European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2012:T101109.20121109 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 09 November 2012 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1011/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01106136.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | G01N 27/414 G01N 27/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Suspended Gate Field Effect Transistor (SGFET) mit Polymerbeschichtung als Feuchtesensor | ||||||||
Name des Anmelders: | Micronas GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.4.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja - geänderte Ansprüche) Wesentlicher Verfahrensmangel (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) richtet ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 01106136.3 (Veröffentlichungsnummer 1191332) zurückgewiesen worden ist.
II. In der angefochtenen Entscheidung vertritt die Prüfungsabteilung die Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem damals geltenden Antrag im Hinblick auf die Entgegenhaltung
E3: EP-A-1103808
nicht neu ist und gegenüber den Entgegenhaltungen
X2: US-A-4730479
X7: DE-A-19849932
X13: "Room temperature ozone sensing with KI layers integrated in HSGFET gas sensors" A. Fuchs et al., Sensors and Actuators Vol. B48 (1998), Seiten 296 bis 299
X15: DE-A-19814857
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. In ihrer Entscheidung vertritt die Prüfungsabteilung unter Bezugnahme auf den vorangegangenen Bescheid vom 29. März 2005 auch die Auffassung, dass das zusätzliche Merkmal des abhängigen Anspruchs 2 keinen erfinderischen Schritt begründen könnte.
III. Die Beschwerdeführerin reichte zusammen mit der Beschwerdebegründung einen geänderten Anspruchssatz (Ansprüche 1 bis 8) ein und beantragte,
- die angefochtene Entscheidung aufzuheben und wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers der Prüfungsabteilung die Sache zur weiteren Sachprüfung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen und die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen,
- hilfsweise ein Patent zu erteilen auf der Grundlage des mit der Beschwerdebegründung eingereichten geänderten Anspruchssatzes und der übrigen geltenden Anmeldungsunterlagen (Seiten 1 bis 3 der Beschreibung in der mit Schreiben vom 24.02.2006 eingereichten Fassung und Seiten 4 bis 8 der Beschreibung und Zeichnungsblätter 1/3 bis 3/3 in der ursprünglich eingereichten Fassung).
IV. Die Fassung des geltenden Anspruchs 1 lautet wie folgt:
"SGFET-Sensor nach dem Prinzip einer Messung von Austrittsarbeiten mit mindestens einer gassensitiven Schicht (1; 5) als Bestandteil eines Gates des SGFET, wobei die sensitive Schicht (1) durch einen Luftspalt von einer ein Substrat (2), einen Sourcebereich (5) und einen Drainbereich (D) eines FET überdeckenden Kanalisolierung (3) beabstandet ist, dadurch gekennzeichnet, dass im Substrat (2) ein zweiter FET integriert ist, dass eine feuchtesensitive Schicht (4) gegenüber dem Drainbereich (D) und Sourcebereich (S) des zweiten FET angeordnet ist, und dass die gassensitive Schicht (1, 5) und feuchtesensitive Schicht (4) auf einem gemeinsamen Träger sitzen, wobei die feuchtesensitive Schicht (4) aus einem Polymermaterial besteht."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 beziehen sich auf bevorzugte Ausführungsbeispiele des Sensors nach dem Anspruch 1, und die Ansprüche 5 bis 8 sind auf ein Verfahren zur Herstellung eines Sensors nach einem der Ansprüche 1 bis 4 gerichtet.
V. Zur Stützung ihrer Anträge hat die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Die Prüfungsabteilung wurde bereits zwei Tage nach Eingang der Ladung zur mündlichen Verhandlung davon unterrichtet, dass der betreffende Vertreter an demselben Tag für dieselbe Anmelderin ebenfalls eine mündliche Verhandlung wahrnehmen musste. Mit dem Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung wurde erläutert, dass in der Sozietät ausschließlich der betreffende Vertreter für die Anmelderin auf dem vorliegenden technischen Gebiet arbeitete und ein anderer Vertreter insbesondere aufgrund des damit verbundenen zusätzlichen Arbeits- und Kostenaufwandes die mündliche Verhandlung nicht wahrnehmen könnte. Die Anmelderin würde nämlich die zusätzlich entstehenden Kosten nicht zahlen. In einem Telefongespräch mit der Prüfungsabteilung und in einem weiteren Schreiben wurde nochmals bekräftigt, dass der betreffende Vertreter der einzige sachbearbeitende Vertreter der Anmelderin ist und eine Einarbeitung durch einen anderen Kollegen aus Gründen der Verfahrensökonomie und aus Kostengründen nicht sinnvoll ist.
