T 2058/15 (Überwachungssensor / Cedes) of 20.10.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T205815.20211020
Datum der Entscheidung: 20 October 2021
Aktenzeichen: T 2058/15
Anmeldenummer: 09721580.0
IPC-Klasse: G01S 7/497
G01S 7/484
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: SENSOR FÜR DIE ÜBERWACHUNG EINES ÜBERWACHUNGSBEREICHS
Name des Anmelders: Cedes AG
Name des Einsprechenden: SICK AG
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 100(c)
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 83
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(2)
Schlagwörter: Einspruchsgründe - unzulässige Erweiterung (ja)
Einspruchsgründe - mangelhafte Offenbarung (ja)
Spät eingereichte Hilfsanträge 2 bis 4
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0190/99
T 1107/06
T 1269/06
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen das europäische Patent EP-B-2 255 217 wurde Einspruch eingelegt.

II. Die Einspruchsabteilung widerrief das Patent aufgrund der Artikel 100 c) und 100 b) EPÜ.

III. Gegen diese Entscheidung legte die Patentinhaberin Beschwerde ein und beantragte die Aufhebung der Entscheidung und die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie die beschränkte Aufrechterhaltung des Patents im Rahmen eines mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags 1.

IV. In der Beschwerdeerwiderung beantragte die Einsprechende die Zurückweisung der Beschwerde und die Nichtzulassung des Hilfsantrags 1 wegen Verspätung.

V. Mit Schreiben vom 4. November 2016 antwortete die Patentinhaberin auf die Beschwerdeerwiderung.

VI. Beide Parteien beantragten hilfsweise eine mündliche Verhandlung.

VII. Die Kammer lud zur mündlichen Verhandlung und teilte ihre vorläufige Meinung mit.

VIII. Die Patentinhaberin nahm zur vorläufigen Meinung Stellung und reichte neue Anspruchssätze für zusätzliche Hilfsanträge 2 bis 4 ein.

IX. Die Einsprechende nahm ebenfalls Stellung und beantragte, die Hilfsanträge 2 bis 4 wegen Verspätung nicht zuzulassen.

X. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags (Patent wie erteilt) lautet:

1. Sensor (1) für die Überwachung eines Überwachungsbereichs (2) mit einer Sendeeinrichtung (5), die eine Strahlung (4), insbesondere elektromagnetische Strahlung, mit einer Strahlleistung oder eine sonstige Welle, z.B. Schallwelle, aussendet,

wobei der Sensor in der Lage ist,

Objekte (3) im Überwachungsbereich zu detektieren,

dadurch gekennzeichnet,

dass der Sensor einen 3D-Sensor zur Abstandserfassung umfasst und dazu ausgebildet ist, aus einem gewonnenen Abstand und einem bekannten Abstrahlkegel die auf einem detektierten Objekt aufgebrachte momentane und/oder durchschnittliche Leistung pro Fläche von auf dem Objekt auftreffender Energie, z.B. elektromagnetische Strahlung der Sendeeinrichtung, zu bestimmen, und

dass Anpassungsmittel vorgesehen sind,

um bei der Detektion eines Objekts (3) im Überwachungsbereich die momentane und/oder durchschnittliche Leistung pro Fläche von auf dem Objekt auftreffender Energie einen vorgegebenen Wert nicht überschreiten zu lassen,

wobei der Sensor dazu ausgebildet ist,

zuerst mit einer vergleichsweise kleinen Leistung zu messen, die kein oder keine nennenswertes Gefährdungspotential für Personen kreieren kann,

ob sich Objekte in einem vorgegebenem nahen Bereich zur Sendeeinrichtung befinden.

XI. Im Hilfsantrag 1 wurde im unabhängigen Anspruch 1 das erste Merkmal nach "dadurch gekennzeichnet," ergänzt (Hervorhebung durch die Kammer):

... dass der Sensor einen 3D-Sensor zur Abstandserfassung umfasst, und dass der 3D-Sensor dazu ausgebildet ist, ...

