European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2007:T125406.20070308 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 08 März 2007 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1254/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95119369.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | H04H 1/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zur digitalen Daten- Rundfunkübertragung | ||||||||
Name des Anmelders: | Deutsche Telekom AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag, 1., 9., 10. Hilfsantrag - verneint) Änderungen (2.-8. Hilfsantrag - unzulässige Erweiterung bejaht) Erfinderische Tätigkeit (11. Hilfsantrag - bejaht) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung 95119369.7 zurückzuweisen. Die Zurückweisung wurde damit begründet, dass Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sowie gemäß 1. bis 5. Hilfsantrag den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ nicht genüge, Anspruch 1 gemäß 6. Hilfsantrag in Anbetracht der Kombination der Lehre des Dokuments
D3: WO 91/06912 A
und des allgemeinen Fachwissens nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe und dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß 7. Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit in Anbetracht der Kombination der Lehre der Dokumente D3 und
D7: WO 94/14284 A
und des allgemeinen Fachwissens beruhe.
II. Die Beschwerdeführerin beantragte in ihrer Beschwerdebegründung die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Basis der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Patentansprüche gemäß Hauptantrag oder 1. bis 10. Hilfsantrag. Ferner wurde die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt, da die angefochtene Entscheidung erhebliche formale Mängel aufweise und auf der Grundlage von Unterlagen getroffen worden sei, die vom damals geltenden Antrag der Patentanmelderin abwichen. Sollte die Beschwerdekammer Bedenken gegen die Rückzahlung der Beschwerdegebühr haben, so wurde angeregt, die Frage der Rückzahlung der Beschwerdegebühr der Großen Beschwerdekammer vorzulegen. Hilfsweise wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
III. Die angefochtene Entscheidung der Prüfungsabteilung erging nach Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungsabteilung in einem ersten Beschwerdeverfahren, wobei in den Gründen der Beschwerdeentscheidung T 0377/01 unter Punkt 3.2 ausgeführt wurde, dass die Prüfung unter Einbeziehung eines in der Entscheidung diskutierten Merkmals am Ende von Anspruch 1 des seinerzeitigen 4. Hilfsantrags erfolgen sollte. Das erwähnte Merkmal ist in den Ansprüchen, die der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegen, nicht enthalten.
IV. Zu der vorliegenden Patentanmeldung war eine Teilanmeldung, europäische Patentanmeldungsnummer 00126400.1, eingereicht worden, die wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen worden ist. Gegen diese Entscheidung der Prüfungsabteilung wurde keine Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdefrist ist verstrichen.
V. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung bemerkte die Kammer, dass der Hauptantrag sowie der 1. und 2. Hilfsantrag den Anträgen entsprächen, die der Zurückweisungsentscheidung bezüglich der unter Punkt IV erwähnten Teilanmeldung zu Grunde lagen, und warf die Frage auf, ob es zulässig sei, diese zurückgewiesenen Anträge in der Stammanmeldung noch weiter zu verfolgen. Ferner teilte die Kammer die vorläufige Auffassung mit, dass der Gegenstand dieser Anträge den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ nicht zu entsprechen scheine.
Bezüglich der Gegenstände gemäß 3. bis 8. Hilfsantrag warf die Kammer die Frage auf, ob in diesen Anträgen ein Verfahrensmissbrauch zu sehen sei, da sie das Merkmal, unter dessen Einbeziehung die weitere Prüfung gemäß Zurückverweisungsentscheidung T 0377/01, Punkt 3.2 erfolgen sollte, nicht enthielten, und ob diese Anträge somit unter Ausübung des Ermessens gemäß Regel 86 (3) EPÜ nicht zuzulassen seien. Ferner vertrat die Kammer die vorläufige Auffassung, dass die Gegenstände gemäß 3. bis 8. Hilfsantrag den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ nicht zu entsprechen schienen.
Bezüglich der Gegenstände gemäß 9. und 10. Hilfsantrag teilte die Kammer die vorläufige Meinung mit, dass diese gegenüber den Dokumenten
D2: "TOP macht Fernsehtext benutzerfreundlich", NTZ, Nachrichtentechnische Zeitschrift 42(1989) November, Nr. 11, Berlin, Seiten 724 bis 727,
D5: DE 43 22 288 A und
D9: B. Hofmann-Wellenhof, H. Lichtenegger, J. Collins, "Global Positioning System - Theory and Practice", Springer-Verlag Wien New York, 3. Auflage, 1994, Seiten 132 bis 133,
nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten. D9 wurde von der Kammer unter Hinweis auf ihre Befugnis gemäß Artikel 111 (1) EPÜ als Nachweis für das allgemeine Fachwissen ins Verfahren eingeführt.
VI. Mit Schreiben vom 8. Februar 2007 reichte die Beschwerdeführerin einen 11. Hilfsantrag ein. Ferner beantragte sie, aufgrund der von der Beschwerdekammer in der vorläufigen Stellungnahme aufgeworfenen Rechtsfrage zur Zulässigkeit des Hauptantrags und der ersten beiden Hilfsanträge der Großen Beschwerdekammer folgende Frage vorzulegen:
"Ist es im Falle eines Stammanmeldungs- Teilanmeldungs-Paares, bei dem beide Anmeldungen erstinstanzlich zurückgewiesen sind und gegen den erstinstanzlichen Zurückweisungsbeschluss betreffend die Teilanmeldung keine Beschwerde eingelegt wird, zulässig, im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zur Stammanmeldung Patentansprüche aufzustellen, die identisch mit den in der Teilanmeldung erstinstanzlich zurückgewiesenen Patentansprüchen sind?"
