T 0253/06 () of 24.6.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T025306.20080624
Datum der Entscheidung: 24 Juni 2008
Aktenzeichen: T 0253/06
Anmeldenummer: 99934672.9
IPC-Klasse: B29D 30/72
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung eines Luftreifens
Name des Anmelders: Continental Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Pirelli Pneumatici S.p.A.
Dipl.Phys. D. Buchetmann
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13
European Patent Convention 1973 Art 99(1)
European Patent Convention 1973 Art 106
European Patent Convention 1973 Art 107
European Patent Convention 1973 Art 108
European Patent Convention 1973 Art 125
European Patent Convention 1973 R 55(c)
European Patent Convention 1973 R 64
Schlagwörter: Zulässigkeit des Einspruchs der Beschwerdeführerin (ja)
Zulässigkeit der Beschwerde (ja)
Neuheit, Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit, Hauptantrag, Hilfsanträge 1, 2, 11 (nein)
Zulässigkeit der Hilfsanträge 1a, 3 bis 10 und 12 (nein)
Orientierungssatz:

Nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsanträge können in Einklang mit Artikel 13(3) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern auch dann als unzulässig angesehen werden, wenn sie innerhalb einer gesetzten Frist eingereicht wurden, aber nicht substantiiert sind, d.h. nicht mit Erklärungen dazu versehen sind, was mit den vorgenommenen Änderungen bezweckt und wie damit den im Lauf des Verfahrens erhobenen Einwänden begegnet werden soll. Es ist in einem solchen Fall weder der Kammer noch den anderen am Verfahren Beteiligten zuzumuten, diesbezügliche Überlegungen anzustellen, insbesondere, wenn es sich um eine größere Anzahl von Anträgen und um Anspruchsmerkmale handelt, die neue Aspekte darstellen (siehe Punkt 3 der Entscheidungsgründe).

Angeführte Entscheidungen:
T 0888/02
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 2045/07
T 2422/09
T 0351/10
T 0443/10
T 1840/10
T 2497/10
T 2501/10
T 2537/10
T 1736/11
T 0100/13
T 0122/13
T 0163/13
T 2160/13
T 0568/14
T 2101/14
T 2234/14

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 01) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der die Einsprüche gegen das europäische Patent Nr. 1 094 930 zurückgewiesen worden sind, Beschwerde eingelegt.

Mit den Einsprüchen war das Patent im gesamten Umfang im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit, Artikel 54 EPÜ, und mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ) und Artikel 100 b) EPÜ angegriffen worden.

II. Am 24. Juni 2008 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Der übrige Verfahrensbeteiligte (Einsprechender 02) hat an dieser Verhandlung nicht teilgenommen.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 094 930.

IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte als Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage

1) des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht am 23. Mai 2008, oder

2) des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1a, eingereicht am 19. Juni 2008, oder

3) des Anspruchs 1 gemäß der Hilfsanträge 2 bis 12, eingereicht am 23. Mai 2008

aufrechtzuerhalten.

V. Der übrige Verfahrensbeteiligte hat keine Anträge gestellt.

VI. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, d.h. Anspruch 1 wie erteilt, lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung eines Reifens, insbesondere zur Herstellung eines Luftreifens für Kraftfahrzeuge, wobei das Verfahren einen schrittweisen Aufbau des Reifens mit einer möglichst weitgehend luftundurchlässigen Schicht, zumindest einer Karkassenlage, Hornprofilen, Wulstkernen, Seitenwänden sowie mit einem aus Gürtelverband, ggf. einer ein- oder mehrteiligen Gürtelbandage und einer Laufstreifenunterplatte bestehenden Gürtelpaket umfasst, wobei das Seitenwandgummi als extrudierter Gummistreifen in Form einer Spirale mit mehreren nebeneinanderliegenden oder sich mindestens teilweise überlappenden Windungen auf die Seitenwände der Karkasse aufgespult wird,

dadurch gekennzeichnet,

dass der die Seitenwände bildende Gummistreifen (18, 8a, 28, 28a) bei bereits und bei noch bombierter Karkasse (3,29) aufgespult wird."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die einteilige Form und die Anfügung des Merkmals

"wobei der Laufstreifen (15) auf dem Gürtelpaket vor dem oder während des Aufspulen(s) der Seitenwände aufgebracht wird."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die einteilige Form und die Anfügung des Merkmals

