European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2012:T125309.20120425 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 25 April 2012 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1253/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03812582.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | B62D 53/08 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Sattelkupplung | ||||||||
Name des Anmelders: | Georg Fischer Verkehrstechnik GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Jost-Werke GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ermessen der Einspruchsabteilung - Zulassung eines Hauptantrags, Nichtzulassung verspätetes Dokument (in zulässiger Weise ausgeübt) Neuer Einspruchsgrund (nicht berücksichtigt) Zulässigkeit der Änderungen - Hauptantrag (ja) Mangelnde Ausführbarkeit (nein) Zulassung - verspätet vorgebrachtes Dokument sowie Neuheitseinwand und Argumentationslinie erfinderische Tätigkeit (ja) Zurückverweisung an die erste Instanz (nein) Zulässigkeit der Änderungen gemäß Hilfsantrag I (ja) Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag: nein, Hilfsantrag I: ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat am 12. Juni 2009 gegen die am 14. April 2009 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Fassung, in der das europäische Patent EP 1 578 658 in geändertem Umfang aufrechterhalten werden kann, Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 14. August 2009 eingegangen.
II. Gegen das vorliegende Patent war Einspruch eingelegt worden aufgrund der in Artikel 100 a) und b) EPÜ 1973 genannten Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit sowie der mangelnden Ausführbarkeit.
III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügten.
IV. Im Einspruchsverfahren wurde neben der in der Patentschrift gewürdigten Druckschrift
D1: WO 01/34454
auch eine offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht, beruhend auf folgenden Unterlagen:
D2: EWG Typgenehmigungsbogen des
Kraftfahrtbundesamtes vom 11.03.1996
D3: Montage- und Betriebsanleitung für JOST
Sattelkupplungen Typ JSK 37 E0
D4: Beschreibungsbogen Nr. JSK 37 E0 zur EWG-Typgenehmigung
D5: Liste der Anlagen zum Beschreibungsbogen Nr. JSK 37 E0
D6: Konstruktionszeichnung Oberteil vollständig,
Zeichnungs-Nr. SK 3104-019
D7: Konstruktionszeichnung Kupplungsplatte,
Zeichnungs-Nr. SK 3103-04 Blatt 1/2
D8: Konstruktionszeichnung Sattelkupplung vollst.,
Zeichnungs-Nr. SK 3100-097
D9: Konstruktionszeichnung Lagerbock vollst. Typ C/D
rechts, Zeichnungs-Nr. SK 3104-034
Von der Einspruchsabteilung zugelassen wurde auch das folgende, als Beweis der offenkundigen Vorbenutzung verspätet vorgelegte Dokument:
D10: Lieferschein vom 29.05.2002 über die Auslieferung des Kupplungstyps JSK 37 E0 000102 an die Fa. Volvo Europa Truck N.V.
Hingegen entschied die Einspruchsabteilung, das von der Einsprechenden ebenfalls verspätet vorgebrachte Dokument
D11: EP 0 052 792 A2
nicht im Verfahren zuzulassen, da es aufgrund eines fehlenden Spielraums im Sinne des Patents nicht als prima facie relevant für Neuheit angesehen wurde.
Der für die offenkundige Vorbenutzung angebotene Zeuge wurde in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung nicht gehört.
V. Mit Schreiben vom 26. März 2012 reichte die Beschwerdeführerin eine besser lesbare Darstellung der D7 ein sowie folgende Dokumente:
D7a: Vergrößerung der oberen Schnittdarstellung in D7
D10a: Rechnungskopie zum Lieferschein D10
D14: Prospektblatt JSK37 EA aus 6/98
D15: Zeichnung JSK 37 E0 000100
Anlage A: Übersicht zu den in den Dokumenten D2 bis D15
genannten Nummern (Genehmigungs-Nr.,
Bestell-Nr., Zeichnungs-Nr.)
Außerdem bot die Beschwerdeführerin in Zusammenhang mit der offenkundigen Vorbenutzung Darlegungen von Hr. José Manuel Algüera als Sachverständiger sowie Zeugenbeweis durch Hr. José Manuel Algüera an.
VI. Am 25. April 2012 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Im Falle der Zulassung der Druckschrift D11 in das Beschwerdeverfahren beantragte sie die Zurückverweisung an die erste Instanz. Sie verzichtete auf die Anhörung von Hr. José Manuel Algüera als Sachverständiger.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags I und zog die mit Schreiben vom 21. März 2012 eingereichten Hilfsanträge I bis VI zurück.
VII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt (in Anlehnung an die Merkmalsanalyse der Beschwerdeführerin mit Merkmalsgliederung in Fettdruck in eckigen Klammern, Einfügung durch die Kammer):
"Sattelkupplung (1) umfassend eine Kupplungsplatte (4) [1.1] und einen Lagerbock (5) zur bewegbaren Befestigung der Kupplungsplatte (4) an einem Rahmen (3) eines Zugfahrzeuges [1.2], wobei der Lagerbock (5) einen Lagerungsbereich (6) [1.3] und einen Befestigungsbereich (7) aufweist [1.4], wobei der Lagerungsbereich (6) zur schwenkbaren Lagerung der Kupplungsplatte (4) [1.5] und der Befestigungsbereich (7) zur lösbaren Befestigung der Kupplungsplatte (4) an dem Rahmen (3) des Zugfahrzeuges ausgebildet sind [1.6], wobei in Fahrtrichtung (x) und parallel zur Schwenkachse (y) geschnitten, der Lagerungsbereich (6) einen größeren Querschnitt als der Befestigungsbereich (7) aufweist [1.7], wobei der Lagerbock (5) im Lagerungsbereich (6) in Richtung der Schwenkachse (y) eine Breite (b) aufweist, die kleiner ist als die Breite eines Aufnahmebereiches (10) [1.8], der zur Aufnahme des Lagerbocks (5) an die Kupplungsplatte (4) ausgebildet ist, derart, dass der Lagerungsbereich (6) des Lagerbockes (5) mit einem Spielraum (S) in dem Aufnahmebereich (10) der Kupplungsplatte (4) angeordnet ist [1.9], dadurch gekennzeichnet, dass der Spielraum (S) zum Auffangen der Relativbewegungen zwischen der Kupplungsplatte (4) und dem Lagerbock (5) in der Richtung der Schwenkachse (y) im Bereich der Fahrzeuginnenseite des Lagerbockes (5) ausgebildet ist [1.10], wobei die Sattelkupplung einen zweiten, gegenüberliegenden Lagerbock umfasst, bei dem ebenfalls auf der Fahrzeuginnenseite ein solcher Spielraum S vorgesehen ist [1.11]."
Hilfsantrag I
Anspruch 1 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag I lautet wie folgt (die Änderungen gegenüber Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sind in Fettdruck hervorgehoben, Streichungen durch Durchstreichen):
"Sattelkupplung (1) umfassend eine Kupplungsplatte (4) und einen Lagerbock (5) zur bewegbaren Befestigung der Kupplungsplatte (4) an einem Rahmen (3) eines Zugfahrzeuges, wobei der Lagerbock (5) einen Lagerungsbereich (6) und einen Befestigungsbereich (7) aufweist, wobei der Lagerungsbereich (6) zur schwenkbaren Lagerung der Kupplungsplatte (4) und der Befestigungsbereich (7) zur lösbaren Befestigung der Kupplungsplatte (4) an dem Rahmen (3) des Zugfahrzeuges ausgebildet sind, wobei in Fahrtrichtung (x) und parallel zur Schwenkachse (y) geschnitten, der Lagerungsbereich (6) einen größeren Querschnitt als der Befestigungsbereich (7) aufweist, wobei der Lagerbock (5) im Lagerungsbereich (6) in Richtung der Schwenkachse (y) eine Breite (b) aufweist, die kleiner ist als die Breite eines Aufnahmebereiches (10), der zur Aufnahme des Lagerbocks (5) an die Kupplungsplatte (4) ausgebildet ist, derart, dass der Lagerungsbereich (6) des Lagerbockes (5) mit einem einseitig frei gelassenen Spielraum (S) in dem Aufnahmebereich (10) der Kupplungsplatte (4) angeordnet ist, wobei [deleted: dadurch gekennzeichnet, dass ]der Spielraum (S) zum Auffangen der Relativbewegungen zwischen der Kupplungsplatte (4) und dem Lagerbock (5) in der Richtung der Schwenkachse (y) im Bereich der Fahrzeuginnenseite des Lagerbockes (5) ausgebildet ist, wobei die Sattelkupplung einen zweiten, gegenüberliegenden Lagerbock umfasst, bei dem ebenfalls auf der Fahrzeuginnenseite ein solcher Spielraum S vorgesehen ist."
VIII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die Argumentation der Einspruchsabteilung in Bezug auf die Zulassung des erst in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags könne nicht akzeptiert werden, da die Patentinhaberin im Rahmen der mündlichen Verhandlung weder mit neuen Argumenten noch einem unbekannten Stand der Technik konfrontiert worden sei und deshalb nicht mit Einreichen des Hauptantrags auf einen Neuheitseinwand habe "reagieren" müssen. Da zudem der Ladungszusatz der Einspruchsabteilung eine Argumentation rings um das einschränkende Merkmal beinhaltet habe, hätte die Patentinhaberin eine eingeschränkte Anspruchsfassung vor dem mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung gemäß Regel 116 EPÜ gesetzten Fristende einreichen müssen. Die Einspruchsabteilung habe damit die zeitliche Einschränkung durch den mit ihrer Ladung gemäß Regel 116 EPÜ gesetzten Zeitpunkt zur Einreichung von Schriftsätzen - wie in der Entscheidung T 0382/97 ausgeführt - missachtet. Außerdem sei eine Unterbrechung der mündlichen Verhandlung nicht ausreichend, um den neu eingeführten Anspruchswortlaut umfassend zu prüfen hinsichtlich Neuheit, erfinderischer Tätigkeit und unzulässiger Erweitung sowie eine auf die neue Anspruchsfassung gerichtete Recherche durchzuführen.
