European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2007:T126906.20070920 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 September 2007 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1269/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 97890238.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | G01M 17/007 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zur Analyse des Fahrverhaltens von Kraftfahrzeugen | ||||||||
Name des Anmelders: | AVL List GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Ricardo Consulting Engineers Ltd. | ||||||||
Kammer: | 3.4.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Unzulässige Änderungen (nein) Zurückverweisung an die 1. Instanz |
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Orientierungssatz: |
Bei der Prüfung der Frage, ob der Gegenstand des Patents entgegen Artikel 100 (c) EPÜ über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, ist nach Auffassung der Kammer im Wesentlichen zu untersuchen, ob durch die in der Beschreibung oder - wie hier - in den Ansprüchen erfolgten Änderungen dem Fachmann tatsächlich zusätzliche, technisch relevante Informationen zur Verfügung gestellt wurden, die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht enthalten waren. Dies kann sich jedoch weder allein aus der Tatsache, dass in den Anmeldungsunterlagen nicht vorhandene Begriffe nachträglich eingeführt wurden, noch aus einer rein semantischen Analyse der beanstandeten Passagen ergeben. Vielmehr muss die den Einwand vorbringende Partei oder Instanz die vermeintlich neu hinzugefügte technische Lehre auch als solche eindeutig bestimmen können. |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) richtet ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchs abteilung, das europäische Patent Nr. 0846945 (Anmeldenummer 97890238.5) zu widerrufen.
Mit dem Einspruch der Beschwerdegegnerin (Einsprechende) war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 (a), (b) und (c) EPÜ angegriffen worden.
In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung die Auffassung, dass Artikel 100 (c) EPÜ den erteilten unabhängigen Ansprüchen 1 (Hauptantrag), 4 (Hauptantrag und erster Hilfsantrag) und 11 (Hauptantrag und erster und zweiter Hilfsantrag) entgegenstehe, da ihre Gegenstände über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinausgingen. Insbesondere seien sowohl das beanspruchte Merkmal, wonach die Bewertungsgröße "nur dann" berechnet wird, wenn eine der Triggerbedingungen erfüllt ist, als auch das beanspruchte Merkmal, wonach die Bewertungsgröße in Abhängigkeit von der Triggerbedingung berechnet bzw. bestimmt wird, in den Unterlagen der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht offenbart gewesen.
II. Am 20. September 2007 wurde mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung oder nach einem der den Gründen der angefochtenen Entscheidung beigefügten Hilfsanträge 1 oder 2.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Ein früherer Antrag auf Beweissicherung nach Artikel 75 EPÜ wurde von der Beschwerdegegnerin zurückgezogen.
Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung von der Kammer verkündet.
III. Die erteilten unabhängigen Patentansprüche 1, 4 und 11 gemäß dem Hauptantrag lauten wie folgt:
" 1. Verfahren zur Analyse des Fahrverhaltens von Kraftfahrzeugen, mit folgenden Schritten:
- Durchführen von Messungen an einem realen Fahrzeug zur Gewinnung von Messgrößen über das Fahrverhalten;
- laufende Überprüfung, ob vorbestimmte Triggerbedingungen (4a), d.h. Konstellationen von Messgrößen (2, 3), erfüllt sind, die vorbestimmten Fahrzuständen des Kraftfahrzeuges entsprechen;
- nur dann, wenn eine der Triggerbedingungen (4a) erfüllt ist, Berechnen mindestens einer Bewertungsgröße (Dr), die die Fahrbarkeit des Fahrzeugs ausdrückt, aus einer oder mehreren Messgrößen (2, 3) aufgrund einer vorbestimmten, von der Triggerbedingung abhängigen Funktion;
- Ausgeben der Bewertungsgröße (Dr)."