"bei dem der Laufstreifen als extrudierter Gummistreifen entweder als ein im wesentlichen der Laufstreifenbreite entsprechender Einzelstreifen oder schraubenförmig mit nebeneinanderliegenden oder sich teilweise überlappenden Wicklungen auf die Umfangsfläche des Gürtelpakets aufgebracht wird."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 11 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die einteilige Form und die Anfügung des Merkmals

"bei dem das Seitenwandgummi des Reifens als extrudierter Gummistreifen in Form einer Spirale mit mehreren nebeneinander liegenden oder sich mindestens teilweise überlappenden Windungen auf die Seitenwände einer bereits in ihrer endgültigen Kontur hergestellten und mindestens teilweise vulkanisierten Karkasse aufgespult und der Reifen nach Aufbringen des Laufstreifens ausvulkanisiert wird."

VII. Im Beschwerdeverfahren wurde insbesondere auf folgende Dokumente verwiesen:

D2: US-A-3 264 162

D4: US-A-4 279 683

D10: JP-A-10 109 506 inklusive englischer Übersetzung

D12: J. Reimpell, P. Sponagel, Fahrwerktechnik: Reifen

und Räder, Vogel Verlag Würzburg 1988, Seiten 60

bis 67

D13: US-A-4 006 766

VIII. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Zulässigkeit des Einspruchs der Beschwerdeführerin und der Beschwerde

Auch wenn im Einspruchsschriftsatz nicht explizit auf jedes einzelne Anspruchsmerkmal eingegangen worden sei, seien die Tatsachen und Argumente und damit der Einspruch verständlich. Insbesondere sei auf das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1, also das erfindungswesentliche Merkmal, eingegangen worden. Die Substantiierung des Einspruchsgrunds der mangelnden Neuheit genüge auch für Einwände im Hinblick auf mangelnde erfinderische Tätigkeit. Der Einspruch der Beschwerdeführerin sei somit zulässig.

Es sei zulässig, die Beschwerde auf neue Argumente und Tatsachen zu stützen. Dokument D10 sei sehr relevant und sei deswegen zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden. Es könne deshalb nicht als verspätet eingereicht betrachten werden. Die Beschwerde sei somit ebenfalls zulässig.

Hauptantrag

Dokument D10 zeige auf Seite 10 der Übersetzung in Verbindung mit den Figuren 3 bis 5 die schrittweise Herstellung eines Reifens mit einer Karkassenlage, Hornprofilen, Wulstkernen, Seitenwänden, Gürtelpaket und Lauffläche. Die faserverstärkte, als extrudierter Gummistreifen in Form einer Spirale mit mehreren nebeneinander liegenden Windungen gewickelte Lage 11 habe Seitenwandcharakter, da sie alleine oder zusammen mit der optionalen Gummischicht 14 die Seitenwand des Reifens bilde. Gemäß Absatz [0013] des Dokuments D10 könne die äußere Gummischicht vorhanden sein oder auch nicht (Verweise auf Textstellen im Dokument D10 beziehen sich hier und im Folgenden auf die vorgelegte Übersetzung). Aus demselben Grund wie der die Seitenwand beim Streitpatent bildende Gummistreifen werde auch der faserverstärkte Streifen bei Dokument D10 bei bereits und bei noch bombierter Karkasse aufgespult. Die nicht explizit erwähnte luftundurchlässige Schicht sei in Dokument D10 implizit offenbart, da dieses Dokument nicht erwähne, dass der Reifen mit einem Schlauch zu versehen sei. Somit müsse davon ausgegangen werden, dass es sich um einen üblichen schlauchlosen Reifen handele, der zwangsläufig eine luftundurchlässige Schicht aufweisen müsse. Somit seien alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag aus Dokument D10 bekannt, weshalb der Gegenstand dieses Anspruchs nicht neu sei.

Falls die luftundurchlässige Schicht des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag als ein Merkmal zu sehen sei, das ihn von Dokument D10 unterscheide, so fehle diesem Merkmal jedoch die erfinderische Tätigkeit, da es selbstverständlich sei, einen schlauchlosen Reifen mit einer solchen Schicht zu versehen.