XII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 enthält die im Hilfsantrag I vorgenommene Änderung nicht. Stattdessen ist gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags das erste Merkmal nach "dadurch gekennzeichnet," folgendermaßen ergänzt worden (Hervorhebung durch die Kammer):

... der Sensor einen 3D-Sensor zur Abstandserfassung umfasst und dazu ausgebildet ist, aus einem gewonnenen Abstand und einem bekannten Abstrahlkegel die auf einem detektierten Objekt

aufgebrachte momentane und/oder durchschnittliche Leistung pro Fläche von auf dem Objekt auftreffender Energie der Sendeeinrichtung (5), z. B. elektromagnetische Strahlung der Sendeeinrichtung (5), zu bestimmen ...

XIII. Im Hilfsantrag 3 wurde das erste Merkmal des Anspruchs 1 gegenüber der erteilten Fassung verändert, so dass es folgendermaßen lautet (Hervorhebungen durch die Kammer):

Sensor (1) für die Überwachung eines Überwachungsbereichs (2) mit einer Sendeeinrichtung (5), wobei die Sendeeinrichtung (5) einen Sender aufweist, wobei der Sender [deleted: die ]eine [deleted: Strahlung (4), insbesondere] elektromagnetische Strahlung (4)[deleted: ,] mit einer Strahlleistung [deleted: oder eine sonstige Welle, z. B. Schallwelle,] aussendet ...

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 beinhaltet die im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 vorgenommene Änderung und ändert das erste Merkmal nach "dadurch gekennzeichnet," weiter, so dass es folgendermaßen lautet (Hervorhebungen gegenüber der erteilten Fassung durch die Kammer):

... dass der Sensor einen 3D-Sensor zur Abstandserfassung umfasst, wobei der 3D-Sensor dazu ausgebildet ist, aus einem gewonnenen Abstand und einem bekannten Abstrahlkegel die auf einem detektierten Objekt aufgebrachte momentane und/oder durchschnittliche Leistung pro Fläche von auf dem Objekt auftreffender [deleted: Energie, z. B. ]elektromagnetischer Strahlung der Sendeeinrichtung, zu bestimmen ...

XIV. Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 wurden weitere Änderungen vorgenommen. Das 1. Merkmal lautet nun folgendermaßen:

Sensor (1) für die Überwachung eines Überwachungsbereichs, wobei der Sensor (1) eine Sendeeinrichtung (5) mit mehreren Sendern und/oder mehrere Sendeeinrichtungen (5) mit jeweils

einem Sender aufweist, wobei ein erster Sender einer ersten Sendeeinrichtung (5) eine elektromagnetische Strahlung (4) mit einer Strahlleistung aussendet, ...

Das erste Merkmal nach "dadurch gekennzeichnet," lautet nun (Hervorhebung gegenüber der erteilten Fassung durch die Kammer):

... der Sensor einen 3D-Sensor [deleted: zur Abstandserfassung ]umfasst, wobei der 3D-Sensor ausgebildet ist, unter Heranziehen einer weiteren Sendeeinrichtung (5) eine Abstandserfassung zum Objekt (3) vorzunehmen, wobei der 3D-Sensor [deleted: und] dazu ausgebildet ist, aus [deleted: einem ]dem gewonnenen Abstand und einem bekannten Abstrahlkegel die auf einem detektierten Objekt aufgebrachte momentane und/oder durchschnittliche Leistung pro Fläche von auf dem Objekt auftreffender [deleted: Energie, z. B. ]elektromagnetischer Strahlung der ersten Sendeeinrichtung[deleted: , ]zu bestimmen ...

Entscheidungsgründe

Hauptantrag - Änderungen

1. Während des Prüfungsverfahren wurde Anspruch 1 des Hauptantrags geändert. Der ursprünglich eingereichte Anspruch 1 lautete:

Sensor (1) für die Überwachung eines Überwachungsbereichs (2) mit einer Sendeeinrichtung (5), die eine Strahlung (4), insbesondere elektromagnetische Strahlung mit einer Strahlleistung oder eine sonstige Welle, z.B. Schallwelle aussendet, wobei der Sensor in der Lage ist, Objekte (3) im Überwachungsbereich zu detektieren, dadurch gekennzeichnet, dass der Sensor Mittel umfasst, mit welchem die auf einem detektierten Objekt aufgebrachte momentane und/oder durchschnittliche Energie, z.B. elektromagnetische Strahlung der Sendeeinrichtung bestimmbar ist und dass Anpassungsmittel vorgesehen sind, um bei der Detektion eines Objekts (3) im Überwachungsbereich die momentane und/oder durchschnittliche Leistung pro Fläche von auf dem Objekt auftreffender Energie einen vorgegebenen Wert nicht überschreiten zu lassen, wobei der Sensor dazu ausgebildet ist, zuerst mit einer vergleichsweise kleinen Leistung zu messen, die kein oder keine nennenswertes Gefährdungspotential für Personen kreieren kann, ob sich Objekte in einem vorgegebenen nahen Bereich zur Sendeeinrichtung befinden.