Anspruch 1 des Hauptantrags sei unzulässig erweitert, da die Formulierung "ein solcher Spielraum" im hinzugefügten Merkmal 1.11 zum Ausdruck bringe, dass die Zweckangabe in Merkmal 1.10 ("Spielraum zum Auffangen der Relativbewegungen zwischen der Kupplungsplatte und dem Lagerbock") sich auch auf den in Merkmal 1.11 definierten zweiten, gegenüberliegenden Lagerbock erstrecke. In der Beschreibung wie ursprünglich eingereicht seien die beiden Spielräume jedoch "zum Ausgleichen von Bewegungen" vorgesehen. Während das Wort "Auffangen" eine stützende Wirkung des Spielraumes zum Ausdruck bringe, d. h. eine Bewegung des Lagerbocks werde begrenzt oder abgestützt bzw. beendet, informiere das Wort "Ausgleichen" den verständigen Fachmann über mögliche Bewegungen des Lagerbocks gegenüber der Kupplungsplatte. Damit verstoße Merkmal 1.11 gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
Darüber hinaus stehe das aus der Beschreibung der ursprünglichen Offenbarung entnommene Merkmal 1.11 dort in einem funktionalen oder strukturellen Zusammenhang mit weiteren Merkmalen, insbesondere mit Verformungen in Richtung der Schwenkachse, die wiederum nur im Fahrbetrieb bei am Rahmen montierter Sattelkupplung aufträten und in engem Zusammenhang mit dem Material ("einstückiges Gussformteil") und der Bauform der Lagerböcke ("Im Lagerungsbereich 6 weist der Lagerbock 5 eine Breite b auf, die mindestens 2,5 mal so groß ist als die Breite des Lagerbocks 5 im Befestigungsbereich 7.") stünden. Das Herausgreifen isolierter Merkmale aus einer im Ausführungsbeispiel ursprünglich offenbarten Kombination verstoße gegen Artikel 123 (2) EPÜ.
Da bei den Überlegungen zu Artikel 123 (2) EPÜ der bereits im erteilten Anspruch 1 enthaltene Ausdruck "zum Auffangen der Relativbewegungen" aus Merkmal 1.10 von Bedeutung sei, werde - im Interesse der Rechtssicherheit und eventuell auch im Interesse der Patentinhaberin - als neuer Einspruchsgrund Artikel 100 c) EPÜ 1973 geltend gemacht, auch wenn im letzten Schriftsatz vom 26. März 2012 noch darauf verzichtet worden sei.
Die im Streitpatent vorgeschlagenen Maßnahmen bedeuteten annähernd eine Verdoppelung der aufzunehmenden Querkraft durch den in Kraftrichtung vorderen Lagerbock bei gleichzeitiger Reduzierung des tragenden Materials. Die Einspruchsabteilung habe lapidar auf spezielle Werkstoffe verwiesen, allerdings enthalte das Streitpatent keine Hinweise zur Werkstoffproblematik. Ein Werkstoff mit doppelt so hohem Festigkeitswert wie bei bekannten, im Kupplungsbau verwendeten Stählen sei nicht bekannt, so dass die Erfordernisse von Artikel 100 b) EPÜ 1973 nicht erfüllt seien.
Die Einspruchsabteilung sei in unzulässiger Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass die Druckschrift D11 keinen Spielraum im Sinne des Patents offenbare und somit nicht prima facie relevant für die Neuheit sei, auch wenn sie richtigerweise die Entscheidung T 1002/92 zitiert habe. Da Anspruch 1 lediglich von einem abstrakten, nicht weiter konkretisierten Spielraum ausgehe, der eine Relativbewegung zwischen Lagerbock und Kupplungsplatte zulasse bzw. ermögliche und nicht ausschließe, dass dieser mit Material (z. B. elastischen Elementen) aufgefüllt sein könne, sei eine solche Relativbewegung auch in D11 (siehe Figuren 7 ff.) mit gegenüber den Lagerböcken größer dimensionierten Taschen 44 prima facie erkennbar. Das Kernmerkmal der Erfindung sei der "Spielraum", wobei in Anspruch 1 weder dessen Dimensionierung noch dessen Füllung beschrieben werde. Der beanspruchte "Spielraum" sei also nicht auf einen Freiraum eingeschränkt, sondern umfasse jeden beliebigen Bewegungsraum mit einer möglichen Füllung, so dass D11 als prima facie relevant anzusehen sei. Die Tatsache, dass der in D11 gezeigte Spielraum mit einem Gummiteil ausgefüllt sei und die Relativbewegung über eine Kraft abgebremst werde, schließe eine Bewegung nicht aus. Die Gummieinlage in D11 sei weder der Tasche noch dem Lagerbock zuzuordnen, so dass zwischen Tasche und Lagerbock ein Spielraum im beanspruchten Sinne vorhanden sei. Im Übrigen habe die Einspruchsabteilung den Begriff "Spielraum" in nicht sachgerechter Weise diskutiert, da D11 auch dann in Betracht zu ziehen sei, wenn durch die Sattelkupplung aus D11 nur die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 in Frage gestellt sei. Die Lagerung der Kupplungsplatte am Lagerbock gemäß Merkmal 1.5 erfordere Verbindungselemente, was auch in D11 gegeben sei (siehe Bolzen in Figur 11; ebenso Figuren 7 bis 10 in Verbindung mit Figuren 2 bis 6).
Die Zulassung der vor der ersten Instanz nicht diskutierten Druckschrift D11 in das Beschwerdeverfahren müsse zur Zurückverweisung an die erste Instanz führen, da eine Stellungnahme aufgrund fehlender Argumente der Einspruchsabteilung nicht möglich gewesen sei. Allerdings werde in der Beschwerdebegründung neben einem Pauschalverweis auf den Einspruchsschriftsatz bereits das nach Ansicht der Einspruchsabteilung nicht in D11 offenbarte Merkmal eines Spielraumes argumentiert.
Die in Bezug auf Neuheit strittigen Merkmale 1.5, 1.7 sowie 1.9 bis 1.11 seien in D11 gezeigt. Die schwenkbare Lagerung der Kupplungsplatte gemäß Merkmal 1.5 sei ein inhärentes bzw. implizites Merkmal der Sattelkupplung aus D11, da die Kupplung sonst bei Fahrten durch Mulden beschädigt werde. Darauf weise auch die in Figur 11 in D11 gezeigte Bolzenverbindung hin, die auch bei den in den Figuren 7 bis 10 gezeigten Ausführungsbeispielen vorhanden sein müsse. Figur 1 aus D11 zeige Lagerböcke mit nach unten verjüngtem Querschnitt sowie einer Ausnehmung in Längsrichtung und unterbrochenen Nocken und damit Merkmal 1.7, wobei Anspruch 1 die Lage von Lagerungsbereich und Befestigungsbereich nicht exakt definiere. Merkmal 1.7 sei aber auch durch den in D11 in Figur 5 klar erkennbaren Befestigungsbereich offenbart. Die Merkmale 1.9 bis 1.11 gingen aus den Figuren 7 bis 10 hervor, welche einen in einer Tasche 44 an der Unterseite der Kupplungsplatte gelagerten Lagerbock 6 zeigten; der mit Gummi gefüllte Spielraum stünde dem nicht entgegen, da Anspruch 1 keinen leeren Raum fordere und Gummi als elastisches Material Bewegungen zulasse. Die Gummieinlage aus D11 diene nicht nur zur Einstellung des Abstandes der Lagerböcke, sondern habe auch eine dämpfende Wirkung, was ebenso für den gemäß Anspruch 1 definierten Spielraum gelten könne. Insbesondere die in der Ausführungsform gemäß Figur 11 gezeigte Einstellung des Abstandes mittels ringförmiger Scheiben mache deutlich, dass im Vergleich dazu bei der Gummieinlage gemäß Figur 7 Bewegungen zugelassen werden sollten. Das in der mündlichen Verhandlung bestrittene Merkmal 1.8 gehe klar aus den Figuren 7 bis 10 in D11 hervor.
Die neuheitsschädliche Vorwegnahme durch eine offenkundige Vorbenutzung werde insbesondere durch die Unterlagen D3, D6, D7, D8 und D9 belegt. Die auf den Maßangaben in diesen Zeichnungen beruhende Berechnung der Spielräume bei einer bei der Firma Volvo montierten Sattelkupplung liefere bei einer Rahmenbreite von 849 mm (siehe D3) einen Wert von 0,75 mm für den im Bereich der Fahrzeuginnenseite des Lagerbocks ausgebildeten Spielraum; die Berechnung sei zur Unterscheidung des Spielraums von bauartbedingten Toleranzen ausschließlich auf Basis der Nennmaße erfolgt. Über die Dimensionierung der Spielräume sei in Anspruch 1 nichts gesagt, so dass der Begriff "Spielraum" sehr weit auszulegen sei und jeder Zwischenraum darunter falle. Auch die Zweckangabe "zum Auffangen der Relativbewegungen" definiere nicht, wie groß die Relativbewegungen seien oder die Kräfte, die diese Relativbewegungen hervorriefen. So umfasse das Merkmal "Spielraum zum Auffangen der Relativbewegungen" auch Spielräume, die Relativbewegungen nur teilweise ausglichen und dann bei Anschlag des Lagerbocks den Bewegungsablauf beendeten. Letztlich sei Anspruch 1 so formuliert, dass jede Sattelkupplung darunter falle. Zu den Merkmalen 1.2 und 1.6 sei darauf hinzuweisen, dass der Rahmen nicht Bestandteil des beanspruchten Gegenstands sei und Anspruch 1 - auch wenn man Merkmal 1.10 berücksichtige - damit nicht auf eine montierte Sattelkupplung gerichtet sei. Auch sei dem Streitpatent (siehe z. B. Figur 3) keine Interpretation zu entnehmen und ebenfalls nicht im Wortlaut von Anspruch 1 aufgenommen, dass die Spielräume ausschließlich im Bereich der Fahrzeuginnenseite der Lagerböcke angeordnet seien, wie vermutlich von der Einspruchsabteilung in ihrer Begründung zur erfinderischen Tätigkeit angenommen. Es werde im Streitpatent auch nicht zwischen Spielräumen an der Fahrzeuginnenseite und toleranzbedingten Spaltmaßen an der Fahrzeugaußenseite unterschieden.
Nach Diskussion der mangelnden Neuheit gegenüber D11 sei eine Diskussion der erfinderischen Tätigkeit - auch bei fehlender Begründung des Einwandes der mangelnden erfinderischen Tätigkeit - ausgehend von D11 in der mündlichen Verhandlung zuzulassen.
Merkmal 1.5 beschreibe als Wirkung die schwenkbare Lagerung der Kupplungsplatte. Gehe man von D11 und Merkmal 1.5 als unterscheidendem Merkmal aus, so liefere D1 dem Fachmann die Anregung (siehe Seite 5), diese schwenkbare Lagerung auf einfache Weise mittels Bolzen zu realisieren.
Der in der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag I sei nicht zulässig, da das aus der Beschreibung entnommene zusätzliche Merkmal des einseitig frei gelassenen Spielraums nur in Zusammenhang mit der Bearbeitung des Lagerbocks offenbart sei. In der Beschreibung sei der Spielraum auch als Spielraum "zwischen dem Lagerungsbereich 6 des Lagerbockes 5 und dem Aufnahmebereich 10 der Sattelkupplungsplatte 4" beschrieben, was nicht kompatibel sei mit der in Anspruch 1 gewählten Formulierung "mit einem Spielraum (S) in dem Aufnahmebereich (10) der Kupplungsplatte (4) angeordnet". Außerdem sei unklar, auf welches Bauteil bezogen der Spielraum "einseitig" ausgebildet sei.
