European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2020:T115916.20201116 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 16 November 2020 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1159/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06791747.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61K8/37 A61K8/89 A61K8/892 A61Q5/06 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | FETTSÄUREESTER ZUR VERRINGERUNG DER KLEBRIGKEIT VON STYLINGMITTELN | ||||||||
Name des Anmelders: | Henkel AG & Co. KGaA | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Beiersdorf AG L'Oréal |
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Kammer: | 3.3.10 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - Neuheit der Verwendung Neuheit - zweite (bzw. weitere) nicht medizinische Verwendung Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden der beiden Beschwerdeführerinnen I und II (Einsprechende I und II) richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent EP 1 940 347 unter Artikel 101(3)(a) EPÜ in geänderter Form aufrechtzuerhalten.
II. Im Einspruchsverfahren war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang auf der Grundlage von Artikel 100(a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit, sowie 100(b) EPÜ wegen mangelnder Ausführbarkeit angegriffen worden.
III. Im Laufe des Einspruchsverfahrens wurde auf die folgenden Dokumente verwiesen, die auch für die vorliegende Entscheidung relevant sind:
D2a: JPH07-258039, englische Übersetzung
D3: US 5,985,256
D5: US 2003/0086897
D6: WO 2005/053624
D7: WO 2004/030642
D10: US 6,365,144
D11: "Styling Range", Lever Fabergé
D12: "Hair Repair Fixing Spray",
Schwarzkopf & Henkel
D13: "Brush Out Hair Spray Repackaging",
Alberto Culver
IV. Im Einspruchsverfahren verteidigte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) das Patent in geänderter Fassung. Die Einspruchsabteilung kam in ihrer Entscheidung zu dem Schluss, die beanspruchte Verwendung sei für den Fachmann ausführbar beschrieben (Artikel 83 EPÜ), neu gegenüber der Offenbarung der Dokumente D1 bis D3, D5 und D10 bis D13 (Artikel 54 EPÜ) und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D6 (oder D7, der Inhalt der beiden Dokumente wurde als größtenteils identisch erachtet) als nächstliegendem Stand der Technik (Artikel 56 EPÜ).
V. Der unabhängige Anspruch 1 der aufrechterhaltenen Fassung, auf dem die angefochtene Entscheidung beruht und der auch der vorliegenden Entscheidung als Hauptantrag zugrunde liegt, lautet wie folgt:
"Verwendung mindestens eines Fettsäureesters der Formel (I)
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK (I)
wobei
R**(1) für den Kohlenstoffrest einer gesättigten oder ungesättigten, verzweigten oder unverzweigten Fettsäure, und
R**(2) für gegebenenfalls verzweigtes C1-C20-Alkyl, gegebenenfalls verzweigtes C1-C20-Monohydroxyalkyl, gegebenenfalls verzweigtes C2-C20-Dihydroxyalkyl oder gegebenenfalls verzweigtes C3-C20-Trihydroxyalkyl steht,
zur Reduktion der Klebrigkeit in kosmetischen Mitteln zur temporären Verformung keratinischer Fasern,
wobei die kosmetischen Mittel zur temporären Verformung keratinischer Fasern als filmbildendes und/oder festigendes Polymer mindestens ein Homo- oder Copolymer des Vinylpyrrolidons oder ein amphoteres Copolymer aus Octylacrylamid, Acrylaten und/oder Methacrylaten und Butylaminoethylmethacrylat enthalten."
VI. In den Beschwerdebegründungen und im weiteren Verfahren brachten die Beschwerdeführerinnen im Wesentlichen folgendes vor:
Die Beschwerdeführerin I vertrat die Auffassung, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D2a (Artikel 54 EPÜ), und beruhe ausgehend von Dokument D3 als nächstliegendem Stand der Technik auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
Die Beschwerdeführerin II brachte ihr Anliegen lediglich im schriftlichen Verfahren vor. Sie führte aus, der beanspruchte Gegenstand beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, und zwar sowohl ausgehend von Dokument D6 (oder D7), als auch ausgehend von Dokument D3 (oder D10, die beiden Dokumente vermitteln eine nahezu identische technische Lehre) als jeweils nächstliegendem Stand der Technik (Artikel 56 EPÜ). Im ersten Fall sei dies insbesondere unter Berücksichtigung der Lehre des Dokuments D3 (oder D10) gegeben, im zweiten Fall insbesondere unter Berücksichtigung der Lehre des Dokuments D6 (oder D7).