2. Der ursprünglich eingereichte Anspruch 2 lautete:

Sensor nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Sensor ein 3D-Sensor (8) umfasst, der auf einem detektierten Objekt aufgebrachte momentane und/oder durchschnittliche Leistung pro Fläche ermittelt.

3. Die während des Prüfungsverfahrens vorgenommene Änderung ersetzt die Mittel, mit welchen die aufgebrachte Energie bestimmbar ist, dahingehend, dass der beanspruchte Sensor einen 3D-Sensor zur Abstandserfassung umfasst und dazu ausgebildet ist, aus einem gewonnenen Abstand und einem bekannten Abstrahlkegel die auf einem detektierten Objekt aufgebrachte momentane und/oder durchschnittliche Leistung pro Fläche von auf dem Objekt auftreffender Energie zu bestimmen.

4. Als Basis für diese Änderung verweist die Patentinhaberin auf die ursprüngliche Offenbarung in der Beschreibung (die Seiten 4 und 5 überbrückender Absatz in der veröffentlichten Anmeldung), die lautet:

In einer weiteren besonders bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung umfasst der Sensor einen 3D-Sensor, der auf einem detektierten Objekt aufgebrachte momentane und/oder durchschnittliche Leistung pro Fläche ermittelt. Die Leistung kann auf ein vorgegebenen Niveau angepasst werden. Dabei kann der 3D-Sensor zur Abstandserfassung eingesetzt werden unter Heranziehung der Sendeeinrichtung als Strahlungsquelle für die Distanzmessung, um die Flächenleistung eines anderen Senders zu ermitteln, z.B. aus dem gewonnenen Abstand und einem bekannten Abstrahlkegel des anderen Senders sowie dessen abgegebene Leistung und/oder um eine Überwachung der Sendeeinrichtung für die Distanzmessung im Hinblick auf an einem Objekt ankommende Flächenleistung vornehmen zu können. Die Sendeeinrichtung kann in einer Baueinheit mit dem 3D-Sensor zur Abstandsmessung angeordnet sein. Es ist auch ein separater Aufbau denkbar. Grundsätzlich können mehrere Sendeeinrichtungen vorgesehen sein, wobei für eine Abstandsmessung nur eine einzige Sendeeinrichtung herangezogen werden kann, welche gegebenenfalls eine Baueinheit mit dem 3D-Sensor bildet. Weist der Sensor mehrere Sendeeinrichtungen auf, kann dieser zur Überwachung einer oder mehrere Sendeeinrichtungen benutzt werden. Dabei können die Sendeeinrichtungen Strahlungen unterschiedlicher physikalischer Natur emittieren. Zum Beispiel kann ein Sensor gemäß der Erfindung, der einen Sender im Infrarotbereich besitzt, eine Schallquelle im Hinblick auf deren an einem Objekt ankommende Flächenleistung überwachen.

5. Die Einsprechende und die Einspruchsabteilung in der angegriffenen Entscheidung sehen durch diesen Absatz keine Offenbarung für die im Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen.

a) Zum einen sei nicht ursprünglich offenbart, dass es der Sensor - und nicht wie ursprünglich im Anspruch 2 definiert und in dem bewussten Absatz der Beschreibung erläutert, der 3D-Sensor - ist, der die Leistung aus dem Abstand und dem Abstrahlkegel ermittelt.

b) Des Weiteren offenbare die zitierte Passage über den 3D-Sensor nur, dass der 3D-Sender die Flächenleistung eines "anderen Senders" bestimme, in dem aus dem gewonnenen Abstand und einem bekannten Abstrahlkegel des anderen Senders sowie dessen abgegebenen Leistung ermittelt wird. Dieser "andere Sender" sei im Anspruch 1 nicht genannt.

c) Außerdem fehle im Anspruch 1 des Hauptantrags die abgegebene Leistung des anderen Senders, die in der zitierten Beschreibungspassage genannt ist.

