European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T249710.20140430 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 30 April 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2497/10 | ||||||||
Anmeldenummer: | 02742857.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | F03D 7/00 F03D 11/00 F03D 7/02 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | ÜBERWACHUNG DER BELASTUNG EINER WINDENERGIEANLAGE | ||||||||
Name des Anmelders: | Wobben, Aloys | ||||||||
Name des Einsprechenden: | REpower Systems AG Vestas Wind Systems A/S |
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Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - Hauptantrag (ja) Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein) Zulässigkeit - Hilfsanträge 1 Zulässigkeit - 3 (nein) |
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Orientierungssatz: |
siehe Gründe 4 |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung in der mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 2010, zur Post gegeben am 9. November 2010, das Europäische Patent Nr. 1 373 721 in geändertem Umfang gemäß Hauptantrag, Anspruch 1 wie erteilt, Anspruch 6 wie eingereicht in der Verhandlung, nach Artikel 101(3)a) EPÜ aufrechtzuerhalten.
II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 1) hatte am 21. Dezember 2010 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung war am 21. März 2011 eingegangen. Die Einsprechende 2 hatte am 15. Dezember 2008 ihren Einspruch zurückgezogen und ist daher keine Verfahrensbeteiligte.
III. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 4. April 2014 teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zur Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung mit. Die mündliche Verhandlung fand am 30. April 2014 unter Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.
Für die vorliegende Entscheidung wurde insbesondere das folgende Beweismittel herangezogen:
D6 = EP-A-0 995 904
IV. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, und Übernahme der Kosten für die folgende Einspruchsverhandlung.
V. Der unabhängige Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
Hauptantrag (wie im Einspruch aufrechterhalten)
"Windenergieanlage mit einer Vorrichtung zur Überwachung der Belastung von Teilen der Windenergieanlage oder der gesamten Windenergieanlage, wobei die Vorrichtung im Bereich des Turmfußes der Windenergieanlage angeordnet ist und Mittel aufweist mit denen die Belastungen des Turmes im Bereich des Turmfußes messbar sind,
dadurch gekennzeichnet, dass die Windenergieanlage eine Steuerungseinrichtung aufweist, welche die zu messenden Daten zur Erfassung der Belastung des Turmes verarbeitet und die Windenergieanlage so steuert, dass eine Reduzierung der Drehzahl des Rotors der Windenergieanlage und/oder eine Herabsetzung der Belastung der Windenergieanlage mittels Verstellung der Rotorblätter erfolgt, wenn die gemessenen Daten einmal, mehrmals und/ oder über einen gewissen Zeitraum einen bestimmten Maximalwert überschreiten."
Hilfsantrag 1
Oberbegriff wie Hauptantrag, mit folgendem Kennzeichen:
"...
dadurch gekennzeichnet, dass die Windenergieanlage eine Steuerungseinrichtung aufweist, welche die zu messenden Daten zur Erfassung der Belastung des Turmes verarbeitet und die Windenergieanlage so steuert, dass eine Reduzierung der Drehzahl des Rotors der Windenergieanlage und eine Herabsetzung der Belastung der Windenergieanlage mittels Verstellung der Rotorblätter erfolgt, wenn die gemessenen Daten mehrmals einen gewissen einen bestimmten Maximalwert überschreiten."
Hilfsantrag 2
Wie Hilfsantrag 1, wobei am Ende folgender Wortlaut angefügt wurde:
"...,
wobei eine erste Einrichtung (30) vorgesehen ist zur Umwandlung der (von dem Sensor (20)) erfassten Messwerte in analoge oder digitale elektrische Signale, welche die Messwerte repräsentieren und wobei eine zweite Einrichtung (40) vorgesehen ist zur Erfassung der elektrischen Signale und zum Vergleichen des durch das Signal repräsentierten Messwertes mit wenigstens einem vorgebbaren ersten Grenzwert und zum Anzeigen, wenn der Grenzwert erreicht oder überschritten wird; und zum Speichern und Kumulieren der durch das elektrische Signal repräsentierten Messwerte."
Hilfsantrag 3
Wie Hilfsantrag 2, wobei am Ende folgender Wortlaut angefügt wurde:
"...
und wobei eine Einrichtung zur Übertragung von Signalen vorgesehen ist, welche einzelne Messwerte und die kumulierten Messwerte und eine Relation der kumulierten Messwerte zu einem vorqebbaren zweiten Grenzwert darstellen."
