J 0013/13 (Frist zur Einreichung einer Teilanmeldung) of 15.9.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:J001313.20160915
Datum der Entscheidung: 15 September 2016
Aktenzeichen: J 0013/13
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 76
European Patent Convention Art 82
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 112
European Patent Convention R 36(1)(b)
European Patent Convention R 43(2)
Schlagwörter: Teilanmeldung - obligatorische Teilung (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
J 0028/92
J 0006/07
J 0008/09
T 0962/02
T 0659/03
T 0671/06
T 0789/06
T 1261/06
T 0085/08
T 0493/08
T 1350/08
T 1413/08
T 0768/10
T 1388/10
T 1563/10
T 2355/11
T 0510/12
T 0861/12
Anführungen in anderen Entscheidungen:
J 0017/16
J 0001/20

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Eingangsstelle vom 18. März 2013, die europäische Patentanmeldung Nr. XXXXXXXX.X nicht als Teilanmeldung der früheren Anmeldung Nr. YYYYYYYY.Y zu behandeln und den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückzuweisen.

Die frühere Anmeldung Nr. YYYYYYYY.Y (nachstehend: Stammanmeldung) ging aus der am 8. Mai 2008 unter der Nummer WO 2008/ZZZZZZ veröffentlichten internationalen Anmeldung hervor. Diese trat unter der Anmeldenummer Nr. YYYYYYYY.Y am 9. April 2009 in die europäische Phase ein. Zugleich wurde die Prüfung nach Artikel 94 EPÜ beantragt und die Prüfungsgebühr entrichtet.

In einer ersten Mitteilung nach Artikel 94 (3) EPÜ vom 30. Oktober 2009 erhob die Prüfungsabteilung insbeson­dere einen Einwand der mangelnden Einheitlichkeit der Erfindung (Artikel 82 EPÜ). Die Anmelderin (Beschwerde­führerin im vorliegenden Verfahren) erwiderte auf diesen Bescheid mit Eingabe vom 15. Februar 2010 und reichte geänderte Ansprüche ein.

Am 11. Oktober 2011 erging eine zweite Mitteilung nach Artikel 94 (3) EPÜ. Die Prüfungsabteilung beanstandete unter anderem, dass die Anspruchssätze mehr als einen unabhängigen Patentanspruch in der gleichen Kategorie enthielten, ohne dass sich der Gegenstand der Anmeldung auf einen der in Regel 43 (2) a), b) und c) EPÜ genann­ten Sachverhalte beziehen könne. Die Anmelderin erwiderte mit Eingabe vom 11. Januar 2012.

In einer Mitteilung gemäß Regel 71 (3) EPÜ vom 21. Juni 2012 teilte die Prüfungsabteilung mit, dass beabsichtigt sei, ein europäisches Patent zu erteilen. Der Hinweis über die Patenterteilung wurde am 12. Dezember 2012 im Europäischen Patentblatt bekanntgemacht.

Am 7. Februar 2012 reichte die Beschwerdeführerin die den Streitgegenstand dieses Beschwerdeverfahrens bildende europäische Patentanmeldung Nr. XXXXXXXX.X als Teilanmeldung der Stammanmeldung ein.

Mit Schreiben vom 20. April 2012 stellte die Eingangs­stelle einen Rechtsverlust nach Regel 112(1) EPÜ fest und begründete dies damit, dass die Frist zur Ein­reichung einer Teilanmeldung gemäß Regel 36 (1) a) EPÜ von vierundzwanzig Monaten nach dem ersten Bescheid zur Stammanmeldung im Zeitpunkt der Einreichung der Patent­anmeldung Nr. XXXXXXXX.X bereits abgelaufen gewesen sei. Der Tag der Absendung dieses Bescheids sei der 30. Oktober 2009 gewesen.

Am 29. Mai 2012 beantragte die Beschwerdeführerin eine Entscheidung nach Regel 112 EPÜ. Am 1. Juni 2012 stellte sie außerdem einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einreichung einer Teilanmeldung nach Regel 36 (1) b) EPÜ.

Am 25. Oktober 2012 erging eine Mitteilung gemäß Artikel 113 EPÜ, in der die Eingangsstelle die Beschwerdeführerin unterrichtete, dass die Anmeldung nicht als Teilanmeldung behandelt werden könne, der Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen sei, und die Wiedereinsetzungsgebühr nicht erstattet werde.

Am 18. März 2013 erging die angefochtene Entscheidung der Eingangsstelle ohne vorgängige mündliche Verhand­lung. Gegen diese erhob die Beschwerdeführerin am 7. Mai 2013 Beschwerde, die sie am 25. Juni 2013 begründete.