6. Hinsichtlich der Frage, ob es der beanspruchte Sensor selbst oder der davon umfasste 3D-Sensor ist, der aus dem gewonnenen Abstand und dem bekannten Abstrahlkegel die Flächenleistung ermittelt, argumentiert die Patentinhaberin, dass im ursprünglichen Anspruch 1 der dortige Sensor allgemein Mittel zum Bestimmen der aufgebrachten Energie enthalten habe. Daraus würde sich für den Fachmann ergeben, dass der Sensor selbst solche Mittel aufweist, und nicht auf den 3D-Sensor zurückgreifen müsste.

7. Dieses Argument überzeugt nicht. Die ursprünglichen Unterlagen offenbaren über den 3D-Sensor hinaus keine weiteren konkreten "Mittel", die dem Sensor zur Verfügung stehen, um die Flächenleistung zu bestimmen. Es gibt weder eine Figur noch einen Teil der Beschreibung, der diese Mittel zeigt. Die einzigen Mittel, die dafür konkret vorgesehen sind, sind in der zitierten Passage und im ursprünglichen Anspruch 2 zu finden und dort eindeutig dem 3D-Sensor zugeordnet ("einen 3D-Sensor, der auf einem detektierten Objekt aufgebrachte momentane und/oder durchschnittliche Leistung pro Fläche ermittelt"). Da dieser 3D-Sensor im Anspruch 1 des Hauptanspruch nach der vorgenommenen Änderung nun explizit definiert ist, müssen auch die in der zitierten Passage genannten Funktionen des 3D-Sensors berücksichtigt werden. "Weitere" Mittel, die der Sensor selbst aufweisen sollte, um die Flächenleistung zu bestimmen, sind dann nicht erforderlich.

8. Eine solche Auslegung des Anspruchs widerspricht auch nicht der von der Patentinhaberin angeführten ständigen Rechtsprechung, wonach der Fachmann versuchen sollte durch Synthese, also eher aufbauend als zerlegend, zu einer Auslegung des Anspruchs zu gelangen, die technisch sinnvoll ist und bei der die gesamte Offenbarung des Patents berücksichtigt wird. Das Patent ist mit der Bereitschaft auszulegen, es zu verstehen, und nicht mit dem Willen, es misszuverstehen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, II.A.6.1, auch T 190/99). Durch die Aufnahme des 3D-Sensors - wie er in der zitierten Passage beschrieben ist - in den Anspruch 1, sind für den Fachmann keine "weiteren" Mittel des Sensors selbst mehr notwendig, um die Flächenleistung zu bestimmen, da diese vollständig vom 3D-Sensor zur Verfügung gestellt werden. Für den Fall, dass der Sensor einen 3D-Sensor umfasst, gibt es in der Anmeldung keine implizite Offenbarung dafür, dass der Sensor weitere Mittel umfasst, um die aus Abstand und Abstrahlkegel die Flächenleistung ermitteln.

9. Die Patentinhaberin verweist auch auf den Satz des zitierten Absatzes "Weist der Sensor mehrere Sendeeinrichtung auf, kann dieser zur Überwachung einer oder mehrere Sendeeinrichtung benutzt werden." und argumentiert, dass der Fachmann daraus die Lehre entnimmt, dass es der Sensor selbst ist, der die Flächenleistung bestimmt (Beschwerdebegründung, Seite 4, erster vollständiger Absatz; Antwort auf die Beschwerdeerwiderung, Seite 3, Absätze 2 bis 5). Zunächst ist aus dem zitierten Satz alleine nicht klar, worauf sich "dieser" bezieht. Während die Patentinhaberin wohl den Bezug auf "Sensor" sieht, ist - wie aus dem zitierten Absatz erkennbar - auch ein Bezug auf den im vorigen Satz genannten 3D-Sensor möglich. Des weiteren - wie oben ausgeführt - steht ja nicht im Zweifel, dass ein mit einem 3D-Sensor ausgestatteter Sensor durch eben die Flächenleistungsermittlungsfunktion des 3D-Sensors auch eine Flächenleistung ermitteln und somit mehrere Sendeeinrichtungen überwachen kann. Die Funktionen, mit denen diese Flächenleistung ermittelt wird, sind aber eben in dieser Konstellation im zitierten Absatz nur dem 3D-Sensor zugeordnet und nicht weiteren Mitteln des Sensor.