Der Einwand bezüglich mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ) wurde in der Beschwerde nicht weiterverfolgt.
VII. In ihrer Antwort auf die Beschwerdebegründung und im weiteren Verfahren argumentierte die Beschwerdegegnerin, dass Neuheit des beanspruchten Gegenstandes gegenüber der Offenbarung des Dokuments D2a gegeben sei. Sie brachte zudem Argumente vor, warum Dokument D6 (oder D7) als nächstliegender Stand der Technik zu erachten sei, dass aber der beanspruchte Gegenstand auch unabhängig von der Wahl des während des Verfahrens vorgeschlagenen nächstliegenden Stands der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
VIII. Anträge
Beide Beschwerdeführerinnen beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 940 347.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerden, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form auf der Basis der Hilfsanträge 1 und 2, eingereicht mit Schreiben vom 28. November 2016.
IX. Am 16. November 2020 fand eine mündliche Verhandlung in Abwesenheit der Beschwerdeführerin II statt. Am Ende der Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerden sind zulässig.
Hauptantrag
2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
2.1 Die Beschwerdeführerin I argumentierte, dass im Dokument D2a, insbesondere in Tabelle 1 im Absatz [0027], kosmetische Mittel offenbart seien, die die im Anspruch 1 des Hauptantrags angegebenen Inhaltsstoffe enthielten. Aus den in der Tabelle 1 beschriebenen Beispielen ergebe sich außerdem eindeutig, dass der in den Mitteln enthaltene Fettsäureester Isotridecylmyristat, der unter die Definition der Formel (I) des Anspruchs 1 falle, zu einer Reduktion der Klebrigkeit der offenbarten Mittel führe. Ein Vergleich zwischen Vergleichsbeispiel 4 und Beispiel 4 der Tabelle 1 zeige insbesondere, dass eine Erhöhung des Gehaltes an Fettsäureester in den haarkosmetischen Mitteln zu einer Verbesserung der Bewertung hinsichtlich deren Klebrigkeit führe. Da sich Vergleichsbeispiel 4 vom Beispiel 4 sowohl durch den Gehalt an Fettsäureester (Isotridecylmyristat), als auch an POE (10) Cetyl Ether unterscheide, sei die beobachtete Verringerung der Klebrigkeit zwar zunächst auf die Änderungen des Gehalts beider Inhaltsstoffe zurückzuführen. Die deutlichere Erhöhung des Gehalts an Isotridecylmyristat verglichen mit der relativ dazu geringeren Erniedrigung des Gehalts an POE (10) Cetyl Ether habe jedoch zwangsläufig den größeren Einfluss auf die beobachtete Verbesserung der Klebrigkeit. Aus den anderen der in Tabelle 1 der D2a aufgeführten Beispielen sei ferner zu erkennen, dass Fettsäureester die Klebrigkeit zumindest nicht erhöhten.
2.2 Die Beschwerdegegnerin widersprach dem und bestritt, dass aus den genannten Beispielen unmittelbar und eindeutig hervorgehe, dass der Fettsäureester Isotridecylmyristat zur Reduktion der Klebrigkeit verwendet werde. Zudem seien in Dokument D2a keine kosmetischen Mittel zur temporären Verformung keratinischer Fasern offenbart, sondern schäumende kosmetische Konditioniermittel, die dem Haar lang anhaltende Feuchtigkeit und lang anhaltenden Glanz verliehen (Absätze [0001] bis [0003]). Dieser Anwendungsbereich unterscheide sich von dem des Streitpatents und erfordere andere Anforderungen in Bezug auf die verwendeten Polymere, die daher nicht auch das zusätzliche funktionelle Merkmal des Anspruchs 1, nämlich die filmbildende und/oder festigende Eigenschaften, aufwiesen.
2.3 Die Kammer ist der Auffassung, dass die Offenbarung des Dokuments D2a den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht vorwegnimmt.
