T 0377/01 (Daten-Rundfunkübertragung/DEUTSCHE TELEKOM) of 14.10.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T037701.20031014
Datum der Entscheidung: 14 October 2003
Aktenzeichen: T 0377/01
Anmeldenummer: 95119369.7
IPC-Klasse: H04H 01/00
H04H 9/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur digitalen Daten- Rundfunkübertragung
Name des Anmelders: Deutsche Telekom AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 R 86(4)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag und 1. Hilfsantrag (verneint)
Erfinderische Tätigkeit - 2. und 3. Hilfsantrag (verneint)
Einheitlichkeit mit ursprünglich beanspruchter Erfindung - 4. Hilfsantrag (bejaht)
Zurückverweisung zur weiteren Entscheidung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0274/03
T 0141/04
T 0847/04
T 1254/06
T 2334/11
T 2495/11
T 2770/19

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung 95. 119 369.7 zurückzuweisen. Zur Begründung führte die Prüfungsabteilung in ihrer Entscheidung aus, daß Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag nach Regel 86 (4) EPÜ nicht gewährbar sei, weil er sich auf nicht recherchierte Merkmale beziehe, die mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung nicht durch eine einzige erfinderische Idee verbunden seien. Ferner wurde der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß den zwei Hilfsanträgen im Lichte der folgenden Dokumente:

D1: "Specifications of the radio data system RDS for VHF/FM sound broadcasting", Tech. 3244-E, European Broadcasting Union, März 1984, Seiten 11 bis 31

D2: NTZ Nachrichtentechnische Zeitschrift, Band 42, Nr. 11, November 1989, Berlin, DE, "TOP macht Fernsehtext benutzerfreundlich"

für nicht erfinderisch nach den Artikeln 52 und 56 EPÜ gehalten.

II. In ihrer Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin (Anmelderin), die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Basis von geänderten Anmeldungsunterlagen gemäß einem Haupt- und einem Hilfsantrag zu erteilen. Hilfsweise stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf mündliche Verhandlung.

III. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2001 reichte die Beschwerdeführerin geänderte Anmeldungsunterlagen ein und beantragte, ein Patent auf der Basis dieser geänderten Unterlagen gemäß einem Haupt- und drei Hilfsanträgen zu erteilen. Mit Hinweis auf mögliche Verletzer am Markt beantragte die Beschwerdeführerin auch eine beschleunigte Durchführung des Beschwerdeverfahrens.

IV. Mit Schreiben vom 16. Juni 2003 änderte die Beschwerdeführerin ihre Anträge erneut und beantragte, ein Patent auf der Basis dieser neuen Anmeldungsunterlagen gemäß einem Haupt- und sieben Hilfsanträgen zu erteilen.

V. Die Beschwerdekammer erließ eine Ladung zur mündlichen Verhandlung und fügte als Anlage dazu eine Mitteilung gemäß Artikel 11 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern bei. In dieser Mitteilung äußerte die Beschwerdekammer Zweifel, ob der im Prüfungsverfahren gestellte Hauptantrag tatsächlich gegen Regel 86 (4) EPÜ verstößt. Die Kammer führte auch die folgenden Druckschriften ins Verfahren ein:

D3: WO-A-91/06912

D4: US-A-4 616 263.

Nach vorläufiger Auffassung der Kammer wurde der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem damaligen Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 7 durch den aus D3 bzw. D4 bekannten Stand der Technik nahegelegt.

VI. Mit Schreiben vom 15. September 2003 ersetzte die Beschwerdeführerin die vorliegenden Anträge durch einen Hauptantrag und 11 Hilfsanträge. Die Beschwerdeführerin führte im Wesentlichen aus, daß für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit die Auslegung des Ausdrucks "strukturierte Verbindung nach logischen und physikalischen Kriterien" in den unabhängigen Ansprüchen von entscheidender Bedeutung sei. Die Beschwerdeführerin legte eine Reihe von Dokumenten vor, um die Bedeutung dieses Ausdrucks am Prioritätstag zu belegen.

VII. Die mündliche Verhandlung fand am 14. Oktober 2003 statt. Die Beschwerdeführerin ließ einige ihrer bisherigen Hilfsanträge fallen, und änderte die Reihenfolge der verbleibenden Anträge gemäß einer in der Verhandlung überreichten Konkordanzliste, sodaß dem vorliegenden Verfahren nunmehr ein Haupt- und sieben Hilfsanträge zugrunde liegen.