Zulässigkeit der Hilfsanträge

Die Hilfsanträge seien ohne Hinweise darauf, was damit bezweckt werden solle, vorgelegt worden. Die Beschwerdeführerin habe diese Anträge nicht direkt von der Beschwerdegegnerin und damit nicht einen Monat vor der mündlichen Verhandlung erhalten. Auch wenn es sich bei den zusätzlichen Merkmalen der Ansprüche dieser Hilfsanträge um Merkmale aus den erteilten Unteransprüchen handele, so entstünden dennoch aufgrund der hohen Zahl von Hilfsanträgen viele Kombinationen, die zudem in den Fällen, in denen nur Teilmerkmale aus den Unteransprüchen entnommen worden seien, äußerst schwierig und zeitaufwendig zu prüfen seien. Mit Ausnahme der Hilfsanträge 1, 2 und 11, die schon zusammen mit der Erwiderung auf die Beschwerde vorgelegt worden seien, seien diese Hilfsanträge deshalb nicht zulässig.

Hilfsantrag 1

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 enthalte zwei Alternativen für das Aufbringen des Laufstreifens. Die das gleichzeitige Aufbringen von Laufstreifen und Seitenwand betreffende Alternative sei eine naheliegende Maßnahme, da man dabei Zeit spare, was immer von Interesse sei. Dies habe aber nichts mit der besonderen Art und Weise des Aufbringens der Seitenwand zu tun, sondern sei ein unabhängiger Aspekt. Ausgehend von Dokument D10 sei es deshalb naheliegend, Laufstreifen und Seitenwand zeitgleich aufzubringen. Das nicht gleichzeitige Aufbringen von Laufstreifen und Seitenwand sei in Dokument D4 gezeigt, wo der Laufstreifen gemäß Spalte 1, Zeilen 18 bis 21, nach der Seitenwand oder gemäß Spalte 1, Zeilen 32 bis 34, vor der Seitenwand aufgebracht werde. Der Fachmann wisse also, dass auch die andere Alternative des Anspruchs 1 üblich sei. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsantrag 2

Auch das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 betreffe einen von der spiralförmigen Auftragsweise des Seitenwandstreifens unabhängigen Aspekt. Dokument D10 zeige die eine Alternative mit dem Laufstreifen als Einzelstreifen, und Dokument D4 zeige die andere Alternative mit den nebeneinander oder sich überlappenden Wicklungen. Der Fachmann bekomme somit für beide Varianten Anregung aus dem Stand der Technik, so dass auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Hilfsantrag 11

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 11 könne im Zusammenhang mit der Beschreibung des Streitpatents nur so verstanden werden, dass er sich auf die Runderneuerung eines Reifens beziehe. Zumindest aber werde die Runderneuerung in diesem Anspruch nicht ausgeschlossen. Ein Reifen, der runderneuert werden solle, sei ohnehin schon bombiert. Wende man die aus Dokument D2 bekannte Wickeltechnik auf einen solchen Reifen an, so ist man schon beim Gegenstand dieses Anspruchs. Darüber hinaus werde dieser Gegenstand auch durch Dokument D10 nahegelegt, da nichts dagegen spreche, die Aufbringung der Seitenwand auf den schon und noch bombierten Reifen in der in diesem Dokument gezeigten Weise auch bei einem Reifen anzuwenden, der runderneuert werde. Somit beruhe auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 11 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

IX. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Zulässigkeit des Einspruchs der Beschwerdeführerin und der Beschwerde

Der Einspruchsschriftsatz sei allgemein gehalten und bezeichne aus dem vorgelegten Stand der Technik nicht hervorgehende Merkmale als allgemein bekannt. Damit lasse sich mangelnde Neuheit nicht begründen. Der eigentlich beabsichtigte Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit sei nicht substantiiert worden, da nur von mangelnder Neuheit auf mangelnde erfinderische Tätigkeit geschlossen worden sei. Damit sei der Einspruch insgesamt nicht substantiiert und lasse daher nicht erkennen, worum es gehe. Somit sei der Einspruch der Beschwerdeführerin nicht zulässig.

Die Beschwerdeschrift stütze sich im Wesentlichen auf Dokument D10, das allerdings erst im Beschwerdeverfahren genannt worden und somit als verspätet eingereicht zu betrachten sei. Dieses Dokument sei auch nicht relevant. Zudem sei die Quelle der Übersetzung aus dem japanischen Originaldokument in die englische Sprache nicht bekannt. Die Beschwerde sei somit nicht zulässig.