Dokument D2a offenbart kosmetische Haarpflegemittel, die Fettsäureester gemäß Formel (I) des Anspruchs 1, sowie Copolymere des Vinylpyrrolidons enthalten (siehe Absatz [0001] sowie die Beispiele). In der von der Beschwerdeführerin I herangezogenen Tabelle 1 im Absatz [0027] werden Beispiele hierzu offenbart. Vergleichend wird hier die Klebrigkeit von Haar nach Anwendung der jeweiligen Zusammensetzungen angegeben. Beispiel 4 und Vergleichsbeispiel 4 zeigen im Vergleich die Klebrigkeit von Formulierungen, die sich durch ihren Gehalt am Fettsäureester Isotridecylmyristat und am Schaumbildner POE (10) Cetyl Ether (siehe Zeilen 4 und 13 im Absatz [0010]) unterscheiden. Die Zusammensetzung gemäß Beispiel 4 enthält jeweils 5,0 Gew.-% der beiden Komponenten, diejenige gemäß Vergleichsbeispiel 4 enthält 1,0 Gew.-% Isotridecylmyristat und 1,0 Gew.-% POE (10) Cetyl Ether. Im Ergebnis wird eine unterschiedliche Klebrigkeit ermittelt: eine bis drei (von 10) Testpersonen empfanden die Zusammensetzung gemäß Beispiel 4 als klebrig, 8 oder mehr (von 10) diejenige gemäß Vergleichsbeispiel 4 (siehe die Symbole in der zweiten Zeile von unten in der Tabelle und Erläuterungen hierzu auf Seite 7, Zeilen 10 und 12 im Absatz [0024]). Die Formulierung gemäß Beispiel 4 zeichnet sich somit gegenüber derjenigen gemäß Vergleichsbeispiel 4 durch eine verbesserte Bewertung hinsichtlich Klebrigkeit aus. Diese Verbesserung kann jedoch nicht eindeutig auf eine Erhöhung der Menge an Fettsäureester (Isotridecylmyristat) von 1,0 Gew.-% auf 5,0 Gew.-% zurückgeführt werden, da im Beispiel 4 gegenüber Vergleichsbeispiel 4 auch die Menge an POE (10) Cetyl Ether erniedrigt ist, da diese 5,0 Gew.-% statt 6,0 Gew.-% beträgt. Der Fachmann entnimmt der Beschreibung von D2a, dass die Anwesenheit von mehr als 5,0 Gew.-% an Schaumbildner dazu führt, dass das Haar klebrig ist (siehe Absatz [0012]). Als Ursache für die Änderung der Klebrigkeit beim Übergang von Vergleichsbeispiel 4 zu Beispiel 4 erhält der Fachmann somit eine Erläuterung in der Beschreibung, nämlich dass dies durch die in der Zusammensetzung enthaltenen Menge an POE (10) Cetyl Ether von mehr als 5,0 Gew.-% (nämlich 6,0 Gew.-%) hervorgerufen wird.
2.4 Die Kammer ist auch von der Argumentation der Beschwerdeführerin I bezüglich relativem Einfluss von Schaumbildner und Fettsäureester beim Vergleich von Beispiel 4 mit Vergleichsbeispiel 4 nicht überzeugt. Zwar ist im Beispiel 4 verglichen mit Vergleichsbeispiel 4 die Menge an Isotridecylmyristat stärker erhöht (5,0 Gew.-% verglichen mit 1,0 Gew.-%) als die Menge an POE (10) Cetyl Ether erniedrigt ist (5,0 Gew.-% verglichen mit 6,0 Gew.-%), jedoch bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass sich eine möglicherweise auf der Anwesenheit beider Inhaltsstoffe beruhende Eigenschaft ebenfalls im selben Verhältnis ändert.
2.5 Eine direkte Ursache für die Reduktion der Klebrigkeit kann der Fachmann somit mit Blick auf einen Vergleich der beiden herangezogenen Versuche (Beispiel 4 und Vergleichsbeispiel 4) nicht eindeutig der Verwendung des Fettsäureesters Isotridecylmyristat zuordnen.