Die Beschwerdeführerin wies erneut darauf hin, daß der Kern der Erfindung die strukturierte Verbindung von Informationen nach logischen und physikalischen Kriterien sei und daß eine solche Verbindung von Informationen im Zusammenhang mit digitalen Rundfunkdiensten erfinderisch sei.

Als Beweisanzeichen für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit führte die Beschwerdeführerin die Tatsache an, daß es im Verfahren vor dem EPA keine Einwendungen Dritter (Artikel 115 EPÜ) gegeben habe und daß gegen das entsprechende deutsche Patent (DE-C-195 08 414) keine Nichtigkeitsklagen erhoben worden seien. Ferner seien aufgrund der vorliegenden Anmeldung mehrere Lizenzverträge abgeschlossen worden.

Hr. Althoff, einer der in der Patentanmeldung genannten Erfinder, schilderte den Hintergrund der beanspruchten Erfindung wie folgt. Die deutsche Telekom AG habe eine Arbeitsgruppe mit der Entwicklung von Autoradios gemäß dem DAB-Standard (Digital Audio Broadcast) betraut, die GPS-Empfänger enthalten, und somit ihre eigene Position kennen sollten. Die Autoradios waren dazu bestimmt, neben Radiosendungen auch "nicht Programm begleitende", für den Fahrer nützliche Informationen zu empfangen. Diese Informationen standen jedem Audioradio zur Verfügung. Daraus sollte der Fahrer die Informationen auswählen können, die für ihn von Interesse waren, wozu eine GSM-Verbindung als Rückkanal vom Autoradio zum Sender dienen sollte. Eine Menüsteuerung des Informationssystems mit Hilfe von Kategorien, bei der beispielsweise der Suchbegriff "Auto" eine Auswahl der Namen mehrerer Autohersteller hervorruft, sei von den Herstellern aus Marketinggründen abgelehnt worden. Ein weiteres Problem habe in der begrenzten Speicherkapazität der Empfänger bestanden. Als Antwort auf beide Probleme sei die Idee der logischen Verknüpfung der Informationen entstanden, bei der der Fahrer Fragen an das System stellen konnte, wie: "Wo ist ein Hotel im Umkreis von 5 km von hier?" Der Benutzer des Systems (der Autofahrer) konnte dabei auch Abfragen mit Boolescher Logik formulieren. Die "strukturierte Verbindung von Informationen nach logischen und physikalischen Kriterien" bedeute deshalb eine dynamische, zeit- und ortsabhängige logische Verknüpfung der Daten. Dies sei von einer Organisation der Informationen nach Kategorien oder Rubriken, wie aus D3 bekannt, zu unterscheiden. Obwohl Figur 1 der Anmeldung die Übertragung von "Indexdateien" zeige, sei die Erfindung nicht darauf beschränkt, Informationen nach Rubriken zu übertragen.

Die Beschwerdeführerin betrachtete D3 als den nächstliegenden Stand der Technik. Aus D3 sei die digitale Übertragung von Daten bekannt gewesen, die nach physikalischen Kriterien geordnet sind. Unter einer Ordnung nach physikalischen Kriterien verstand die Beschwerdeführerin lediglich die Speicherordnung. In dem aus D3 bekannten System seien mehrere Auftraggeber, im Sinne von Informationsquellen, offenbart. In diesem Zusammenhang wurde die in D3 erwähnte Übertragung der "Gelben Seiten" als ein Beispiel von Information angesehen, die nach starren, also nicht dynamischen, Kriterien statt nach logischen Kriterien verknüpft seien. In D3 würden die strukturierte Verknüpfung von Daten nach logischen Kriterien und eine benutzerseitige Filterung der Daten nicht erwähnt.

Die im ursprünglich eingereichten Anspruch 2 erwähnte "Ablaufdefinition" beziehe sich darauf, daß eine Zentrale nach einem bestimmten Ablauf mehrere unabhängige Datennetze steuere, die verschiedene Programme in den verschiedenen deutschen Bundesländern lieferten.