Zur erfinderischen Tätigkeit des Hilfsantrags I hat die Beschwerdeführerin nichts vorgetragen.
IX. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin kann wie folgt zusammengefasst werden:
Der Wortlaut von Regel 116 EPÜ zeige, dass es im Ermessen der Einspruchsabteilung liege, verspätet vorgebrachte Änderungen nicht zu berücksichtigen. Bei Ausübung dieses Ermessens sei zu prüfen, ob die Änderungen der Verfahrensökonomie entsprächen und nicht einen Verfahrensmissbrauch darstellten. Da bereits im Einspruchsschriftsatz das Vorhandensein zweier Lagerböcke diskutiert worden sei, sei die Einsprechende durch die Aufnahme von Merkmal 1.11 im Hauptantrag nicht überrascht worden und habe zudem während einer Unterbrechung der mündlichen Verhandlung Zeit gehabt, die Frage der unzulässigen Erweiterung zu prüfen.
Mit dem Einwand der unzulässigen Erweiterung gemäß Artikel 123 (2) EPÜ greife die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung das erteilte Merkmal 1.10 an, habe aber im Einspruchsverfahren den Einspruchsgrund der unzulässigen Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ 1973) nie geltend gemacht. Der Einwand der unzulässigen Erweiterung sei deshalb unbeachtlich. Der Einführung eines neuen Einspruchsgrundes im Beschwerdeverfahren (siehe Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 9/91 bzw. G 10/91) werde im Übrigen nicht zugestimmt.
Bezüglich Merkmal 1.11 sei nicht zu entscheiden, ob der zweite Lagerbock "zum Auffangen der Relativbewegungen" geeignet sei, sondern ob der zweite Lagerbock ("ein solcher") wie der erste Lagerbock ausgebildet sei. Im Übrigen seien die Begriffe "Auffangen" und "Ausgleichen" Synonyme, da ein "Spielraum" Relativbewegungen zulassen müsse und Anspruch 1 im Lichte des Gesamtzusammenhangs der Offenbarung der Anmeldung zu verstehen sei. Merkmal 1.11 beinhalte auch keine Zwischenverallgemeinerung, da kein Unterschied gemacht werde zwischen den beiden Lagerböcken; die allgemeine Offenbarung in der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht (Seite 2, Zeilen 19 bis 24), welche noch keine Merkmale kombiniere wie im später beschriebenen Ausführungsbeispiel, gelte deshalb auch für den zweiten Spielraum.
Der Gegenstand des Streitpatents sei ausführbar, da es dem Fachmann ohne erfinderisches Zutun möglich sei, den Widerspruch zwischen höheren Kräften und dünnerem Lagerbock durch geeignete Materialauswahl zu beseitigen, insbesondere da bekanntermaßen Metalllegierungen existierten, die eine mehr als doppelt so hohe Festigkeit als Gussmaterialien geringer Güte aufwiesen, aus denen existierende Kupplungskomponenten gefertigt würden.
Da D11 auf den ersten Blick nicht die Kernmerkmale der Erfindung zeige, insbesondere nicht die Querschnittsvergrößerung des Lagerungsbereiches des Lagerbocks gegenüber dem Befestigungsbereich (siehe Figur 2) und keinen Spielraum zum Auffangen von Relativbewegungen zwischen Kupplungsplatte und Lagerbock (siehe Figuren 7 bis 11), sei D11 nicht prima facie relevant. Vor allem zeige D11 keinen Spielraum, wie er im Gesamtkontext von Anspruch 1 zu verstehen sei ("zum Auffangen der Relativbewegungen"), d. h. mit einem Luftspalt zwischen Aufnahmebereich und Lagerbock; bei Füllung mit einem Elastomer werde hingegen eine Kraft aufgefangen. Dies werde gestützt durch Merkmal 1.5, wonach eine schwenkbare Lagerung zwischen Lagerbock und Kupplungsplatte vorgesehen sei. Unabhängig davon, ob in D11 die eine Tasche 44 ausfüllende Gummieinlage 45 als Teil der Kupplungsplatte oder des Lagerbocks betrachtet werde, sei der Lagerbock gemäß D11 in eine Ausnehmung 46 der Gummieinlage eingepasst und ermögliche keine Relativbewegung, also keinen Spielraum im beanspruchten Sinne. Für die Zulässigkeit von D11 sei der erste Anschein der Relevanz maßgeblich, und wenn man die Gummieinlage in D11 als gesondertes Teil ansehe, sei der Lagerbock nicht an der Kupplungsplatte gelagert (Merkmal 1.5) und also schon fraglich, ob D11 relevanter sei als die im Verfahren befindlichen Dokumente (siehe T 320/00).
In der Beschwerdebegründung habe die Beschwerdeführerin nur substantiiert zu D6/D7 vorgetragen, jedoch nicht substantiiert zur Neuheit gegenüber D11. Die Einspruchsabteilung habe bei der Prüfung der prima facie Relevanz von D11 zumindest prima facie die Neuheit gegenüber D11 geprüft, jedoch werde in der Beschwerdebegründung auf Seite 2 nur pauschal auf den Einspruchsschriftsatz verwiesen. Die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (Artikel 12 (2), (4) VOBK) verlange aber, mit der Beschwerdebegründung alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel anzuführen.
D11 nehme den Gegenstand von Anspruch 1 nicht neuheitsschädlich vorweg, da D11 nichts über die Verbindung von Lagerbock und Kupplungsplatte sage und damit die in Merkmal 1.5 geforderte Ausbildung des Lagerbocks zur schwenkbaren Lagerung nicht zeige. Eine schwenkbare Lagerung des Anhängers auf dem Zugfahrzeug sei auch bei starrer Verbindung zwischen Lagerbock und Kupplungsplatte möglich, beispielsweise durch Lagerung des Königszapfens in einer mit abgerundeten Flächen versehenen Bohrung der Kupplungsplatte oder durch eine im Bereich des Anhängers vorgesehene Schwenkbarkeit unabhängig von der geometrischen Konstruktion der Kupplungsplatte. D11 offenbare weder das Merkmal 1.7 noch das Merkmal 1.8, da aus den Figuren 2 bis 6 in D11 eine Ausbildung der Lagerböcke mit konstanter Breite und damit konstantem Querschnitt im Lagerungs- und Befestigungsbereich hervorgehe; in Figur 1 sei der Lagerungsbereich durch die Kupplungsplatte verdeckt und deshalb nicht ersichtlich. Auch zeige D11 keinen Spielraum zum Auffangen von Relativbewegungen und damit nicht die Merkmale 1.9 bis 1.11. Insbesondere sei nicht klar, ob die in D11 gezeigte Gummieinlage Teil der Kupplungsplatte oder Teil des Lagerbocks sei: Im ersten Fall fehle ein Spielraum im beanspruchten Sinne, im zweiten Fall sei der Lagerbock nicht in der Kupplungsplatte gelagert, und es fehle ein Luftspalt, der Bewegungen zulasse. Schließlich sei in D11 nichts darüber gesagt, ob die gezeigte Gummieinlage - die eine große Härte aufweisen könne - eine Bewegung in Richtung der Schwenkachse ermögliche. Die Gummieinlage in D11 wirke unter Umständen nur gegen Mikroschwingungen und diene nicht zum Auffangen von Relativbewegungen. Dies werde auch durch die Beschreibung in D11 selbst gestützt, wonach der Abstand der Lagerböcke einstellbar und mittels Ausgleichsstücken aus Gummi zu ändern sei.
In Hinblick auf die behauptete offenkundige Vorbenutzung kombiniere die Beschwerdeführerin die Dokumente D2 bis D7 mit D8 und D9 und damit zwei unterschiedliche Typen von Sattelkupplungen JSK 37 E0 und JSK 37 EA. Der beanspruchte "Spielraum" sei als Bewegungsraum aufzufassen und zu unterscheiden von "toleranzbedingten Spaltmaßen", worauf sich die Beschwerdeführerin in ihrer Berechnung eines Spaltes von 0,75 mm beziehe. Diese Auslegung lese der Fachmann mit, insbesondere im Lichte der Beschreibung und der aus Figur 3 des Streitpatents zu entnehmenden Größenverhältnisse zwischen einem größeren Spielraum S auf der Fahrzeuginnenseite und dem Spalt auf der Fahrzeugaußenseite. Auch gemäß der Beschreibung zu Figur 3 diene dieser "einseitig freigelassene Spielraum S auf der Fahrzeuginnenseite" "zum Ausgleichen von Bewegungen der Kupplungsplatte 4 in Richtung der Schwenkachse y". Der Spielraum sei im montierten und unbelasteten Zustand vorgesehen, und zwar lediglich an der Innenseite der Lagerböcke. Die Zeichnungen in D2 bis D9 lieferten keinen Nachweis, wie der Lagerbock in den Aufnahmebereich eingesetzt sei und ob im eingebauten Zustand fahrzeuginnenseitig ein Spielraum vorgesehen sei.
Es werde beantragt, eine Diskussion der erfinderischen Tätigkeit gegenüber der Kombination der Dokumente D11 und D1 nicht zum Thema der mündlichen Verhandlung zu machen, da D11 in der Beschwerdebegründung nur zur Neuheit herangezogen worden sei. Selbst im letzten Schriftsatz der Beschwerdeführerin sei nicht zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D11 vorgetragen worden, so dass Artikel 13(1) VOBK zur Anwendung kommen solle, um die Beschwerdegegnerin nicht zu überraschen.
Selbst wenn ausgehend von D11 als nächstliegendem Stand der Technik das Merkmal 1.5 den einzigen Unterschied darstelle und D1 eine schwenkbare Lagerung der Kupplungsplatte zeige, so würde der Fachmann nicht allein die Funktion der Schwenkbarkeit aus D1, sondern die technische Lösung aus D1 in der Sattelkupplung gemäß D11 implementieren und damit zu einer Anordnung der Lagerböcke ohne Spiel im Aufnahmebereich der Kupplungsplatte gelangen.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I erfülle die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ, da es unerheblich sei, welches Bauteil zur Realisierung des Spielraumes bearbeitet wurde. Auch sei in Anspruch 1 klar definiert, dass der "einseitig frei gelassene" Spielraum im Bereich der Fahrzeuginnenseite des Lagerbocks ausgebildet sei, um Relativbewegungen zuzulassen.
Für dieses zusätzliche Merkmal sei im vorliegenden Stand der Technik kein Hinweis zu finden.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Zulassung des Hauptantrags durch die Einspruchsabteilung
Der vorliegende Hauptantrag wurde im Einspruchsverfahren in der mündlichen Verhandlung eingereicht, um einen zuvor diskutierten Neuheitseinwand auszuräumen, und von der Einspruchsabteilung in Ausübung ihres Ermessens zugelassen.