2.6 Die Beschwerdeführerin I stützte ihre Argumentation darüber hinaus auch auf ihre Analyse der anderen in Tabelle 1 von D2a beschriebenen Beispiele. Auch aus einer derartigen Analyse lässt sich jedoch aus Sicht der Kammer nicht eindeutig und unmittelbar die Lehre entnehmen, dass die Verwendung von Fettsäureestern zu einer Reduktion der Klebrigkeit führt. So ist auch bei den Beispielen 2 und 6 im Vergleich zu den entsprechenden Vergleichsbeispielen die Klebrigkeit vermindert. Auch dies erklärt sich der Fachmann jedoch in erster Linie durch die Angaben der Beschreibung, wonach sowohl ein Gehalt von mehr als 10,0 Gew.-% Polymer (Vergleichsbeispiel 2 (11,0 Gew.-%) im Vergleich zu Beispiel 2 (2,0 Gew.-%) und Ende von Absatz [0006]), als auch ein Gehalt von mehr als 5,0 Gew.-% Ester (Vergleichsbeispiel 6 (6,0 Gew.-%) im Vergleich zu Beispiel 6 (0,5 Gew.-%) und Ende von Absatz [0013]) zu einer Erhöhung der Klebrigkeit führen. Dies erklärt den Unterschied in der beobachteten Klebrigkeit der besagten Beispiele. Dem Vergleich zwischen Beispiel 6 und Vergleichsbeispiel 6 entnimmt der Fachmann sogar, dass eine Erhöhung des Anteils am Fettsäureester Isotridecylmyristat (von 0,5 Gew.-% zu 6,0 Gew.-%) zu einer Erhöhung der Klebrigkeit der Zusammensetzung führt. Des Weiteren ergibt sich beim Vergleich der Beispiele 1, 3 und 5 mit den jeweiligen Vergleichsbeispielen, dass keine Änderung in der Beurteilung der Klebrigkeit erfolgte, obwohl sich der Gehalt des Fettsäureesters Isotridecylmyristat entweder erhöht (Beispiel 3: von 0,01 Gew.-% auf 1,0 Gew.-%), oder erniedrigt (Beispiel 5 von 2,0 Gew.-% auf 0,001 Gew.-%), oder gar nicht ändert (Beispiel 1: 1,0 Gew.-%).
2.7 Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass der Fachmann aus der Offenbarung des Dokuments D2a nicht eindeutig und unmittelbar die anspruchsgemäße Verwendung mindestens eines Fettsäureesters der Formel (I) zur Reduktion der Klebrigkeit in den beschriebenen kosmetischen Mitteln entnehmen kann. Da diese Reduktion der Klebrigkeit, die im Einklang mit der Rechtsprechung zur zweiten (bzw. weiteren) nicht medizinischen Verwendung (siehe insbesondere G 2/88 und G 6/88, Amtsblatt EPA 1990, Seiten 93 und 114) als funktionelles Merkmal des Verwendungsanspruchs 1 anzusehen ist, der Öffentlichkeit durch Dokument D2a nicht zugänglich gemacht wurde, kann das Dokument die Neuheit des Gegenstands dieses Anspruchs nicht in Frage stellen.
2.8 Deshalb kann der Neuheitseinwand nicht überzeugen.
2.9 Ob das Dokument D2a auch nicht, wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht, das funktionelle Merkmal offenbart, wonach die kosmetischen Mittel zur temporären Verformung keratinischer Fasern nur diejenigen der genannten Polymere enthalten, die auch filmbildende und/oder festigende Eigenschaften aufweisen, ist für die Beurteilung von Neuheit daher nicht erheblich.
3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
3.1 Nächstliegender Stand der Technik
3.1.1 Das Streitpatent beschäftigt sich allgemein mit der Problematik der Klebrigkeit von (Haar-)Stylingmitteln (siehe die Absätze [0001] und [0002] der Beschreibung). Als Aufgabe wird genannt, die Klebrigkeit von Stylingmitteln, insbesondere von solchen, die auf klassischen filmbildenden und/oder festigenden Polymeren basieren, herabzusetzen (Absatz [0007]). Unter diesen Polymeren werden gemäß Beschreibung Homo- oder Copolymere des Vinylpyrrolidons oder ein amphoteres Copolymer aus Octylacrylamid, Acrylaten und/oder Methacrylaten und Butylaminoethylmethacrylat verstanden (Absatz [0006]).
Die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wurde in der Einspruchsentscheidung ausgehend von Dokument D6/D7 durchgeführt. Die Beschwerdeführerinnen argumentierten im Beschwerdeverfahren auch ausgehend von Dokument D3.