Die im ursprünglich eingereichten Anspruch 3 erwähnte "multiplexe" Aufnahme von Daten beziehe sich auf die Struktur des DAB-Signals, das aus mehreren parallelen Unterkanälen bestehe. Bei der multiplexen Aufnahme würden alle Kanäle aufgenommen.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

IX. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 4 lautet wie folgt:

Hauptantrag:

"Verfahren zur digitalen Daten-Rundfunkübertragung, bei dem Informationen eines Auftraggebers in Form digitaler Zusatzinformationen über Rundfunkdienste an Kunden geleitet werden, die in Reaktion hierzu Dienste des Auftraggebers in Anspruch nehmen können, dadurch gekennzeichnet, daß die Informationen mehrerer Auftraggeber an ein Studio geliefert werden, daß danach in diesem Studio die Informationen verschiedener Auftraggeber nach logischen und physikalischen Kriterien strukturiert verbunden werden und erst danach zu den unterschiedlichen Kunden über das Rundfunksystem übertragen und dort entsprechend den enthaltenen Informationen und verbraucherdefinierten Kriterien verarbeitet werden."

1. Hilfsantrag:

"Verfahren zur digitalen Daten-Rundfunkübertragung, bei dem Informationen eines Auftraggebers in Form digitaler Zusatzinformationen über Rundfunkdienste nach physikalischen Kriterien an Kunden geleitet werden, die in Reaktion hierzu Dienste des Auftraggebers in Anspruch nehmen können, dadurch gekennzeichnet, daß die Informationen mehrerer Auftraggeber an ein Studio geliefert werden, daß danach in diesem Studio die Informationen verschiedener Auftraggeber zusätzlich nach logischen und physikalischen Kriterien strukturiert verbunden werden und erst danach zu den unterschiedlichen Kunden über das Rundfunksystem übertragen und dort nach den enthaltenen Informationen und nach benutzerdefinierten Kriterien verarbeitet werden."

2. Hilfsantrag:

"Verfahren zur digitalen Daten-Rundfunkübertragung, bei dem Informationen eines Auftraggebers in Form digitaler Zusatzinformationen über Rundfunkdienste an Kunden geleitet werden, die in Reaktion hierzu Dienste des Auftraggebers in Anspruch nehmen können, dadurch gekennzeichnet, dass

- die Informationen mehrerer Auftraggeber an ein Studio geliefert werden, daß danach in diesem Studio die Informationen verschiedener Auftraggeber nach logischen und physikalischen Kriterien strukturiert verbunden werden und erst danach zu den unterschiedlichen Kunden über das Rundfunksystem übertragen und dort nach inhaltsspezifischen und verbraucherdefinierten Kriterien ausgewertet werden, und

- empfangsseitig alle Daten multiplex aufgenommen und benutzerdefiniert gefiltert, danach gespeichert und nach Benutzeranweisungen sortiert und selektiert werden."

3. Hilfsantrag:

"Verfahren zur digitalen Daten-Rundfunkübertragung, bei dem Informationen eines Auftraggebers in Form digitaler Zusatzinformationen über Rundfunkdienste an Kunden geleitet werden, die in Reaktion hierzu Dienste des Auftraggebers in Anspruch nehmen können, dadurch gekennzeichnet, daß die Informationen mehrerer Auftraggeber an ein Studio geliefert werden, daß danach in diesem Studio die Informationen verschiedener Auftraggeber nach logischen und physikalischen Kriterien strukturiert verbunden werden und erst danach zu den unterschiedlichen Kunden über das Rundfunksystem übertragen und dort nach inhaltsspezifischen und verbraucherdefinierten Kriterien ausgewertet werden, wobei

- die Anbieterdaten zunächst zur weiteren Bearbeitung zwischengespeichert und abgelegt und nachfolgend ablaufdefiniert die aufbereiteten Daten in den Datenstudio-Ausgangsdatenstrom integriert zur Sendeabwicklung gebracht werden und

- empfangsseitig alle Daten multiplex aufgenommen und benutzerdefiniert gefiltert, danach gespeichert und nach Benutzeranweisungen sortiert und selektiert werden."