Unter den geschilderten Umständen und angesichts der Mitteilung des EPA vom 1. September 2000 über mündliche Verhandlungen (ABl. EPA 2000, 456) hätte die Prüfungsabteilung ohne Weiteres die mündliche Verhandlung verschieben können. Warum dies nicht getan wurde, ist der Beschwerdeführerin unverständlich und mit einem anmelderfreundlichen Verhalten nicht vereinbar.
Da der Beschwerdeführerin die Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung trotz Bitte und Antrag auf Verlegung des Termins aus schwerwiegenden Gründen nicht gegeben wurde, liegt ein schwerer Verfahrensfehler der Prüfungsabteilung vor. Der Beschwerde ist deshalb aufgrund des wesentlichen Verfahrensfehlers der Nichtgewährung einer mündlichen Verhandlung und damit der Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs stattzugeben und die Anmeldung zur weiteren Sachprüfung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen. Auch die Beschwerdegebühr ist aufgrund des wesentlichen Verfahrensmangels zurückzuzahlen.
Gemäß Anspruch 1 ist im Substrat ein zweiter FET integriert. Dies ist mit dem in der Druckschrift E3 offenbarten Hybridaufbau, der zwei separat prozessierte FET voraussetzt, nicht vergleichbar. Außerdem ist der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 aufgrund der Präzisierung der feuchtesensitiven Schicht als aus einem Polymermaterial bestehend auf jeden Fall gegenüber der Druckschrift E3 neu, da diese völlig offen lässt, aus welchem Material die feuchtesensitive Schicht bei einem Gassensor bestehen soll.
Da sich die übrigen Entgegenhaltungen einerseits nicht mit SGFET-Sensoren beschäftigen und andererseits keine feuchtesensitiven Schichten offenbaren (vgl. Dokumente X2 und X15), kann eine Kombination dieser Dokumente untereinander nicht zum Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 führen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Geltend gemachte Verfahrensfehler
2.1 Auf Antrag der Beschwerdeführerin wurde während des erstinstanzlichen Verfahrens eine mündliche Verhandlung vor der Prüfungsabteilung anberaumt. Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung hin stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung. Der Antrag auf Verlegung wurde damit begründet, dass dem zuständigen Vertreter der Beschwerdeführerin vor der Ladung der Prüfungsabteilung bereits eine andere Ladung zu einer am selben Tag stattfindenden mündlichen Verhandlung in einem anderen Verfahren vor dem EPA zugestellt worden war, so dass der Vertreter an der Teilnahme verhindert war.
Der Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung wurde von der Prüfungsabteilung abgelehnt, und die angefochtene Entscheidung wurde am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet, die in Abwesenheit der Beschwerdeführerin bzw. ihres Vertreters stattfand.
Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, dass die Prüfungsabteilung durch die Ablehnung des Antrags auf Verlegung der mündlichen Verhandlung und durch die darauf folgende Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der Beschwerdeführerin und ihres Vertreters einen schweren Verfahrensfehler begangen hat.
2.2 Gemäß Nr. 2.2 der damals geltenden "Mitteilung der Vizepräsidenten Generaldirektionen 2 und 3 vom 1. September 2000 über mündliche Verhandlungen vor dem EPA" (ABl. EPA 2000, 456; nachstehend "Mitteilung" genannt) konnte einem Antrag auf Verlegung einer mündlichen Verhandlung nur stattgegeben werden, wenn u.a. der Beteiligte "schwerwiegende Gründe vorbringen kann, die die Festlegung eines neuen Termins rechtfertigen" [im Original in Fettdruck], und gemäß Nr. 2.3 der Mitteilung lagen solche schwerwiegenden sachlichen Gründe insbesondere dann vor, wenn - wie im vorliegenden Fall - der betreffende Vertreter eine "Ladung [...] zu einer mündlichen Verhandlung in einem anderen Verfahren vor dem EPA [...], die vor der Ladung in dem betreffenden Verfahren zugestellt wurde", erhalten hat.