IV. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, dass die Teilanmeldung innerhalb der Frist nach Regel 36 (1) b) EPÜ eingereicht wurde. Die Prüfungsabteilung habe im Prüfungsverfahren betref­fend die Stammanmeldung (frühere Anmeldung Nr. YYYYYYYY.Y) in ihrem zweiten Bescheid vom 11. Okto­ber 2011 einen (impliziten) Einwand unter Artikel 82 EPÜ erhoben. Zwar verweise der zweite Bescheid auf Artikel 84 EPÜ und Regel 43 (2) EPÜ. Die beanstandeten Mängel in Bezug auf Regel 43 (2) EPÜ beträfen indes nicht die Form der Ansprüche und ließen sich daher auch nicht unter Artikel 84 EPÜ subsumieren. Die Nennung dieses Artikels als Rechtsgrundlage für die erhobenen Einwände sei daher unzutreffend. Regel 43 (2) EPÜ betreffe den inhaltlichen Zusammenhang unabhängiger Ansprüche und sei Artikel 82 EPÜ zuzuordnen. Inhaltlich sei daher ein Einwand der mangelnden Einheitlichkeit erhoben worden, so dass sich die Einreichung der Teilanmeldung nach Regel 36 (1) b) EPÜ ("obligatorische Teilung") richte. Die entsprechende Frist sei erst am 21. Oktober 2013 abgelaufen, mithin nach Einreichung der europäischen Patentanmeldung Nr. XXXXXXXX.X als Teilanmeldung am 7. Februar 2012.

Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags macht die Beschwerdeführerin geltend, dass für das Fristversäumnis eine divergierende Auslegung und damit ein möglicher Rechtsirrtum ursächlich seien. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf die Ent­scheidung J 28/92 zur Relevanz eines Rechtsirrtums und macht geltend, dass hinsichtlich der Zuordnung eines Einwands nach Regel 43 (2) EPÜ zu Artikel 82 oder 84 EPÜ berechtigte Zweifel und unterschied­liche Meinungen bestünden. So sei in der Entschei­dung T 1413/08 die Auffassung vertreten worden, dass ein Einwand nach Regel 43 (2) EPÜ unter Artikel 82 EPÜ falle. Laut Entscheidungen T 1261/06 und T 1563/10 sei Regel 43 (2) EPÜ jedenfalls nicht Artikel 84 EPÜ zuzuordnen. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass ein Einwand nach Regel 43 (2) EPÜ die Frist nach Regel 36 (1) b) EPÜ auslöse, sei jedenfalls nicht unhaltbar. Folglich sei der Rechtsirrtum, dass vorliegend eine Teil­anmeldung noch bis zum Ablauf der Frist nach Regel 36 (1) b) EPÜ eingereicht werden konnte, entschuldbar. Die Beschwerdeführerin habe ihren allfälligen Irrtum erst nach Erhalt der Mitteilung über einen Rechtsverlust nach Regel 112 (1) EPÜ am 20. April 2012 erkannt. Der Antrag auf Wiederein­setzung sei innert der Frist von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses am 1. Juni 2012 gestellt worden und zugleich sei auch die Wiedereinsetzungs­gebühr bezahlt worden. Die Frist nach Regel 36 (1) a) EPÜ ("freiwillige Teilung") sei am 9. November 2011 verstrichen. Das Gesuch vom 1. Juni 2012 sei innerhalb der Verwirkungsfrist gemäß Regel 36 (1) EPÜ von einem Jahr nach Ablauf der versäumten Frist gestellt worden.

V. Am 13. Mai 2016 lud die Kammer zu einer nicht öffent­lichen mündlichen Verhandlung und gab ihre vorläufige Beurteilung sachlicher und rechtlicher Fragen bekannt (Artikel 17 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerde­kammern, ABl. EPA 2007, 536).

VI. Mit Schreiben vom 13. Juni 2016 beantragte die Be­schwerdeführerin die Verlegung der für den 15. Septem­ber 2016 angesetzten mündlichen Verhandlung. Die Beschwerdeführerin begründete ihren Antrag mit der Verhinderung eines ihrer mit Schreiben vom 7. Juni 2016 bestellten Vertreter. Die Kammer informierte die Beschwerdeführerin in einer Mitteilung vom 1. Juni 2016, dass dem Antrag nicht stattgegeben werden könne.

VII. Mit Schreiben vom 14. September 2016 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie nicht an der münd­lichen Verhandlung teilnehmen werde.

VIII. Am 15. September 2016 fand die nicht öffentliche münd­liche Verhandlung statt, an deren Ende die Entscheidung verkündet wurde.

IX. Die Beschwerdeführerin beantragte schriftlich, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die euro­päische Patentanmeldung Nr. XXXXXXXX.X als Teil­anmeldung der früheren Anmeldung Nr. YYYYYYYY.Y zu behandeln. Weiter beantragte die Beschwerdeführerin die Erstattung der Wiedereinsetzungsgebühr.

Hilfsweise beantragte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in die Frist zur Teilung nach Regel 36 (1) a) EPÜ. Sie beantragte außerdem, die Große Beschwerdekammer mit Fragen über die Auslegung von Regel 36 (1) b) EPÜ und Regel 43 (2) EPÜ zu befassen.