4. Hilfsantrag:

"Verfahren zur digitalen Daten-Rundfunkübertragung, bei dem Informationen eines Auftraggebers in Form digitaler Zusatzinformationen über Rundfunkdienste an Kunden geleitet werden, die in Reaktion hierzu Dienste des Auftraggebers in Anspruch nehmen können, dadurch gekennzeichnet, daß die Informationen mehrerer Auftraggeber an ein Studio geliefert werden, daß danach in diesem Studio die Informationen verschiedener Auftraggeber nach logischen und physikalischen Kriterien strukturiert verbunden werden und erst danach zu den unterschiedlichen Kunden über das Rundfunksystem übertragen und dort entsprechend den enthaltenen Informationen und verbraucherdefinierten Kriterien verarbeitet werden und in Reaktion auf die verarbeiteten Ergebnisse Dienstleistungen eines Auftraggebers oder mehrerer Auftraggeber in Anspruch genommen werden, wobei die vom Benutzer ausgewerteten Informationen über einen datenmäßigen Rückkanal zum Studio übertragen werden."

Die restlichen Hilfsanträge haben für die Entscheidung keine Rolle gespielt.

Entscheidungsgründe

1. Die Zulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerde erfüllt die in der Regel 65 (1) EPÜ erwähnten Erfordernisse und ist somit zulässig.

2. Zum Hauptantrag und zu den Hilfsanträgen 1 bis 3

2.1. Zulässigkeit der Änderungen

Die Ansprüche 1 des Hauptantrags und des 1. Hilfsantrags ergeben sich durch lediglich redaktionelle Änderungen des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1. Anspruch 1 gemäß dem 2. Hilfsantrag ergibt sich im Wesentlichen aus der Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1. und 3. Anspruch 1 gemäß dem 3. Hilfsantrag ergibt sich im Wesentlichen aus der Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1, 2 und 3.

Die Kammer stellt deshalb fest, daß die Ansprüche 1 gemäß dem Haupt- und den Hilfsanträgen 1 bis 3 die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ erfüllen.

2.2. Hauptantrag (Neuheit)

D3 betrifft die Übertragung von Fernsehsignalen mit zusätzlichen digitalen Datensignalen, die im Empfangssystem gespeichert und später vom Benutzer abgerufen und an einem Bildschirm angezeigt werden können (vgl. Seite 1, 1. Absatz). Welche Daten gespeichert oder angezeigt werden, wird vom Benutzer mittels einer Fernbedienung bestimmt (vgl. Seite 9, Zeile 18 bis Seite 10, Zeile 1). D3 erwähnt die Verwendung des Systems zur Übertragung von Werbung, die nach Rubriken organisiert ist, wie in den "Gelben Seiten" (Seite 17, Zeilen 10 bis 16).

Die Kammer hält es in D3 für mitoffenbart, daß die Informationen, die in den "Gelben Seiten" enthalten sind, aus verschiedenen Quellen, d.h. von verschiedenen Auftraggebern, stammen, und daß diese Daten nach physikalischen Kriterien strukturiert und verbunden werden, indem sie gespeichert und entsprechenden Adressen zugeteilt werden.

Unter dem in den Patentansprüchen der vorliegenden Anträge enthaltenen Begriff "Studio" versteht die Kammer mangels näherer Erläuterung in der Anmeldungsbeschreibung lediglich eine Stelle zur Verbindung von Daten, was implizit auch aus D3 bekannt ist.

Die in D3 angesprochene Organisation der Informationen in den "Gelben Seiten" nach Rubriken hält die Kammer aber auch für eine Verbindung "nach logischen und physikalischen Kriterien", da z. B. alle Autoverkäufer im Speicher aufgesucht und dann zusammen in einer Liste dargestellt werden können. Dabei findet die Kammer keine Grundlage in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen, den Ausdruck "Verbindung nach logischen Kriterien" im Sinne der Beschwerdeführerin enger auszulegen. Die Kammer weist darauf hin, daß sich nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA eine solche Auslegung direkt und eindeutig aus den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen ergeben müßte. Das genannte Merkmal, das nach den Argumenten der Beschwerdeführerin die Erfindung vom Stand der Technik unterscheidet (siehe oben Ziff. VII), ist daher von D3 vorweggenommen.

Auch die Dokumente, die die Beschwerdeführerin vorgelegt hat, um das Verständnis des Fachmanns bezüglich des Merkmals "strukturierte Verbindung von Informationen nach logischen und physischen Kriterien" am Prioritätstag zu belegen, konnten die Kammer nicht überzeugen. Dieses Merkmal kommt als solches in den eingereichten Dokumenten nicht vor, so daß ihre Relevanz in dieser Hinsicht gering ist. Ferner enthält die ursprünglich eingereichte Anmeldung - wie bereits erwähnt - keinen Hinweis darauf, daß diesem Merkmal eine Bedeutung zukommt, die von der üblichen Bedeutung der Wörter abweicht.