3.1.2 Dokument D3 betrifft wässrige Frisier- und Haarstylingmittel und verweist auf die damit verbundene Problematik der Klebrigkeit (Spalte 1, Zeilen 5 bis 10). Das Dokument offenbart beispielhaft Dispersionen, enthaltend ein hochgeladenes kationisches Polymer (Salcare SC96, Spalte 2, Zeilen 45 bis 47), sowie gegebenenfalls die beiden Ester Isopropylpalmitat und Isopsopylmyristat (Tabelle zu Beginn der Spalte 3, Beispiel F). Die zusätzlich im Dokument genannten Polymere Amphomer und PVA/VA (Spalte 3, Zeile 65 bis Spalte 4, Zeile 67) fallen unter die im Anspruch 1 gemäß Streitpatent definierten Polymere. Dokument D3 verweist im Zusammenhang mit der Verringerung der Klebrigkeit von Salcare SC96 haltigen Zusammensetzungen auf die Verwendung von kurzkettigen Fettsäureestern (Spalte 2, Zeilen 59 bis 65).
3.1.3 Dokument D6 (D7) betrifft, wie bereits von der Einspruchsabteilung festgestellt, die Bereitstellung nicht klebriger Haarstylingprodukte, die Copolymere von Vinylpyrrolidon enthalten (D6: Seite 2, Zeilen 19 bis 34). Das Dokument offenbart Beispiele von Haargel, das den Fettsäureester Isopsopylmyristat enthält (D6: Seite 20, Zeilen 21 bis 34, Seite 24, Zeile 40 bis Seite 25, Zeile 15).
3.1.4 Die Kammer ist der Auffassung, dass beide der genannten Dokumente mögliche Ausgangspunkte darstellen, die zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden können. Wie nachfolgend erläutert, führen beide Ansätze auch zum selben Ergebnis.
3.2 Dokument D3 (D10) als nächstliegender Stand der Technik
3.2.1 Unterscheidungsmerkmal
Beansprucht wird die Verwendung mindestens eines Fettsäureester der Formel (I) zur Reduktion der Klebrigkeit in kosmetischen Mitteln zur temporären Verformung keratinischer Fasern. Diese Mittel enthalten als filmbildendes und/oder festigendes Polymer mindestens ein Homo- oder Copolymer des Vinylpyrrolidons oder ein amphoteres Copolymer aus Octylacrylamid, Acrylaten und/oder Methacrylaten und Butylaminoethylmethacrylat. Das im Beispiel F des Dokuments D3 (Tabelle zu Beginn der Spalte 3) verwendete Polymer (Salcare SC 96) fällt nicht unter die strukturelle Definition des Polymers gemäß Anspruch 1. Das Beispiel enthält jedoch Fettsäureester der Formel (I). Ein Unterscheidungsmerkmal besteht somit in der Art des in den kosmetischen Mitteln enthaltenen Polymers. Dies war zwischen den Parteien unstrittig. Ob weitere Unterscheidungsmerkmale vorliegen, wie von der Beschwerdegegnerin im Laufe der mündlichen Verhandlung vorgebracht, sei dahingestellt, da dies für den Ausgang des Beschwerdeverfahrens unerheblich ist.
3.2.2 Technische Aufgabe und vorgeschlagene Lösung
Im Laufe des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens wurden von den Parteien und der Einspruchsabteilung für die Definition der objektiven technischen Aufgabe mehrere Vorschläge gemacht. Für die Kammer scheint plausibel, dass diese ausgehend von D3 in der Verwendung von Fettsäureestern der Formel (I) zur Reduktion der Klebrigkeit von weiteren kosmetischen Mitteln gesehen werden kann.
Die von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagene Definition der technischen Aufgabe, nämlich das Auffinden einer Maßnahme, die die Klebrigkeit von Stylingmitteln mit klassischen Polymeren reduziert, ohne die Stylingeigenschaften zu verschlechtern, erachtet die Kammer als weniger geeignet, da sie die anspruchsgemäße Anwendung auf klassische Polymere, und damit einen Teil der Lösung der gestellten Aufgabe, bereits in der Aufgabenformulierung enthält.