VII. In demselben Schreiben beantragte die Beschwerdeführerin bezüglich der in der vorläufigen Stellungnahme aufgeworfenen Rechtsfrage zur Zulässigkeit des 3. bis 8. Hilfsantrags, der Großen Beschwerdekammer folgende Fragen vorzulegen:
"1. Steht es in einem ex-parte-Verfahren im Ermessen der Beschwerdekammer, Änderungen der Patentansprüche, die erstinstanzlich von der Prüfungsabteilung gemäß Regel 86 (3) Satz 2 EPÜ (konkludent) zugelassen wurden, im Beschwerdeverfahren unter Berufung auf Regel 86 (3) Satz 2 EPÜ für unzulässig zu erklären?
2. Falls die Frage zu 1. mit "Ja" beantwortet wird: Ist es als Verfahrensmissbrauch anzusehen, wenn Patentansprüche einer Patentanmeldung, die im Ergebnis eines Beschwerdeverfahrens an die erste Instanz zurückverwiesen wurde, wobei die weitere Prüfung gemäß der Beschwerdekammerentscheidung unter Einbeziehung eines in der Beschwerdekammerentscheidung näher angegebenen Merkmals erfolgen sollte, im Verlaufe des weiteren erstinstanzlichen Verfahrens unter Einhaltung der Bestimmungen von Artikel 123 EPÜ derart geändert werden, dass das genannte Merkmal in den geänderten Patentansprüchen nicht vorkommt?"
VIII. In der mündlichen Verhandlung, die am 8. März 2007 stattfand, wurde der 11. Hilfsantrag geändert, ein 12. Hilfsantrag eingereicht und der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückgenommen.
IX. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
X. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"Verfahren zur digitalen Daten-Rundfunkübertragung, bei dem Informationen eines Auftraggebers in Form digitaler Zusatzinformationen über digitale Rundfunkdienste nach physikalischen Kriterien strukturiert an Kunden geleitet werden, die in Reaktion hierzu Dienste des Auftraggebers in Anspruch nehmen können, dadurch gekennzeichnet, daß die Informationen mehrerer Auftraggeber an ein Studio geliefert werden, daß danach in diesem Studio die Informationen verschiedener Auftraggeber zusätzlich nach logischen und physikalischen Kriterien, die auf einer Menüführung eines Endgerätes abgebildet werden, strukturiert verbunden werden und erst danach zusammen mit der Menüführung zu den unterschiedlichen Kunden über das digitale Rundfunksystem übertragen und dort mittels der übertragenen Menüführung nach den enthaltenen Informationen und nach benutzerdefinierten Kriterien verarbeitet werden, wobei mehrere Übertragungskanäle multiplex ausgewertet und benutzerdefiniert gefiltert werden und in Reaktion auf die verarbeiteten Ergebnisse Dienstleistungen eines oder mehrerer Auftraggeber(s) in Anspruch genommen werden, wobei die vom Benutzer ausgewerteten Informationen über einen datenmäßigen Rückkanal zum Studio übertragen werden."
Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass präzisiert wird, dass die Informationen zusammen mit der Menüführung zu den Endgeräten der unterschiedlichen Kunden übertragen werden und dass die ausgewerteten Informationen von dem Endgerät zum Studio übertragen werden.
Anspruch 1 gemäß 2. Hilfsantrag fügt zu Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag hinzu, dass die digitale Daten- Rundfunkübertragung zu mobilen Endgeräten erfolgt.
Anspruch 1 gemäß 3. bis 8. Hilfsantrag enthalten jeweils eine Einschränkung in dem Sinne, dass die Informationen entsprechend verbraucherdefinierten Kriterien verarbeitet werden, wobei diese Verarbeitung zumindest teilweise unter Verwendung eines Positionsbestimmungssystems oder der Positionsdaten eines Positionsbestimmungssystems erfolgt.
Anspruch 1 gemäß 9. Hilfsantrag lautet:
"Verfahren zur digitalen Daten-Rundfunkübertragung zu mobilen Endgeräten, bei dem Informationen eines Auftraggebers in Form digitaler Zusatzinformationen über Rundfunkdienste an Kunden geleitet werden, die in Reaktion hierzu Dienste des Auftraggebers in Anspruch nehmen können, dadurch gekennzeichnet, daß die Informationen mehrerer Auftraggeber an ein Studio geliefert werden, daß danach in diesem Studio die Informationen verschiedener Auftraggeber nach logischen und physikalischen Kriterien strukturiert verbunden werden und erst danach zu den unterschiedlichen Kunden über das Rundfunksystem übertragen und dort entsprechend den enthaltenen Informationen und verbraucherdefinierten Kriterien verarbeitet werden, wobei das mobile Endgerät zusätzlich einen GPS-Empfänger aufweist, der im Zusammenwirken mit einem über einen Übertragungskanal übertragenen DGPS-Signal präzisionsnavigatorische Anwendungen ermöglicht."
Anspruch 1 gemäß 10. Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß 9. Hilfsantrag durch Hinzufügen der Einschränkung, dass eine Hauptmenüführung und eine Optionsstruktur, um an anbieterspezifische Daten zu gelangen, von einem Studio als Grundsoftware für die mobilen Endgeräte über einen Datenrundfunkübertragungskanal zur Verfügung gestellt werden.