Bei dem aus D3 bekannten System kann der Benutzer mit einer Fernbedienung bestimmen, welche Daten aufgenommen und gespeichert werden. Darin sieht die Kammer eine Verarbeitung der Informationen "entsprechend den enthaltenen Informationen und nach verbraucherdefinierten Kriterien" gemäß dem vorliegenden Hauptantrag.

Insgesamt ist demnach der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags aus D3 bekannt, und daher mangels Neuheit nach den Artikeln 52(1) und 54(1,2) EPÜ nicht gewährbar.

2.3. 1. Hilfsantrag

Anspruch 1 ist gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags nur geringfügig geändert worden. Im Oberbegriff ist jetzt angegeben, daß digitale Zusatzinformationen nach physikalischen Kriterien an Kunden geleitet werden und am Ende des Anspruchs ist das Merkmal "verbraucherdefinierten Kriterien" durch das Merkmal "benutzerdefinierten Kriterien" ersetzt worden. Der substantielle Inhalt des Anspruchs 1 hat sich damit nicht geändert und ist derselbe wie gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags. Anspruch 1 ist somit, wie Anspruch 1 des Hauptantrags wegen fehlender Neuheit gegenüber D3 nicht gewährbar.

2.4. 2. Hilfsantrag

Die am Ende des Anspruchs als zusätzliches Merkmal angegebene empfangsseitige Aufnahme von Daten, die anschließend benutzerdefiniert gefiltert, danach gespeichert und nach Benutzeranweisungen selektiert werden, ist ebenfalls aus D3 bekannt (vgl. Seite 9, Zeile 18 bis Seite 10, Zeile 1). Die Kammer sieht in der dort beschriebenen Eingabemöglichkeit durch den Benutzer, welche der aufgenommenen Daten gespeichert werden sollen, eine benutzerdefinierte Filterung. Der Benutzer kann anschließend den Abruf der Daten steuern, was die Kammer als eine Selektion nach Benutzeranweisungen betrachtet.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem aus D3 bekannten Stand der Technik lediglich durch die multiplexe Aufnahme der Daten und die Sortierung der Daten nach Benutzeranweisungen. Da kein technischer Zusammenhang zwischen diesen beiden Unterscheidungsmerkmalen besteht, muß die erfinderische Tätigkeit für beide Merkmale getrennt beurteilt werden.

Wie die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung erläuterte, bedeutet die "multiplexe" Aufnahme von digitalen Daten den Empfang aus allen parallelen Datenkanälen. Dies ist die einfachste Ausführung von digitalem Datenempfang, die der Fachmann im Rahmen seines üblichen technischen Handels in Betracht zieht, ohne dafür erfinderisch tätig werden zu müssen.

Da D3 den benutzerdefinierten Abruf von gespeicherten Daten erwähnt, würde der Fachmann, der von D3 ausgeht, sich selbstverständlich mit dem Problem des einfachen Datenabrufs befassen. Die Kammer kann daher keine Erfindung darin sehen, dieses Problem dadurch zu lösen, daß der Benutzer die Möglichkeit hat, selbst die Daten zu sortieren, um deren Abruf zu vereinfachen. Dies scheint besonders naheliegend zu sein beim Selektieren mit Bezug auf Gegenstände ("recall the data stored by item" - vgl. D3, Seite 15, 1. Absatz).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, und der Anspruch ist daher nach den Artikeln 52 (1) und 56 EPÜ nicht gewährbar.

2.5. 3. Hilfsantrag

Anspruch 1 des 3. Hilfsantrags unterscheidet sich von dem des 2. Hilfsantrags im Wesentlichem durch eine Reihe senderseitiger Maßnahmen, nämlich Zwischenspeicherung, Ablage und die ablaufdefinierte Integration der aufbereiteten Daten in den Datenstudioausgangsdatenstrom.