Eine Beschwerdekammer sollte sich nur dann über die Art und Weise, in der die erste Instanz bei einer Entscheidung in einer bestimmten Sache ihr Ermessen ausgeübt hat, hinwegsetzen, wenn sie zu dem Schluss gelangt, dass die erste Instanz ihr Ermessen nach Maßgabe der falschen Kriterien, unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien oder in willkürlicher Weise ausgeübt hat (siehe T 640/91, ABl. EPA 1994, 918, Punkt 6.3 der Entscheidungsgründe).
Die Einspruchsabteilung hat geprüft, ob die Änderungen gemäß Regel 80 EPÜ durch einen Einspruchsgrund veranlasst waren, und auch die Erfordernisse der Artikel 123(2) EPÜ sowie Artikel 84 EPÜ 1973 berücksichtigt. Außerdem wurde der Einsprechenden die Gelegenheit gegeben, während einer Unterbrechung der mündlichen Verhandlung den Hauptantrag zu studieren, wobei die neuen Merkmale zwar aus der Beschreibung entnommenen jedoch schon in den Schreiben der Parteien kommentiert wurden und deshalb die Einsprechende nicht überrascht haben dürften. Die Einspruchsabteilung berücksichtigte auch, dass der Schutzbereich des Anspruchs 1 durch die neuen Merkmale beschränkt wurde, so dass das Auffinden von besseren Dokumenten als den vorliegenden Entgegenhaltungen unwahrscheinlich schien.
Die Einspruchsabteilung hat dabei auch die Begründung für die Einführung von Regel 116 EPÜ (früher Regel 71a EPÜ 1973) berücksichtigt, insbesondere in Hinblick auf das Einspruchsverfahren, wonach die übrigen Beteiligten im Einspruchsverfahren nicht mit Überraschungen konfrontiert werden sollten (siehe T 755/96, ABl. EPA 2000, 174, Punkt 2.2 und 4.3 der Entscheidungsgründe).
Die Kammer sieht aus diesen Gründen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen bei der Zulassung des Hauptantrags willkürlich, nach Maßgabe der falschen Kriterien oder unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien ausgeübt hat.
Die Beschwerdeführerin stellte zwar in Frage, dass die Einreichung des Hauptantrags in der mündlichen Verhandlung als Reaktion der Patentinhaberin auf einen Neuheitseinwand gewertet werden könne, da die Patentinhaberin im Rahmen der mündlichen Verhandlung weder mit neuen Argumenten noch einem unbekannten Stand der Technik konfrontiert worden sei und zudem der Ladungszusatz der Einspruchsabteilung eine Argumentation rings um das einschränkende Merkmal beinhaltet habe. Die Patentinhaberin hätte also eine eingeschränkte Anspruchsfassung vor dem mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung gemäß Regel 116 EPÜ gesetzten Fristende einreichen müssen, d. h. die Einspruchsabteilung habe die zeitliche Einschränkung zur Einreichung von Schriftsätzen gemäß Regel 116 EPÜ missachtet.
Zunächst ist festzustellen, dass aus Regel 116 (1) EPÜ, Satz 4 ("Nach diesem Zeitpunkt vorgebrachte neue Tatsachen und Beweismittel brauchen nicht berücksichtigt zu werden, soweit sie nicht wegen einer Änderung des dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts zuzulassen sind."), die gemäß Regel 116 (2) EPÜ auch auf das Einreichen von Unterlagen bis zu dem gesetzten Zeitpunkt anzuwenden ist, klar hervorgeht, dass der Einspruchsabteilung ein Ermessensspielraum eingeräumt wird, um neue Anträge, die nach der gemäß Regel 116 EPÜ gesetzten Frist eingereicht wurden, im Verfahren zu berücksichtigen.
Durch Aufnahme weiterer Merkmale in Anspruch 1 während der mündlichen Verhandlung hat die Patentinhaberin versucht, dem Einwand mangelnder Neuheit zu begegnen und damit auf den Neuheitseinwand "reagiert", wie auch von der Einspruchsabteilung festgestellt wurde. Es stellt sich damit also nicht die Frage, ob der neue Hauptantrag eine Reaktion auf die vorgebrachten Einwände darstellt, sondern wann die Patentinhaberin durch Einreichen neuer Anträge auf die Einwände hätte reagieren müssen.
Grundsätzlich ist es einer Patentinhaberin unbenommen, auch sehr spät im Einspruchsverfahren noch Anträge zu stellen. Im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens ist es Aufgabe der Einspruchsabteilung, unter Berücksichtigung des Zeitpunkts, der Art und Komplexität der Anträge sowie der Zumutbarkeit für einen Einsprechenden zu entscheiden, ob solche späten Anträge noch zugelassen werden können oder ob ein Missbrauch von Seiten der Patentinhaberin vorzuliegen scheint. Nach Ansicht der Kammer hat im vorliegenden Fall die Einspruchsabteilung ihr Ermessen in angemessener Weise ausgeübt.
Die von der Beschwerdeführerin angeführte Entscheidung T 382/97 (nicht im ABl. EPA veröffentlicht) betrifft zwar auch den Fall von erst in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anträgen, wobei diese Anträge von der Einspruchsabteilung aber nicht allein aufgrund verspäteten Vorbringens sondern zusätzlich wegen nicht Nichtzulässigkeit der Änderungen zurückgewiesen wurden. Wie abschließend in der Entscheidung T 382/97 (siehe Punkt 6.6 und 6.7 der Entscheidungsgrüne) festgestellt, können Änderungen dennoch zulässig sein, wenn für ihr verspätetes Vorbringen gute Gründe angenommen werden können. Die Einspruchsabteilung hat dabei zu bewerten, ob - unter Berücksichtigung der Interessen aller beteiligter Parteien - die Änderungen in zweckdienlicher Weise vorgenommen wurden. Dies ist nach Ansicht der Kammer im vorliegenden Fall erfolgt.
3. Einführung eines neuen Einspruchsgrunds unter Artikel 100 c) EPÜ 1973 im Beschwerdeverfahren
Im Einspruchsschriftsatz war Artikel 100 c) EPÜ 1973 kein Einspruchsgrund, sondern dieser Einspruchsgrund wurde erst im Beschwerdeverfahren in der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdeführerin erhoben. Wie in der Entscheidung G 9/91 der Großen Beschwerdekammer festgestellt (siehe ABl. EPA 1993, 408, Nr. 18 der Entscheidungsgründe) dürfen neue Einspruchsgründe in der Beschwerdephase grundsätzlich nicht mehr in das Verfahren eingeführt werden, es sei denn, die Patentinhaberin ist mit der Prüfung des neuen Einspruchsgrunds einverstanden.
Da vorliegend die Patentinhaberin dem Antrag der Einsprechenden auf Einführung eines neuen Einspruchsgrundes nicht zustimmte, bleibt der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ 1973 im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt.
4. Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
Der Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ bezieht sich auf das im vorliegenden Hauptantrag gegenüber der erteilten Fassung von Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal 1.11, wobei sich nach Ansicht der Beschwerdeführerin die Zweckangabe in Merkmal 1.10 ("Spielraum zum Auffangen der Relativbewegungen zwischen der Kupplungsplatte und dem Lagerbock") - durch die in Merkmal 1.11 gewählte Formulierung "ein solcher Spielraum" - auch auf den in Merkmal 1.11 definierten zweiten gegenüberliegenden Lagerbock erstreckt.
Es wird zugestanden, dass gemäß Beschreibung wie ursprünglich eingereicht die beiden Spielräume "zum Ausgleichen von Bewegungen" dienen. Der Begriff "Auffangen" mag zwar für sich allein gesehen eine andere Bedeutung haben als der Begriff "Ausgleichen". Vorliegend steht der Begriff aber nicht isoliert in Anspruch 1, sondern beschreibt die Funktion des Spielraumes, muss also im Kontext des Merkmals "Spielraum zum Auffangen der Relativbewegungen (zwischen der Kupplungsplatte und dem Lagerbock)" betrachtet werden. Ein Spielraum, der zum Auffangen der Relativbewegungen zwischen der Kupplungsplatte und dem Lagerbock dienen soll, muss Raum geben für diese Bewegungen und damit Bewegungen innerhalb dieses Spielraumes ermöglichen; eine Interpretation, die von einer stützenden Wirkung des Spielraumes ausgeht, wäre in sich widersinnig. Deshalb kann die Kammer im vorliegenden Kontext keinen Unterschied zwischen dem beanspruchten Merkmal und der ursprünglich offenbarten Formulierung "Spielraum zum Ausgleichen von Bewegungen" auszumachen. Die Bewegung des Lagerbocks mag zwar bei Vorsehen eines Spielraumes im Aufnahmebereich der Kupplungsplatte auch abgestützt bzw. beendet werden, wenn der zur Verfügung stehende Spielraum ausgenutzt wurde und der Lagerbock am Ende der Bewegung an den Rand des Aufnahmebereiches anschlägt. Dies hat aber mit der eigentlichen Funktion des Spielraumes nichts zu tun, der Bewegungen zulassen soll.
Mit dem Einwand, dass das aus der Beschreibung der ursprünglichen Offenbarung entnommene Merkmal 1.11 in einem funktionalen oder strukturellen Zusammenhang mit weiteren Merkmalen stehe, macht die Beschwerdeführerin eine Zwischenverallgemeinerung geltend. Es ist allerdings nicht nachvollziehbar, wieso der mit einem Spielraum im Aufnahmebereich der Kupplungsplatte angeordnete zweite Lagerbock funktional oder strukturell mit Verformungen im Fahrbetrieb sowie dem Material oder der Bauform des Lagerbocks zusammenhängen soll, da es zur Ausbildung eines Spielraumes allein auf die Dimensionierung des Lagerbocks im Vergleich zum Aufnahmebereich der Kupplungsplatte ankommt. Der in Anspruch 1 definierte Gegenstand umfasst bereits eine montierte Sattelkupplung, auch wenn in Merkmal 1.2 lediglich eine Zweckbestimmung angegeben wird ("Lagerbock (5) zur bewegbaren Befestigung der Kupplungsplatte (4) an einem Rahmen (3) eines Zugfahrzeuges"), da Merkmal 1.10 mit dem Ausdruck "zum Auffangen der Relativbewegungen" im Zusammenhang der Merkmale 1.2 und 1.10 bzw. 1.11 nur Sinn macht, wenn sich die Relativbewegungen auf Bewegungen im montierten Zustand der Sattelkupplung am Rahmen eines Zugfahrzeuges beziehen. Im Übrigen findet sich in der ursprünglich eingereichten Anmeldung (Seite 2, Zeilen 19 bis 24, vor der Beschreibung der Ausführungsbeispiele) eine allgemeine Offenbarung für eine Mehrzahl von Lagerböcken und damit für einen zweiten Lagerbock gemäß Merkmal 1.11, welcher nicht funktionell oder strukturell mit weiteren Merkmalen in Zusammenhang steht.