10. Die Patentinhaberin verweist auch auf die Entscheidung T 1269/06, wonach die den Einwand vorbringende Partei oder Instanz die vermeintlich neu hinzugefügte technische Lehre auch als solche eindeutig bestimmen können muss. Das ist hier auch möglich. Die vorliegend hinzugefügte Lehre ist, dass bei Verwendung eines 3D-Sensors die Bestimmung der Flächenleistung nicht durch den 3D-Sensor erfolgt, sondern stattdessen auch ohne den 3D-Sensor durch Mittel des Sensors selbst. Dafür gibt es keine Offenbarung in der ursprünglichen Anmeldung.

11. Die ebenfalls seitens der Patentinhaberin zitierte Entscheidung T 1107/06 Botulinum toxins/ALLERGAN behandelt implizite Offenbarungen und kommt zum Schluss Gibt es zugleich eine allgemeine Offenbarung der Erfindung und eine spezifische Offenbarung einer beispielhaften oder bevorzugten Ausführungsform (hier Behandlung übermäßiger Schweiß- und Tränenbildung), die unter die allgemeine Offenbarung fällt, so geht der Fachmann gewöhnlich davon aus, dass alle weiteren unter die allgemeine Offenbarung fallenden Ausführungsformen, auch wenn sie nicht eigens erwähnt werden, ebenfalls zur Erfindung gehören. (so zitiert in Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, II.E.1.3.3). Auf den hier vorliegenden Fall übertragen, soll die ursprüngliche Formulierung des eingereichten Anspruchs 1 die allgemeine Offenbarung sein und der zitierte Absatz der Beschreibung die spezifische Offenbarung.

12. Doch führt diese Überlegung hier nicht zum von der Patentinhaber gewünschten Ergebnis. Es wird nicht angezweifelt, dass der ursprüngliche Anspruch 1 einen Sensor offenbart, der Mittel umfasst, mit welchen die Flächenleistung bestimmt werden kann, ohne dass die Mittel näher definiert sind. Es geht darum, dass die konkrete Bestimmung der Flächenleistung, wie sie im gültigen Anspruch 1 definiert ist, nämlich durch Verwendung des Abstands und des Abstrahlkegels, ausschließlich so offenbart ist (im zitierten Absatz), dass diese durch den 3D-Sensor passieren muss. Die jetzige Anspruchsformulierung lässt aber offen, ob diese Bestimmung durch den 3D-Sensor oder möglicherweise weitere - vom 3D-Sensor unabhängige - Mittel erfolgt. Letzteres ist so nicht ursprünglich offenbart.

13. Hinsichtlich der Frage, ob der "andere Sender" im Anspruch 1 definiert werden müsste oder nicht, argumentiert die Patentinhaberin, dass in dem zitierten Absatz der Beschreibung der 3D-Sensor außer zur Bestimmung der Flächenleistung des anderen Senders über eine "und/oder-Konstruktion" auch vorgesehen sei "um eine Überwachung der Sendeeinrichtung für die Distanzmessung im Hinblick auf an einem Objekt ankommende Flächenleistung vornehmen zu können". Daher sei eine Einschränkung auf den "anderen Sender" nicht erforderlich.

14. Dieser Argumentation wird nicht zugestimmt. Zum einen ist in der zitierten "und/oder-Konstruktion" offen, wie die Überwachung der Sendeeinrichtung für die Distanzmessung vorgenommen wird, da weder die "oder"- noch die "und"-Alternative des Satzes etwas darüber aussagt, sondern Distanz, Abstrahlwinkel und abgestrahlte Leistung nur im Hinblick auf den "anderen Sender" genutzt werden. Zum anderen ist auch die zweite Hälfte der "und/oder"-Konstruktion nicht in den Anspruch 1 aufgenommen worden, da die elektromagnetische Strahlung der Sendeeinrichtung nur fakultativ ("z.B.") angegeben ist.

15. Hinsichtlich der nicht erfolgten Aufnahme der abgegebenen Leistung des anderen Senders argumentiert die Patentinhaberin, dass es sich für den Fachmann als selbstverständlich ergeben würde, diese mit zu berücksichtigen, da es beispielsweise auch im ursprünglichen Anspruch 1 bereits darum ging, dass die auf dem Objekt auftreffende Energie der Sendeeinrichtung bestimmt werden sollte. Auch sei die "Senderleistung" nicht weggelassen, da der "fakultative Bezug" sich lediglich auf die "elektromagnetische Strahlung", aber nicht auf die komplette Sendeeinrichtung beziehe.