Schließlich beantragte die Beschwerdeführerin die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Entscheidungsgründe

1. Antrag auf Behandlung der europäischen Patentanmeldung Nr. XXXXXXXX.X als Teilanmeldung der früheren Anmeldung Nr. YYYYYYYY.Y

1.1 Die Voraussetzungen für die Einreichung einer Teil­anmeldung richten sich für die vorliegende, am 7. Februar 2012 eingereichte europäische Patent­anmeldung Nr. XXXXXXXX.X nach der Regel 36 (1) EPÜ, geändert durch Beschluss des Verwaltungsrats vom 25. März 2009 (ABl. EPA 2009, 296), in Kraft getreten am 1. April 2010, sowie durch Beschluss des Verwaltungsrats vom 26. Oktober 2010 (ABl. EPA 2010, 568), in Kraft getreten am 26. Oktober 2010.

Laut Artikel 2 dieser Beschlüsse war die geänderte Regel 36 (1) EPÜ auf Teilanmeldungen anwendbar, die nach dem 1. April 2010 eingereicht wurden. Regel 36 (1) EPÜ war mithin auf die Patentanmeldung Nr. XXXXXXXX.X anwendbar, auch wenn der erste Bescheid betreffend die Stammanmeldung am 30. Oktober 2009 erging, also vor Inkrafttreten der geänderten Regel 36 (1) EPÜ.

1.2 Diese Vorschrift, deren Buchstaben a) und b) mit Beschluss des Verwaltungsrats vom 16. Oktober 2013 (ABl. EPA 2013, 501), in Kraft getreten am 1. April 2014, wieder aufgehoben wurden, bestimmt:

"(1) Der Anmelder kann eine Teilanmeldung zu jeder anhängigen früheren europäischen Patentanmeldung einreichen, sofern:

a) die Teilanmeldung vor Ablauf einer Frist von vierundzwanzig Monaten nach dem ersten Bescheid der Prüfungsabteilung nach Artikel 94 Absatz 3 und Regel 71 Absätze 1 und 2, oder Regel 71 Absatz 3 zu der frühesten Anmeldung eingereicht wird, zu der ein Bescheid ergangen ist, oder

b) die Teilanmeldung vor Ablauf einer Frist von vierundzwanzig Monaten nach einem Bescheid eingereicht wird, in dem die Prüfungsabteilung eingewandt hat, dass die frühere Anmeldung nicht den Erfordernissen des Artikels 82 genügt, vorausgesetzt, sie hat diesen konkreten Einwand zum ersten Mal erhoben.

(2) ..."

1.3 Die europäische Patentanmeldung Nr. XXXXXXXX.X wurde unstreitig zwar während der Anhängigkeit der Stamm­anmeldung, aber mehr als 24 Monate nach dem Bescheid der Prüfungsabteilung vom 30. Oktober 2009 zur Stammanmeldung eingereicht. Dieser Bescheid ist als "erster Bescheid" im Sinne von Regel 36 (1) a) EPÜ zu verstehen. Dieser Bescheid stellt zugleich auch einen Bescheid im Sinne der Regel 36 (1) b) EPÜ dar, da die Prüfungsabteilung darin einen Einwand nach Artikel 82 EPÜ erhob.

1.4 Die Beschwerdeführerin macht allerdings geltend, die Prüfungsabteilung habe in ihrem zweiten Bescheid vom 11. Oktober 2011 betreffend die früheren Anmeldung Nr. YYYYYYYY.Y einen weiteren spezifischen Einwand nach Artikel 82 EPÜ erhoben, der die in Regel 36 (1) b) EPÜ festgelegte Frist (erneut) in Gang gesetzt habe.

1.5 Der zweite Bescheid stützt sich auf Artikel 84 EPÜ in Verbindung mit Regel 43(2) EPÜ. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist die auf Regel 43 (2) EPÜ gestützten Beanstandung kein neuer konkreter Einwand im Sinne von Regel 36 (1) b) EPÜ, dass die frühere Anmeldung nicht den Erfordernissen des Artikels 82 EPÜ genügt:

1.5.1 Die Wendung "unbeschadet des Artikels 82" in Regel 43 (2) EPÜ ist dahingehend zu verstehen, dass Artikel 82 EPÜ durch die Regel 43 (2) EPÜ nicht berührt wird. Beide Vorschriften finden nebeneinander Anwendung. Ein nach allgemeinem Sprachgebrauch allenfalls mögliches Verständnis des Wortes "unbeschadet" im Sinne von "im Einklang mit" wird durch die englische und französische Fassung von Regel 43 (2) EPÜ ("without prejudice" / "sans préjudice") ausgeschlossen. Die einleitende Wendung der Regel 43 (2) EPÜ besagt mithin nicht, dass sich die Erfordernisse dieser Regel auf Artikel 82 EPÜ stützen, sondern dass die Regel 43 (2) EPÜ der Einheitlichkeit der Erfindung nach Artikel 82 EPÜ nicht vorgreift.