Anspruch 1 gemäß 11. Hilfsantrag lautet:
"Verfahren zur digitalen Daten-Rundfunkübertragung zu mobilen Endgeräten, bei dem eine Hauptmenüführung und eine Optionsstruktur, um an anbieterspezifische Daten zu gelangen, von einem Studio als Grundsoftware für die mobilen Endgeräte über einen Datenrundfunkübertragungskanal zur Verfügung gestellt werden und bei dem Informationen eines Auftraggebers in Form digitaler Zusatzinformationen über Rundfunkdienste an Kunden geleitet werden, die in Reaktion hierzu Dienste des Auftraggebers in Anspruch nehmen können, dadurch gekennzeichnet, daß die Informationen mehrerer Auftraggeber an das Studio geliefert werden, daß danach in diesem Studio die Informationen verschiedener Auftraggeber nach logischen und physikalischen Kriterien strukturiert verbunden werden und erst danach zu den unterschiedlichen Kunden über das Rundfunksystem übertragen und dort entsprechend den enthaltenen Informationen und verbraucherdefinierten Kriterien verarbeitet werden und in Reaktion auf die verarbeiteten Ergebnisse Dienstleistungen eines oder mehrerer Auftraggeber(s) in Anspruch genommen werden können, wobei die vom Benutzer ausgewerteten Informationen über einen datenmäßigen Rückkanal von dem mobilen Endgerät zum Studio übertragen werden und wobei das mobile Endgerät zusätzlich einen GPS-Empfänger aufweist, der im Zusammenwirken mit einem über einen Übertragungskanal übertragenen DGPS-Signal präzisionsnavigatorische Anwendungen ermöglicht."
Im Hinblick auf die Entscheidung der Kammer braucht auf Anspruch 1 gemäß 12. Hilfsantrag nicht näher eingegangen zu werden.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag, 1. und 2. Hilfsantrag
1.1 Zulassung im Verfahren
Die Anspruchssätze des Hauptantrags und des 1. und 2. Hilfsantrags waren nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung, sondern wurden von der Beschwerdeführerin erstmals mit ihrer Beschwerdeschrift zu Beginn des zweiten Beschwerdeverfahrens eingereicht. Die Zulassung dieser geänderten Anspruchssätze steht im Ermessen der Kammer, wie sich sowohl aus den Regeln 86 (3) und 66 (1) EPÜ als auch aus Artikel 10a (4) VerfOBK ergibt.
Bei der Ausübung dieses Ermessens ist die komplizierte verfahrensrechtliche Situation zu berücksichtigen, in der sich die Beschwerdeführerin befunden hat und die sich daraus entwickelt hat, dass die Prüfungsabteilung in ihrer ersten Zurückweisungsentscheidung, die Gegenstand des ersten Beschwerdeverfahrens war, den seinerzeitigen Hauptantrag, der sich von dem jetzigen Hauptantrag nur geringfügig unterschied, als nicht in Einklang mit Regel 86 (4) EPÜ stehend angesehen und ohne sachliche Prüfung zurückgewiesen hat. Nach dieser Regel dürfen sich geänderte Patentansprüche nicht auf nicht recherchierte Gegenstände beziehen, die mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen nicht durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verbunden sind.
Die Beschwerdeführerin hatte daraufhin den seinerzeitigen Hauptantrag der Stammanmeldung im Rahmen des ersten Beschwerdeverfahrens nicht weiter verfolgt, sondern eine Teilanmeldung eingereicht, in der sie Anspruchssätze zur Prüfung stellte, die identisch mit den jetzigen Anspruchssätzen des Hauptantrags und des 1. und 2. Hilfsantrags waren. Nachdem allerdings die Beschwerdekammer im ersten Beschwerdeverfahren deutlich gemacht hatte, dass sie den von der Prüfungsabteilung erhobenen Einwand nach Regel 86 (4) EPÜ für nicht berechtigt erachtete, war der eigentliche Grund der Beschwerdeführerin für das Einreichen der Teilanmeldung entfallen. Es bestand daher ein berechtigtes verfahrensökonomisches Interesse der Beschwerdeführerin, die nebeneinander laufenden Verfahren der Stammanmeldung und der Teilanmeldung zu "vereinigen", indem sie die Anspruchssätze des Hauptantrags und des 1. und 2. Hilfsantrags nur noch in der Stammanmeldung verfolgte und eine Beendigung des Teilanmeldungsverfahrens herbeiführte.
Allerdings hat die Beschwerdeführerin das Verfahren in der Teilanmeldung nicht dadurch beendet, dass sie die Anmeldung vor Erlass einer Entscheidung durch die Prüfungsanmeldung zurückgenommen hat, sondern dadurch, dass sie gegen die Zurückweisungsentscheidung keine Beschwerde einlegte. Es stellt sich daher die weitere Frage, ob sich die Bestandskraft dieser Entscheidung über das Teilanmeldungsverfahren hinaus auch auf das Verfahren der Stammanmeldung insofern auswirkt, als es die Organe des EPA (einschließlich der Beschwerdekammern) hindern könnte, sich mit identischen Anträgen sachlich zu befassen. Wäre dies der Fall, müsste die Beschwerdekammer ihr Ermessen gegen die Zulassung des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 und 2 ausüben.
Das Patenterteilungsverfahren, das durch eine Teilanmeldung eingeleitet wird, ist grundsätzlich unabhängig vom Patenterteilungsverfahren hinsichtlich der Stammanmeldung. So wurde beispielsweise in den Entscheidungen T 1176/00 vom 23. Juli 2003 (Punkt 2.1 der Entscheidungsgründe) und T 1177/00 vom 24. Juli 2003 (Punkt 2.1 der Entscheidungsgründe) bekräftigt, dass der Stammanmeldung verfahrensrechtlich kein Vorrang gegenüber der Teilanmeldung zukommt und dass abgesehen davon, dass für eine Teilanmeldung derselbe Anmelde- und Prioritätstag wie für die frühere Anmeldung gilt und sie den Erfordernissen des Artikel 76 EPÜ entsprechen muss, sie eine Anmeldung wie jede andere und insbesondere verfahrensrechtlich nicht nachgeordnet ist. Dieses Prinzip der Unabhängigkeit beider Verfahren spricht dagegen, einer Zurückweisungsentscheidung in einem der Verfahren eine Präklusionswirkung hinsichtlich identischer Anträge in dem anderen Verfahren beizumessen. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - die Zurückweisungsentscheidung nicht von der Beschwerdekammer, sondern von der Prüfungsabteilung getroffen worden ist, da die erstinstanzliche Entscheidung einer Verwaltungsbehörde - im Unterschied zur rechtskräftigen Entscheidung eines Rechtsprechungsorgans - keine res judicata-Wirkung im eigentlichen Sinne zu entfalten vermag.