Hauptantrag

Bei Dokument D10 gehe es gemäß der Absätze [0002] und [0005] um die Herstellung eines sehr speziellen Reifens, an den hohe Anforderungen bezüglich der Längsstabilität und des Komforts gestellt würden. Aus diesem Grunde werde eine Verstärkungsschicht 11 vorgesehen. Die Seitenwand 14 dieses Reifens sei ein separates, faserloses Bauteil. Dieses werde nicht spiralförmig, sondern in üblicher Weise aufgebracht. Zudem erfolge das Aufbringen der Seitenwand erst nach dem Aufbringen der Verstärkungsschicht. Somit könne man die diesen ganz besonderen Anforderungen dienende Verstärkungsschicht nicht als Seitenwand bezeichnen. Dokument D10 zeige auch keine luftundurchlässige Schicht, so dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag in mehrfacher Hinsicht von Dokument D10 unterscheide und somit neu sei.

Unabhängig davon, ob es als naheliegend anzusehen sei, eine luftundurchlässige Schicht vorzusehen, beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 wegen der anderen Unterschiede, die er gegenüber Dokument D10 aufweise, auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Zulässigkeit der Hilfsanträge

Die Hilfsanträge seien innerhalb der von der Kammer im Ladungsbescheid gesetzten Frist eingereicht worden. Die vorgenommenen Änderungen seien auf die Aufnahme von Merkmalen aus den Unteransprüchen gemäß Hauptantrag beschränkt und als Klarstellung der Verfahrensschritte gedacht. Alle zusätzlichen Merkmale seien einfach überschaubar und lange bekannt gewesen. Die Erläuterung zu den Vorteilen der zusätzlichen Merkmale ergebe sich aus der Beschreibung des Streitpatents. Somit sei es nicht unfair gewesen, die Hilfsanträge ohne zusätzliche Hinweise vorzulegen. Der nach der von der Kammer gesetzten Frist eingereichte Hilfsantrag 1a sei eine Reaktion auf die Einwände der Beschwerdeführerin gewesen. Die Hilfsanträge seien somit zulässig.

Hilfsantrag 1

Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 bewirke eine engere Verzahnung des Laufstreifens mit der Seitenwand. Dokument D13 zeige in Spalte 3, Zeile 48 bis Spalte 4, Zeile 24, dass es sehr schwierig und nachteilig sei, den Laufstreifen vor der Seitenwand aufzubringen. Es habe deshalb ein Vorurteil bestanden, so vorzugehen. Erst das Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ermögliche es, den Laufstreifen vor oder gleichzeitig mit der Seitenwand aufzubringen. Auch in Dokument D10 werde zuerst der Seitenwandstreifen und dann erst die Lauffläche aufgebracht. Die Vorgehensweise beim Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 als naheliegend zu bezeichnen, sei eine rückschauende Betrachtungsweise in Kenntnis des Streitpatents. Auch wenn in Dokument D12 gezeigt sei, den Laufstreifen vor der Seitenwand aufzubringen, so bleibe das durch Dokument D13 bestätigte Vorurteil bestehen, so dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Hilfsantrag 2

Auch das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterstütze die Verzahnung von Seitenwand und Lauffläche. Der Laufstreifen werde direkt auf das Gürtelpaket aufgebracht. In Dokument D10 werde nicht gezeigt, dass der Laufstreifen als extrudierter Gummistreifen aufgebracht werde. Da dieses Dokument hierzu keine näheren Angaben mache, werde dieses Merkmal auch nicht nahegelegt, da es viele Möglichkeiten gebe, den Laufstreifen aufzubringen. Dokument D4 sei dabei nicht zu berücksichtigen, da es keinen Gürtelreifen zeige. Somit beruhe auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsantrag 11

Bei Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 11 gehe es nicht um die Runderneuerung eines Reifens, sondern um die Herstellung eines Neureifens. Da es mehrere der im Anspruch 1 aufgeführten Merkmale bei einem Runderneuerungsprozess nicht gebe, könne er nicht so ausgelegt werden, dass er sich auf eine Runderneuerung beziehe. Die Herstellung eines Neureifens, bei der auf eine vorgeformte und teilvulkanisierte Karkasse die Seitenwand aufgespult werde, sei nicht bekannt oder nahegelegt, so dass auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 11 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit des Einspruchs der Beschwerdeführerin und der Beschwerde

