0,16 Masse-% verwendet. Auch in D56 betrug der Gehalt an Aluminiumkomponente ca. 0,16 bzw. 0,175 Masse-% (siehe Tabelle 3; die Werte 0,6 und 0,7 beziehen sich auf eine Suspension enthaltend 1 Teil Aluminiumpaste und 3 Teile Wasser) und wurde nur in einem Beispiel (Tabelle 3, Versuch-Nr. KV17112) Gesteinsmehl bzw. Kalksteinmehl verwendet, wobei jedoch kein Porenbetonmehl verwendet wurde, wie dies im Patent als bevorzugt dargestellt wird (Absatz [0022] auf Seite 4, Zeilen 54 und 55).

6.2.5 Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragen, dass die in Absatz [0030] des Patents dargestellten Ergebnisse mit Rezepturen erhalten wurden, bei denen das C/S-Verhältnis bei 0,78 bis 1,02 lag und die in Tabelle 6 von D43 dargestellten Prüfwerte, ausgenommen die Versuche KV16158 und KV16160, welche nicht erfindungsgemäß sind, mit Rezepturen erhalten wurden, bei denen der C/S-Wert z.B. bei 0,63 (Versuch NKV16156) und 0,73 (Versuch KV16154), also unterhalb von 0,78 liegt. Dies widerspricht dem Vortrag der Beschwerdeführerin, wonach der C/S-Wert der Rezeptur auf Werte über 0,78 und bis 0,9 eingestellt werden muss, um die in Anspruch 1 genannten Eigenschaften zu erhalten.

6.3 Es ergibt sich somit, dass der Fachmann nicht nur den im Patent angegebenen Bereich für die Aluminiumkomponente um das Vierfache unterschreiten muss und, selbst wenn man dem Vortrag der Beschwerdeführerin folgte, das C/S-Verhältnis auf einen nicht im Patent angegebenen Wert einstellen muss, sondern auch noch außerhalb des im Patent als bevorzugt angegebenen Bereichs für das Gesteinsmehl arbeiten muss, um das in Anspruch 1 definierte Porenbetonmaterial zu erhalten.

Ein solches Vorgehen überschreitet nach Ansicht der Kammer deutlich die Schwelle der Zumutbarkeit für den Fachmann und kann jedenfalls nicht als eine geringe Anzahl an klärenden Versuchen gewertet werden, um zielsicher die Erfindung auszuführen.

Ob der Fachmann, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, aus D46 entnimmt, dass die Summe der Mengen an Gesteinsmehl und Porenbetonmehl einen Einfluss auf die geforderten Eigenschaften hat, kann dahinstehen, da eine solche Erkenntnis jedenfalls Versuche erfordert, die über das Einstellen der Aluminiumkomponente und des C/S-Verhältnisses hinausgehen und zudem, wie ausgeführt, im Widerspruch zum im Patent genannten bevorzugten Bereich für das Gesteinsmehl steht.

6.4 Nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin sei es auf dem Gebiet der Herstellung von Porenbeton allgemeines Fachwissen bzw. allgemein üblich, dass zur Herstellung einer Rezeptur, welche bestimmen Anforderungen genügen muss, in der Regel mehrere Versuche durchgeführt werden müssen, um eine geeignete Rezeptur zu erhalten. Man gehe dabei in 5%-Schritten vor, wie dies aus Anlage 3 von D43 (Reinsdorf, S., Leichtbeton, Band II Porenbetone) hervorgehe. Eine solche Vorgehensweise sei dem Fachmann im Rahmen der Beurteilung der ausreichenden Offenbarung zumutbar.

Diese Anlage ist im Folgenden in Auszügen widergegeben:

"Der zweite Arbeitsgang besteht nun darin, das richtige Mischungsverhältnis der Rohstoffe Sand, Bindemittel usw. auszuwählen, mit dem die geforderte Festigkeit bei einer gewünschten Trockenrohdichte eingehalten werden kann [...] Zur besseren Auswahl der günstigsten Verhältnisse Bindemittel zu Sand sind etwa 3 Gemische auszuwählen, die sich jeweils um 5 Masse-% einer Komponente unterscheiden. Werden Bindemittelgemische aus Zement und Kalk verwendet, so müssen 5 Gemische ausgewählt werden, die sich von der Ausgangszusammensetzung [...] jeweils um 5% unterscheiden."