Allerdings musste jeder Antrag auf Verlegung einer mündlichen Verhandlung gemäß Nr. 2.5 der Mitteilung "eine Begründung erhalten, warum der verhinderte Vertreter nicht durch einen anderen Vertreter im Sinne der Artikel 133(3) bzw. 134 EPÜ ersetzt werden kann". Dies impliziert, dass die Begründung über einen für sich genommen nicht ausreichenden, allgemeinen Wunsch der Beschwerdeführerin, sich in einer mündlichen Verhandlung von einem gewohnten Vertreter vertreten zu lassen, hinausgehen musste und dass besondere Gründe gegeben sein mussten, die eine Ersetzung des verhinderten Vertreters ausschlossen oder zumindest unzumutbar erschwerten (siehe z.B. T 1080/99 (ABl. EPA 2002, 568), Nr. 2.6 der Entscheidungsgründe, T 1067/03, Nr. 12.2, T 300/04, Nr. 15.4, und T 178/03, Nr. 6.1). Das in Nr. 2.5 der Mitteilung enthaltene Erfordernis der Begründung setzte nach Auffassung der Kammer auch voraus, dass das Entstehen zusätzlicher Kosten - zumindest soweit sie im üblichen Rahmen lagen - in Kauf zu nehmen war, da davon ausgegangen werden kann, dass derartige Kosten der Ersetzung durch einen anderen Vertreter wegen dessen Einarbeitungsaufwand generell entstehen.
Die Kammer hat keinen Anlass, die Gültigkeit der vorgenannten Vorschriften der Mitteilung in Zweifel zu ziehen.
2.3 Im vorliegenden Fall hatte die Beschwerdeführerin während des erstinstanzlichen Prüfungsverfahrens Folgendes vorgetragen:
- "eine Übertragung eines der beiden Fälle auf einen anderen Partner der Kanzlei scheint aus verfahrenökonomischen Gründen nicht sinnvoll" (Schreiben vom 19.09.2008), und
- "der vorliegende Anmeldungsgegenstand [ist] alles andere als einfach [...]. Im Prüfungsverfahren sind allein zwölf Entgegenhaltungen zitiert worden. Eine Einarbeitung in die vorliegende Akte ist deshalb mit außerordentlichem Zeitaufwand verbunden. Es steht in keinem Verhältnis, dass nur aufgrund der Tatsache, dass das Europäische Patentamt den Termin nicht verlegen will[,] für die Anmelderin zusätzliche Kosten dadurch entstehen, dass sich ein weiterer Patentanwalt grundsätzlich in die Akte einarbeiten muss." (Schreiben vom 24.11.2008).
Die Prüfungsabteilung hatte ihrerseits der Beschwerdeführerin telefonisch Folgendes mitgeteilt (siehe Abschrift vom 25.09.2008 des Ergebnisses der Rücksprache vom 22.09.2008):
"Da die Anmeldung weder in technischem Sinne noch in verfahrenstechnischem Sinne komplex ist, erscheint es zumutbar, dass ein anderer Vertreter den Fall übernimmt."
In der angefochtenen Entscheidung hat die Prüfungsabteilung die Zurückweisung des Antrags auf Verlegung der mündlichen Verhandlung wie folgt begründet (Teil "Sachverhalt und Anträge", Nr. 3, vorletzter Absatz):
"Erstens befinden sich zwar 15 Dokumente im Verfahren, in der Ladung wurden jedoch lediglich 6 Dokumente zitiert, wovon die meisten auf die Erfinder selbst zurückgehen, wovon einige äquivalent sind und wovon drei erst mit der Ladung eingeführt wurden und somit auch für den bisherigen Vertreter neu sind. Zudem sind in jedem der wenige Seiten umfassenden Dokumente nur einige wenige aus sich heraus verständliche Figuren und einige wenige Absätze in der Ladung zitiert. In Anbetracht dessen und in Anbetracht des geringen Umfangs der Anmeldung und der Kürze des Prüfungsverfahrens ist die Prüfungsabteilung der Ansicht, dass es sich bei dieser Verhandlung um einen eher einfach gelagerten Fall handelt. Zweitens wird dem Vertreter zwar zugestimmt, dass der Zeitaufwand für einen Ersatzvertreter eventuell höher wäre als für den bisherigen Vertreter. Dies ist jedoch immer der Fall und kann daher nicht in Punkt 2.5. besagter Mitteilung des EPA als Begründung gemeint sein. Da die zweite notwendige Bedingung 2.5. in besagter Mitteilung des EPA somit nicht erfüllt ist, wurde der Termin für die mündliche Verhandlung nicht verschoben [...]."