1.1 Im Einspruchsschriftsatz der Beschwerdeführerin wurden neben dem Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ auch die beiden Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ, nämlich mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit, genannt. In der Einspruchsbegründung wurde dargelegt, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht neu sei. Dabei wurde unter anderem ausgeführt, dass neben den Merkmalen des Oberbegriffs dieses Anspruchs, die gemäß der Absätze [0001] und [0005] des Streitpatents als aus Dokument D4 bekannt anzusehen seien, auch das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs aus diesem Dokument bekannt sei. Auf entsprechende Stellen des Dokuments D4 wurde dabei hingewiesen. Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit begründet wurde. Ob es tatsächlich richtig war, dass die Merkmale sowohl des Oberbegriffs als auch des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 aus Dokument D4 bekannt sind, spielt dabei keine Rolle. Die in Zusammenhang damit vorgebrachten Tatsachen und Argumente sind verständlich und nachvollziehbar. Wenn der Gegenstand eines Anspruchs nicht neu ist, so beruht er natürlich auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Man kann aufgrund derselben Tatsachen dann keine eigene Begründung für die mangelnde erfinderische Tätigkeit finden, denn dazu müsste man einen Unterschied konstruieren und begründen, dass dieser naheliegend war, was aber der Argumentation zur mangelnden Neuheit widersprechen würde. Da sich der Einspruch gegen das gesamte Patent, also auch gegen die Gegenstände der abhängigen Ansprüche, richtete und hierzu eigene und zusätzliche Angaben zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit gemacht wurden, war nach Auffassung der Kammer auch der Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit begründet. Der Einspruch der Beschwerdeführerin genügt somit dem Erfordernis des Artikels 99(1) EPÜ (1973), dass der Einspruch zu begründen ist, und den Erfordernissen der Regel 55 c) EPÜ (1973). Wegen der übrigen Erfordernisse des Artikels 99 EPÜ (1973) und der Regel 55 EPÜ (1973) wurden keine Einwände erhoben. Die Kammer ist der Auffassung, dass auch diese Erfordernisse erfüllt sind. Der Einspruch der Beschwerdeführerin ist daher zulässig.

1.2 Die Einwände der Beschwerdegegnerin zur Nichtzulässigkeit der Beschwerde stehen in Zusammenhang mit Dokument D10. Dieses Dokument (japanisches Original und englische Übersetzung) wurde im Einspruchsverfahren von dem übrigen Verfahrensbeteiligten vorgelegt, von der Einspruchsabteilung aber als verspätet eingereicht nicht zugelassen. Die Beschwerdeführerin hat dieses Dokument zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereicht und ihre Beschwerde damit begründet. Die Beschwerde ist somit begründet. Weitere Einwände bezüglich der Zulässigkeit der Beschwerde wurden nicht erhoben. Da die weiteren in den Artikeln 106 bis 108 EPÜ (1973) und in Regel 64 EPÜ (1973) genannten Bedingungen erfüllt sind, ist die Beschwerde zulässig. Davon unabhängig ist die Frage der Zulassung des Dokuments D10 in das Beschwerdeverfahren. Dokument D10 wurde von der Kammer als relevant angesehen (siehe unten) und in Einklang mit Artikel 114(2) EPÜ als Stand der Technik gemäß Artikel 54(2) EPÜ zugelassen. Die Kammer hatte ferner keine Anhaltspunkte, die die Richtigkeit der Übersetzung in Frage stellen könnten. Wenn die Beschwerdegegnerin diesbezüglich Zweifel hat, so hätte sie solche Anhaltspunkte nennen müssen.