Zwar sind durchaus Fallkonstellationen denkbar, in denen das Verfolgen von Anträgen in der Stammanmeldung nach Zurückweisung identischer Anträge in der Teilanmeldung (und umgekehrt) Zweifel hinsichtlich des Vorliegens eines Rechtsschutzbedürfnisses (s. Schulte/Kühnen, Patentgesetz mit Europäischem Patentübereinkommen, 7. Aufl., 2005, § 39 Rdn 78) aufkommen lässt oder sich sogar die Frage eines Rechtsmissbrauchs stellt. Hierzu gehört aber nicht der vorliegende Sachverhalt, bei dem es, wie oben dargestellt, verfahrensökonomisch durchaus sinnvoll war, die Zurückweisungsentscheidung hinsichtlich der Teilanmeldung nicht mit der Beschwerde anzugreifen, sondern die entsprechenden Anträge allein in dem Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Stammanmeldung weiter zu verfolgen.
Angesichts der besonderen konkreten Umstände vermag die Kammer daher die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang formulierte Rechtsfrage (siehe oben, Abschnitt VI) zweifelsfrei selbst zu beantworten. Da die Antwort für die Beschwerdeführerin günstig ist und kein Widerspruch zu anderen Entscheidungen der Beschwerdekammern ersichtlich ist, hält die Kammer es nicht für erforderlich, die Rechtsfrage der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.
Unter Ausübung ihres Ermessens lässt die Kammer daher sowohl den Hauptantrag als auch den 1. und 2. Hilfsantrag im Verfahren zu.
1.2 Artikel 123 (2) EPÜ
1.2.1 Hauptantrag
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag enthält das Merkmal, dass die Informationen verschiedener Auftraggeber zusätzlich nach logischen und physikalischen Kriterien, die auf eine Menüführung eines Endgerätes abgebildet werden (Betonung durch die Kammer), strukturiert verbunden werden, während Anspruch 1 in der ursprünglich eingereichten Fassung nur erwähnt, dass die Informationen verschiedener Auftraggeber nach logischen und physikalischen Kriterien strukturiert verbunden werden, jedoch keinen Hinweis auf die Menüführung enthält. Die Menüführung wird in der Beschreibung in der eingereichten und veröffentlichten Fassung in Spalte 4, Zeile 31 bis Spalte 5, Zeile 5 erwähnt. Aus der Forderung, dass die Informationen nach logischen und physikalischen Kriterien strukturiert verbunden werden, versteht der Fachmann in der Zusammenschau mit der erwähnten Filterung und Sortierung nach Benutzeranweisungen durch Bedienung der Menüführung (siehe Spalte 4, Zeilen 33 bis 35), sowie dem Hinweis auf die Erzeugung einer Dateiübersicht zum Absenden über den Rückkanal (siehe Spalte 4, Zeilen 38 bis 41) und dem Hinweis auf die Hauptmenüführung und die Optionsstruktur, um an anbieterspezifische Daten zu gelangen (siehe Spalte 4, Zeilen 56 bis 59), dass es sich um eine Informationsverarbeitung nach Art einer relationalen Datenbank handelt, bei der eine Abbildung der logischen und physikalischen Kriterien auf eine Menüführung vorliegt.
Die weiteren Änderungen des Anspruchs 1 stützen sich auf den ursprünglichen Anspruch 3 und Spalte 4, Zeile 31 bis Spalte 5, Zeile 5 der Beschreibung in der veröffentlichten Fassung.
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag erfüllt somit die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
1.2.2 Erster Hilfsantrag
Die Übertragung der Menüführung zu den Endgeräten ist der Beschreibung in der veröffentlichten Fassung Spalte 4, Zeilen 56 bis 59, die Übertragung der ausgewerteten Informationen von dem Endgerät zum Studio Spalte 4, Zeilen 44 bis 48 zu entnehmen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß 1. Hilfsantrag erfüllt somit ebenfalls die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
1.2.3 Zweiter Hilfsantrag
In Anspruch 1 des 2. Hilfsantrags wurde gegenüber Anspruch 1 des 1. Hilfsantrags hinzugefügt, dass die digitale Daten-Rundfunkübertragung zu mobilen Endgeräten erfolgt. Da die Beschreibung in der ursprünglich eingereichten und veröffentlichten Fassung mobile Anwendungen lediglich in Zusammenhang mit einem GPS-Empfänger (Positionsbestimmungssystem) vorsieht (siehe Spalte 5, Zeilen 9 bis 11), sieht die Kammer darin, dass nur die Übertragung zu mobilen Endgeräten in den Anspruch aufgenommen wurde, ohne gleichzeitig den GPS-Empfänger aufzunehmen, eine unzulässige Erweiterung in Folge einer Verallgemeinerung, die der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht zu entnehmen ist.
Anspruch 1 gemäß 2. Hilfsantrag genügt somit nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ.
1.3 Erfinderische Tätigkeit
1.3.1 Hauptantrag
In der Entscheidung T 0377/01, siehe Punkt 2.2, wurde festgestellt:
"2.2 Hauptantrag (Neuheit)
D3 betrifft die Übertragung von Fernsehsignalen mit zusätzlichen digitalen Datensignalen, die im Empfangssystem gespeichert und später vom Benutzer abgerufen und an einem Bildschirm angezeigt werden können (vgl. Seite 1, 1. Absatz). Welche Daten gespeichert oder angezeigt werden, wird vom Benutzer mittels einer Fernbedienung bestimmt (vgl. Seite 9, Zeile 18 bis Seite 10, Zeile 1). D3 erwähnt die Verwendung des Systems zur Übertragung von Werbung, die nach Rubriken organisiert ist, wie in den "Gelben Seiten" (Seite 17, Zeilen 10 bis 16).