" 4. Verfahren zur Analyse des Fahrverhaltens von Kraftfahrzeugen, mit folgenden Schritten:
- Erstellen eines Simulationsmodells für ein Fahrzeug zur Abbildung dieses Fahrzeugs auf einem dynamischen Prüfstand;
- Durchführen von Messungen am Prüfstand zur Gewinnung von Messgrößen (2, 3) über das Fahrverhalten des simulierten Fahrzeugs;
- laufende Überprüfung, ob vorbestimmte Triggerbedingungen (4a), d.h. Konstellationen von Messgrößen (2, 3), erfüllt sind, die vorbestimmten Fahrzuständen des Kraftfahrzeuges entsprechen;
- nur dann, wenn eine der Triggerbedingungen (4a) erfüllt ist, Berechnen mindestens einer Bewertungsgröße (Dr), die die Fahrbarkeit des simulierten Fahrzeugs ausdrückt, aus einer oder mehreren Messgrößen (2, 3) aufgrund einer vorbestimmten, von der Triggerbedingung abhängigen Funktion;
- Ausgeben der Bewertungsgröße (Dr)."
" 11. Vorrichtung zur Beurteilung der Fahrbarkeit von Kraftfahrzeugen, welches folgende Elemente aufweist:
- ein Messsystem mit Messwertaufnehmern zur Erfassung zumindest einer für die Fahrbarkeit relevanten Messgröße (2, 3) aus der Gruppe Motordrehzahl (n), Drosselklappenstellung (DK), Gaspedalstellung, Fahrzeuggeschwindigkeit, Fahrzeuglängsbeschleunigung (a), Saugrohrunterdruck, Kühlmitteltemperatur, Zündzeitpunkt, Einspritzmenge, Lambda-Wert, Abgasrückführrate und Abgastemperatur samt Aufnahmeelektronik;
- ein Datenablagesystem (4) mit Triggerbedingungen (4a), das sind Konstellationen mehrerer Messgrößen (2, 3) sowie über mit Daten korrelierende Bewertungsgrößen (Dr) über die Fahrbarkeit;
- ein Zuordnungssystem (6) zum Zuordnen von Bewertungsgrößen (Dr) über die Fahrbarkeit des Fahrzeuges (b) zu den Daten (2, 3) über den Betriebszustand des Motors (a) und/oder des Fahrzeuges (b);
- eine Auswerteeinheit (5) zum Vergleichen der gemessenen mit den abgelegten Daten sowie zur Bestimmung von Bewertungsgrößen (Dr) über die Fahrbarkeit unter Verwendung des Zuordnungssystems (6), unter der Voraussetzung, dass eine der Triggerbedingungen (4a) vorliegt, in Abhängigkeit von der Triggerbedingung."
Die abhängigen Ansprüche 2, 3, 5 bis 10, 12 und 13 richten sich auf bevorzugte Ausführungsformen des in den Ansprüchen 1 und 4 definierten Verfahrens bzw. der in Anspruch 11 definierten Vorrichtung.
Der erste und zweite Hilfsantrag sind auf die erteilten Ansprüche 4 bis 13 bzw. 11 bis 13 gerichtet.
IV. Die Beschwerdeführerin stützte ihren Antrag auf folgende Argumente:
Aus den Ausführungen auf Seite 3, Zeilen 6 bis 30 der Offenlegungsschrift folgt für den Fachmann in klarer und eindeutiger Weise, dass eine Triggerbedingung eine Fahrsituation darstellt und dass eine Triggerbedingung vorliegen muss, um eine Bewertungsgröße berechnen zu können, da die Art der Berechnung von der Fahrsituation (Seite 3, Zeilen 27 bis 30), d.h. von der Triggerbedingung, abhängt. Es wäre für den Fachmann, an den die Lehre der Anmeldung gerichtet ist, völlig unklar, welche Art von Berechnungen durchzuführen wäre, wenn die Fahrbarkeit auf der Basis von Messgrößen zu bestimmen wäre, bei denen keine Zuordnung zu einer Triggerbedingung vorliegt. Es ist somit gerechtfertigt, davon auszugehen, dass die obige Beschreibung klar ausdrückt, dass nur dann, wenn eine Triggerbedingung vorliegt, auch eine Bewertungsgröße berechnet wird.