Diese Argumentationslinie der Beschwerdeführerin verfängt aus mehreren Gründen nicht. So wird in der zitierten Passage auf einen "zweiten Arbeitsgang" abgestellt, wobei aus den eingereichten Unterlagen nicht ersichtlich ist, welche der "erste Arbeitsgang" ist. Zum anderen werden als zu erreichende Parameter lediglich Festigkeit und Trockenrohdichte erwähnt. Eine Anleitung wie die weiteren in Anspruch 1 des Patents geforderten Eigenschaften, insbesondere die geringe Wärmeleitfähigkeit und der hohe Tobermorit-Gehalt erhalten werden sollen, enthält dieses Schriftstück nicht. Der Fachmann würde daher ausgehend von der Offenbarung des Patents selbst in Kombination mit dem geltend gemachten allgemeinen Fachwissen bzw. der geltend gemachten üblichen Vorgehensweise nicht zu einem Porenbetonmaterial mit den in Anspruch 1 genannten Eigenschaften gelangen. Mit anderen Worten müsste er ausgehend von der Offenbarung des Patents hierzu erfinderisch tätig werden.

6.5 Was den Verweis der Beschwerdeführerin auf D12 betrifft, so kann dieses Dokument nicht die Ausführbarkeit der Erfindung belegen. So enthält dieses Dokument Ausführungen eines promovierten und habilitierten Hochschulprofessors, aus denen jedoch nicht hervorgeht, dass die beanspruchte Erfindung nachgearbeitet wurde. Darüber hinaus wird darin weder auf den im Patent angegebenen Aluminiumgehalt noch das einzustellende C/S-Verhältnis eingegangen. Auch lässt sich ihm keine Information entnehmen, weshalb der Fachmann von den im Patent als bevorzugt angegebenen Masse-%-Bereichen abweichen würde.

6.6 Die Beschwerdeführerin macht auch geltend, dass zwar im von den Beschwerdegegnerinnen stammenden Dokument D15 Versuche dargestellt seien, welche nicht zu einem Material mit den gewünschten Eigenschaften führten, in D43 diese Versuche seitens der Beschwerdeführerin jedoch nachgearbeitet worden seien und die entsprechenden Eigenschaften sehr wohl erreicht worden seien. Da hier Aussage gegen Aussage stehe, sei die Ausführbarkeit der Erfindung zu bejahen.

Der Vortrag der Beschwerdeführerin vermag insofern nicht zu überzeugen, als bei keinem der in Anlage C von D15 gezeigten Versuche der Gehalt der Komponenten im bevorzugten ("insbesondere") Masse-%-Bereich des Patents lag. So wird in den Versuchen 1 bis 3 und 5 kein Porenbetonmehl zugegeben, wohingegen laut Absatz [0022] und Anspruch 8 des Patents der bevorzugte Bereich für den Gehalt an Porenbetonmehl 10 bis 20 Masse-% beträgt. In Versuch 4 wurde hingegen kein Zement zugegeben, dessen bevorzugter Bereich im Patent mit 30 bis 40 Masse-% angegeben wird. Ob gemäß D43 bei der Nacharbeitung dieser Versuche die in Anspruch 1 geforderten Eigenschaften erzielt wurden, ist daher unerheblich, da sie allenfalls dazu geeignet wären zu zeigen, dass die beanspruchten Eigenschaften außerhalb der im Patent als bevorzugt angegebenen Bereiche erreicht werden können. Der Fachmann müsste daher von den bevorzugten Bereichen abweichen, um die Erfindung nachzuarbeiten, was jedoch wie oben dargelegt, die Zumutbarkeitsgrenze überschreitet.

6.7 Auch die von der Beschwerdeführerin zitierte Rechtsprechung vermag die ausreichende Offenbarung der Erfindung nicht zu stützen.

So enthielt das der Entscheidung T 931/91 zu Grunde liegende Patent Ausführungsbeispiele und konnte der Fachmann spätestens beim zweiten Versuch die Erfindung nacharbeiten (siehe Gründe 3.2).