Die Kammer hält es in D3 für mitoffenbart, daß die Informationen, die in den "Gelben Seiten" enthalten sind, aus verschiedenen Quellen, d.h. von verschiedenen Auftraggebern, stammen, und daß diese Daten nach physikalischen Kriterien strukturiert und verbunden werden, indem sie gespeichert und entsprechenden Adressen zugeteilt werden.
Unter dem in den Patentansprüchen der vorliegenden Anträge enthaltenen Begriff "Studio" versteht die Kammer mangels näherer Erläuterung in der Anmeldungsbeschreibung lediglich eine Stelle zur Verbindung von Daten, was implizit auch aus D3 bekannt ist.
Die in D3 angesprochene Organisation der Informationen in den "Gelben Seiten" nach Rubriken hält die Kammer aber auch für eine Verbindung "nach logischen und physikalischen Kriterien", da z. B. alle Autoverkäufer im Speicher aufgesucht und dann zusammen in einer Liste dargestellt werden können. Dabei findet die Kammer keine Grundlage in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen, den Ausdruck "Verbindung nach logischen Kriterien" im Sinne der Beschwerdeführerin enger auszulegen. Die Kammer weist darauf hin, daß sich nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA eine solche Auslegung direkt und eindeutig aus den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen ergeben müßte. Das genannte Merkmal, das nach den Argumenten der Beschwerdeführerin die Erfindung vom Stand der Technik unterscheidet (siehe oben Ziff. VII), ist daher von D3 vorweggenommen.
Auch die Dokumente, die die Beschwerdeführerin vorgelegt hat, um das Verständnis des Fachmanns bezüglich des Merkmals "strukturierte Verbindung von Informationen nach logischen und physikalischen Kriterien" am Prioritätstag zu belegen, konnten die Kammer nicht überzeugen. Dieses Merkmal kommt als solches in den eingereichten Dokumenten nicht vor, so daß ihre Relevanz in dieser Hinsicht gering ist. Ferner enthält die ursprünglich eingereichte Anmeldung - wie bereits erwähnt - keinen Hinweis darauf, daß diesem Merkmal eine Bedeutung zukommt, die von der üblichen Bedeutung der Wörter abweicht.
Bei dem aus D3 bekannten System kann der Benutzer mit einer Fernbedienung bestimmen, welche Daten aufgenommen und gespeichert werden. Darin sieht die Kammer eine Verarbeitung der Informationen "entsprechend den enthaltenen Informationen und nach verbraucher-definierten Kriterien" gemäß dem vorliegenden Hauptantrag.
Insgesamt ist demnach der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags aus D3 bekannt, und daher mangels Neuheit nach den Artikeln 52(1) und 54(1,2) EPÜ nicht gewährbar."
Gemäß Artikel 111 (2) EPÜ ist diese Beurteilung für das weitere Prüfungsverfahren einschließlich eines zweiten Beschwerdeverfahrens bindend (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 5. Auflage, Seiten 723 und 724).
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß vorliegendem Hauptantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag in T 0377/01 dadurch, dass eine Menüführung verwendet wird, auf die die logischen und physikalischen Kriterien abgebildet werden, dass mehrere Übertragungskanäle multiplex ausgewertet und benutzerdefiniert gefiltert werden und dass in Reaktion auf die verarbeiteten Ergebnisse Dienstleistungen eines oder mehrerer Auftraggeber in Anspruch genommen werden, wobei die vom Benutzer ausgewerteten Informationen über einen datenmäßigen Rückkanal zum Studio übertragen werden.
D3 ist zu entnehmen, dass die digitalen Daten in einem der nicht verwendeten Fernsehkanäle am Bildschirm dargestellt werden können (siehe Seite 11, Zeilen 15 und 16). Auf Seite 15, Zeile 2 bis 5 wird das Selektieren von Gegenständen erwähnt, das einer Gruppierung nach Rubriken entspricht. Durch Verwendung spezieller Formate können auch grafische Daten übertragen und am Fernsehempfänger dargestellt werden (siehe Seite 17, Zeilen 17 bis 19). Der Fachmann erkennt, dass das Darstellen der digitalen Daten am Bildschirm, die Auswahl nach bestimmten Kriterien und die Übertragung grafischer Daten zur Darstellung auf einem Endgerät einer Menüführung entspricht, auf die logische und physikalische Kriterien abgebildet werden.
Der Fachmann erkennt ferner, dass die multiplexe Auswertung mehrerer Übertragungskanäle eine multiplexe Aufnahme der über die verschiedenen Übertragungskanäle übertragene Information beinhaltet und die Auswertung diese Information betrifft. T 0377/01 stellt im Punkt 2.4 fest, dass die multiplexe Aufnahme von digitalen Daten die einfachste Ausführung von digitalem Datenempfang ist, die der Fachmann im Rahmen seines üblichen technischen Handelns in Betracht zieht. Die Auswertung durch benutzerdefinierte Filterung entspricht dem Selektieren mit Bezug auf Gegenstände, das aus D3, Seite 15, Zeile 2 bis 5 bekannt ist.