1.5.2 Regel 43 und 44 EPÜ finden sich im Kapitel II des drit­ten Teils der Ausführungsvorschriften. Dieses Kapitel ist mit "Anmeldebestimmungen" überschrieben und umfasst die Regeln 41 bis 50 EPÜ. Systematisch sind diese Aus­führungsvorschriften dem dritten Teil des Überein­kommens zuzuordnen. Aus der Nebenordnung der Regeln 43 und 44 EPÜ und deren Titel folgt auch in systematischer Hin­sicht, dass Regel 43 (2) EPÜ einerseits und Regel 44 EPÜ unterschiedliche Regelungsgegenstände betreffen und gesonderte Voraussetzungen aufstellen. Regel 43 (2) EPÜ statuiert den Grundsatz der Zulässigkeit nur eines unab­hängigen Anspruchs pro Kategorie, während Regel 44 EPÜ das Prinzip der einzigen allgemeinen erfinderischen Idee konkretisiert. Die Regel 43 (2) EPÜ ist mit anderen Worten auch dann zu beachten, wenn eine Patent­anmeldung eine Gruppe von Erfindungen beansprucht und beschreibt, die eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirk­lichen. Umgekehrt ist die Regel 44 EPÜ zu beachten, auch wenn für jede Anspruchskategorie nur je ein unabhängiger Anspruch formuliert wird.

1.5.3 Die historische Entwicklung macht deutlich, dass die geltenden Regeln 43 (2) und 44 EPÜ gesonderte Regelungsgegenstände haben. Beide Bestimmungen gehen auf die Regeln 29 (2) und 30 EPÜ 1973 zurück. Die Regel 30 EPÜ 1973 ("Einheitlichkeit der Erfindung") wurde infolge eines einvernehmlichen Vorschlags der trilateralen Ämter (EPO, JPO, USPTO) zur Änderung von Regel 13 PCT betreffend das Erfordernis der Einheit­lichkeit angepasst und ist im Wortlaut seither unve­rändert geblieben (siehe den Beschluss des Verwaltungs­rats vom 7. Dezember 1990, in Kraft getreten am 1. Juni 1991, ABl. EPA 1991, 4; siehe auch das vorbereitende Dokument CA/52/90 rev. 1). Regel 29 (2) EPÜ 1973 erhielt den Wortlaut, wie ihn nunmehr die geltende Regel 43 (2) EPÜ hat, durch Beschluss des Verwaltungsrats vom 13. Dezember 2001 (in Kraft getreten am 2. Januar 2002; ABl. EPA 2002, 2). Anlass für diese Änderung war die Zunahme von Anmeldungen mit zahlreichen unabhängigen Patentansprüchen, deren Zahl als unangemessen angesehen wurde. Das vorbereitende Dokument (CA/128/01 rev. 2) erläutert die Änderung von Regel 29 (2) EPÜ 1973 wie folgt und stellt dabei heraus, dass sich das darin verwirklichte Prinzip eines unabhängigen Anspruchs pro Anspruchskategorie auf Artikel 84 EPÜ stützt (siehe auch die Mitteilung vom 9. Januar 2002 über die Änderung der Regeln 25 (1), 29 (2) und 51 EPÜ, ABl. EPA 2002, 112, S. 113 Nr. 2):

"6. Die neue Regel 29 (2) EPÜ soll zu demselben Ergebnis führen wie eine strikte Anwendung des Artikels 84 EPÜ und der geltenden Fassung der Regel 29 EPÜ, allerdings ohne die derzeit erforderliche langwierige inhaltliche Diskussion. Ein Anmelder, der mehr als einen unabhängi­gen Anspruch derselben Kategorie wünscht, muß auf einen entsprechenden Einwand des EPA überzeugend darlegen, daß sämtliche weiteren unabhängigen Ansprüche unter eine der in der Regel aufgeführten Ausnahmesituationen fallen. Somit liegt die Darlegungslast in dieser Frage beim Anmelder."

1.6 Die Auslegung von Regel 43 (2) EPÜ führt folglich nicht zum Ergebnis, dass ein auf diese Regel gestützter Einwand als ein eigenständiger konkreter Einwand nach Artikel 82 EPÜ im Sinne von Regel 36 (1) b) EPÜ zu verstehen wäre. Darüber hinaus ergibt sich vorliegend auch aus dem Inhalt der Mitteilung vom 11. Oktober 2011 betref­fend die frühere Anmeldung Nr. YYYYYYYY.Y weder explizit noch implizit ein solcher Einwand. Die Punkte 1 und 2 dieser Mitteilung verweisen im Gegenteil ausdrücklich auf die Erfordernisse des Artikels 84 in Verbindung mit Regel 43 (2) EPÜ. Dass es sich um einen von der Beanstandung der mangelnden Einheitlichkeit nach Artikel 82 EPÜ verschiedener Einwand handelte, folgt auch aus dem ersten Bescheid zur Stammanmeldung vom 30. Oktober 2009. Neben dem Einwand der mangelnden Einheitlichkeit in Punkt 1 des Bescheids, mahnte die Prüfungsabteilung in Punk 5 an, dass die Anmeldung im Hinblick auf Regel 29 (2) EPÜ 1973 nur einen unab­hängigen Anspruch je Anspruchskategorie enthalten sollte. Wenngleich der Hinweis genereller Natur war und auf Regel 29 (2) EPÜ 1973 statt Regel 43 (2) EPÜ gestützt wurde, so verdeutlicht er doch, dass Regel 43 (2) EPÜ einerseits und Regel 44 EPÜ unterschiedliche Regelungsgegenstände betreffen und gesonderte Voraus­setzungen aufstellen.