Gleichermaßen folgt aus der Aussage, dass die Beurteilung der zur Verfügung stehenden Messgrößen in Abhängigkeit von der jeweiligen Fahrsituation (d.h. Triggerbedingung) erfolgt, dass die Funktion, aufgrund derer diese Beurteilung numerisch durchgeführt wird, von der Triggerbedingung abhängig ist. Die Gleichung (2) auf Seite 7 der Offenlegungsschrift zeigt die Abhängigkeit der Beurteilung der Fahrbarkeit von Parametern (c1, c2, c3), die von dem Fahrzustand abhängen.
Auf Seite 6, Zeilen 48 bis 52 der Offenlegungsschrift wird eine Ausführungsvariante beschrieben, die eine Selbstlern-Funktionalität aufweist. Es können durchaus auch außerhalb von vordefinierten Triggerbedingungen gewisse Berechnungen durchgeführt werden, die jedoch nicht direkt in die Berechnung der Bewertungsgröße eingehen. Diese zusätzlichen Berechnungen werden veranlasst, wenn durch den Fahrer allgemein Zustände erfasst werden, die im Hinblick auf die Fahrbarkeit problematisch sind. Gemäß dem dargestellten Ausführungsbeispiel können diese zusätzlichen Berechnungen dazu verwendet werden, neue Triggerbedingungen zu definieren, die in späteren Messungen verwendet werden können. Sobald diese neuen Triggerbedingungen definiert sind, können diese zur Berechnung der Bewertungsgröße herangezogen werden. Ohne zuvor Triggerbedingungen definiert zu haben, kann keine Berechnung des Fahrbarkeitsindex bzw. der "Driveability" erfolgen. Daher dient der mit einem Testfahrer durchzuführende Lernmodus dazu, das System zu parametrisieren, wobei das resultierende parametrisierte System bei normalem Betrieb die Bewertungsgröße nur berechnet, wenn eine der Triggerbedingungen erfüllt ist.
Das Ausführungsbeispiel der Offenlegungsschrift auf Seiten 8 und 9 beschreibt nur die Fahrbarkeitsbewertung, nachdem die Triggerbedingungen berücksichtigt worden sind.
Es ist daher aus der Darstellung der Erfindung in der ursprünglich eingereichten Fassung klar, dass die Berechnung von Bewertungsgrößen stets nur dann erfolgen kann, wenn zum gegebenen Zeitpunkt eine definierte Triggerbedingung vorliegt. Ebenso ist klar, dass die Berechnung von der Art der Triggerbedingung abhängt.
Die obigen Argumente gelten in sinngemäßer Weise auch für die erteilten unabhängigen Ansprüche 4 und 11.
V. Die Beschwergegnerin stützte ihren Antrag auf folgende Argumente:
Ein Verfahren bzw. eine Vorrichtung zur Analyse des Fahrverhaltens von Kraftfahrzeugen, wobei eine Bewertungsgröße nur bei Erfüllung einer Triggerbedingung berechnet wird, ist den ursprünglichen Unterlagen keineswegs in klarer und eindeutiger Weise zu entnehmen. Vielmehr offenbart die Anmeldung, dass das Verfahren auch in einem selbstlernenden System durchgeführt werden kann, in dem eine Bewertungsgröße berechnet wird, ohne dass eine vorbestimmte Triggerbedingung erfüllt wird (Seite 6, Zeilen 48 bis 52). Das System könnte sogar zu jedem Zeitpunkt Bewertungsgrößen berechnen, z.B. bei einer kontinuierlichen Überwachung bzw. Beurteilung der Fahrbarkeit (Abbildung 6 der Anmeldung).