2. Hauptantrag

2.1 Dokument D10 offenbart ein Verfahren zur Herstellung eines Reifens, das einen schrittweisen Aufbau des Reifens mit einer Karkassenlage, Hornprofilen, Wulstkernen, Seitenwänden und einem aus einem Gürtelverband (Gürtellage 9 und Laufstreifen 19) bestehenden Gürtelpaket beinhaltet (vgl. Figuren 3 bis 5 und Absätze [0044] bis [0048]). Auf die bereits und noch bombierte Karkasse wird ein extrudierter Gummistreifen in Form einer Spirale mit mehreren nebeneinander liegenden Windungen auf die Seitenwände der Karkasse aufgespult (vgl. Figur 2 und Absätze [0008], [0012], [0038] und [0041]). Das Aufbringen dieses Gummistreifens auf die bereits bombierte Karkasse geschieht in Dokument D10 unter anderem aus demselben Grund wie beim Streitpatent, nämlich um Verformungen zu vermeiden (vgl. in Dokument D10 Absatz [0006] und im Streitpatent Spalte 3, Zeilen 48 bis 52). Der auf die Seitenwand der Karkasse aufgebrachte Gummistreifen des Dokuments D10 ist durch beigemengte Fasern verstärkt und dient als Verstärkungsschicht (vgl. Absätze [0002] bis [0005]). Diese Verstärkungsschicht kann alternativ auch durch eine vorgeformte Gummischicht gebildet werden (vgl. Absatz [0012]). Wird sie jedoch in Form eines Gummistreifens aufgespult, ist gemäß Absatz [0013], der sich auf den spiralförmig aufgebrachten Gummistreifen bezieht ("The latter method"), die in Figur 1 gezeigte Seitenwand 14 nur eine Option. Ist diese Gummischicht nicht vorhanden, so bildet die durch den faserverstärkten Gummistreifen gebildete Verstärkungsschicht auch die Seitenwand des Reifens. Diese in Dokument D10 offenbarte Alternative entspricht demnach dem Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags mit Ausnahme der luftundurchlässigen Schicht. Eine solche ist in Dokument D10 nicht explizit erwähnt. Sie ist dem Dokument D10 auch nicht implizit entnehmbar, da bei diesem Dokument nicht zwangsläufig von einem schlauchlosen Reifen auszugehen ist, der dann notwendigerweise eine solche Schicht aufweisen müsste.

Bei der gebotenen strengen Anwendung des Neuheitsbegriffs ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag somit als neu zu bezeichnen (Artikel 54 EPÜ).

2.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag kann jedoch nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen werden. Dokument D10 lässt es offen, ob der darin offenbarte Reifen ein schlauchloser Reifen ist oder mit einem Schlauch zu versehen ist. Ein Fachmann kann somit die Lehre des Dokuments D10 auf einen Schlauchreifen oder einen schlauchlosen Reifen anwenden. In letzterem Fall ist es aber nicht nur naheliegend, sondern selbstverständlich, eine luftundurchlässige Schicht im Reifen vorzusehen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag erfüllt somit nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.

3. Zulässigkeit der Hilfsanträge

Zusammen mit ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung hatte die Beschwerdegegnerin drei Hilfsanträge eingereicht. Als Erwiderung auf den der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten vorläufigen Bescheid der Kammer hat die Beschwerdegegnerin am 23. Mai 2008, somit am vorletzten Tag der von der Kammer in diesem Bescheid gesetzten Frist, Hilfsanträge 1 bis 12 eingereicht, von denen die Hilfsanträge 1, 2 und 11 den vorherigen Hilfsanträgen entsprechen. In diesem Bescheid wurde auf die Bestimmungen des Artikels 13 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) hingewiesen. Die Beschwerdegegnerin machte keinerlei Angaben dazu, was mit den im jeweiligen Anspruch 1 der Hilfsanträge vorgenommenen Änderungen bezweckt werden solle und in welcher Weise damit den im genannten Bescheid von der Kammer erhobenen Einwänden bezüglich mangelnder erfinderischer Tätigkeit beim Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags und der früheren Hilfsanträge 1 bis 3 begegnet werden solle. Es wurden lediglich Angaben dazu gemacht, aus welchen der erteilten abhängigen Ansprüche Merkmale ganz oder teilweise in den jeweiligen Anspruch 1 aufgenommen worden seien. Aufgrund des Fehlens jeglicher begleitender Kommentare war in diesen, verschiedene Aspekte betreffenden Merkmalszusammenfügungen auch kein Konzept erkennbar.

Am 19. Juni 2006, somit fünf Tage vor dem Termin der mündlichen Verhandlung, wurde von der Beschwerdegegnerin ein weiterer Hilfsantrag 1a eingereicht, wiederum nur mit Hinweis darauf, an welcher Stelle des Streitpatents sich das in den Anspruch 1 dieses Hilfsantrags aufgenommene zusätzliche Merkmal findet, nicht aber mit einer Erklärung, warum dieses Merkmal geeignet sein könnte, die unter anderem im Bescheid der Kammer erhobenen Bedenken auszuräumen.