Die Eingangsstelle ist bei der Berechnung der Frist für die Einreichung der europäischen Patentanmeldung Nr. XXXXXXXX.X als Teilanmeldung zur Stammanmeldung Nr. YYYYYYYY.Y zu Recht vom ersten Bescheid zur Stamm­anmeldung vom 30. Oktober 2009 ausgegangen. Dieser Bescheid hat sowohl die Frist nach Regel 36 (1) a) EPÜ als auch nach Regel 36 (1) b) EPÜ in Gang gesetzt. Beide Fristen liefen am 9. November 2011 ab. Die Einreichung der europäischen Patentanmeldung Nr. XXXXXXXX.X als Teilanmeldung der Stammanmeldung Nr. YYYYYYYY.Y am 7. Februar 2012 war mithin verspätet. Die europäische Patentanmeldung Nr. XXXXXXXX.X war daher nicht als Teilanmeldung der früheren Anmeldung Nr. YYYYYYYY.Y zu behandeln. Die Feststellung eines Rechtsverlustes durch die Entscheidung der Eingangsstelle vom 18. März 2013 ist daher nicht fehlerhaft.

2. Antrag auf Erstattung der Wiedereinsetzungsgebühr

2.1 Diesem Antrag kann nur dann stattgegeben werden, wenn die Entscheidung über den Rechtsverlust aufgehoben wird, weil damit der Wiedereinsetzungsantrag ohne Rechtsgrund gestellt worden wäre.

2.2 In Anbetracht der Schlussfolgerung, dass die europäische Patentanmeldung Nr. XXXXXXXX.X nicht als Teilanmeldung der Stammanmeldung Nr. YYYYYYYY.Y behandelt werden kann (oben Punkt 1.7), kann auch dem Antrag auf Rückbezahlung der Wiedereinsetzungsgebühr nicht entsprochen werden.

3. Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist nach Regel 36 (1) a) EPÜ

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist nach Regel 36 (1) a) EPÜ ist zulässig. Aus der Zusammenschau von Artikel 122 (1), Regel 136 (2) und Regel 135 (3) EPÜ ergibt sich insbesondere, dass es sich bei den zeitlichen Schranken für die Teilung in Regel 36 (1) a) und b) EPÜ (anders als beim Erfordernis der Anhängig­keit der früheren Anmeldung) um Fristen im Sinne von Artikel 122 EPÜ handelt, für die Wiedereinsetzung beantragt werden kann.

3.2 Einem Antrag auf Wiedereinsetzung kann nur stattgegeben werden, wenn nach Artikel 122(1) EPÜ alle nach den gegebenen Umständen gebotene Sorgfalt beachtet wurde und die Beteiligten trotzdem daran gehindert waren, eine Frist einzuhalten. Dabei sind die Umstände des Einzel­falls in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Unter "aller gebotenen Sorgfalt" ist alle angemessene Sorgfalt zu verstehen, d.h. das Maß an Sorgfalt, das der hinreichend kompetente durchschnittliche Anmelder/Vertreter unter den gegebenen Umständen aufwenden würde.

3.3 Entscheidend ist vorliegend, ob sich die Beschwerde­führerin auf einen Rechtsirrtum berufen kann, um ihr Versäumnis zu entschuldigen. Nach überwiegender Recht­sprechung rechtfertigt die Rechtsunkenntnis oder ein Rechtsirrtum die Wiedereinsetzung nicht (siehe zusam­menfassend J 6/07 vom 10. Dezember 2007, Punkt 2.4, und bestätigend J 8/09 vom 23. August 2010, Punkt 4.2). Allerdings haben die Entscheidung J 28/92 vom 11. Mai 1994 (Punkt 5) und ihr folgend auch die Entscheidung T 493/08 vom 29. September 2009 (Punkt 6.1) einen Rechtsirrtum unter strengen Voraussetzungen für ent­schuldbar erachtet, nämlich dann, wenn berechtigte Zweifel und Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Auslegung einer Vorschrift bestehen. Berechtigt sind solche Zweifel und Meinungsverschiedenheiten nach Auf­fassung der Kammer nur dann, wenn nach einer gewissen­haften Abklärung unter Einbezug der Rechtsprechung der Beschwerdekammern kein objektiv eindeutiges Auslegungs­ergebnis resultiert und die nachträglich als unzutref­fend angesehene Auffassung vertretbar erscheint.