Der Textstelle der Beschreibung der Anmeldung auf Seite 3, Zeilen 6 bis 30 ist nur zu entnehmen, dass Fahrzustände durch Triggerbedingungen identifiziert werden können, dass diese Fahrzustände einzelnen Zeitpunkten zugeordnet werden können und dass diese Zeitpunkte bestimmen, wann eine Bewertungsgröße berechnet werden kann, nicht jedoch dass eine Triggerbedingung erfüllt werden muss, um die Berechnung der Bewertungsgröße durchzuführen. Für den Fachmann ist daher ersichtlich, dass ein Fahrzustand, der zuvor durch Triggerbedingungen identifiziert worden ist, zu einem späteren Zeitpunkt eintreten kann, zu dem andere zu demselben Fahrzustand führende Verhältnisse vorliegen, ohne dass eine Triggerbedingung erfüllt wird. Damit ist klar, dass eine Bewertungsgröße auch ohne Triggerbedingungen berechnet werden kann - und zu bestimmten Zeitpunkten berechnet werden muss. Der genannten Textstelle ist auch nicht zu entnehmen, dass die Bewertungsgröße aufgrund einer vorbestimmten, von der Triggerbedingung abhängigen Funktion berechnet wird. Die Textstelle offenbart lediglich, dass die Messgrößen in Abhängigkeit von der jeweiligen Fahrsituation unterschiedlich beurteilt werden, um die Fahrbarkeit zu bestimmen. Die Anmeldung offenbart jedoch keinen funktionellen Zusammenhang zwischen den vorbestimmten Triggerbedingungen und der berechneten Bewertungsgröße. Sie enthält auch keinen Hinweis darauf. Außerdem wird in der Anmeldung nichts über einen Zusammenhang zwischen der Fahrsituation, die die Beurteilung der Messgrößen bestimmt, und dem Fahrzustand, der durch die Erfüllung der Triggerbedingungen definiert wird, ausgesagt. Die Messgrößen, die die Triggerbedingungen bestimmen, müssen nicht zwangsläufig dieselben sein, die die Bewertungsgröße definieren. Die Anmeldung offenbart auch keinen Zusammenhang zwischen den vorbestimmten Triggerbedingungen und der Funktion, die zur Berechnung der Bewertungsgröße verwendet wird.
Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin wird in der Textstelle der Anmeldung auf Seite 6, Zeilen 48 bis 52 beschrieben, dass eine Bewertungsgröße ausgegeben wird, wenn in dem selbstlernenden System ein Fahrzustand auftritt, der nicht über die Triggerbedingungen vordefiniert ist, dessen Auswertung jedoch eine sehr schlechte oder eine sehr gute Fahrbarkeitsbeurteilung ergibt, wobei sowohl der Fahrzustand als auch das Ergebnis von dem selbstlernenden System erfasst werden (Zeilen 50 und 51). Außerdem wird das System zur Beurteilung der Fahrbarkeit in einer bevorzugten Ausführung der Erfindung auch in dem selbstlernenden Modus betrieben (Seite 7, Zeilen 6 und 7 und Zeilen 13 bis 15).
Auch dem einzigen Ausführungsbeispiel in der Anmeldung (Seite 8, Zeile 35 bis Seite 9, Zeile 41) sind die beanstandeten Merkmale keineswegs in klarer und eindeutiger Weise zu entnehmen.
Die ursprüngliche Anmeldung ist so unklar gefasst, dass die Gefahr besteht, Unklarheiten und mehrdeutige Formulierungen als Grundlage für unzulässige Änderungen heranzuziehen.
Die vorstehenden Überlegungen gelten in gleicher Weise für die Gegenstände der erteilten unabhängigen Ansprüche 4 und 11.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Artikel 100 (c) EPÜ
Bei der Prüfung der Frage, ob der Gegenstand des Patents entgegen Artikel 100 (c) EPÜ über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, ist nach Auffassung der Kammer im Wesentlichen zu untersuchen, ob durch die in der Beschreibung oder - wie hier - in den Ansprüchen erfolgten Änderungen dem Fachmann tatsächlich zusätzliche, technisch relevante Informationen zur Verfügung gestellt wurden, die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht enthalten waren. Dies kann sich jedoch weder allein aus der Tatsache, dass in den Anmeldungsunterlagen nicht vorhandene Begriffe nachträglich eingeführt wurden, noch aus einer rein semantischen Analyse der beanstandeten Passagen ergeben. Vielmehr muss die den Einwand vorbringende Partei oder Instanz die vermeintlich neu hinzugefügte technische Lehre auch als solche eindeutig bestimmen können.