Die Hilfsanträge 1a, 3 bis 10 und 12 sind deshalb nicht als substantiiert anzusehen. In der Entscheidung T 888/02 (nicht veröffentlicht) wurde, unter anderem mit Hinweis auf Artikel 125 EPÜ, befunden, dass derartige Anträge im Hinblick auf eine faire Behandlung aller Beteiligter nicht zuzulassen sind (vgl. Punkte 5 und 6 der Entscheidungsgründe).

Gemäß Artikel 13(1) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Weiterhin bestimmt Artikel 13(3) VOBK, dass Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen werden, wenn diese Änderungen Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der Verhandlung nicht zuzumuten ist. Da im vorliegenden Fall der Kammer und der Beschwerdeführerin mit zehn neuen und unkommentierten Hilfsanträgen ein neuer Sachverhalt erheblichen Umfangs vorgelegt wurde, konnte weder von der Kammer noch von der Beschwerdeführerin erwartet werden, auch wenn neun dieser Hilfsanträge noch innerhalb der einmonatigen Frist vorgelegt wurden, bis zur mündlichen Verhandlung zu ergründen, welche Absichten mit den verschiedenen Änderungen von der Beschwerdegegnerin verfolgt werden könnten, insbesondere, warum der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 dieser Hilfsanträge auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen könnte oder nicht. Zu den Überlegungen bezüglich der erfinderischen Tätigkeit hätten zudem noch Überlegungen hinsichtlich der formalen Erfordernisse des EPÜ, insbesondere im Hinblick auf die Artikel 84, 123(2) und 123(3) EPÜ, angestellt werden müssen, was aufgrund der Tatsache, dass bei einigen Hilfsanträgen Merkmale mehrerer abhängiger Ansprüche kombiniert und/oder nur Teilmerkmale von abhängigen Ansprüchen in den Anspruch 1 aufgenommen wurden, mit erheblichem Aufwand verbunden gewesen wäre.

Aus diesen Gründen werden die Hilfsanträge 1a, 3 bis 10 und 12 als nicht substantiiert und als nach dem in Artikel 13(3) VOBK genannten Zeitpunkt eingereicht nicht zugelassen. Somit waren nur die den mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge entsprechenden Hilfsanträge 1, 2 und 11 zu berücksichtigen.

4. Hilfsanträge 1, 2 und 11

4.1 Dokument D10 beschreibt nicht, in welcher zeitlichen gegenseitigen Zuordnung die Seitenwand und der Laufstreifen auf die Karkasse bzw. auf den Gürtel aufgebracht werden. Dokument D4 weist auf zwei der drei dabei gegebenen Möglichkeiten hin, nämlich dass der Laufstreifen nach oder vor der Seitenwand aufgebracht werden kann (vgl. Spalte 1, Zeilen 18 bis 21 und 32 bis 34). Dokument D12 zeigt auf Seite 63 in den Figuren 3.2 und 3.3 einen Reifen, bei dem die Seitenwände den Laufstreifen überlappen und der Laufstreifen somit vor dem Aufbringen der Seitenwand aufgebracht wurde. Dokument D13, mit dem die Beschwerdegegnerin ein Vorurteil belegen will, dass nämlich der Fachmann davon abgehalten war, wegen der notwendigen komplizierten Vorgehensweise den Laufstreifen vor der Seitenwand aufzubringen, geht auf eine Patentanmeldung aus dem Jahre 1975 zurück. Dokument D4, das auf eine Patentanmeldung aus dem Jahre 1979 zurückgeht, und Dokument D12, das aus dem Jahre 1988 stammt, erwähnen derartige Probleme jedoch nicht. Mit einem einzelnen Dokument kann daher nicht belegt werden, dass es ein solches Vorurteil gab, und im Hinblick auf die Dokumente D4 und D12 kann nicht glaubhaft gemacht werden, dass zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents, also im Jahre 1998, ein solches Vorurteil, wenn es denn ein solches überhaupt gab, immer noch bestanden haben soll.