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist also nicht in der Weise geändert worden, dass sein Gegenstand über den Inhalt in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (Artikel 123 (2) EPÜ).
5. Mangelnde Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ 1973)
Der Einwand der mangelnden Ausführbarkeit richtet sich darauf, dass ein Lagerbock der beanspruchten Sattelkupplung doppelt so hohe Querkräfte aufzunehmen habe bei gleichzeitiger Reduzierung des tragenden Materials, wobei das Streitpatent keine Hinweise zur Werkstoffproblematik gebe und die Beschwerdeführerin keine Werkstoffe mit doppelt so hohem Festigkeitswert wie bei bekannten, im Kupplungsbau verwendeten Stählen kenne.
Dazu ist zunächst anzumerken, dass sich im Streitpatent durchaus ein Hinweis auf den Werkstoff des Lagerbocks findet, der als Gussformteil ausgebildet ist. Zudem erfährt der Fachmann, dass die Form des Gussformteils so zu berechnen ist, dass die erforderliche Steifigkeit bei einem minimalen Formteilgewicht erreicht wird (siehe Streitpatent Spalte 3, Zeilen 30 bis 33). Das Streitpatent liefert dem Fachmann also Informationen zur Werkstoffwahl des beanspruchten Lagerbocks und ebenso zur Optimierung der Form des Lagerbocks, um so die erforderliche Steifigkeit und damit Festigkeit zu realisieren. Wie von der Einspruchsabteilung zutreffend ausgeführt, ist der einschlägige Fachmann auf dem Gebiet der Konzeption von Sattelkupplungen aufgrund seines Fachwissens in der Lage, durch geeignete Materialauswahl die geforderte Festigkeit des Lagerbocks zu erreichen.
Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe T 182/89, ABl. EPA 1991, 391, Punkt 2. der Entscheidungsgründe) liegt die Beweislast für die behauptete mangelnde Ausführbarkeit in der Regel auf Seiten der Beschwerdeführerin und Einsprechenden, es sei denn, das Patent enthält keine Informationen dazu, wie ein Merkmal der Erfindung umzusetzen ist (siehe T 63/06, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, Punkt 3. der Entscheidungsgründe). Vorliegend bestritt die Beschwerdeführerin die Kenntnis eines geeigneten Werkstoffes nur mit Nichtwissen, ohne in irgendeiner Weise darauf einzugehen, ob sich die Festigkeitswerte von Gussmaterialien und auch von Metalllegierungen oder Stählen um mehr als den Faktor 2 unterscheiden können, beispielsweise ausgehend von einer Sattelkupplung aus Gussmaterial geringer Güte. Darüber hinaus wurde bereits festgestellt, dass das Streitpatent dem Fachmann einen Werkstoff vorschlägt ("Gussformteil") und dazu noch den Hinweis gibt, dass die erforderliche Steifigkeit durch Berechnung einer geeigneten Form des Lagerbocks erreicht werden kann, so dass eine erhöhte Festigkeit nicht allein von der Werkstoffwahl abhängt. Es ist deshalb nicht ersichtlich, warum die Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin die Beweislast für die bestrittene Ausführbarkeit tragen sollte.
Die Beschwerdeführerin konnte die Kammer nicht überzeugen, dass der im Anspruch definierte Gegenstand anhand der Lehre der Patentschrift und unter Mithilfe des einschlägigen Fachwissens nicht ohne unzumutbaren Aufwand, wozu die Auswahl geeigneter Materialien und auch die Durchführung üblicher Berechnungsmethoden gehört, nacharbeitbar ist. Daher ist nach Auffassung der Kammer die Erfindung im Streitpatent so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 100 b) EPÜ 1973).
6. Nichtzulassung des Dokuments D11 im Einspruchsverfahren
Die Einspruchsabteilung hat in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 114(2) EPÜ entschieden, das verspätet vorgebrachte Dokument D11 nicht in das Verfahren zuzulassen. Wie bereits weiter oben unter Punkt 2. ausgeführt, ist in erster Linie zu prüfen, ob die erste Instanz ihr Ermessen nach Maßgabe der falschen Kriterien, unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien oder in willkürlicher Weise ausgeübt hat.
Wie aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, hat die Einspruchsabteilung dazu begründet, dass D11 nicht als prima facie relevant für die Neuheit angesehen werde, weil kein Spielraum im Sinne des Patents offenbart sei.
Auch wenn die Einspruchsabteilung von einem falschen Verständnis des Begriffs "Spielraum" ausgegangen sein mag, so hat sie dennoch ihr Ermessen nach Maßgabe des richtigerweise anzusetzenden Kriteriums der Relevanz ausgeübt. Weiterhin hat die Einspruchsabteilung unter Bezugnahme auf die Rechtssprechung der Beschwerdekammern festgestellt (siehe Punkt 13.3 der Entscheidungsgründe), dass verspätet vorgebrachte Beweismittel nur zum Verfahren vor den Einspruchsabteilungen zugelassen werden, wenn prima facie der Verdacht nahe liegt, dass sie der Aufrechterhaltung des strittigen europäischen Patents entgegenstehen. Es ist der Einspruchsabteilung nicht vorzuwerfen, dass sie die Frage der Relevanz von D11 dabei nur hinsichtlich der Neuheit bewertet hat, da von der Einsprechenden nur fehlende Neuheit gegenüber D11 argumentiert wurde. Deshalb kann die Kammer keine Anhaltspunkte erkennen, die die korrekte Ausübung des Ermessens durch die Einspruchsabteilung in Frage stellen könnten.
Das Argument der Beschwerdeführerin, dass die Einspruchsabteilung in unzulässiger Weise fehlende prima facie Relevanz der Druckschrift D11 für die Neuheit festgestellt habe, weil kein Spielraum im Sinne des Patents offenbart sei, ist dahingehend auszulegen, dass die Zulassung von D11 in das Beschwerdeverfahren beantragt wird (siehe dazu nachfolgend Punkt 7.1).
7. Zulassung von D11 und des Neuheitseinwandes gegenüber D11 in das Beschwerdeverfahren
7.1 Nach Ansicht der Kammer definiert der "Spielraum zum Auffangen der Relativbewegungen zwischen der Kupplungsplatte (4) und dem Lagerbock (5)" gemäß Anspruch 1 eine Anordnung des Lagerbocks "mit Spiel" in dem Aufnahmebereich der Kupplungsplatte, d. h. die Breite des Aufnahmebereiches der Kupplungsplatte ist bewusst größer gewählt als die Breite des Lagerungsbereiches des Lagerbocks, um Relativbewegungen zwischen Lagerbock und Kupplungsplatte zu ermöglichen. Anspruch 1 macht jedoch keine weiteren Angaben dazu, ob der Spielraum als Freiraum aufzufassen ist oder ob auch eine gedämpfte Relativbewegung durch Füllung des Spielraumes mit elastischem Material vorgesehen sein kann. Damit fällt nach Auffassung der Kammer jeder beliebige, eine Bewegung ermöglichende Raum unter den beanspruchten "Spielraum". Da in der Druckschrift D11 (Figur 7 ff.) ein solcher Spielraum prima facie erkennbar ist zwischen dem Lagerbock 6 und der größer dimensionierten Tasche 44 der Kupplungsplatte 8, welche mit einer Gummieinlage 45 und damit einem elastischen Material ausgefüllt ist, wird D11 als prima facie hochrelevant in das Beschwerdeverfahren zugelassen.
Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass D11 die Kernmerkmale der Erfindung nicht zeige, und zwar weder einen Spielraum zum Auffangen der Relativbewegungen, der im Gesamtkontext von Anspruch 1 als Luftspalt zwischen Aufnahmebereich und Lagerbock zu verstehen sei, noch eine Querschnittsvergrößerung des Lagerungsbereiches des Lagerbocks gegenüber dem Befestigungsbereich. Zwar ist in D11 der Lagerbock mittels einer Gummieinlage im Aufnahmebereich der Kupplungsplatte gelagert, jedoch bedeutet eine Gummieinlage zumindest eine elastische Lagerung, welche Relativbewegungen zulässt, auch wenn diese Bewegungen durch eine Kraft aufgefangen und damit gedämpft werden. D11 offenbart also einen Spielraum im beanspruchten Sinn. Auch die in D11 gezeigte Einpassung des Lagerbocks in eine Ausnehmung der Gummieinlage ändert nichts daran, da der Lagerbock weiterhin mit Abstand und damit einem "Spielraum zum Auffangen von Relativbewegungen" zu den Rändern des Aufnahmebereiches der Kupplungsplatte hin elastisch gelagert ist. Ob D11 noch zusätzlich eine Querschnittsvergrößerung des Lagerungsbereiches des Lagerbocks gegenüber dem Befestigungsbereich zeigt, kann dahingestellt bleiben, da die Relevanz von D11 für das Verfahren in erster Linie davon abhängt, ob D11 das - nach Auffassung der Einspruchsabteilung die erfinderische Tätigkeit begründende - Merkmal eines Spielraumes zeigt.
Selbst wenn die Gummieinlage aus D11 ein Zwischenteil darstellt, so spricht dies nicht gegen die Relevanz von D11. Insbesondere kann daraus nicht gefolgert werden, dass D11 nicht die gemäß Merkmal 1.5 geforderte Lagerung des Lagerbocks an der Kupplungsplatte zeigt, denn Merkmal 1.5 beschreibt ohne Angabe weiterer Details nur die Ausbildung des Lagerungsbereiches des Lagerbocks "zur schwenkbaren Lagerung der Kupplungsplatte" und schließt ein Zwischenteil nicht aus. Die von der Beschwerdegegnerin angeführte Entscheidung T 320/00 (nicht im ABl. EPA veröffentlicht, Nr. 2 der Entscheidungsgründe) knüpft in der Tat die Zulassung eines verspätet vorgebrachten Dokumentes im Beschwerdeverfahren daran, dass es prima facie relevanter als die bereits im Verfahren befindlichen Dokumente ist und insbesondere eine Lücke in der Argumentationslinie füllen kann. Dies ist nach Ansicht der Kammer vorliegend gegeben, da D11 prima facie und deutlicher als andere Dokumente einen Spielraum gemäß Anspruch 1 zeigt.
7.2 Die Beschwerdegegnerin führte auch an, dass die Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung nicht substantiiert zur fehlenden Neuheit gegenüber D11 vorgetragen habe wie gemäß Artikel 12 (2) VOBK (Verfahrensordnung der Beschwerdekammern des EPA, ABl. EPA 2007, 536) gefordert, sondern pauschal auf den Einspruchsschriftsatz verweise.