2.4 Der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte schwere Verfahrensfehler wirft die Frage auf, ob die Ablehnung des Antrags auf Verlegung der mündlichen Verhandlung durch die Prüfungsabteilung unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände zu beanstanden ist.
Die Prüfungsabteilung hatte der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die Anmeldung weder in technischem Sinne noch in verfahrenstechnischem Sinne komplex sei, so dass es zumutbar erscheine, dass ein anderer Vertreter den Fall übernehme. Die von der Beschwerdeführerin in ihrer Erwiderung später vorgebrachten Argumente wurden von der Prüfungsabteilung in Betracht gezogen, jedoch konnten diese die Prüfungsabteilung aus den in der Entscheidung dargelegten Gründen nicht überzeugen. Insbesondere hat die Prüfungsabteilung in ihrer Entscheidung erläutert, warum es sich bei der Verhandlung ihrer Ansicht nach um einen eher einfach gelagerten Fall handele, und auch geltend gemacht, dass die Tatsache, dass der Zeitaufwand für einen Ersatzvertreter eventuell höher wäre als für den bisherigen Vertreter, nicht in Punkt 2.5 der Mitteilung als Begründung gemeint sein könnte, da dies immer der Fall sei (Nr. 2.3 oben, letzter Absatz).
Nach Auffassung der Kammer sind diese Erwägungen der Prüfungsabteilung für die Ablehnung einer Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zu beanstanden. Insbesondere stimmt die Kammer der Prüfungsabteilung zu, dass es sich bei dem vorliegenden Fall nicht um einen besonders komplex bzw. schwierig oder umfangreich gelagerten Fall handelt. So sind keine besonderen, das Übliche übersteigende Schwierigkeiten erkennbar, die eine Ersetzung des verhinderten Vertreters durch einen anderen der nach Artikel 134 EPÜ bestellten Vertreter ausgeschlossen oder zumindest unzumutbar erschwert hätten. Die Argumente der Beschwerdeführerin, wonach in der die Beschwerdeführerin seinerzeit vertretenden Sozietät ausschließlich der verhinderte Vertreter für die Patentanmelderin auf dem vorliegenden technischen Gebiet gearbeitet habe und ein anderer Vertreter insbesondere aufgrund des damit verbundenen zusätzlichen Arbeits- und Kostenaufwandes die mündliche Verhandlung nicht habe wahrnehmen können, da die Patentanmelderin die zusätzlich entstehenden Kosten nicht gezahlt hätte, sind nicht geeignet, die Begründung der Prüfungsabteilung in dieser Hinsicht zu entkräften, siehe Nr. 2.2 oben, zweiter Absatz.
Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten verfahrensökonomischen Gründe führen daher nicht zu der Schlussfolgerung, dass die mündliche Verhandlung von der Prüfungsabteilung hätte verlegt werden müssen.
2.5 Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass die Ablehnung der beantragten Verlegung der mündlichen Verhandlung durch die Prüfungsabteilung und die darauf folgende Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der Beschwerdeführerin bzw. ihres Vertreters - in den Worten der Beschwerdeführerin: die "Nichtgewährung einer mündlichen Verhandlung" - nach Auffassung der Kammer keinen Verfahrensfehler darstellt. Es liegt insbesondere nicht die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Verletzung von Artikel 116 EPÜ 1973 und damit auch nicht als Folge eine Verletzung des in Artikel 113 (1) EPÜ 1973 verankerten Anspruchs auf rechtliches Gehör vor.
3. Hauptantrag
Gemäß Artikel 11 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern verweist eine Kammer die Angelegenheit an die erste Instanz zurück, wenn das Verfahren vor der ersten Instanz wesentliche Mängel aufweist, es sei denn, dass besondere Gründe gegen die Zurückverweisung sprechen. Wesentliche Verfahrensmängel sind aber vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere konnte der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Verfahrensfehler - wie in Nr. 2 oben ausgeführt - nicht festgestellt werden.