3.4 Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass hinsichtlich der Zuordnung eines Einwands nach Regel 43 (2) EPÜ zu Artikel 82 oder 84 EPÜ berechtigte Zweifel und unter­schiedliche Meinungen bestünden. Sie verweist auf die Entscheidungen T 1413/08, T 1261/06 und T 1563/10. Soweit die Entscheidungen T 1413/08 vom 11. Februar 2013 und T 1563/10 vom 25. September 2012 nach dem Zugang der Mitteilung vom 11. Oktober 2011 betreffend die frühere Anmeldung Nr. YYYYYYYY.Y und auch nach dem Zeitpunkt der Einreichung der europäischen Patentanmeldung Nr. XXXXXXXX.X am 7. Februar 2012 ergangen sind, können sie für einen Rechtsirrtum der Beschwerdeführerin nicht ursächlich sein. Jedenfalls aber kann keine dieser Entscheidungen die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin stützen.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist der Entscheidung T 1413/08 vom 11. Februar 2013 nicht mit Bestimmtheit zu entnehmen, dass die entscheidende Kammer Regel 43 (2) EPÜ als Ausführungsvorschrift von Artikel 82 EPÜ verstanden hat. Zu dieser Annahme mag zwar die Überschrift zu Punkt 4 ("Einheitlichkeit der Erfindung (Artikel 82 und Regeln 43(2) und 44 EPÜ); Vorliegen mehrerer unabhängiger Ansprüche derselben Kate­gorie (Hauptantrag)") verleiten. Inhaltlich hat die Kammer jedoch zunächst geprüft, ob die unabhängigen Produktansprüche 1 und 2 unter einen Ausnahmesachverhalt von Regel 43 (2) EPÜ fallen und eine Ausnahme nach Buchstabe c) dieser Vorschrift bejaht. Danach hat sie als separaten Punkt untersucht, ob zwischen den Gegenständen der unabhängigen Produktansprüche 1 und 2 der von Regel 44 EPÜ geforderte technische Zusammenhang bestehe. Nach Bejahung desselben folgt die Feststellung, das Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung sei "damit" erfüllt. Eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Regel 43 (2) EPÜ und Artikel 82 EPÜ erfolgte jedenfalls nicht und war auch nicht für die Entscheidung erheblich.

3.4.2 Aus der Entscheidung T 1563/10 vom 25. September 2012 folgt nicht, dass die entscheidende Kammer eine Zuord­nung der Regel 43 (2) EPÜ zu Artikel 84 EPÜ abgelehnt hat. In Punkt 2 der Entscheidungsgründe befasste sich die Kammer mit einem Widerspruch zwischen der geschlos­senen Formulierung der beanspruchten Zusammensetzung im unabhängigen Anspruch 1 und der offenen Formulierung der beanspruchten Zusammensetzung in den abhängigen Ansprüchen 2 bis 8. In Punkt 3 prüfte die Kammer so­dann, ob die unabhängigen Produktansprüche 1 und 9 unter einen Ausnahmesachverhalt von Regel 43 (2) EPÜ fielen. Aus der getrennten Abhandlung dieser eigen­ständigen Patentierungsvoraussetzungen unter Bezugnahme auf die jeweilige Rechtsgrundlage lässt sich keine Aussage über ihr systematisches Verhältnis zueinander gewinnen. Davon abgesehen stützt diese Entscheidung auch nicht die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin, dass ein Einwand nach Regel 43 (2) EPÜ einen Einwand der mangelnden Einheitlichkeit impliziert. Denn selbst wenn die Zuordnung der Regel 43 (2) EPÜ zu Artikel 84 EPÜ in Frage gestellt worden wäre, hieße dies noch lange nicht, dass nur noch eine Zuordnung zu Artikel 82 EPÜ in Frage kommt.

Gleiches gilt auch für die Entscheidung T 1261/06 vom 4. Dezember 2009. Die Kammer prüfte zunächst die Zu­lässigkeit mehrerer unabhängiger Produktansprüche nach Regel 43 (2) a) EPÜ (Punkt 4.1) und als weiteres, gesondertes Erfordernis, ob der beanspruchte Gegenstand von der Beschreibung gestützt werde (Artikel 84 EPÜ). Für den Umkehrschluss der Beschwerdeführerin, dass die Regel 43 (2) EPÜ nicht unter Artikel 84 EPÜ fällt, gibt es keine Grundlage in der Entscheidung.

3.5 Den drei von der Beschwerdeführerin zitierten Entschei­dungen steht eine weitaus größere Anzahl Entscheidungen gegenüber, die im Nachgang zu der im 2002 in Kraft getretenen Änderung der Regel 29 (2) EPÜ 1973 den Bezug dieser Vorschrift (bzw. der geltenden Regel 43 (2) EPÜ) zu Artikel 84 EPÜ bestätigten: siehe etwa T 659/03 vom 4. Oktober 2004, Punkt 3; T 962/02 vom 18. April 2006, Punkt 2; T 671/06 vom 2. August 2007, Punkt 5.3; T 85/08 vom 3. September 2009, Punkt 3.1; T 789/06 vom 26. Mai 2010, Punkt 3.1; T 1388/10 vom 25. März 2011, Punkte 5 und 6.

3.6 Diese Rechtsprechung, die vor Erlass des zweiten Bescheids vom 11. Oktober 2011 betreffend die frühere Anmeldung Nr. YYYYYYYY.Y erging, ist auch danach bestätigt worden: siehe etwa T 1350/08 vom 17. Oktober 2012, Punkt 2.3; T 510/12 vom 3. Dezember 2013, Punkt 9.3; T 768/10 vom 18. März 2014, Punkt 2.3; T 2355/11 vom 3. Juli 2016.