Laut ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA ist eine Begründung der Beschwerde im Sinne von Artikel 108, Satz 3, sowie Regel 99 (2) EPÜ als ausreichend anzusehen, wenn sie sich mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt und die Gründe angibt, warum die Entscheidung der ersten Instanz nicht Bestand haben kann (siehe auch T 224/00, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, Nr. 1 der Entscheidungsgründe). Zusätzlich soll laut Artikel 12 (2) VOBK die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten und insbesondere alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel anführen.
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung - anders als von der Beschwerdegegnerin behauptet - nicht nur pauschal auf den Einspruchsschriftsatz verwiesen, sondern auch ausführlich zu dem strittigen Merkmal des Spielraumes und der Offenbarung dieses Merkmals in D11 Stellung genommen. Sie hat sich damit mit Punkt 13.5 der angefochtenen Entscheidung der Einspruchsabteilung auseinandergesetzt, wonach D11 keinen Spielraum im Sinne des Patents offenbarte und deshalb nicht als prima facie relevant für Neuheit angesehen wurde. Bei Einreichen der Beschwerdebegründung war für die Beschwerdeführerin nicht absehbar, ob D11 in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden würde. Deshalb ist nach Ansicht der Kammer im vorliegenden Fall die Konzentration in der Beschwerdebegründung auf das nach Ansicht der Beschwerdeführerin in D11 gezeigte strittige Merkmal und der allgemeine Verweis auf die Einspruchsakte hinsichtlich der Argumentation zur mangelnden Neuheit gegenüber D11 ausreichend, zumal sich die Argumentation zur mangelnden Neuheit konzentriert in einem einzigen Schreiben der Einspruchsakte findet.
Da im Einspruchsverfahren fehlende Neuheit gegenüber D11 argumentiert wurde, kann der von der Beschwerdegegnerin ebenfalls angeführte Artikel 12 (4) VOBK nicht greifen, sondern allenfalls Artikel 13 (1) VOBK, falls die Kammer eine Argumentation fehlender Neuheit gegenüber D11 als Änderung des Vorbringens werten und in Ausübung ihres Ermessens nicht berücksichtigen sollte. Da die Kammer D11 bereits als prima facie relevant in das Verfahren zugelassen hat, sind in logischer Folge anschließend die Voraussetzungen der Patentierbarkeit und insbesondere der Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 zu prüfen. Der Sinn der Zulassung von D11 in das Verfahren wäre ansonsten in Frage gestellt.
Damit sieht die Kammer keinen Grund, den Neuheitseinwand gegenüber D11 im Beschwerdeverfahren nicht zuzulassen.
8. Antrag auf Zurückverweisung an die erste Instanz
Gemäß Artikel 111 (1) EPÜ 1973 wird die Beschwerdekammer entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder sie verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück. Demnach gewährt Artikel 111 EPÜ 1973 den Parteien keinen absoluten Anspruch auf die Prüfung jeder in einem Beschwerdeverfahren vorgebrachten Frage durch zwei Instanzen (siehe T 133/87, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, Nr. 2 der Entscheidungsgründe). Es ist vielmehr dem pflichtgemäßen Ermessen der Kammer überlassen, unter Würdigung der Umstände des Falles über die Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz zu entscheiden, wobei auch der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie eine Rolle spielt (siehe z. B. T 392/89, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe).
Auch wenn nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ein neu im Beschwerdeverfahren berücksichtigtes Dokument normalerweise zur Zurückverweisung an die erste Instanz führt, so hat die Einspruchsabteilung das nun im Beschwerdeverfahren zugelassene Dokument D11 bereits im Einspruchsverfahren hinsichtlich seiner Relevanz geprüft und dabei das Merkmal des beanspruchten Spielraums in eingeschränkter Weise interpretiert. Die angefochtene Entscheidung führt weiter unter Punkt 18.4 der Entscheidungsgründe auf, dass der Stand der Technik dem Fachmann keinen Anlass bot, einen Spielraum an der Fahrzeuginnenseite der beiden Lagerböcke auszubilden.
Bei Auslegung des Begriffs "Spielraum" im Sinne der Kammer (siehe Punkt 7.1 weiter oben) wäre es für die Einspruchsabteilung offensichtlich gewesen, dass D11 die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag zeigt. Wird nun mit D11 ein Stand der Technik anerkannt, der diese fehlenden Merkmale zeigt, so steht zu erwarten, dass die Einspruchsabteilung anders entschieden hätte. Deshalb ist nach Ansicht der Kammer die Zurückverweisung zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz im vorliegenden Fall weder zweckmäßig noch aus verfahrensökonomischen Gründen angemessen (siehe z. B. T 1070/96, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, Nr. 4.3 der Entscheidungsgründe).
9. Neuheit gegenüber D11 (Artikel 54(1) EPÜ 1973)
D11 zeigt (Figur 1) eine Sattelkupplung (28) umfassend eine Kupplungsplatte (8) und einen Lagerbock (6, 7) zur bewegbaren Befestigung der Kupplungsplatte (8) an einem Rahmen (2, 3) eines Zugfahrzeuges, wobei der Lagerbock (6, 7) einen Lagerungsbereich (Figuren 7 bis 10) und einen Befestigungsbereich (Figur 1: Bereich mit Öffnungen 22) aufweist, wobei (siehe Figuren 7 bis 10) der Lagerungsbereich zur [deleted: schwenkbaren ]Lagerung der Kupplungsplatte (8) und (siehe Figur 1) der Befestigungsbereich zur lösbaren Befestigung der Kupplungsplatte (8) an dem Rahmen (2, 3) des Zugfahrzeuges ausgebildet sind, wobei in Fahrtrichtung und parallel zur Schwenkachse geschnitten, der Lagerungsbereich einen größeren Querschnitt als der Befestigungsbereich aufweist (Figur 1), wobei (siehe Figuren 7 bis 10) der Lagerbock (6, 7) im Lagerungsbereich in Richtung der Schwenkachse eine Breite aufweist, die kleiner ist als die Breite eines Aufnahmebereiches (44), der zur Aufnahme des Lagerbocks (6, 7) an die Kupplungsplatte (8) ausgebildet ist, derart, dass der Lagerungsbereich des Lagerbockes (6, 7) mit einem Spielraum in dem Aufnahmebereich (44) der Kupplungsplatte (8) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Spielraum zum Auffangen der Relativbewegungen zwischen der Kupplungsplatte (8) und dem Lagerbock (6, 7) in der Richtung der Schwenkachse im Bereich der Fahrzeuginnenseite des Lagerbockes (6, 7) ausgebildet ist (Figuren 7 bis 10: Gummieinlage 45 ermöglicht Bewegungen), wobei die Sattelkupplung (8) einen zweiten, gegenüberliegenden Lagerbock (6, 7) umfasst, bei dem ebenfalls auf der Fahrzeuginnenseite ein solcher Spielraum S vorgesehen ist (Seite 6, Zeilen 13 bis 17: Lagerböcke 6, 7 spiegelbildlich angeordnet).
Es ist zwar anzunehmen, dass ein mit einem Königszapfen auf der Kupplungsplatte des Zugfahrzeugs in D11 gelagerter Auflieger bzw. Anhänger gegenüber dem Zugfahrzeug schwenkbar gelagert ist. Allerdings wird in D11 offen gelassen (wie in der obigen Merkmalsanalyse durch Durchstreichen angedeutet), ob dies durch eine schwenkbare Lagerung der Kupplungsplatte erfolgt und insbesondere ob diese wie beansprucht durch eine Ausbildung des Lagerungsbereiches des Lagerbocks "zur schwenkbaren Lagerung der Kupplungsplatte" realisiert ist. Auch die in Figur 11 in D11 gezeigte Bolzenverbindung zeigt allenfalls, wie Lagerbock und Kupplungsplatte verbunden werden können, aber nicht, ob diese Verbindung schwenkbar ist und ob sie auch für in den Figuren 7 bis 10 gezeigte Ausführung mit einem Spielraum gilt. Damit ist die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gegenüber D11 gegeben.
Hingegen sind - entgegen der Behauptung der Beschwerdegegnerin - die Merkmale 1.7, 1.8 sowie 1.9 bis 1.11 in D11 gezeigt:
D11 zeigt in Figur 1 Lagerböcke 6, 7 mit nach unten verjüngtem Querschnitt sowie einer Ausnehmung bzw. Nut in Längsrichtung, so dass - wie mit Merkmal 1.7 beansprucht - ein horizontaler Schnitt durch den Lagerbock im oberen Bereich eine größere Querschnittsfläche liefert als im weiter unten liegenden Bereich. Auch zu der Schnittdarstellung gemäß Figur 5 wird in D11 ausgeführt (Seite 5, Zeilen 10 bis 14), dass die gezeigten Lagerböcke die in Figur 1 gezeigte Schlittenform haben, wobei der untere Bereich zusätzlich vertikal verlaufende Öffnungen 37 zur Aufnahme von Bolzen 34 aufweist, die zur Befestigung am Rahmen des Zugfahrzeuges dienen. Der untere Bereich der Lagerböcke gemäß Figur 5 in D11 kann also als Befestigungsbereich im Sinne von Anspruch 1 angesehen werden, der aufgrund der Schlittenform und der Öffnungen 37 einen kleineren Querschnitt aufweist als der obere Bereich der Lagerböcke, der zur Lagerung der Kupplungsplatte dient und als Lagerungsbereich des Lagerbocks aufzufassen ist. Damit zeigt D11 einen Lagerungsbereich des Lagerbocks mit größerem Querschnitt als der Befestigungsbereich entsprechend Merkmal 1.7. Auch wenn der Lagerungsbereich in Figur 1 verdeckt sein mag, so ist dieser in der Ausführungsform nach Figur 5 oder auch im Teilschnitt des Lagerungsbereiches des Lagerbocks gemäß der in den Figuren 7 bis 10 gezeigten Variante offenbart.
Merkmal 1.8 ist den Figuren 7 bis 10 in D11 zu entnehmen, da die Breite des dort gezeigten Lagerbocks 6 im Lagerungsbereich kleiner ist als die Breite der den Aufnahmebereich bildenden Taschen 44 in der Kupplungsplatte 8.