Die mit dem Streitpatent vorgeschlagene Lösung der Aufgabe besteht darin, die aus D3 bekannte Verwendung von bestimmten Fettsäureestern auch zur Reduktion der Klebrigkeit auf solche kosmetischen Mittel zu erweitern, die die anspruchsgemäß definierten Polymere enthalten.
Die in den Absätzen [0055] und [0061] des Streitpatents beschriebenen Beispiele zeigen, dass eine Erhöhung des Anteils am Fettsäureester Isopsopylmyristat die Klebrigkeit von Amphomer enthaltenden Stylingmitteln tatsächlich vermindert (Vergleich der Beispiele 1a mit 1b und 2a mit 2b). Gemäß Absatz [0022] der Beschreibung handelt es sich beim Polymer Amphomer um ein im Anspruch 1 genanntes Polymer.
Von der Beschwerdeführerin II wurde eingewandt, dass eine Klebrigkeitsreduzierung nicht über die gesamte Anspruchsbreite gezeigt wurde. Wie bereits in der erstinstanzlichen Entscheidung von der Einspruchsabteilung argumentiert worden sei, könnten nämlich die Eigenschaften eines Polymers nicht auf andere Polymere mit komplett unterschiedlicher Struktur übertragen werden.
Die Kammer erachtet diese Argumentation im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht überzeugend. Dem Fachmann war bereits vor dem Anmeldetag des Streitpatents aus Dokument D3 bekannt, dass eine Reduzierung der Klebrigkeit für Zusammensetzungen enthaltend ein hochgeladenes kationisches Polymer (Salcare SC96, Spalte 2, Zeilen 45 bis 55) durch Zugabe der Fettsäureester Isopropylpalmitat und Isopropylmyristat erreicht werden kann (Spalte 4, Zeilen 65 bis 67). Aus den Beispielen des Streitpatents ist erkennbar, dass dies auch für Zusammensetzungen enthaltend das sich von Salcare SC96 strukturell stark unterscheidende Polymer Amphomer zutrifft. Die Kammer erachtet es daher aufgrund der in den Beispielen des Streitpatents erhaltenen Ergebnisse unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt bereits aus Dokument D3 bekannten Lehre als glaubhaft, dass die Fettsäureester gemäß Formel (I) auch zu einer Reduzierung der Klebrigkeit führt, wenn andere, insbesondere die vom Anspruch 1 umfassten, Polymere vorliegen. Von den Beschwerdeführerinnen wurde die vorgebrachte Behauptung auch nicht weiter konkretisiert. Die gestellte Aufgabe wird daher als über den gesamten beanspruchten Bereich gelöst angesehen.
3.2.3 Naheliegen der vorgeschlagenen Lösung
Von den Beschwerdeführerinnen wurde argumentiert, der Fachmann entnehme bereits Dokument D3 Hinweise auf die anspruchsgemäße Lösung. So offenbare das Dokument, dass die Klebrigkeit von stark filmbildenden Polymeren durch Hilfsstoffe wie beispielsweise Ester modifiziert werden könne (Spalte 1, Zeilen 32 bis 35), und dass die Klebrigkeit von Zusammensetzungen, enthaltend mehr als 5,0 Gew.-% Salcare SC96, durch klebrigkeitsvermindernde Hilfsstoffe wie beispielsweise kurzkettige Fettsäureester vermindert werden könne (Spalte 2, Zeilen 60 bis 64; Spalte 3, Zeilen 38 bis 43; Spalte 4, Zeilen 65 bis 67 und Beispiele E und F der Tabelle in Spalte 4, Zeilen 53 bis 60).
Die Kammer vertritt die Auffassung, dass die von den Beschwerdeführerinnen angeführten Hinweise im Dokument D3 den Fachmann nicht zur anspruchsgemäßen Lösung der gestellten Aufgabe führen.