Das in D3 beschriebene Verfahren kann insbesondere im Zusammenhang mit "cable shopping" eingesetzt werden (siehe Seite 14, Zeile 11 bis Seite 15, Zeile 7). Dabei können Fernsehsignale, die eine Darstellung der angebotenen Waren beinhalten, mit digitalen Daten, die die Katalognummer, die Preise etc. enthalten, kombiniert werden. Der Endnutzer kann diese Informationen speichern und daraus später seine Auswahl für den Kauf treffen. Auch wenn das Dokument D3 nicht explizit einen Rückkanal erwähnt, ist es für den Fachmann selbstverständlich, dass in diesem Zusammenhang ein Rückkanal vorhanden sein muss. Auch wenn angenommen wird, dass, wie die Beschwerdeführerin argumentiert, es sich dabei nur um einen telefonischen Rückkanal handelt, so liegt es im Rahmen fachmännischen Handelns, zur Automatisierung diesen telefonischen Rückkanal durch einen datenmäßigen Rückkanal zu ersetzen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
1.3.2 Erster Hilfsantrag
Da D3 ein Fernsehdatenempfangsgerät betrifft (siehe Seite 1, Zeile 4), das ein Endgerät darstellt, gilt die Argumentation unter 1.3.1 auch für Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags. Sein Gegenstand beruht somit nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
1.3.3 Zweiter Hilfsantrag
Da Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags nicht in Einklang mit Artikel 123(2) EPÜ steht, ist er zurückzuweisen, ohne dass es diesbezüglich einer Prüfung auf erfinderische Tätigkeit bedarf.
2. 3. bis 10. Hilfsantrag
2.1 Zulassung im Verfahren
Anspruch 1 gemäß 3. bis 10. Hilfsantrag enthält nicht das Merkmal, dass die vom Benutzer ausgewerteten Informationen über einen datenmäßigen Rückkanal zum Studio übertragen werden, das entsprechend der Entscheidung T 0377/01 nach der Zurückverweisung an die erste Instanz bei der Prüfung einbezogen werden sollte. Es stellt sich die Frage, ob Anträge, die dieses Merkmal nicht enthalten, zuzulassen sind.
Gemäß Regel 86 (3) EPÜ kann der Anmelder nach der Erwiderung auf den ersten Bescheid der Prüfungsabteilung nur noch mit deren Zustimmung die Beschreibung, die Patentansprüche und die Zeichnungen ändern. Die Zulassung weiterer Änderungen liegt somit im Ermessen der Prüfungsabteilung.
Im vorliegenden Fall hat die Prüfungsabteilung ihr Ermessen ausgeübt und die Anträge zugelassen. Da keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ausübung des Ermessens vorliegen, können die Anträge auch im Beschwerdeverfahren weiterverfolgt werden.
Die Kammer vermag daher die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang formulierte Rechtsfrage (s. oben, Abschnitt VII) zweifelsfrei selbst zu beantworten. Da die Antwort für die Beschwerdeführerin günstig ist und kein Widerspruch zu anderen Entscheidungen der Beschwerdekammern ersichtlich ist, hält die Kammer es nicht für erforderlich, die Rechtsfrage der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.
2.2 Artikel 123 Absatz 2 EPÜ
2.2.1 3. bis 8. Hilfsantrag
Nach Anspruch 1 des 3. bis 8. Hilfsantrags erfolgt die Verarbeitung der Informationen zumindest teilweise unter Verwendung der Positionsdaten eines Positionsbestimmungssystems beziehungsweise unter Verwendung eines Positionsbestimmungssystems zum Zwecke präzisionsnavigatorischer Anwendungen. Somit wird die Verarbeitung entsprechend den enthaltenen Informationen und verbraucherdefinierten Kriterien mit der Verwendung des Positionsbestimmungssystems verknüpft. In der Beschreibung in der ursprünglichen Fassung werden als Verarbeitungsoptionen für die empfangenen Rundfunkinformationen lediglich Filterung, Speicherung, Erzeugung einer Dateiübersicht und Darstellung genannt (siehe Spalte 4, Zeilen 31 bis 41). In Spalte 5, Zeilen 8 bis 16 wird die Möglichkeit erwähnt, einen GPS-Empfänger für Notrufzwecke im System vorzusehen. Ein Zusammenhang zwischen der Verarbeitung der empfangenen Rundfunkinformationen und dem Positionsbestimmungssystem ist der ursprünglichen Fassung nicht zu entnehmen. Diese Verknüpfung stellt somit eine unzulässige Erweiterung dar und ist nicht im Einklang mit den Vorschriften des Artikels 123 (2) EPÜ. Der 3. bis 8. Hilfsantrag ist somit zurückzuweisen.
2.2.2 9. Hilfsantrag
Anspruch 1 des 9. Hilfsantrags ist im Vergleich zum ursprünglich eingereichten Anspruch 1 dadurch eingeschränkt, dass das mobile Endgerät zusätzlich einen GPS-Empfänger aufweist, der im Zusammenwirken mit einem über einen Übertragungskanal übertragenen DGPS-Signal präzisionsnavigatorische Anwendungen ermöglicht.
Diese Merkmale stützen sich auf Spalte 5, Zeilen 9 bis 13 der Beschreibung der veröffentlichten Fassung. Anspruch 1 gemäß 9. Hilfsantrag entspricht somit den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ.
2.2.3 10. Hilfsantrag
Anspruch 1 des 10. Hilfsantrags ist im Vergleich zu Anspruch 1 des 9. Hilfsantrags dadurch eingeschränkt, dass eine Hauptmenüführung und eine Optionsstruktur, um an anbieterspezifische Daten zu gelangen, von einem Studio als Grundsoftware für die mobilen Endgeräte über einen Datenrundfunkübertragungskanal zur Verfügung gestellt werden. Diese Änderungen des Anspruchs 1 gemäß 10. Hilfsantrag stützen sich auf Spalte 4, Zeilen 56 bis 59 der veröffentlichten Fassung der Beschreibung. Anspruch 1 gemäß 10. Hilfsantrag genügt somit den Erfordernissen des Artikels 123 Absatz 2 EPÜ.
2.3 Erfinderische Tätigkeit
2.3.1 9. Hilfsantrag
Anspruch 1 gemäß 9. Hilfsantrag betrifft ein Verfahren zur digitalen Datenrundfunkübertragung zu mobilen Endgeräten, die zusätzlich einen GPS-Empfänger aufweisen. Das Dokument D3, das die Rundfunkübertragung von Fernsehdaten und digitalen Daten an einen Fernsehempfänger betrifft, wird von der Kammer daher nicht als nächster Stand der Technik angesehen.