16. Dem kann nicht gefolgt werden. Zum einen ist der gesamte - durch Kommata vom Rest des Anspruchs getrennte - Teil "z.B. elektromagnetische Strahlung der Sendeeinrichtung" grammatikalisch als fakultativ anzusehen und nicht etwa nur der erste Teil, also die "elektromagnetische Strahlung". Damit fehlt im Anspruch jegliche Definition der Leistung der Sendeeinrichtung. Im oben zitierten Abschnitt der Beschreibung ist die vom anderen Sender abgegebene Leistung aber als Eingangsgröße beschrieben und es ist nicht ersichtlich, warum auf diese verzichtet werden sollte. Zum anderen ist es die Formulierung des aktuell gültigen Anspruch 1 des Hauptantrags, die zu beurteilen ist. Und in dieser fehlt - wie bereits diskutiert - jeder Hinweis auf die Leistung der Sendeeinrichtung.

17. Somit sind während des Prüfungsverfahrens Änderungen vorgenommen worden, die sich nicht eindeutig und unmittelbar aus der ursprünglich eingereichten Fassung ergeben (Artikel 100 c) EPÜ).

Hauptantrag - Ausführbarkeit

18. Im Anspruch 1 ist keine Einschränkung vorhanden (wie bereits oben diskutiert ist die Formulierung "z.B. elektromagnetische Strahlung der Sendeeinrichtung" ja fakultativ und damit gerade nicht einschränkend), aus der hervorgeht, dass es sich bei der momentanen und/oder durchschnittlichen Leistung pro Fläche von auf dem Objekt auftreffender Energie um die Energie handelt, die ausgehend von dem Sensor auf das Objekt auftrifft.

19. Der Anmeldung gibt aber keinen Hinweis darauf, wie beliebige auf das zu detektierende Objekt auftreffende Energie gemessen werden kann. Dass es sich in der Anmeldung nicht notwendigerweise nur um die Bestimmung der vom Sensor abgegebenen Leistung handelt, ist beispielsweise der Berücksichtigung der Gesamtintensität von sichtbaren und nicht sichtbaren Licht (Seite 10, 2. vollständiger Absatz der veröffentlichten Anmeldung) oder der bereits diskutierten Berücksichtigung der Leistung des "anderen Sender" zu entnehmen (Seite 5, Zeilen 2-4).

20. Daher ist der Einsprechenden und der Einspruchsabteilung in der angegriffenen Entscheidung zuzustimmen, dass die Erfindung nicht über die gesamte Breite des Anspruchs 1 ausführbar ist.

21. Die Patentinhaberin argumentiert im Wesentlichen, dass es sich aus dem Gesamtzusammenhang der Merkmale des Anspruchs 1 ergibt, dass es nur um die Ermittlung der vom Sensor ausgehenden Leistung geht und nicht um beliebige auf das Objekt auftreffende Leistung.

22. Dem kann nicht gefolgt werden. Zum einen ist festzuhalten, dass nirgendwo in den nicht-fakultativen Merkmalen die von irgendeinem Sender oder einer Sendeeinrichtung in Richtung des Objektes abgestrahlte Leistung definiert ist. Da die Anmeldung dem beanspruchten Sensor eine Vielzahl von Sendern bzw. Sendeeinrichtungen zuspricht und möglicherweise der 3D-Sensor auch eine eigene, weitere Sendeeinrichtung beinhalten könnte, kann der Anspruch nicht einfach dahingehend interpretiert werden, dass die gesamte auf das Objekt auftreffende Leistung nur von der im Anspruch 1 genannten Sendeeinrichtung ausgeht. Da im Anspruch 1 aber nur die auf das Objekt auftreffende Leistung definiert wird, ohne irgendwelche Quellen für diese Leistung zu definieren, ist der Anspruch so breit zu interpretieren, dass jegliche auf das Objekt auftreffende Strahlleistung, sei es von der im Anspruch definierten Sendeeinrichtung, sei es von im Sensor befindlichen weiteren "anderen" Sendern oder sei es von außerhalb des Sensors kommenden Strahlleistungen berücksichtigt wird. Wie eine solche Berücksichtigung aller Strahlleistungen erfolgt, ist weder im Anspruch 1 definiert, noch wird es in der ursprünglichen Anmeldung beschrieben.