Im Dokument D3 wird das Problem der Klebrigkeit haarkosmetischer Zusammensetzungen dadurch gelöst, dass mit "polyquat-37" (Salcare SC96, siehe Spalte 1, Zeilen 49 bis 53) ein Polymer verwendet wird, welches in Alkohol/Wasser im Vergleich zu PVP/VA und Amphomer, die beide von der Definition gemäß Anspruch 1 des Streitpatents umfasst werden, eine deutlich verringerte Klebrigkeit aufweist (siehe Spalte 4, Zeilen 15 bis 29). Der Fachmann entnimmt D3 zudem die Lehre, dass die Klebrigkeit bei Verwendung dieses bereits weniger klebrigen Polymers dadurch weiter verringert werden kann, dass herkömmliche Zusatzstoffe, wie beispielsweise Ester, zugesetzt werden können. Aus der in Spalte 4, Zeilen 53 bis 60 angeführten Tabelle entnimmt der Fachmann, dass dies mit den Estern Isopropylpalmitat und Isopropylmyristat erreicht werden kann. Beide werden von Formel 1 gemäß Anspruch 1 des Streitpatents umfasst. Allerdings entnimmt der Fachmann Dokument D3 ebenfalls, dass dieses Vorgehen explizit für "polyquat-37" vorgeschlagen wird, und zwar nur dann, wenn dieses Polymer in höherem Anteil eingesetzt werden muss (siehe insbesondere auch Spalte 2, Zeilen 60 bis 64). Zudem wird der Fachmann darauf aufmerksam gemacht, dass die Stylingeigenschaften bei Verwendung dieses Polymers nicht negativ beeinträchtigt werden (Spalte 3, Zeilen 39 bis 43). Dass dieses Verhalten in D3 als "Hauptunterschied" dargestellt wird, wird der Fachmann dahingehend interpretieren, dass bei Verwendung anderer Polymere mit einer Beeinträchtigung der Stylingeigenschaften zu rechnen ist. Da es sich bei dieser Eigenschaft gemäß Streitpatent um eine primäre Eigenschaft handelt (Absatz [0019]), ist nicht davon auszugehen, dass der Fachmann die Zugabe der genannten Ester auch bei Zusammensetzungen enthaltend die anspruchsgemäß definierten Polymere in Betracht ziehen würde.
Auch die verbleibenden, von den Beschwerdeführerinnen zitierten Passagen im Dokument D3 liefern keine eindeutigen Hinweise auf die anspruchsgemäße Lösung des technischen Problems. So wird in Spalte 1, Zeilen 30 bis 35 zwar auf die Verwendung von Hilfsstoffen wie Estern im Zusammenhang mit der Klebrigkeit von stark filmformenden Polymeren verwiesen, allerdings entnimmt der Fachmann dieser Passage lediglich allgemein, dass dadurch die Klebrigkeit verändert werden kann, jedoch wird darin nicht spezifiziert, in welcher Richtung diese verändert wird.
Die Kammer ist zudem der Auffassung, dass die verbleibenden Dokumente dem Fachmann ebenfalls keinen Hinweis darauf geben, Fettsäureester der Formel (I) zu Reduktion der Klebrigkeit in anspruchsgemäß definierten kosmetischen Mitteln zu verwenden. Zwar werden in den von den Beschwerdeführerinnen herangezogenen Dokumenten kosmetische Mittel offenbart, die sowohl Polymere, als auch Fettsäureester gemäß Anspruch 1 enthalten. Diese werden auch als nicht klebrig bezeichnet (D2a: insbesondere Tabelle 1, D5: Beispiel 67 der Tabelle 12 auf Seite 36 und Tabelle 15 auf Seite 39, D7: hier wird die Klebrigkeit lediglich für die Polymere angegeben (siehe Spalte 6 der Tabellen auf Seite 36), nicht aber für die diese enthaltenden Zusammensetzungen auf Seite 39, Zeile 24, Seite 43, Zeile 32, Seite 57, Zeile 31, sowie D11 bis D13). In keinem dieser Dokumente wird jedoch ein Zusammenhang hergestellt zwischen der Verwendung der Fettsäureester der Formel (I) und einer Reduzierung der Klebrigkeit. Aufgrund der Vielzahl an Bestandteilen der beschriebenen Mittel lässt sich ein derartiger Zusammenhang auch nicht ohne weitere Verweise ableiten.
3.2.4 Die Kammer erachtet daher die anspruchsgemäß vorgeschlagene Lösung der ausgehend vom Dokument D3 definierten technischen Aufgabe nicht durch den vorliegenden Stand der Technik nahegelegt.