VI. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:
D6 offenbare in Figur 2 eine Steuerungseinrichtung mit drei Sensoren zur Messung der Belastung, nämlich an den Rotorblättern, der Rotorachse und am Turm. Die in Figur 1 gezeigte Anordnung der Sensoren sei nur schematisch. In Zusammenhang mit den verschiedenen Ausführungsformen der Messgrößen in der Tabelle der Figur 5A sei jedenfalls eine Messung am Turmfuß offenbart ("DMS Turmfuß"). Daher sei Anspruch 1 gegenüber D6 nicht neu.
Basierend auf Absatz 0045 der D6 würde der Fachmann die Messung der Turmbiegung wegen der Anlagenintegrität vorrangig in Betracht ziehen. Es bestehe eine starke Korrelation zwischen Einspannmoment am Turmfuß und Turmbiegung am Turmkopf. Somit würde der Fachmann mit dem in der Tabelle der Figur 5A angegeben Sensor am Turmfuß ("DMS Turmfuß") das Biegemoment zufolge Windlast am Turmfuß ermitteln um dadurch die gewünschte Turmbiegung zu erhalten. Eine Messung am Turmfuß mittels eines dort angeordneten Sensors sei für den Fachmann ausgehend von D6 aufgrund seines Fachwissens daher nahe gelegt. Anspruch 1 sei somit auch nicht erfinderisch.
Zu den erst während der Verhandlung neu eingereichten Hilfsanträgen 1 bis 3 sei seit dem Einspruchsverfahren zu keiner Zeit eine sachliche Begründung eingegangen. Eine Feststellung der eindeutigen Gewährbarkeit gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik sei daher ohne Verlegung der Verhandlung nicht möglich und daher unzumutbar. Da die Hilfsanträge nicht ins Verfahren zuzulassen sind, erübrige sich auch die Frage der Zurückverweisung an die erste Instanz.
VII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:
In D6 könne auf Meßaufnehmer an Rotorachse und Turm verzichtet werden, da in der Steuereinrichtung nach Figur 2 immer alles von der Blattseite her gemessen werde. Ein sofortiger Eingriff des Reglers erfolge nur dann, wenn die Blattlasten überschritten würden. Die zulässigen Blattlasten stellten zudem keinen Maximalwert dar, sondern beträfen auch Fuzzy- oder adaptive Regelungskonzepte. Darüber hinaus seien weder in Figur 1 noch Figur 2 Sensoren am Turmfuß offenbart. Die Tabelle in Figur 5A enthalte lediglich eine Aufzählung von Meßpunkten einer Windkraftanlage, die in erster Linie die Messung der Turmkopfbeschleunigung beträfen. Obwohl in der Tabelle auch ein Turmfußsensor ("DMS Turmfuß") genannt sei, sei D6 jedenfalls nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass, wenn der Messwert am Turmfuß überschritten sei, entsprechend mit der Steuereinrichtung geregelt werde. Anspruch 1 sei daher neu gegenüber D6.
Obwohl der Fachmann in Absatz 0045 der D6 naheliegend eine Messung für die Turmbiegung im Regelkreis der Figur 2 vorsehen würde, erfolge in D6 die Messung der Durchbiegung am Turmkopf. Der Sensor am Turmfuß ("DMS Turmfuß") aus der Tabelle der Figur 5A könne aber nicht der Messung der Turmbiegung dienen: die Durchbiegung am Turmkopf korreliere praktisch nicht mit dem Biegemoment am Turmfuß. So seien im Betrieb Schwingungen des Turms für die Turmbiegung maßgeblich. Daher sei in D6 möglicherweise offenbart, einen Dehnmessstreifen am Turmfuß vorzusehen. Es sei in D6 aber nicht beschrieben oder für den Fachmann nahe gelegt, wie man mit solch einem Sensor die Turmbiegung berechnen könnte um dann in die Blattsteuerung einzugreifen, wenn ein Maximalwert überschritten würde. Anspruch 1 beruhe daher jedenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die neuen Hilfsanträge 1 bis 3 enthielten nur geringfügige Änderungen, um dem Verschlechterungsverbot nachzukommen. Ansonsten seien die Hilfsanträge hinlänglich bekannt, da sie bereits im Einspruchsverfahren nach dem Ladungsbescheid eingereicht wurden. Damals erfolgte keine nähere Begründung, da man während der Verhandlung vor der Einspruchsabteilung gegebenenfalls die Hilfsanträge noch ausführlich hätte erläutern können. Bis heute sei eigentlich nie auf die Anträge verzichtet worden. Die Anträge seien auch offensichtlich gewährbar. Zum jetzigen Stand des Verfahrens sei aber eine Zurückverweisung an die erste Instanz im Lichte des Standes der Technik sinnvoll, da die Kammer bis dato nur die vorgehende Entscheidung hätte überprüfen können. Im Falle einer Zurückverweisung der Sache sei man auch bereit, sich die Kosten der nachfolgenden Einspruchsverhandlung aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit- Hauptantrag
2.1 Dokument D6 beschreibt eine Windkraftanlage mit einer Regelvorrichtung die aufgrund von messbaren Größen die dynamischen Anlagenbelastungen mit den vorhandenen Regelparametern wie z.B. Blattwinkel od. Rotordrehzahl ausregelt bzw. erheblich herabsetzt, vgl. D6, Absatz 0017.