2.1 Anspruch 1
2.1.1 Die erste durch die Einspruchsabteilung beanstandete, im Anspruch 1 erfolgte Änderung besteht darin, dass dieser Anspruch nunmehr präzisiert, dass "nur dann, wenn eine der Triggerbedingungen erfüllt ist", mindestens eine Bewertungsgröße berechnet wird, während in dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 in diesem Zusammenhang der Begriff "bei Erfüllung der Triggerbedingungen" verwendet wurde.
Die im Anspruch erwähnten Triggerbedingungen bestehen aus vorbestimmten Konstellationen von an einem Fahrzeug gewonnenen Messgrößen, wobei solchen Konstellationen jeweils vorbestimmte Fahrzustände des Fahrzeuges entsprechen. Gemäß Anspruchswortlaut erfolgt das Berechnen der Bewertungsgröße, die zum Schluss auch ausgegeben wird, aus einer oder mehreren Messgrößen aufgrund einer vorbestimmten, von der jeweils erfüllten Triggerbedingung abhängigen Funktion.
Zur Frage, welche technische Information sich für den Fachmann zum Zeitpunkt des Berechnens der Bewertungsgröße aus der ursprünglich eingereichten Beschreibung ergibt, nimmt die Kammer insbesondere auf die Aussagen auf Seite 3, 2. Absatz bis Seite 4, 3. Absatz Bezug, wonach "im ersten Schritt" im in einem normalen Fahrbetrieb befindlichen realen Fahrzeug motor- und fahrzeugbezogene Daten aufgezeichnet und "im zweiten Schritt" anhand von zuvor definierten Triggerbedingungen verschiedene Fahrzustände erkannt werden sowie "im dritten Schritt" die Bewertungsgröße aus einer Funktion von einer oder mehreren Messgrößen in Echtzeit berechnet und "zuletzt" die berechnete Bewertungsgröße ausgegeben wird.
Aus dieser detailliert geschilderten Reihenfolge der Verfahrensschritte sowie aus der unmittelbar darauf folgenden Bemerkung, wonach "Wesentlich an der Erfindung ist, dass die zur Verfügung stehenden Messgrößen in Abhängigkeit von der jeweiligen Fahrsituation unterschiedlich beurteilt werden, um die Fahrbarkeit bzw. Driveability zu bestimmen", kann die Kammer keine Lehre an den Fachmann dahingehend erkennen, das Berechnen der Bewertungsgröße in irgend einem anderen Zeitpunkt durchzuführen als nur dann, wenn eine Triggerbedingung erfüllt ist. Es wäre auch gar nicht möglich, die auszugebende Bewertungsgröße ohne Vorkenntnis der für ihre Berechnung ja maßgeblichen Triggerbestimmung zu ermitteln.
Insofern entspricht die in den Anspruch eingeführte, den Zeitpunkt des Berechnens präzisierende Wendung "nur dann, wenn eine der Triggerbedingungen erfüllt ist" genau dem in dieser Passage erläuterten Vorgehen.
Die Beschwerdegegnerin hat sich zwar in diesem Zusammenhang auch auf eine weitere Passage der ursprünglich eingereichten Beschreibung bezogen, die ein Verfahren beschreibt, bei welchem eine Bewertungsgröße auch dann berechnet wird, wenn keine Triggerbedingung erfüllt ist (vgl. den die Seiten 12 und 13 der ursprünglich eingereichten Beschreibung überbrückenden Absatz). Diese Passage bezieht sich jedoch nur auf einen Betrieb des Systems als selbstlernendes System, bei welchem neue, noch nicht definierte Triggerbedingungen erkannt und erfasst werden. Wie in dem letzten Satz dieser Passage ausdrücklich angegeben, werden diese neu dazugelernten Triggerbedingungen dann bei der nächsten Messung als vorbestimmte Triggerbedingungen verwendet. Bei den im Anspruch erwähnten Triggerbedingungen handelt es sich aber ausdrücklich nur um solche bereits "vorbestimmte" Triggerbedingungen, sodass das beanspruchte Berechnen einer Bewertungsgröße den Selbstlernmodus nicht betrifft.