23. Die beanspruchte Erfindung ist somit nicht über die gesamte Breite des Anspruchs 1 ausführbar (Artikel 100 b) EPÜ).

24. Der Hauptantrag der Patentinhaberin (Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt) ist somit nicht gewährbar.

Hilfsantrag 1

25. Die Einsprechende hatte beantragt, den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag 1 wegen Verspätung nicht zuzulassen.

26. Nach Artikel 12(4) VOBK 2007, der nach Artikel 25(2) Satz 2 VOBK 2020 für die Frage der Zulassung der am 2. Februar 2016 mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anträge anzuwenden ist, wird das gesamte Vorbringen der Beschwerdebegründung berücksichtigt. Allerdings hat die Kammer die Befugnis, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können oder dort nicht zugelassen worden sind.

27. Zwar ist die im Hilfsantrag 1 vorgenommene Änderung offensichtlich geeignet, einen der Einwände wegen unzulässiger Änderungen, der bereits erstinstanzlich behandelt wurde, zu beheben, aber die anderen Einwände behebt er nicht. Wegen mangelnder erstinstanzlicher Erfolgsaussicht kann daher nicht eindeutig festgestellt werden, dass der Antrag bereits erstinstanzlich hätte gestellt werden müssen. Es sollte der Patentinhaberin zugestanden werden unter diesen Umständen im Beschwerdeverfahren einen Hilfsantrag einzureichen, der einen der Einwände ausräumt und zu versuchen, die weiteren vorhandenen Einwände der Einspruchsabteilung argumentativ zu entkräften.

28. Daher wird der Hilfsantrag 1 in das Beschwerdeverfahren zugelassen.

29. Im Hilfsantrag 1 der Patentinhaberin wird klargestellt, dass es der 3-D Sensor ist, der dazu ausgebildet ist, aus einem gewonnenen Abstand und einem bekannten Abstrahlkegel die auf einem detektierten Objekt aufgebrachte momentane und/oder durchschnittliche Leistung pro Fläche von auf dem Objekt auftreffender Energie zu bestimmen.

30. Damit ist der oben diskutierte Einwand hinsichtlich der unzulässigen Änderung, dass es der beanspruchte Sensor selber ist, der diese Funktion hat, ausgeräumt.

31. Durch die vorgenommene Änderung sind aber die Probleme hinsichtlich des Weglassens des "anderen Sensors" und der "abgegebenen Leistung" nicht behoben. Auch die obigen Ausführungen zur mangelnden Ausführbarkeit gelten für Hilfsantrag 1, da die Änderung keine Einschränkung hinsichtlich der auf das Objekt auftreffenden Leistung beinhaltet.

32. Die in Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 gegenüber dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 gehen somit über die ursprüngliche Offenbarung hinaus (Artikel 123(2) EPÜ) und der Gegenstand des Anspruchs 1 ist nicht ausführbar (Artikel 83 EPÜ). Hilfsantrag 1 ist nicht gewährbar.

Hilfsanträge 2 bis 4

33. Die Hilfsanträge 2 bis 4 wurden erst nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht. Nach Artikel 13(2) VOBK 2020 bleiben solche Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

34. Vorliegend hat die Patentinhaberin keine außergewöhnlichen Umstände geltend gemacht. Auch sind mit der vorläufigen Stellungnahme der Beschwerdekammer, die zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung an die Beteiligten versendet wurde, keine neuen Gesichtspunkte aufgeworfen worden.

35. Außerdem behandelt keine der in den Hilfsanträgen 2 bis 4 vorgenommenen Änderungen die Problematik der im Anspruch nicht definierten Leistung des anderen Senders zur Bestimmung der Flächenleistung. Somit ist auch keiner der Hilfsanträge 2 bis 4 geeignet, sämtliche aufgeworfenen Fragen auszuräumen (Artikel 13 (1) VOBK 2020).

36. Die Hilfsanträge 2 bis 4 werden nicht in das Verfahren zugelassen.

Schlussbemerkung

37. Somit liegt kein gewährbarer Antrag seitens der Patentinhaberin vor. Daher hat die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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