2.2 In Figur 2 ist ein Blockschaltbild eines Regelkreises für das Ausführungsbeispiel nach Figur 1 dargestellt. Die drei Rotorblätter des Rotors der Windkraftanlage sind jeweils mit Last- bzw. Beschleunigungsaufnehmern KB bestückt. Mit dem Regelkreis wird immer dann (auch beim einfachsten Regelkonzept), wenn die Ausgangssignale der Lastaufnehmer KB ein im Vergleich maximal zulässiges Rotorblattlastprofil (BLP) überschreiten, durch den Regler VOPT eine sofortige Verstellung des betreffenden Rotorblatts bewirkt. Vgl. D6, Absatz 0023.
2.3 Beim verbesserten Regelkonzept der Figur 2 erfolgt nach einer ersten Variante in zwei Verrechnungseinheiten VB und VR rein rechnerisch die Übertragung der Belastungen der Rotorblätter auf die zwei nachfolgenden Baueinheiten Rotorachse (Triebstrang) und Turm. Die so ermittelten Belastungen für Triebstrang und Turm werden wieder mit maximal zulässigen Belastungsprofilen für Rotorachse (RLP) und Turm (TLP) verglichen, und gehen ebenfalls in den Regler VOPT ein. Wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert, können in diesem Fall die Belastungen der zwei Baueinheiten Triebstrang und Turm natürlich nur von der Blattseite her, also basierend auf der gemessenen Belastung an den Last- bzw. Beschleunigungsaufnehmern KB der Rotorblätter, in den Regler VOPT der Figur 2 eingehen. Vgl. D6, Absätze 0025 bis 0028.
2.4 Es ist aber in Figur 2 der D6 auch vorgesehen, dass in einer zweiten Variante, anstatt rein rechnerisch, rein messtechnisch mit einem Lastaufnehmer KR an der Rotorachse und einem Last- bzw. Beschleunigungsaufnehmer KT am Turm die Baueinheiten Triebstrang und Turm über die Vergleichseinheiten in den Regler VOPT eingehen. Vgl. D6, Absatz 0028, Zeilen 33 bis 42. Eine dritte Variante sieht auch die Kombination von rechnerischen und messtechnischen Belastungszuständen der Rotorachse und des Turms vor, um die Genauigkeit der in den Regler VOPT eingespeisten Belastungen zu erhöhen, vgl. Absätze 0025 und 0026.
2.5 Bei allen drei Varianten ist es jedenfalls vorteilhaft, die Belastungszustände sämtlicher Baueinheiten der Windkraftanlage gleichzeitig zu ermitteln. Dadurch werden Grenzbelastungen in allen konstruktiven Teilen vermieden. Vgl. D6, Absätze 0029 und 0030. Das bedeutet, dass das verbesserte Regelkonzept nach Figur 2 der D6, wie in Anspruch 1 des Patents gefordert, in der zweiten und dritten Variante stets mittels des Lastaufnehmers KT zu messende Daten zur Erfassung der Belastung des Turmes verarbeitet. Hierbei erfolgt immer dann eine Verstellung der Rotorblätter über den Regler VOPT, wenn die vom Sensor KT gemessenen Daten einmalig, mehrmals und/oder über einen gewissen Zeitraum einen bestimmten Maximalwert, nämlich das maximal zulässige Turm-Belastungsprofil TLP, in der Vergleichseinheit TVgl überschreiten (vgl. Blockschaltbild in Figur 2 der D6, ganz rechts: T ? TVgl ? TLP). Dabei ist es unerheblich, ob die zulässigen Belastungsprofile in den Regelalgorithmen der D6 diskrete oder gleitende Grenzwerte darstellen. Vgl. D6, Absätze 0024 und 0027.