Im Ergebnis hätte eine gewissenhafte Abklärung unter Einbezug der Rechtsprechung der Kammern eine Zuordnung des Regelungsgehalts von Regel 43 (2) EPÜ zum Erfor­dernis der Einheitlichkeit (Artikel 82 EPÜ) aus­schließen und eine Qualifizierung der Regel 43 (2) EPÜ als Aus­führungsbestimmung des Gebots der Knappheit (conciseness) gemäß Artikel 84 EPÜ nahelegen müssen. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass hinsichtlich der Zuord­nung der Regel 43 (2) EPÜ Meinungsverschieden­heiten oder berechtigte Zweifel bestanden. Somit wäre der Rechtsirrtum bei sorgfältiger Abklärung vermeidbar gewesen. Der vermeidbare Rechtsirrtum lässt sich vorliegend auch nicht dadurch entschuldigen, dass der Inhalt der Mitteilung vom 11. Oktober 2011 Anlass zum Rechtsirrtum gegeben hätte. Die Punkte 1 und 2 dieser Mitteilung verweisen im Gegenteil ausdrücklich auf die Erfordernisse des Artikels 84 in Verbindung mit Regel 43 (2) EPÜ.

3.8 Schließlich sei auch noch angemerkt, dass die Beschwerdeführerin bei Einreichung der europäischen Patentanmeldung Nr. XXXXXXXX.X am 7. Februar 2012 im Formblatt 1001 in Ziffer 27.2 keine Angaben zu einem Bescheid im Sinne von Regel 36 (1) b) EPÜ gemacht hat. Dies wäre indes zu erwarten gewesen, wenn sich die Beschwerdeführerin in einem Rechtsirrtum befunden und den zweiten Bescheid zur Stammanmeldung vom 11. Okto­ber 2011 als Einwand nach Artikel 82 EPÜ verstanden hätte.

3.9 Aus den dargelegten Gründen wies die Kammer den Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in die Frist nach Regel 36 (1) a) EPÜ zurück.

4. Vorlage an die Große Beschwerdekammer

4.1 Die Beschwerdeführerin beantragte hilfsweise die Vorlage der folgenden Fragen:

"1. Ist die Regel 36 (1) b EPÜ so auszulegen, dass ein zum ersten Mal erhobener konkreter Einwand nur dann eine 24-monatige Frist zur obligatorischen Teilung nach Regel 36 (1) b EPÜ auslöst, wenn der Einwand explizit auf Artikel 82 bezug nimmt?

2. Wenn Frage 1 verneint wird, stellt eine Beanstandung nach Regel 43 (2) EPÜ wegen der Beanspruchung von zwei nebengeordneten Ansprüchen derselben Kategorie einen Einwand dar, der eine Frist nach Regel 36 (1) b) EPÜ auslöst, wenn er von der Prüfungsabteilung aus diesem konkreten Grund zum ersten Mal erhoben wurde?

3. Ist die Beantwortung der Frage 2 davon abhängig, ob in der betreffenden Beanstandung zusätzlich auf Artikel 84 EPÜ Bezug genommen wird?

4. Ist die Beantwortung der Frage 2 davon abhängig, ob statt der Beanstandung nach Regel 43 (2) EPÜ auch eine Beanstandung nach Artikel 82 EPÜ für dieselben Ansprüche hätte erhoben werden können?

5. Steht die Kombination der Möglichkeit, zu jedem Verfahrenszeitpunkt Beanstandungen nach Regel 43 (2) EPÜ erheben zu können, mit der Beschränkung der Fristauslösung für obligatorische Teilungen nach Regel 36 (1) b) EPÜ auf den Fall einer expliziten Beanstandung nach Artikel 82 EPÜ im Widerspruch zu Artikel 52 (1) EPÜ, da dann die Möglichkeit besteht, dass für eine Erfindung kein Patent erteilt wird, obwohl es sich um eine Erfindung auf einem Gebiet der Technik handelt, die neu ist, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und gewerblich anwendbar ist?

6. Wenn die Frage 5 verneint wird, steht die Kombination der Möglichkeit, zu jedem Verfahrenszeitpunkt Beanstandungen nach Regel 43 (2) EPÜ erheben zu können, mit der Beschränkung der Fristauslösung für obligatorische Teilungen nach Regel 36 (1) b) EPÜ auf den Fall einer expliziten Beanstandung nach Artikel 82 EPÜ im Widerspruch zur Präambel des EPÜ?

7. Wenn die Frage 6 verneint wird, steht die Einführung der geltenden Fassung der Regel 36 (1) b EPÜ im Hinblick auf die Möglichkeit, zu jedem Verfahrenszeitpunkt Beanstandungen nach Regel 43 (2) EPÜ erheben zu können, im Widerspruch zu Artikel 19 PVÜ?"

4.2 Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die Kammer mit dem lediglich hilfsweise gestellten Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer nach ihrer Entscheidung über den Hauptantrag sowie den höherrangigen Hilfs­antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand überhaupt zu befassen hatte. Jedenfalls war der Antrag in der Sache zurückzuweisen.

4.3 Nach Artikel 112(1) EPÜ 1973 befasst die Beschwerde­kammer, bei der ein Verfahren anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten die Große Beschwerdekammer, wenn sie deren Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder zu einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung für erforderlich hält.