Die Kammer ist der Auffassung, daß alle diese Maßnahmen, soweit sie nicht implizit aus D3 zu entnehmen sind, lediglich übliche Verfahrensschritte in der Daten- Rundfunktechnik sind, die der Fachmann, der von D3 ausgeht, ohne weiteres in Betracht zieht.

Die Beschwerdeführerin hat Wert gelegt auf die Auslegung des Begriffs "ablaufdefiniert". Die Kammer ist der Meinung, daß alle digitalen Sendeverfahren implizit einen definierten Ablauf haben müssen und kann keine direkte und eindeutige Offenbarung in der ursprünglichen Anmeldung finden, die eine engere Auslegung des Begriffs rechtfertigen würde.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, und der Anspruch ist daher nach den Artikeln 52 (1) und 56 EPÜ nicht gewährbar.

3.4. Hilfsantrag

3.1. Anspruch 1 des 4. Hilfsantrags enthält am Ende das Merkmal, daß "die vom Benutzer ausgewerteten Informationen über einen datenmäßigen Rückkanal zum Studio übertragen werden". Anspruch 1 des von der Einspruchsabteilung zurückgewiesenen Hauptantrags enthielt dieses Merkmal zum Teil, entsprach aber nach Meinung der Prüfungsabteilung nicht den Erfordernissen der Regel 86 (4) EPÜ.

Die Kammer kann sich im vorliegenden Fall der Anwendung von Regel 86(4) EPÜ, auf die sich die angefochtene Entscheidung stützt, nicht anschließen.

Regel 86 (4) EPÜ schreibt vor, daß geänderte Patentansprüche sich nicht auf nicht recherchierte Gegenstände beziehen dürfen, die mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen nicht durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verbunden sind. Demnach dürfen geänderte Ansprüche nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, für den gilt:

i) der Gegenstand wurde nicht recherchiert, und

ii) der Gegenstand ist nicht mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verbunden.

Zur ersten Bedingung ist zu beachten, daß laut den Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt, Teil B, Kapitel III, 3.6 "die Recherche grundsätzlich den gesamten Gegenstand erfassen (sollte), auf den die Ansprüche gerichtet sind, oder auf den sie, wie vernünftigerweise erwartet werden kann, nach einer Anspruchsänderung gerichtet werden können". Aus der bloßen Tatsache, daß ein Merkmal nicht in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen erwähnt wurde und auch kein Ausführungsbeispiel eines Merkmals in den ursprünglichen Ansprüchen ist, kann daher nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß dieses Merkmal nicht recherchiert wurde.

Bei der Beurteilung der zweiten Bedingung kam die Prüfungsabteilung zum Ergebnis, daß der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1, der sich im Wesentlichen aus mehreren Einschränkungen des ursprünglich eingereichen Anspruchs 1 ergibt, mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung nicht durch eine einzige erfinderische Idee verbunden sei. Dem kann die Kammer nicht zustimmen. Diese Frage entspricht im wesentlichen der Frage, ob ein unabhängiger Anspruch uneinheitlich mit einem davon abhängigen Anspruch sein kann. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA kann aber die bloße Einschränkung eines Anspruchs durch Aufnahme eines Merkmals aus der Beschreibung nicht zu der Uneinheitlichkeit mit dem ursprünglichen Anspruch führen.

3.2. In der angefochtenen Entscheidung wurde der Hauptantrag allein wegen der Aufnahme des den Rückkanal betreffenden Merkmals in den Anspruch 1 auf der Grundlage der Regel 86 (4) EPÜ zurückgewiesen. Die Prüfungsabteilung gab keine Stellungnahme dazu ab, ob dieses Merkmal den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ entspricht und äußerte sich auch nicht zu dessen Patentfähigkeit gemäß den Artikeln 52 (1), 54 und 56 EPÜ. Diese Fragen treten somit zum ersten Mal in diesem Beschwerdeverfahren auf. Obwohl die Kammer nach Artikel 111 (1) EPÜ das Ermessen hat, sich mit diesen Fragen zu befassen, ist sie sich bewußt, daß dadurch die Beschwerdeführerin die Möglichkeit zweier rechtlicher Instanzen verlieren würde. Deshalb weist sie die Sache zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurück, wobei die Prüfung unter Einbeziehung des genannten Merkmals am Ende von Anspruch 1 des 4. Hilfsantrags erfolgen soll.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 3 werden zurückgewiesen.

3. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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