D5 betrifft ein Verfahren zur Rundfunkübertragung zu einem mobilen Endgerät, das einen GPS-Empfänger aufweist, und stellt somit den nächstliegenden Stand der Technik dar.
Das in D5 beschriebene Verfahren dient der Auswertung von Verkehrsmeldungen. Dabei werden von verschiedenen Radiosendern durchgegebene Verkehrsdurchsagen empfangen und so gefiltert, dass der Autofahrer nur die seine Fahrtroute betreffenden Verkehrsmeldungen erhält (siehe Spalte 1, Zeilen 3 bis 9 und 18 bis 25). Zur Filterung werden die Fahrtroute und der aktuelle Standort, der mit Hilfe eines GPS-Empfangsgerätes ermittelt wird, verwendet (siehe Spalte 1, Zeilen 33 bis 37 und Spalte 1, Zeile 62 bis Spalte 2, Zeile 4).
Der Einwand der Beschwerdeführerin, D5 betreffe kein Rundfunkübertragungssystem, überzeugt die Kammer nicht, da D5 ein Verfahren zur Auswertung von Verkehrsmeldungen betrifft, die von verschiedenen Radiosendern gesendet und von Autoradios empfangen werden. Somit handelt es sich um ein Verfahren zur Rundfunkübertragung.
D5 erwähnt nicht explizit, dass die Verkehrsdurchsagen digitale Zusatzinformationen enthalten und dass die Filterung auf der Grundlagen derartiger Informationen erfolgt. Jedoch war es, wie aus der vorliegenden Patentanmeldung selbst hervorgeht (siehe Spalte 1, Zeilen 9 bis 34), am Anmeldetag bekannt, digitale Zusatzinformationen bei Radiosendungen zu verwenden und für spezielle Informationen, z.B. über die Verkehrssituation zu nutzen. Ein Beispiel für die Verwendung solcher digitaler Zusatzinformationen ist das seit 1988 gebräuchliche RDS-System zur Kennzeichnung von Verkehrsdurchsagen. Für den Fachmann lag es daher auf der Hand, bei der Implementierung des in D5 beschriebenen Verfahrens derartige digitale Zusatzinformationen, die einer Verkehrsdurchsage zugeordnet werden und aus denen sich die von der Durchsage betroffene Region ableiten lassen, in dem in D5 beschriebenen Verfahren bei der Filterung zum Vergleich mit der Fahrtroute und dem aktuellen Standort zu verwenden. Das Anspruchsmerkmal "in Form digitaler Zusatzinformationen" vermag somit keinen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit zu leisten.
Dem Fachmann ist ferner bekannt, dass Verkehrsdurchsagen in aller Regel auf Informationen basieren, die dem Radiosender von externen Quellen, z.B. der Polizei oder einem Automobilclub, zugehen und dass es häufig vorkommt, dass der Radiosender die Informationen mehrerer Quellen zu Verkehrsmeldungen zusammenfasst. Eine solche Zusammenfassung unterfällt dem von der Kammer weit verstandenen (s. oben, Punkt 1.3.1) Anspruchsmerkmal, wonach die Informationen nach logischen und physikalischen Kriterien verbunden werden, bzw. legt eine derartige Verbindung zumindest nahe.
Die im Anspruch verwendeten Begriffe "Auftraggeber", "unterschiedliche Kunden" und "Dienste" sind nach Auffassung der Kammer so weit und unbestimmt, dass sie den Anspruch nicht in erfinderischer Weise gegenüber der in D5 enthaltenen Lehre abgrenzen können. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob man die Informationsquellen der Radiosender als "Auftraggeber", die Autofahrer als "unterschiedliche Kunden" und die Inanspruchnahme der Verkehrsmeldungen selbst als "Dienste" anzusehen hat. Soweit hier Unterschiede bestehen sollten, sind sie nicht-technischer Natur und daher für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit irrelevant (siehe T 0641/00, ABl. EPA 2003, 352).
Auch das weitere Anspruchsmerkmal der Verarbeitung der enthaltenen Informationen "entsprechend verbraucherdefinierten Kriterien" kann die beanspruchte Lehre nicht in erfinderischer Weise gegenüber der Offenbarung der D5 abgrenzen. Anhand der gemäß D5, Spalte 1, Zeilen 56 bis 61 vom Fahrer eingegebenen Fahrtroute und dem aktuellen Standort, der über ein GPS-Empfangsgerät ermittelt wird (siehe Spalte 1, Zeilen 54 bis 56), werden die Verkehrsmeldungen gefiltert. Zumindest die Fahrtroute stellt somit ein verbraucherdefiniertes Kriterium dar, das bei der Filterung der Verkehrsmeldungen gemeinsam mit der digitalen Zusatzinformation bezüglich der von der Durchsage betroffenen Region verwendet wird.
Am Anmeldetag gehörte es ferner zum allgemeinen Fachwissen, die Genauigkeit von Positionsbestimmungen unter Verwendung des GPS-Systems dadurch zu steigern, dass ein als DGPS-Signal bezeichnetes Korrektursignal ausgewertet wird, das beispielsweise in dem RDS-System zur Verbreitung digitaler Daten über Rundfunk dem konventionellen Rundfunkprogramm beigemischt werden kann (siehe D9, Seite 133, 3. Absatz).
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß 9. Hilfsantrag beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2.3.2 10. Hilfsantrag
Anspruch 1 gemäß 10. Hilfsantrag unterscheidet sich von
Anspruch 1 gemäß 9. Hilfsantrag durch Hinzufügen der Einschränkung, dass eine Hauptmenüführung und eine Optionsstruktur, um an anbieterspezifische Daten zu gelangen, von einem Studio als Grundsoftware für die mobilen Endgeräte über einen Datenrundfunkübertragungskanal zur Verfügung gestellt werden.