Die im geltenden Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen könnten eine Zurückverweisung der Sache an die Prüfungsabteilung gemäß Artikel 111 (1) EPÜ 1973 nicht rechtfertigen, da der geltende Anspruch 1 nur eine Kombination des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anspruchs 1 mit dem zusätzlichen Merkmal des vorherigen abhängigen Anspruchs 2 darstellt und eine solche Kombination während des Prüfungsverfahrens von der Prüfungsabteilung bereits berücksichtigt und nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen wurde (siehe Nr. II oben und Nr. 3 der angefochtenen Entscheidung).
Der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Verfahrensfehler konnte nicht festgestellt werden. Im erstinstanzlichen Verfahren sind auch keine sonstigen Umstände ersichtlich, die als Verfahrensmängel anzusehen wären, auch wenn der doch unübliche Hinweis in der Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung, die Prüfungsabteilung halte eine solche Verhandlung für überflüssig und ein Rückzug des Antrags oder die Abwesenheit des Vertreters von der Verhandlung willkommen wären, zumindest nicht von einer ausgesprochen wohlwollenden Haltung der Prüfungsabteilung dem Anmelder gegenüber zeugen mag. Folglich liegt nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall kein wesentlicher Verfahrensmangel vor, der die beantragte Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ 1973 bzw. Regel 103 (1) a) des revidierten EPÜ rechtfertigen würde.
Somit kann weder dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zur weiteren Sachprüfung noch - falls die Beschwerde aus anderen Gründen Erfolg haben sollte - dem Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr stattgegeben werden.
4. Hilfsantrag
Hingegen kann der Antrag auf Erteilung eines Patents auf der Basis der geltenden Anmeldungsunterlagen, der von der Beschwerdeführerin als Hilfsantrag gestellt wurde (vgl. Nr. III oben), aus den nachfolgenden Gründen gewährt werden.
4.1 Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ergibt sich aus dem Gegenstand des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anspruchs 1, zusammen mit dem Merkmal des ursprünglichen abhängigen Anspruchs 2. Die Zulässigkeit im Sinne des Artikels 123(2) EPÜ der Änderungen in dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anspruch 1 wurde in der Entscheidung (vgl. Absatz 0) ausführlich und zutreffend begründet, und die Kammer schließt sich dieser Feststellung der Prüfungsabteilung vollinhaltlich an. Die Merkmale der Ansprüche 2 bis 8 entsprechen denjenigen der ursprünglichen Ansprüche 3, 4, 6 und 8 bis 11.
Die Änderungen in der Beschreibung betreffen die Anpassung an Anspruch 1 (Artikel 84 und Regel 27(1) (c) EPÜ 1973) und die Würdigung des Standes der Technik (Regel 27(1) b) EPÜ 1973).
Die Änderungen in den Anmeldungsunterlagen sind daher nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden.
4.2 In ihrer Entscheidung hat die Prüfungsabteilung die Auffassung vertreten, dass der Gegenstand des damals geltenden Anspruchs 1 nicht neu gegenüber der Offenbarung in der Entgegenhaltung E3 sei. Die Entgegenhaltung E3, die Stand der Technik nach Artikel 54(3) EPÜ 1973 darstellt, offenbart einen Gassensor, bei dem unter Ausnutzung der Eigenschaften eines FET (Feldeffekttransistors) die Austrittsarbeit an einer gassensitiven Schicht gemessen wird (Absatz [0001]), wobei die Querempfindlichkeit der Schicht, insbesondere deren Sensitivität auf Luftfeuchtigkeit durch das Verwenden einer zweiten, nur Feuchtigkeit detektierenden Schicht eliminiert wird (Absatz [0004]).
Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin der Auffassung der Prüfungsabteilung hinsichtlich der mangelnden Neuheit des Gegenstandes des damals geltenden Anspruchs 1 gegenüber der Druckschrift E3 widersprochen (vgl. Nr. V oben, vorletzter Absatz) und den Anspruch 1 dahingehend geändert, dass die feuchtesensitive Schicht des beanspruchten Sensors nun aus einem Polymermaterial besteht.
Die Verwendung einer Schicht aus einem Polymermaterial als feuchtesensitive Schicht in einem FET-Sensor ist der Druckschrift E3 nicht zu entnehmen, so dass der Gegenstand des geltenden geänderten Anspruchs 1 bereits aus diesen Gründen neu gegenüber der Offenbarung in der Druckschrift E3 ist. Somit ist es nicht nötig, in diesem Zusammenhang weiter auf diesen Punkt einzugehen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist auch den übrigen verfügbaren Druckschriften nicht entnehmbar.