In der T 14/83 kam die Kammer zu dem Schluss, dass gelegentliche Fehlschläge trotz strikter Einhaltung der vorgeschriebenen Bereiche einer Variable der ausreichenden Offenbarung nicht entgegenstehen, wenn der Fachmann aufgrund eines klaren Anhaltspunkts über den Einfluss einzelner Variablen auf die Eigenschaften des Erzeugnisses in der Beschreibung in die Lage versetzt wird, die angestrebten Stoffparameter im Fall eines Fehlschlags rasch und zuverlässig einzustellen (Gründe 7 und Orientierungssatz). Ein derartiger klarer Anhaltspunkt, insbesondere hinsichtlich Aluminiumkomponente, Verlassen bevorzugter Bereiche und C/S-Verhältnis, lässt sich dem Patent jedoch nicht entnehmen. Ein diesbezüglicher klarer Anhaltspunkt wird im Übrigen auch nicht geltend gemacht.

6.8 Schließlich enthält der Vortrag der Beschwerdeführerin noch Ausführungen zur Definition des im gegenständlichen Fall zur Beurteilung heranzuziehenden Fachmanns. Da die Kammer jedoch der Ansicht ist, dass der Fachmann, unabhängig davon welche Definition man dieser Rechtsfiktion zu Grunde legt, von den im Patent angegebenen bevorzugten Bereichen ausgehen würde, erübrigen sich diesbezügliche Ausführungen.

6.9 Die Beschwerdegegnerinnen machen noch weitere Mängel an Offenbarung geltend, insbesondere hinsichtlich der Autoklavierbedingungen und der Definition der Wärmeleitfähigkeit in Anspruch 1. Da das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung bereits aus den oben angegebenen Gründen nicht erfüllt ist, kann jedoch dahinstehen, ob das Patent noch weitere Mängel hinsichtlich dieses Erfordernisses aufweist.

6.10 Folglich steht der Einspruchsgrund nach Artikel 100b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegen.

6.11 Da Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 und Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 identisch mit demjenigen von Anspruch 1 des Hauptantrags sind, erfüllen diese Anträge aus denselben Gründen wie der Hauptantrag nicht das Erfordernis der Ausreichenden Offenbarung nach Artikel 83 EPÜ.

7. Soweit die Beschwerdeführerin im Rahmen der Einreichung der Versuchsergebnisse D55 und D56 ergänzend Zeugenbeweis angeboten hat, bestand kein Anlass, den jeweiligen Angeboten nachzukommen, da diese jeweils nur zum Beweis des Ablaufs der Versuche bzgl. der im Rahmen der Beauftragung erhaltenen bzw. nicht erhaltenen Informationen unterbreitet worden waren. Diese Themen waren jedoch nicht streitig und im Ergebnis auch nicht entscheidungsrelevant, da die Kammer bereits aus anderen, nämlich den oben unter Punkt 3 bis 6.7 dargestellten Gründen zum Ergebnis kam, dass die Erfindung nicht so ausreichend offenbart wurde, dass ein Fachmann sie ausführen könnte.

8. Aus ähnlichen Gründen war auch dem Antrag auf Einholung eines unabhängigen Sachverständigengutachtens nicht nachzukommen. Die Frage, ob eine im Sinne von Artikel 83 EPÜ ausreichende Offenbarung vorliegt, ist vorrangig eine Rechtsfrage, deren Beantwortung nur in einzelnen Bereichen von tatsächlichen Gesichtspunkten abhängt, die dann einem Tatsachenbeweis zugänglich wären. Im vorliegenden Fall besteht jedoch bereits Streit über die grundsätzliche und rein rechtliche Frage, welche Erkenntnisquellen im Rahmen von Artikel 83 EPÜ heranzuziehen sind. Die Rechtsprechung hat diese seit den Entscheidungen T 171/84 und T 206/83 klar dahingehend beantwortet, dass dies nur die Patentschrift (ggf. einschließlich darin enthaltener Zitate) und das allgemeine, also potentiell allen auf dem Gebiet tätigen Fachleuten zugängliche, Fachwissen sind. Geheimes Knowhow einzelner Porenbetonhersteller fällt hierunter nicht. Die Frage, wie ein Laborleiter ausgehend von solchem internen Knowhow die im Patent nicht oder falsch genannten Parameter bestimmt bzw. korrigiert hätte, ist daher für die Beantwortung der Frage, ob die Voraussetzungen von Artikel 83 EPÜ erfüllt sind, nicht relevant.