Bezüglich der mit Anspruch 1 des 9. Hilfsantrags übereinstimmenden Merkmale wird auf die Ausführungen in Punkt 2.3.1 Bezug genommen.
Die in dem Verfahren zur Auswertung von Verkehrsmeldungen verwendete Vorrichtung gemäß D5 umfasst eine Fahrtrouteneingabeeinrichtung 6, über die der Fahrer die vorgesehene Fahrtroute in die Selektiereinrichtung 5 eingibt (siehe Spalte 1, Zeilen 49 bis 58). Es liegt im Rahmen fachmännischen Handelns, die Fahrtrouteneingabeeinrichtung mit einer Hauptmenüführung zu versehen. In der Selektiereinrichtung beziehungsweise der Fahrtrouteneingabeeinrichtung kann ein Routingprogramm gespeichert sein, so dass nur Start- und Zielort eingegeben werden müssen (siehe Spalte 1, Zeile 58 bis 61). Der Fachmann erkennt, dass das Routingprogramm eine Optionsstruktur darstellt, um an anbieterspezifische Daten zu gelangen. Alle die vorgesehene Fahrtroute nicht betreffenden Verkehrsmeldungen werden gefiltert und nur die die Fahrtroute betreffend ausgefilterten Verkehrsmeldungen werden über eine Ausgabeeinrichtung an den Fahrzeugführer übermittelt. (Siehe Spalte 1, Zeile 64 bis Spalte 2, Zeile 4.)
D5 ist nicht explizit zu entnehmen, dass das Routingprogramm über einen Datenrundfunkübertragungskanal zur Verfügung gestellt wird. Das Routingprogramm wird bei der Ausfilterung der die vorgesehene Fahrtroute nicht betreffenden Verkehrsmeldungen benötigt, bei dem die Fahrtroute und der aktuelle Standort mit der Zusatzinformation, aus der sich die von der Durchsage betroffene Region ableiten lässt, verglichen werden. Die dabei verwendeten Daten bzgl. Fahrtroute, Standort und Region müssen nach Art und Format vergleichbar sein. Das Routingprogramm, das zur Fahrtroutenbestimmung verwendet wird, muss somit auf die Verkehrsmeldungen mit den Zusatzinformationen abgestimmt sein. Daher liegt es im Rahmen üblichen fachmännischen Handelns, das Routingprogramm als Grundsoftware für die mobilen Endgeräte über einen Datenrundfunkübertragungskanal zur Verfügung zu stellen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß 10. Hilfsantrag beruht somit nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
3. 11. Hilfsantrag
3.1 Artikel 123 (2) EPÜ
Die Änderungen des Anspruchs 1 gemäß 11. Hilfsantrag gegenüber dem ursprünglichen Anspruch 1 stützen sich auf die Beschreibung in der veröffentlichten Fassung Spalte 4, Zeilen 56 bis 59, Spalte 4, Zeilen 38 bis 41 und 44 bis 48 sowie Spalte 5, Zeilen 9 bis 13.
Anspruch 1 gemäß 11. Hilfsantrag genügt somit den Erfordernissen des Artikels 123 Absatz 2 EPÜ.
3.2 Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß 11. Hilfsantrag unterscheidet sich von dem des Anspruchs 1 gemäß 10. Hilfsantrag dadurch, dass in Reaktion auf die verarbeiteten Ergebnisse Dienstleistungen eines oder mehrerer Auftraggeber in Anspruch genommen werden können, wobei die vom Benutzer ausgewerteten Informationen über einen datenmäßigen Rückkanal von dem mobilen Endgerät zum Studio übertragen werden.
In dem aus D5 bekannten Verfahren werden zwar die empfangenen Verkehrsmeldungen in Bezug auf die Fahrtroute und den aktuellen Standort des Fahrzeugs gefiltert und es werden nur die die Fahrtroute und den aktuellen Standort des Fahrzeugs betreffenden Meldungen an den Fahrzeugführer weitergeleitet (siehe Spalte 1, Zeile 64 bis Spalte 2, Zeile 4). Die Verarbeitung erfolgt hier jedoch im Endgerät, genauer in der Selektiereinrichtung (siehe Spalte 1, Zeilen 26 bis 32). Eine Übertragung der vom Benutzer ausgewerteten Informationen über einen datenmäßigen Rückkanal von dem mobilen Endgerät zum Studio ist D5 nicht zu entnehmen.
Anspruch 1 löst ausgehend von D5 die technische Aufgabe, ein Verfahren bereitzustellen, bei dem die in Anspruch genommenen Dienstleistungen möglichst aktuell sind. Dieses wird gemäß Anspruch 1 durch das oben genannte Merkmal dadurch erreicht, dass der Benutzer über den Rückkanal von dem mobilen Endgerät zum Studio die Übertragung der für ihn relevanten Informationen, z.B. seine Fahrtroute betreffende Verkehrsinformationen, anfordern kann, die in Reaktion auf seine Anforderung gezielt aus den Dienstleistungen des/ der Auftraggeber gefiltert, dadurch auf den aktuellen Stand gebracht und dem Benutzer zum Beispiel durch Sendung zur Verfügung gestellt werden. Auf diese Vorgehensweise findet sich in dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik keinerlei Hinweis.
Anspruch 1 sowie die davon abhängigen Ansprüche 2 und 3 gemäß 11. Hilfsantrag beruhen somit auf erfinderischer Tätigkeit.
4. 12. Hilfsantrag
Da der Gegenstand des 11. Hilfsantrags als gewährbar angesehen wird, braucht über den 12. Hilfsantrag nicht mehr befunden zu werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1) Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2) Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 3 des geänderten 11. Hilfsantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, und einer ggf. anzupassenden Beschreibung zu erteilen.