Die von der Beschwerdeführerin eingereichten Fragen zur Befassung der Großen Beschwerdekammer beruhen im Wesentlichen auf der Auffassung, dass der von der Prüfungsabteilung in ihrem zweiten Bescheid vom 11. Oktober 2011 zur Stammanmeldung erhobene Einwand unter Artikel 84 und Regel 43 (2) EPÜ ein Einwand der mangelnden Einheitlichkeit ist und kein Einwand der mangelnden Klarheit. Nach Meinung der Kammer trifft diese Auffassung nicht zu, weshalb die Frage 2 und mit ihr auch die Fragen 3 und 4 aus den unter Punkt 1 dieser Entscheidung abgehandelten Gründen abschlägig zu beantworten sind. Da der zweite Bescheid vom 11. Oktober 2011 bei objektiver Auslegung keinen Einwand (weder explizit noch implizit) enthält, der als Einwand der mangelnden Einheitlichkeit zu verstehen wäre, ist die Frage 1 für die zu treffende Entscheidung irrelevant. In Bezug auf die Fragen 5 bis 7 sei angemerkt, dass vorliegend sowohl die Frist nach Regel 36 (1) a) EPÜ als auch nach Regel 36 (1) b) EPÜ am 9. November 2011, also nach Zugang des zweiten Bescheids vom 11. Oktober 2011 zur Stammanmeldung, abliefen. Die Beschwerdeführerin hätte in Kenntnis dieses Bescheids die Möglichkeit gehabt, innerhalb der Fristen nach Regel 36 (1) a) resp. b) EPÜ eine Teilanmeldung einzureichen. Die Fragen 5 bis 7 sind daher rein theoretischer Natur. Zu diesen Gründen kommt hinzu, dass die Fristregelung in Regel 36 (1) a) und b) EPÜ zwischenzeitlich aufgehoben wurde, so dass die Fragen der Beschwerdeführerin keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Artikels 112 (1) EPÜ mehr haben.

4.5 Die Kammer wies aus den vorstehenden Erwägungen den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vorlage von Fragen an die Große Beschwerdekammer zurück.

5. Erstattung der Beschwerdegebühr

Keiner der Tatbestände der Regel 103(1) und (2) EPÜ für die Erstattung der Beschwerdegebühr in voller Höhe oder zu 50% ist erfüllt. Insbesondere sind die Voraussetzun­gen für eine Erstattung nach Regel 103 (1) a) EPÜ ersichtlich nicht gegeben, da der Beschwerde nicht stattgegeben und auch kein wesentlicher Verfahrens­fehler festgestellt werden konnte.

Der Antrag auf Erstattung der Beschwerdegebühr war daher zurückzuweisen.

6. Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung

Artikel 15(2) VOBK bestimmt, dass eine mündliche Ver­handlung nach dem Ermessen der Kammer nach Eingang eines schriftlichen und begründeten Antrags ausnahms­weise verlegt werden kann. Bei der Ausübung dieses Ermessens berücksichtigt die Kammer die Mitteilung des Vizepräsidenten der Generaldirektion 3 des Europäischen Patentamts vom 16. Juli 2007 über mündliche Verhand­lungen vor den Beschwerdekammern des EPA (Sonderausgabe Nr. 3 ABl. EPA 2007, 115; nachfolgend "Mitteilung").

6.2 Nr. 2.3 der Mitteilung bestimmt, dass jeder Antrag auf Verlegung einer mündlichen Verhandlung eine Begründung enthalten muss, warum der verhinderte Vertreter nicht durch einen anderen Vertreter im Sinne der Artikel 133 (3) bzw. 134 EPÜ ersetzt werden kann. Diese Bestimmung setzt voraus, dass besondere Gründe gegeben sein müssen, die eine Ersetzung des verhinderten Vertreters ausschließen oder zumindest unzumutbar erschweren. Zusätzliche Kosten wegen der Ersetzung durch einen anderen Vertreter sind grundsätzlich in Kauf zu nehmen, da davon ausgegangen werden kann, dass derartige Kosten wegen des Einarbeitungsaufwands generell entstehen (siehe zusammenfassend T 861/12, Punkt 1.3 der Entscheidungsgründe).

6.3 Der Antrag der Beschwerdeführerin vom 13. Juni 2016 auf Verlegung des Termins enthielt keine ausreichende Begründung im Sinne von Nr. 2.3 der Mitteilung, weshalb der verhinderte Vertreter von keinem anderen Vertreter im Sinne der Artikel 133 (3) bzw. 134 EPÜ - namentlich von einem der in der Vollmacht vom 10. Juni 2016 genannten zugelassenen Vertretern - ersetzt werden konnte. Es waren auch keine Umstände ersichtlich, weshalb die bis zur Verhandlung verbleibende Zeit von mehr als zwei Monaten für die Einarbeitung durch einen anderen, als den verhinderten Vertreter unangemessen sein sollte.

6.4 Auf der Grundlage des Schreibens vom 13. Juni 2016 konnte daher dem Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht stattgegeben werden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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