Anspruch 1 definiert in den Merkmalen 1.9 bis 1.11 einen "Spielraum zum Auffangen der Relativbewegungen" und schränkt keinesfalls auf einen Freiraum zwischen dem Lagerbock und dem Aufnahmebereich der Kupplungsplatte ein. Ein solcher Spielraum ist in D11 mit der in den Figuren 7 bis 10 gezeigten Lagerung der Lagerböcke in einer mit Gummi gefüllten Tasche der Kupplungsplatte offenbart, da Gummi als elastisches Material Bewegungen zulässt. Es ist dabei ohne Belang, ob die in D11 gezeigte Gummieinlage der Kupplungsplatte oder dem Lagerbock zugerechnet werden kann, da diese Gummieinlage in jedem Fall - wie durch den in D11 gewählten Begriff einer "Einlage" ausgedrückt - als separates Zwischenteil aufzufassen ist. Eine Lagerung des Lagerbocks mittels eines elastischen Zwischenteils in der Kupplungsplatte ermöglicht Relativbewegungen zwischen Kupplungsplatte und Lagerbock und trifft damit den beanspruchten Gegenstand. Da D11 in der Ausführung gemäß Figur 7 an der Verbindungsstelle zwischen Kupplungsplatte und Lagerbock bewusst eine Gummieinlage - und nicht z. B. eine Lagerschale aus Metall oder Scheiben wie in Figur 11 gezeigt zur Einstellung des Abstandes - vorsieht, wird der mit Sachverstand lesende Fachmann dabei mitlesen, dass die Elastizität des Materials Gummi ausgenutzt und damit eine Beweglichkeit in Richtung der Schwenkachse ermöglicht werden soll. Dem steht nicht entgegen, dass ohne Einwirken von Querkräften damit auch der Abstand der Lagerböcke einstellbar ist oder auch durch kleinere Kräfte hervorgerufene Mikroschwingungen gedämpft werden. Auf keinen Fall wird der Fachmann eine Gummieinlage mit einer starren Einlage von solcher Härte gleichsetzen, die keine Relativbewegungen mehr erlaubt.
10. Neuheit gegenüber der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung D2 bis D10
Eine neuheitsschädliche Vorbenutzung wird insbesondere durch die Zeichnungen D3, D6, D7, D8 und D9 belegt. Zunächst ist festzustellen, dass die Unterlagen D8, D9 einen anderen Typ der Sattelkupplung betreffen als die Unterlagen D3, D6, D7. Die Beschwerdeführerin setzt in ihren Berechnungen zum Nachweis eines "Spielraumes" beispielsweise ein aus D9 entnommenes Maß für die Dicke des Montagewinkels an, welches gemäß D8 für den Sattelkupplungstyp JSK 37 EA gilt, während die restlichen Maße aus den Zeichnungen D3, D6 und D7 für den Sattelkupplungstyp JSK 37 E0 entnommen wurden. Dies führt zu Unstimmigkeiten und damit zu Zweifeln an der Richtigkeit der von der Beschwerdeführerin angestellten Berechnungen zum Nachweis eines "Spielraumes". Nach gefestigter Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist eine behauptete offenkundige Vorbenutzung jedoch zumindest zweifelsfrei nachzuweisen.
Selbst wenn die Berechnung des im Bereich der Fahrzeuginnenseite ausgebildeten Spielraumes auf Basis von Nennmaßen einen Wert von 0,75 mm liefert, so ist dieser Wert nach Auffassung der Kammer - bei einem Nennmaß der Öffnungsweite des Aufnahmebereiches von 103,5 mm - nicht geeignet, als "Spielraum zum Auffangen der Relativbewegungen zwischen der Kupplungsplatte und dem Lagerbock" interpretiert zu werden, und zwar aus folgenden Gründen:
Der in Anspruch 1 definierte Gegenstand ist im Gesamtzusammenhang der Merkmale von Anspruch 1 so zu verstehen, dass die Relativbewegungen, auf die in Merkmal 1.10 Bezug genommen wird, als Relativbewegungen bei am Rahmen montierter Sattelkupplung aufzufassen sind. Zwar wird durch Merkmal 1.2 allein ("Lagerbock zur bewegbaren Befestigung der Kupplungsplatte an einem Rahmen eines Zugfahrzeuges") noch nicht gefordert, dass der Rahmen zum beanspruchten Gegenstand von Anspruch 1 zählt. Merkmal 1.10 ("Spielraum zum Auffangen der Relativbewegungen") macht aber durch Verwendung des bestimmten Artikels "der" und in Zusammenhang mit den Merkmalen 1.3 bis 1.6 ("wobei der Lagerbock einen Befestigungsbereich aufweist, der zur lösbaren Befestigung der Kupplungsplatte an dem Rahmen des Zugfahrzeuges ausgebildet ") klar, dass die Relativbewegungen sich auf die gemäß Merkmal 1.2 gegenüber dem Rahmen des Zugfahrzeugs bewegbar befestigte Kupplungsplatte beziehen und - nachdem gemäß Merkmal 1.6 der Befestigungsbereich des Lagerbocks zur Befestigung am Rahmen ausgebildet ist - nur dadurch realisiert sein können, dass die Kupplungsplatte gegenüber dem am Rahmen befestigten Lagerbock bewegbar ist. Ein "Auffangen von Relativbewegungen" bei einer nicht montierten Sattelkupplung entsprechend dem Auslieferungszustand an den Fahrzeughersteller, die nur eine mit Lagerböcken versehene Kupplungsplatte umfasst, macht aufgrund fehlender Relativbewegungen keinen Sinn.
Zwar macht Anspruch 1 keine Angaben über die Dimensionierung der Spielräume oder die Größe der Relativbewegungen bzw. der die Relativbewegungen hervorrufenden Kräfte, aber die Zweckangabe "zum Auffangen der Relativbewegungen" bringt zum Ausdruck, dass der Spielraum geeignet und damit ausreichend groß sein muss, um - wie weiter oben ausgeführt - die im montierten Zustand und damit im Fahrbetrieb auftretenden Relativbewegungen auffangen bzw. ausgleichen zu können. Ein solcher Spielraum im beanspruchten Sinne muss durch Abstimmung der Konstruktionsmaße bewusst zum Auffangen der Relativbewegungen im Fahrbetrieb ausgelegt sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der beanspruchte Gegenstand eine Sattelkupplung für Zugfahrzeuge betrifft, d. h. einen Gegenstand von großen Dimensionen und mit Fertigungstoleranzen, die allein schon im Bereich von 1 mm und mehr liegen (siehe D7: bereits der Abstand der Aufnahmebereiche weist eine Toleranz von 3 mm auf). Bei diesen Toleranzen sowie einem auf Basis von Nennmaßen berechneten fahrzeuginnenseitigen Spielraum von 0,75 mm gegenüber einer Breite des Aufnahmebereiches von 103,5 mm bzw. des Lagerbocks von 101 mm, d. h. bei einem Verhältnis von Spielraum zu Breite des Lagerbocks von weniger als 1/100, kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass bei der Sattelkupplung gemäß D3 bis D9 konstruktiv bewusst ein Spielraum im Sinne eines Raumes, der Bewegungen zulässt, vorgesehen ist. Dies steht auch in Einklang mit der Beschreibung und den in Figur 3 des Streitpatents dargestellten Größenverhältnissen des im Aufnahmebereich der Kupplungsplatte aufgenommenen Lagerbocks.
Zudem kann allein die Toleranz der Breite des Lagerbocks von 0,5 mm dazu führen, dass der "Spielraum" aufgrund der Konstruktion von 0,75 mm auf bis zu 0,25 mm reduziert wird, und bei Berücksichtigung von weiteren möglichen Toleranzen (beispielsweise der Montagewinkel) liefert die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Berechnung des "Spielraumes" sogar keinen sinnvollen Wert mehr. Die Beschwerdeführerin konnte also nicht schlüssig und zweifelsfrei belegen, dass die behauptete offenkundige Vorbenutzung einen Spielraum wie beansprucht zeigt. Insbesondere zeigt auch keine der Zeichnungen D3 bis D9 eine Sattelkupplung im zusammengebauten Zustand mit im Aufnahmebereich der Kupplungsplatte angeordnetem Lagerbock, die einen Nachweis über einen zum Auffangen von Relativbewegungen ausgebildeten Spielraum erbrächte.
Nicht überzeugen kann auch die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass zur Unterscheidung des Spielraumes von bauartbedingten Toleranzen die Berechnung ausschließlich auf Basis der Nennmaße erfolgt sei, da die Berechnung mit Nennmaßen einen rein hypothetischen Wert liefert, der in der Realität aufgrund von Toleranzen kaum einzuhalten ist. Nach Auffassung der Kammer wird im Sinne von Anspruch 1 gerade ein bewusstes Vorsehen eines Spielraumes verlangt, damit Relativbewegungen zwischen Kupplungsplatte und Lagerbock im Betrieb aufgefangen werden können; wie schon unter Punkt 4. ausgeführt, ist dabei "Auffangen von Relativbewegungen" im Sinne von "Ausgleichen von Relativbewegungen" und dem Zulassen von Bewegungen zu interpretieren. Dies ist in D3 bis D9 nicht zu erkennen.
Ob es bei hohen Querkräften auch zum Anschlag des Lagerbocks kommen kann und damit eine Relativbewegung nur teilweise ausgeglichen und dann beendet wird, mag dahingestellt bleiben, da im Sinne von Anspruch 1 ein bewusst konstruktiv vorgesehener Spielraum gefordert ist, der Bewegungen des Lagerbocks im Aufnahmebereich der Kupplungsplatte im Fahrbetrieb zulässt, was aus den Zeichnungen D3 bis D9 nicht hervorgeht.
Da D3 bis D9 bereits keinen Spielraum an der Fahrzeuginnenseite im beanspruchten Sinne zeigen, kann es dahingestellt bleiben, ob dieser Spielraum ausschließlich im Bereich der Fahrzeuginnenseite der Lagerböcke angeordnet ist oder nicht, zumal dies im vorliegenden Anspruch 1 auch nicht beansprucht wird. Außerdem muss nicht auf die von der Beschwerdegegnerin angeführte Unterscheidung zwischen "Spielräumen" und "toleranzbedingten Spaltmaßen" eingegangen werden, da allein der in Anspruch 1 definierte Gegenstand und damit das Verständnis des Begriffs "Spielraum" gegenüber dem Stand der Technik zu bewerten ist.
Da die behauptete Vorbenutzung gemäß D3 bis D9 der Neuheit nicht entgegensteht, muss an dieser Stelle nicht geklärt werden, ob die Offenkundigkeit der Vorbenutzung bewiesen ist. Auf eine Anhörung des angebotenen Zeugen konnte deshalb auch verzichtet werden.
11. Neue Argumentationslinie zur erfinderischen Tätigkeit
Die Beschwerdeführerin hat in der Beschwerdebegründung die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gegenüber D11 bestritten, aber erstmalig in der mündlichen Verhandlung das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D11 in Zusammenschau mit D1 verneint.