Auch das Argument der Beschwerdegegnerin, der letzte Absatz auf Seite 3 der ursprünglich eingereichten Beschreibung offenbare, dass nicht die Triggerbedingungen, sondern einzelne Zeitpunkte bestimmen sollen, wann eine Bewertungsgröße berechnet wird, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. An dieser Stelle der Beschreibung wird zwar erläutert, dass "bei der Analyse der aufgezeichneten Messdaten [...] daher einzelnen Zeitpunkten das Vorliegen eines bestimmten Fahrzustandes zugeordnet werden" kann und dass "zu jede dieser Zeitpunkte [...] dann auf der Basis eines oder mehrerer Messwerte eine Bewertungsgröße definiert werden" kann. Nachdem in dieser Passage aber auch angegeben wird, dass die erwähnten Fahrzustände "anhand von zuvor definierten Triggerbedingungen [...] erkannt" werden bzw. dass "für jeden dieser Fahrzustände [...] Triggerbedingungen angegeben [werden], bei deren Auftreten geschlossen wird, dass der betreffende Fahrzustand vorliegt", kann nach Auffassung der Kammer die erwähnte Ermittlung der Zeitpunkte erst nach Erfüllung der jeweiligen Triggerbedingungen erfolgen. Insofern bestätigt die Aussage, dass "zu jede dieser Zeitpunkte ... dann auf der Basis eines oder mehrerer Messwerte eine Bewertungsgröße definiert werden" kann, gerade den in den Anspruch eingeführten Zusatz, dass nur dann, wenn die Triggerbedingungen erfüllt sind, eine Bewertungsgröße berechnet wird.
Mit anderen Worten werden durch die beanstandete Änderung im Grunde lediglich nicht offenbarte und auch nicht zweckmäßige Ausführungen ausgeschlossen, mit dem Ergebnis, dass der Anspruch 1 nunmehr im Einklang mit den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ durch die Beschreibung zufriedenstellend gestützt ist.
Auf die in der Verhandlung von der Kammer an die Beschwerdeführerin gestellte Frage, welche neue technische Lehre sich ihrer Meinung nach für den Fachmann aus der beanstandeten Änderung ergebe, konnte die Beschwerdegegnerin keine eindeutige Antwort geben. Sie trug zwar vor, dass durch den fraglichen Zusatz ein Verfahren, bei welchem eine Bewertungsgröße auch zu einem anderen Zeitpunkt als nur dann, wenn vorbestimmte Triggerbedingungen erfüllt seien, nunmehr nicht mehr für den Anspruch neuheitsschädlich sein würde, bzw. dass ein solches Verfahren nicht mehr unter den Schutz des Anspruchs fallen und es sich bereits aus diesen Tatsachen ergeben würde, dass der Anspruch in unzulässiger Weise geändert wurde.
Die Tatsache, dass ein Teil der ursprünglich eingereichten Unterlagen in ihrer technischen und schutzrechtlichen Bedeutung geändert wurde, kann an sich aber noch keinen Einwand der unzulässigen Erweiterung gemäß Artikel 100 (c) bzw. 123 (2) EPÜ begründen, wenn sich aus der Änderung keine neue, in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht offenbarte Lehre ergibt. Aus den oben dargelegten Überlegungen ergibt sich im vorliegenden Fall, dass der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Berechnung der Bewertungsgröße geänderte Wortlaut des Anspruchs 1 nunmehr das in der ursprünglich eingereichten Beschreibung offenbarte Verfahren angibt bzw. keine anderen Maßnahmen definiert als die, die der Fachmann ausgehend von dieser Beschreibung ohnehin getroffen hätte.