4.3 Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist die Prüfungsabteilung in ihrer Entscheidung von der Entgegenhaltung X13 und alternativ dazu von den Entgegenhaltungen X7 und X15 als nächstkommendem Stand der Technik ausgegangen.
Die Druckschrift X13 offenbart einen Gassensor nach dem Prinzip einer Messung von Austrittsarbeiten mit einer gassensitiven Schicht als Bestandteil eines Gates eines SGFET ("suspended gate"-Feldeffekttransistor), wobei die sensitive Schicht durch einen Luftspalt von einer ein Substrat, einen Sourcebereich und einen Drainbereich eines FET überdeckenden Kanalisolierung beabstandet ist (vgl. Figur 1 und Zusammenfassung). Der Gassensor weist einen zweiten, im Substrat integrierten FET auf, der als Referenz-FET dient (Figur 1).
Während der Referenz-FET des Sensors gemäß der Druckschrift X13 keine sensitive Schicht aufweist und lediglich als Referenz für die Auswertung der mit der gassensitiven Schicht des SGFET-Sensors durchgeführten Messungen verwendet wird, ist gemäß Anspruch 1 eine feuchtesensitive Schicht gegenüber dem Drainbereich und Sourcebereich des zweiten FET angeordnet, wobei die gassensitive Schicht und die feuchtesensitive Schicht auf einem gemeinsamen Träger sitzen und die feuchtesensitive Schicht aus einem Polymermaterial besteht. Durch diese Unterscheidungsmerkmale wird ein kleiner, kompakter Sensor mit weitem Einsatzfeld geschaffen, der sowohl als Gassensor als auch als Feuchtesensor dient und insbesondere eine Eliminierung von Querempfindlichkeiten aufgrund vorhandener Feuchte bei der Gasdetektion ermöglicht (vgl. Beschreibung, Seite 3, Zeilen 9 bis 32, Seite 4, Zeilen 4 bis 15, und Seite 5, Zeile 33 bis Seite 6, Zeile 14).
Keine der in der angefochtenen Entscheidung zitierten Entgegenhaltungen enthält irgendwelche Anregungen im Hinblick auf den beanspruchten Gassensor. So wird in der Druckschrift X13 die starke Querempfindlichkeit des FET-Gassensors auf Feuchtigkeit zwar detailliert erläutert und dargestellt (Figur 5 und 6 und Abschnitt 3.3), die Druckschrift schlägt aber lediglich vor, die Anwendbarkeit des Gassensors auf bestimmte Feuchtigkeitsbereiche zu begrenzen (Zusammenfassung und Abschnitt 4, erster Absatz).
Die Druckschrift X2 offenbart einen SGFET-Gassensor mit einer gassensitiven Schicht als Bestandteil eines Gates des SGFET (Spalte 4, Zeilen 44 bis 54) und beschäftigt sich ebenfalls mit dem Problem der Auswirkung der Feuchtigkeit auf den Gassensor (Spalte 4, Zeilen 31 bis 43). Die Druckschrift lehrt jedoch die Verwendung eines zweiten SGFET-Sensors mit einer feuchtesensitiven Schicht (Spalte 4, Zeilen 55 bis 60), der parallel zu dem SGFET-Gassensor so geschaltet ist (Figur 1 und Spalte 4, Zeilen 34 bis 43), dass der SGFET-Feuchtesensor und der SGFET-Gassensor eine Schaltung für den Ausgleich des Einflusses von Feuchtigkeit auf die Messungen des Gassensors bilden (Zusammenfassung, Spalte 5, Zeile 10 ff. und Spalte 7, Zeilen 6 bis 22). Der Fachmann, der sich mit der Problematik der Feuchteempfindlichkeit des FET-Gassensors gemäß der Druckschrift X13 befassen würde, hätte die Lehre der Druckschrift X2 hinsichtlich der Verwendung einer parallelen Ausgleichsschaltung mit einem FET-Feuchtesensor auf den Gassensor gemäß der Druckschrift X13 übertragen; eine Anregung dazu, eine feuchtesensitive Schicht gemäß der Lehre der Druckschrift X2 in dem Referenz-FET des Gassensors gemäß der Druckschrift X13 einzusetzen und den Referenz-FET, insbesondere dessen Luftspalt, so umzugestalten, dass dieser als Feuchtesensor dienen würde, ist - entgegen der Auffassung der Prüfungsabteilung - aus der Lehre der Druckschrift X2 aber nicht entnehmbar.