In Ausübung ihres Ermessen gemäß Artikel 13 (1) und (3) VOBK lässt die Kammer diese neue Argumentationslinie in das Verfahren zu, und zwar aus folgenden Gründen: Die Beschwerdegegnerin hat in ihrer Erwiderung zur Beschwerdebegründung schon ausführlich zur Frage der Neuheit gegenüber Dokument D11 Stellung genommen hat und wurde damit nicht in der Weise überrascht, dass die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D11 eine Verlegung der mündlichen Verhandlung erfordert hätte. Außerdem beschränkt sich das neue Vorbringen auf eine Frage geringer Komplexität, und zwar ob das in D11 offen gelassene Merkmal 1.5 ("zur schwenkbaren Lagerung") einen erfinderischen Beitrag liefern kann, wobei die Druckschrift D1 als nächstliegender Stand der Technik im Streitpatent gewürdigt war. Schließlich wurde D11 als prima facie hoch relevant und damit für den Ausgang des Verfahrens entscheidend in das Beschwerdeverfahren zugelassen, wobei neben der Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 auch das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber D11 zu prüfen ist.
12. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)
Wie bereits bei der Diskussion der Neuheit gegenüber D11 festgestellt, lässt die Druckschrift D11 offen, ob der Lagerungsbereich des Lagerbocks zur schwenkbaren Lagerung der Kupplungsplatte ausgebildet ist.
Dieses unterscheidende Merkmal bewirkt, dass der Anhänger eines Sattelzuges gegenüber dem Zugfahrzeug um die Schwenkachse beweglich gelagert ist, um beispielsweise das Durchfahren von Mulden zu ermöglichen. Es stellt sich also die Aufgabe, eine bewegliche Lagerung des Anhängers gegenüber dem Zugfahrzeug vorzusehen, welche auch das Fahren auf Straßen mit variabler Steigung bzw. Neigung erlaubt.
Die Lösung, die Kupplungsplatte schwenkbar gegenüber dem Lagerungsbereich des Lagerbocks auszubilden, ist eine für den Fachmann naheliegende Möglichkeit, da ausgehend von der Sattelkupplung gemäß D11 in der Druckschrift D1 die Anregung zu finden ist, eine auf Lagerböcken schwenkbar gelagerte Kupplungsplatte (siehe Seite 5, Zeilen 4 bis 6: "two support devices 8 which constitute supporting tilt pivot mountings for the fifth wheel 4") mittels Bolzen (siehe Seite 5, Zeilen 25 bis 28: "Hingepins are fitted in the bearing sleeves 10 of the support devices 8") zu realisieren. Die in D11 in den Figuren 7 bis 10 gezeigten Ausführungsformen zeigen einen Lagerungsbereich eines Lagerbocks, der mittels einer Gummieinlage im Aufnahmebereich der Kupplungsplatte gelagert ist. Auch wenn die Befestigung des Lagerbocks an der Kupplungsplatte in diesen Ausführungsformen nicht gezeigt ist, so besitzt der Lagerungsbereich des Lagerbocks bereits eine Öffnung, die der Fachmann - insbesondere auch angesichts der in Figur 11 gezeigten Ausführungsform - als Bohrung zur Aufnahme eines Bolzens erkennt. Er wird deshalb in naheliegender Weise die aus D1 bekannte schwenkbare Lagerung der Kupplungsplatte mittels Bolzen auf die in D11 in den Figuren 7 bis 10 gezeigten Ausführungsformen übertragen und so neben einer Möglichkeit zum Auffangen von Relativbewegungen in Richtung der Schwenkachse auch eine Schwenkbarkeit der Kupplungsplatte um die Schwenkachse erreichen.
Der Fachmann entnimmt dabei der Druckschrift D1 neben der Funktion der Schwenkbarkeit auch die aus D1 bekannte technische Lösung einer mittels eines Bolzens schwenkbar am Lagerbock gelagerten Kupplungsplatte. Anders als von der Beschwerdegegnerin behauptet führt dies nicht zu einer Anordnung der Lagerböcke ohne Spiel im Aufnahmebereich der Kupplungsplatte, da es für den Fachmann keinen Grund gibt, den in einer mit einer Gummieinlage ausgefüllten Tasche der Kupplungsplatte gelagerten Lagerbock noch weiter zu modifizieren, beispielsweise durch Weglassen der Gummieinlage und Vergrößern des oberen Bereiches des Lagerbocks.
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags beruht also gegenüber einer Kombination von D11 mit D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973).
Hilfsantrag I
13. Zulassung des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags I in das Verfahren
Der in Reaktion auf die Diskussion während der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag I wird in das Verfahren zugelassen. Die Zulassung wurde seitens der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
14. Zulässigkeit der Änderungen gemäß Hilfsantrag I
In der ursprünglich eingereichten Beschreibung (Seite 4, Zeilen 18 bis 27) wird das neu aufgenommene Merkmal in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I ("einseitig frei gelassen") im Zusammenhang damit erwähnt, dass der Lagerbock nach dem Gießen mechanisch derart bearbeitet wird, dass im zusammengebauten Zustand zwischen dem Lagerungsbereich des Lagerbockes und dem Aufnahmebereich der Sattelkupplungsplatte ein Spielraum frei bleibt und dieser einseitig frei gelassene Spielraum zum Ausgleichen von Bewegungen der Kupplungsplatte in Richtung der Schwenkachse dient. Die mechanische Bearbeitung des Lagerbocks wird also über das zu erreichende Ziel definiert, welches - im Zusammenhang der Ausführungen in der Beschreibung betrachtet - darin besteht, eine kleinere Breite des Lagerbocks im Lagerungsbereich gegenüber dem Aufnahmebereich der Kupplungsplatte zu erzielen. Dies wird aber bereits durch Merkmal 1.8 (gegenüber dem Hauptantrag unverändert) ausgedrückt, so dass Anspruch 1 die entscheidenden, funktionell und strukturell mit dem einseitigen Spielraum in Zusammenhang stehenden Merkmale bereits definiert. Eine von der Beschwerdeführerin behauptete Zwischenverallgemeinerung durch Aufnahme des neuen Merkmals "einseitig frei gelassen" unter Weglassen der mechanischen Bearbeitung ist seitens der Kammer nicht nachvollziehbar.
Das Merkmal "Lagerungsbereich (6) des Lagerbockes (5) mit einem einseitig frei gelassenen Spielraum (S) in dem Aufnahmebereich (10) der Kupplungsplatte (4) angeordnet" wird in Anspruch 1 weiter dahingehend spezifiziert, dass der Spielraum zum Auffangen der Relativbewegungen "zwischen der Kupplungsplatte (4) und dem Lagerbock (5)" ausgebildet ist. In Einklang mit der von der Beschwerdeführerin angeführten Textstelle in der Beschreibung bedeutet dies einen "Spielraum zwischen dem Lagerungsbereich des Lagerbockes und dem Aufnahmebereich der Kupplungsplatte", also keine Inkompatibilität wie von der Beschwerdeführerin behauptet.
Im Übrigen ist anzumerken, dass sich die behauptete Inkompatibilität ebenso wie das Bearbeiten des Lagerbocks auf den bereits im erteilten Streitpatent beanspruchten Spielraum als solchen bezieht, unabhängig davon, ob dieser einseitig frei gelassen ist oder nicht, so dass die Beschwerdeführerin in unzulässiger Weise versucht, den im Einspruchsverfahren nicht erhobenen Einspruchsgrund der unzulässigen Erweiterung nachträglich in das Verfahren einzuführen.
Anspruch 1 definiert einen "einseitig frei gelassenen" Spielraum, der gemäß Merkmal 1.10 (unverändert gegenüber dem Hauptantrag) im Bereich der Fahrzeuginnenseite des Lagerbocks zum Auffangen der Relativbewegungen zwischen der Kupplungsplatte und dem Lagerbock in Richtung der Schwenkachse ausgebildet ist. Der Spielraum ist also auf den Lagerbock als Bauteil gegenüber der Kupplungsplatte bezogen, und zwar in Richtung der Schwenkachse, und ist damit klar definiert.
Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I erfüllt damit die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ sowie Artikel 84 EPÜ 1973.
15. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I definiert nun eine Anordnung des Lagerungsbereiches des Lagerbocks im Aufnahmebereich der Kupplungsplatte mit einem einseitig frei gelassenen Spielraum. Zusammen mit Merkmal 1.10 und 1.11 (unverändert gegenüber dem Hauptantrag) ergibt sich damit, dass der Spielraum zum Auffangen der Relativbewegungen ausschließlich im Bereich der Fahrzeuginnenseite der beiden Lagerböcke ausgebildet ist.
Dies stellt im Vergleich zu Anspruch 1 gemäß Hauptantrag einen weiteren Unterschied gegenüber D11 dar, da in D11 der Lagerbock in einer Gummieinlage in einer Tasche der Kupplungsplatte gelagert ist, d. h. ein Spielraum zum Auffangen der Relativbewegungen am Lagerbock ist sowohl fahrzeuginnenseitig als auch fahrzeugaußenseitig vorgesehen. Mit der in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I gegebenen Definition soll erreicht werden, dass bei Kurvenfahrt auftretende Querkräfte allein von einem einzigen Lagerbock aufgenommen werden und nicht zu einer Verformung der Kupplungsplatte führen. Da keine funktionelle Wechselwirkung zur schwenkbaren Lagerung der Kupplungsplatte (Merkmal 1.5 gemäß Hauptantrag) besteht, stellt sich als weitere Teilaufgabe, bei auftretenden Querkräften eine Belastung der Kupplungsplatte möglichst gering zu halten.
Da keines der im Verfahren befindlichen Dokumente einen Hinweis darauf gibt, einen einseitig frei gelassenen Spielraum im Bereich der Fahrzeuginnenseite bei zwei im Aufnahmebereich der Kupplungsplatte angeordneten Lagerböcken vorzusehen, findet sich für den Fachmann kein Hinweis, der ihn in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 hätte führen können. Wie bereits ausgeführt zeigt D11 eine Lagerung des Lagerbocks in einer Tasche der Kupplungsplatte mit einem Spielraum sowohl fahrzeuginnenseitig als auch fahrzeugaußenseitig und damit einem beidseitig ausgebildeten Spielraum, während die behauptete offenkundige Vorbenutzung D2 bis 10 - wie weiter oben zum Hauptantrag ausgeführt - bereits keinen Spielraum im Sinne eines Raumes, der Bewegungen zulässt, erkennen lässt.
Somit erfüllt der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß vorliegendem Hilfsantrag I die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ 1973.
16. Anspruch 1 gemäß vorliegendem Hilfsantrag I mit den abhängigen Ansprüchen 2 bis 4 und der daran angepassten Beschreibung und den vorliegenden Zeichnungen bildet daher eine geeignete Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die 1. Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1 bis 4;
- Beschreibung, Spalten 1 bis 4;
- Figuren 1 bis 3;
jeweils eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2012 (Hilfsantrag I).