3.3 Dokument D6 (D7) als nächstliegender Stand der Technik
3.3.1 Unterscheidungsmerkmal
In den im Dokument D6 offenbarten Beispielen werden Zusammensetzungen beschrieben, die die im Anspruch 1 angeführten Bestandteile enthalten. Das Dokument offenbart im Zusammenhang mit dem Bestandteil "Isopropylmyristat" lediglich, dessen Verwendung als eine in der Kosmetik übliche Komponente in der Ölphase einer O/W-Emulsion (Seite 10, Zeilen 17, 33 und 39). Im Gegensatz dazu bezieht sich Anspruch 1 des Streitpatents auf die Verwendung der Fettsäureester der Formel (I) zur Reduktion der Klebrigkeit in den in D6 (D7) offenbarten kosmetischen Mitteln.
3.3.2 Technische Aufgabe und vorgeschlagene Lösung
Die objektive technische Aufgabe sollte auch ausgehend von der Lehre des Dokumentes D6 (D7) keinen Teil der vorgeschlagenen Lösung beinhalten. Es wurden keine Belege dafür vorgelegt, dass die im Anspruch des Streitpatents definierten kosmetischen Mittel eine gegenüber den in D6 (D7) offenbarten Mitteln verbesserte, reduzierte Klebrigkeit aufweisen. Da sich zudem die anspruchsgemäß definierten Mittel in ihrer Zusammensetzung nicht von den aus D6 (D7) bekannten unterscheiden, muss auch davon ausgegangen werden, dass sie auch dieselben Eigenschaften, beispielsweise Klebrigkeit, aufweisen. Für die Kammer scheint plausibel, dass die Aufgabe ausgehend von D6 (D7) in der Bereitstellung einer alternativen Verwendung des im Dokument offenbarten Fettsäureesters Isopropylmyristat in kosmetischen Mittel mit einer ebenfalls aus diesem Dokument bekannten Zusammensetzung gesehen werden kann.
Die anspruchsgemäß vorgeschlagene Lösung der Aufgabe besteht darin, Fettsäureester der Formel (I) zur Reduktion der Klebrigkeit in anspruchsgemäß definierten kosmetischen Mitteln zu verwenden.
Die gestellte Aufgabe wird aus den unter Punkt 3.2.2 angegebenen Gründen als gelöst angesehen (siehe insbesondere mit Blick auf die Absätze [0055] und [0061] im Streitpatent).
Die Beschwerdeführerin I hat im Laufe des Verfahrens in Frage gestellt, dass Fettsäureester der Formel (I) tatsächlich geeignet sind, die Klebrigkeit in bestimmten kosmetischen Mitteln zu verringern, insbesondere unter Beibehaltung der gewünschten Stylingeigenschaften. Jedoch wurde diese Behauptung erst sehr spät, nämlich erst während der mündlichen Verhandlung vorgebracht. Damit stand dem Beschwerdegegner nur ungenügend Zeit zur Verfügung, angemessen auf diesen neuen Einwand zu reagieren. Zudem wurden konkrete Anhaltspunkte zur Stützung der Behauptung nicht vorgebracht. Die Kammer berücksichtigt daher diese Argumentationslinie nicht (Artikel 13(2) VOBK).
3.3.3 Naheliegen der vorgeschlagenen Lösung
Die vorgeschlagene Lösung der technischen Aufgabe wird dem Fachmann aus denselben Gründen wie unter Punkt 3.2.3 erläutert nicht nahegelegt. Insbesondere sind dem vorliegenden Stand der Technik keine Hinweise darauf zu entnehmen, dass Fettsäureester der Formel (I) dazu verwendet werden können, die Klebrigkeit in anspruchsgemäß definierten kosmetischen Mitteln zu reduzieren.
3.3.4 Die Kammer zieht daher, wie die Einspruchsabteilung, den Schluss, dass der Anspruchsgegenstand dem Fachmann auch ausgehend von Dokument D6 (D7) nicht nahegelegt wird.
4. Da der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des Hauptantrags, und damit auch aller verbleibenden Ansprüche dieses Antrags, ausgehend von keinem der vorgeschlagenen Dokumente D3 (D10) oder D6 (D7) nahegelegt wird, sind die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ ebenfalls erfüllt.
5. Damit steht der Aufrechterhaltung des Streitpatents auf der Basis des vorliegenden Hauptantrags keiner der im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Gründe entgegen.
Die eingereichten Hilfsanträge können daher unberücksichtigt bleiben.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.