2.1.2 Von der Einspruchsabteilung und der Beschwerdeführerin wurde ferner beanstandet, dass der abgeänderte Anspruch 1 nunmehr aussagt, dass die Bewertungsgröße aufgrund einer vorbestimmten, "von der Triggerbedingung abhängigen" Funktion berechnet wird, während die ursprünglich eingereichte Beschreibung keinen funktionellen Zusammenhang zwischen Triggerbedingungen und Bewertungsgröße offenbaren würde.
Dem kann die Kammer aus folgenden Gründen nicht zustimmen. Zunächst wird in dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 ausdrücklich angegeben, dass bei Erfüllung der Triggerbedingungen aus den Messgrößen eine Bewertungsgröße aufgrund einer vorbestimmten Funktion berechnet wird. Ferner wird in der ursprünglich eingereichten Beschreibung auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass "wesentlich an der Erfindung" ist, "dass die zur Verfügung stehenden Messgrößen in Abhängigkeit von der jeweiligen Fahrsituation unterschiedlich beurteilt werden, um die Fahrbarkeit bzw. Driveability zu bestimmen" (vgl. Seite 4, 4. Absatz) und dass die verschiedenen Fahrzustände jeweils anhand von zuvor definierten Triggerbedingungen erkannt werden (vgl. Seite 3, letzter Absatz). Mit anderen Worten muss die zur Berechnung der Bewertungsgröße verwendete Funktion zwangsläufig von dem jeweils erkannten Fahrzustand und daher auch von den diesem Fahrzustand zugeordneten Triggerbedingungen abhängig sein.
Die teilweise auf eine vermeintlich unterschiedliche Bedeutung der in der Beschreibung verwendeten Begriffe "Fahrzustand" einerseits und "Fahrsituation" andererseits basierende Argumentation der Beschwerdeführerin scheint der Kammer daher nicht überzeugend.
Aus diesen Gründen stehen die Bestimmungen des Artikels 100 (c) EPÜ dem Anspruch 1 in der erteilten Fassung nicht entgegen.
2.2 Unabhängige Ansprüche 4 und 11
Das Gleiche gilt auch für die weiteren von der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin in Bezug auf die gleichen Änderungen beanstandeten unabhängigen Ansprüche 4 und 11.
3. Weiteres Verfahren
Den Widerruf des Patents hat die Einspruchsabteilung ausschließlich mit einem Verstoß gegen Artikel 100 (c) EPÜ begründet, ohne über die weiteren, von der Beschwerdegegnerin gemäß Artikel 100 (a) und (b) EPÜ geltend gemachten Einspruchsgründe zu entscheiden.
Nachdem die Entscheidung aus den obigen Gründen in Bezug auf den Einwand nach Artikel 100 (c) EPÜ aufgehoben werden muss, macht die Kammer von dem ihr durch Artikel 111 (1) EPÜ eingeräumten Ermessen Gebrauch, die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Prüfung der übrigen noch im Verfahren befindlichen Einspruchsgründe zurückzuverweisen, sodass den Beteiligten auch zu diesen Gründen zwei Instanzen zur Verfügung stehen.
Die Beschwerdegegnerin hatte im Laufe des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Hinblick auf das höhere Alter der von ihr im Rahmen ihrer Begründung angebotenen Zeugen einen Antrag auf Beweissicherung nach Regel 75 EPÜ gestellt, den sie in der mündlichen Verhandlung wieder zurückgenommen hat, nachdem die Kammer in der Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung die vorläufige Meinung vertreten hatte, dass die Voraussetzungen für die Einleitung dieses Verfahrens gemäß Regel 75 (2) EPÜ nicht gegeben seien.
Die Kammer nimmt zur Kenntnis, dass die Beschwerdegegnerin zwischenzeitlich einen Hinweis der Kammer in der mündlichen Verhandlung aufgegriffen und mit Schreiben vom 24. September 2007 die Beschleunigung des Einspruchsverfahrens beantragt hat.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.