9. Schließlich war es auch nicht geboten, die von der Beschwerdeführerin formulierte Frage der Großen Beschwerdekammer vorzulegen. Denn eine Beantwortung dieser Frage ist für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens nicht erforderlich. Die Antwort ergibt sich vielmehr bereits aus Artikel 83 EPÜ und der hierzu ergangenen ständigen Rechtsprechung. Quelle der Offenbarung ist danach die Beschreibung, daneben auch Ansprüche und Figuren des Patents und ergänzend das allgemeine Fachwissen. Die Vorlagefrage scheint demgegenüber davon auszugehen, dass die Ausführbarkeit ausgehend allein vom Wortlaut der beiden unabhängigen Patentansprüche und den Behauptungen der Parteien zu den individuellen Fähigkeiten der auf dem Fachgebiet tätigen natürlichen Personen zu beurteilen wäre, so dass im Falle unterschiedlicher Behauptungen eine derartige natürliche Person zu befragen wäre.

Dieser Ansatz verkennt grundsätzlich das Wesen des "Fachmanns" im Sinne der Rechtsprechung der Beschwerdekammern zum Europäischen Patentübereinkommen. Dieser stellt eine Rechtsfigur dar und hat mit den auf dem Gebiet tätigen natürlichen Personen nur so viel zu tun, als er eine typisierte Beschreibung des diesen Personen allgemein zugänglichen Wissens erlaubt; denn dieses, das "allgemeine Fachwissen", darf im Rahmen der von der Rechtsprechung aufgestellten Regeln als ergänzende Erkenntnisquelle etwa bei der Ermittlung des Offenbarungsgehalts von Patentschriften oder der Auslegung der dort verwendeten Begriffe herangezogen werden. Der "Fachmann" ist also keine bestimmte natürliche Person, sondern eine personifizierte Beschreibung des typischerweise vorhandenen und damit rechtlich relevanten Hintergrundwissens und Verständnishorizonts der in einem Fachgebiet Tätigen.

Die Einspruchsabteilung und die Beschwerdekammer müssen daher (ebenso wie die zuvor tätige Prüfungsabteilung) nicht selbst mit auf dem Fachgebiet bereits tätig gewesenen Personen besetzt, sondern nur in der Lage sein, sich zu erschließen, welches Fachwissen typischerweise vorhanden ist und wie das im Patent Offenbarte vor dem Hintergrund dieses Fachwissens, also aus dem Horizont der auf dem Gebiet tätigen Fachleute zu verstehen ist. Dabei ist es Sache der Parteien, das Fachwissen ggf. vorzutragen und seine Existenz durch geeignete Nachweise wie Fachbücher oder allgemeine technische Anweisungen und Normen zu belegen.

Die in der Vorlagefrage enthaltenen Einzelaspekte lassen sich daher bereits auf der Basis der insoweit etablierten Rechtsprechung und ohne Notwendigkeit einer Vorlage an die Große Beschwerdekammer wie folgt beantworten:

- Das bloße Bestreiten der Ausführbarkeit des Gegenstands der Erfindung ist irrelevant, da die Ausführbarkeit eine Rechtsfrage darstellt, die vor dem Hintergrund der im Patent enthaltenen Offenbarung und des tatsächlichen Vortrags der Parteien zum allgemein zugänglichen Fachwissen der typischerweise auf dem Fachgebiet tätigen Personen zu beantworten ist. Nur der tatsächliche Vortrag zu etwaigem konkret benanntem Fachwissen könnte daher bestritten werden und dann dem Beweis zugänglich sein; dieser Beweis wird in den meisten Fällen allerdings bereits durch Dokumente wie Fachbücher und Normen zu führen sein.

- Da es auf individuelles und geheim gehaltenes Knowhow nicht ankommt, kann auf der Grundlage des Offenbarungsgehalts der Patentschrift und des Vortrags der Parteien zum allgemein zugänglichen Fachwissen im vorliegenden Verfahren ohne weiteres die rechtliche Schlussfolgerung der Nichtausführbarkeit der Erfindung gezogen werden.

- Kammer und Einspruchsabteilung müssen dazu nicht mit Individuen besetzt sein, die selbst auf dem Fachgebiet tätig waren; ihre Mitglieder müssen lediglich in der Lage sein, auf der Grundlage des mitgeteilten allgemeinen Fachwissens den Horizont einer typischerweise auf dem Fachgebiet tätigen Person nachzuvollziehen. Dies ist vorliegend der Fall.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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