Die Druckschrift X7, von deren Inhalt als nächstkommendem Stand der Technik in der angefochtenen Entscheidung als Alternative zu der Druckschrift X13 ausgegangen worden ist, offenbart einen SGFET-Gassensor derselben Art wie die Druckschrift X13 (Figur 1 und 2 und Spalte 4, Zeile 31 bis Spalte 5, Zeile 44) mit einer gassensitiven Schicht aus einem Polymermaterial (Spalte 5, Zeilen 1 bis 4). Ansonsten geht der relevante Inhalt der Druckschrift X7 nicht über den Offenbarungsgehalt der Druckschrift X13 hinaus.
Die Druckschrift X15, die von der Prüfungsabteilung auch als nächstkommender Stand der Technik angesehen worden ist, offenbart einen mit einem integrierten Referenz-FET versehenen SGFET-Gassensor derselben Art wie die Druckschrift X13 (Figur 1 und Spalte 3, Zeilen 18 bis 33) sowie eine weitere Ausgestaltung des Gassensors (Figur 6 und Spalte 3, Zeilen 34 bis 57), bei der der Referenz-FET eine Schicht aufweist (Spalte 4, Zeilen 21 bis 36). Abgesehen davon, dass der FET-Gassensor gemäß dieser Ausgestaltung auf einer Flip-Chip-Technologie basiert (Spalte 3, Zeilen 2 bis 16), mit der Folge, dass der Aufbau des Sensors sich von dem in Figur 1 derselben Druckschrift und in den Druckschriften X7 und X13 offenbarten SGFET-Sensor in wesentlichen Merkmalen unterscheidet, wird die Schicht des Referenz-FET in der Druckschrift X15 ausdrücklich als nicht-gassensitive Schicht beschrieben (Spalte 4, Zeilen 21 bis 24), so dass der Referenz-FET lediglich dazu dient, Referenzmessungen zu gewinnen, die eine Kompensation von Temperatureinflüssen in der gassensitiven Reaktion des SGFET-Gassensors ermöglichen (Spalte 2, Zeilen 65 bis 67 und Spalte 4, Zeile 24 bis 26). Eine Anregung dazu, den Referenz-FET in einen Feuchtesensor umzuwandeln, insbesondere die ausdrücklich als nicht-gassensitiv bezeichnete Schicht des Referenz-FET durch eine feuchtesensitive (d.h. wassergassensitive) Schicht zu ersetzen, ist daraus bzw. aus dem in der angefochtenen Entscheidung angezogenen Stand der Technik aber nicht zu entnehmen.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass keine der in der Entscheidung genannten Entgegenhaltungen irgendwie geartete Anregungen zu dem beanspruchten integrierten Aufbau zweier FET in einem gemeinsamen Substrat des Sensors mit jeweils einer gassensitiven bzw. einer feuchtesensitiven Schicht, die auf einem gemeinsamen Träger sitzen, enthält. Auch keine der weiteren, im Verfahren befindlichen Druckschriften enthält irgendwie geartete Anregungen zu dem Gegenstand des Anspruchs 1.
4.4 Im Hinblick auf den verfügbaren Stand der Technik kommt die Kammer daher zum Schluss, dass der Gegenstand des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anspruchs 1 neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Das Gleiche gilt für die Ansprüche 2 bis 8 aufgrund ihrer Rückbeziehung auf Anspruch 1 (vgl. Nr. IV oben, letzter Absatz).
5. Die Beschwerdeführerin hat keine mündliche Verhandlung beantragt, und die vorliegende Entscheidung konnte auf der Grundlage des schriftlichen Vorbringens der Beschwerdeführerin ohne mündliche Verhandlung getroffen werden (Artikel 12 (2) und (3) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
- Ansprüche: Nr. 1 bis 8, eingereicht mit der Beschwerdebegründung,
- Beschreibung: Seiten 1 bis 3 in der mit Schreiben vom 24.02.2006 eingereichten Fassung und Seiten 4 bis 8 in der ursprünglich eingereichten Fassung und
- Zeichnungen: Zeichnungsblätter 1/3 bis 3/3 in der ursprünglich eingereichten Fassung.
3. Der Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.