Die im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 beanspruchte Alternative, dass der Laufstreifen vor der Seitenwand aufgebracht wird, ist deshalb als eine gebräuchliche und daher naheliegende Maßnahme anzusehen. Der Gegenstand dieses Anspruchs beruht somit ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4.2 Gemäß Dokument D4 wird der Laufstreifen als extrudierter Gummistreifen schraubenförmig mit sich teilweise überlappenden Wicklungen auf die Umfangsfläche des Reifens aufgebracht (vgl. Spalte 1, Zeilen 41 bis 55, Spalte 3, Zeilen 38 bis 60 und Figuren 5 und 6). Selbst wenn dieses Dokument sich nicht auf die Fertigung eines Gürtelreifens beziehen sollte, so lehrt es dennoch, wie der Laufstreifen eines Reifens vorteilhaft aufzubringen ist. Diese Lehre auch bei einem Gürtelreifen und zwar bei einem Gürtelreifen, dessen Seitenwand in ähnlicher Weise aufgebracht wird, anzuwenden, entspricht fachmännischem Handeln.

Die im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 beanspruchte Alternative, dass der Laufstreifen als extrudierter Gummistreifen schraubenförmig mit sich überlappenden Wicklungen auf die Umfangsfläche des Gürtelpakets aufgebracht wird, ist deshalb als naheliegend zu betrachten. Somit beruht auch der Gegenstand dieses Anspruchs nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4.3 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 11 definiert, dass das Seitenwandgummi auf die Seitenwand einer bereits in ihrer endgültigen Kontur hergestellten und mindestens teilweise vulkanisierten Karkasse aufgespult wird. Eine derartige Karkasse liegt üblicherweise bei der Runderneuerung eines Reifens vor. In Zusammenhang mit den Absätzen [0006] bis [0010] des Streitpatents wird ein Fachmann den erteilten Anspruch 6, aus dem dieses Merkmal entnommen wurde, und damit auch Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 11, tatsächlich auch als ein Verfahren zur Runderneuerung eines Reifens auslegen. Konsequenterweise wurde bereits im Prüfungsverfahren der dem Streitpatent zugrundeliegenden Anmeldung im Internationalen Vorläufigen Prüfungsbericht (Punkt 4, zweiter Absatz) das Aufbringen des Seitenwandgummis auf eine bereits vulkanisierte Karkasse in Verbindung mit der Runderneuerung eines Reifens gebracht. Auch im Einspruchsschriftsatz der Beschwerdeführerin (Seite 5, Punkt 5) und in der Beschwerdebegründung (Seite 10, Punkt 5) der Beschwerdeführerin wurde der erteilte Anspruch 6 auf die Runderneuerung bezogen. Auch die Kammer ging in ihrem der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Bescheid davon aus, dass sich Anspruch 1 des damaligen Hilfsantrags 3, der dem Hilfsantrag 11 entspricht, auf die Runderneuerung eines Reifens bezieht. Zu keinem Zeitpunkt des Prüfungs-, Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdegegnerin dieser Auffassung widersprochen. Erst in der mündlichen Verhandlung wurde von ihr überraschenderweise behauptet, dass sich Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 11 auf die Herstellung eines Neureifens beziehen solle. Die Kammer wertet dies als einen nicht akzeptablen Versuch der Beschwerdegegnerin, dem Verfahren in letzter Minute einen neuen überraschenden Aspekt hinzuzufügen. Dieser konnte weder von der Beschwerdeführerin noch von der Kammer erwartet werden. Die Kammer bleibt deswegen und wegen der fehlenden Stütze dieses Aspekts im Streitpatent bei ihrer Auffassung, dass ein Fachmann Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 11 als die Anwendung der Methode, die Seitenwand eines Reifens durch einen spiralförmigen Auftrag eines Gummistreifens zu bilden, bei einem Reifen, der runderneuert wird, interpretieren wird.

Die Kammer vermag keine über das übliche fachmännische Handeln hinausgehende Tätigkeit darin zu erkennen, einen Reifen, der wie in Dokument D10 gezeigt aufgebaut und hergestellt ist, auch bei seiner Runderneuerung, bei der die Karkasse ja bereits in ihrer endgültigen Form hergestellt und mindestens teilweise vulkanisiert ist, mit einem Seitenwandgummi zu versehen, der, wie schon bei der Neuherstellung des Reifens, als extrudierter Gummistreifen in Form einer Spirale mit mehreren nebeneinander liegenden Windungen auf die Seitenwände der Karkasse aufgespult wird. Üblicherweise wird bei der Runderneuerung der Reifen nach Aufbringen des neuen Laufstreifens ausvulkanisiert. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 11 beruht somit ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Das Patent wird widerrufen.

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