2.6 In Figur 5A der D6 werden in der ersten Spalte Lastkomponenten auf Rotorblätter, Rotorzentrum und Turmkopf für die Auslegung von Windkraftanlagen tabellarisch aufgeführt. In Bezug auf den Turmkopf werden fünf verschiedene Lastkomponenten genannt. Für die messtechnische Ermittlung werden in der letzten Spalte der Figur 5A darüber hinaus zu jeder Lastkomponente verschiedene Meßgrößen ohne näheren Zusammenhang zur Regelung in Figur 2 beschrieben. Wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert, ergibt sich wegen der Auswahl der Lastkomponenten einerseits und der jeweils möglichen Meßgrößen andererseits aus der Sicht des Fachmanns eine Fülle von Möglichkeiten einen ganz bestimmten Sensor KT im Regelkreis der Figur 2 vorzusehen, um, wie in Anspruch 1 des Patents gefordert, in jedem Fall dessen Messdaten zur Erfassung der Belastung des Turmes zu verarbeiten. Vgl. D7, Absätze 0039 bis 0041.
2.7 Schließlich ist auch aus Figur 1 zum in D6 beschriebenen Regelkreis nicht ersichtlich, dass der Last- bzw. Beschleunigungsaufnehmer KT im Bereich des Turmfußes der Windkraftanlage angeordnet sein muss, sondern wird im Gegensatz dazu im oberen Bereich des Turmes bzw. des Turmkopfes gezeigt.
2.8 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist gegenüber Anspruch 1 des Patents aus D6 folglich für den Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig offenbart, dass zur Erfassung der Belastung des Turmes im verbesserten Regelkonzept nach Figur 2 der D6 zwangsläufig der Sensor KT am Turmfuß vorzusehen ist, mit dem die Belastungen des Turmes im Bereich des Turmfußes messbar sind.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist daher neu gegenüber D6.
3. Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag
3.1 In Übereinstimmung mit den Parteien wird D6 als nächstliegender Stand der Technik erachtet. Zu D6 siehe oben unter Punkt 2. Ausgehend vom verbesserten Regelkonzept der Windkraftanlage aus Figur 2 der D6 kann die dem unterscheidenden Merkmal des Anspruchs 1 zugrunde liegende Aufgabe nun darin gesehen werden, einen geeigneten Last- bzw. Beschleunigungsaufnehmer KT zur Messung der Belastung des Turms der Windenergieanlage vorzuschlagen.
3.2 Unbestritten suggeriert Absatz 0045 der D6 dem Fachmann, dass im Regler VOPT des Regelkreises gemäß Figur 2, neben dem in Figur 5A vorrangig gewichteten "Kosteneinfluss", als oberste Priorität die Anlageintegrität berücksichtigt werden soll. Für die Wahrung der Anlagenintegrität sind die maximal zulässigen Belastungsprofile für die Rotorblattdurchbiegung und die Turmbiegung von Bedeutung, um mittels Rotorblattverstellung die Windkraftanlage vor Beschädigungen zu schützen.
3.3 So ist für den Turm und dessen Durchbiegung die Schubkraft zufolge Windlast (auch aus Sicht des Kosten) in Figur 5A von hohem Einfluss: siehe Tabelle viertletzte Zeile, dritte Spalte, "++ Turm". Die Beschwerdegegnerin bestreitet nicht, dass der Fachmann im verbesserten Regelkonzept nach Figur 2 der D6 zur Wahrung der Anlageintegrität eine Messung der Turmbiegung des Turmes mittels eines Sensors KT in Betracht ziehen würde.
3.4 Die Beschwerdegegnerin ist aber der Auffassung, dass bei einer Messung der Turmbiegung in Absatz 0045 der D6 jedenfalls keine Ermittlung der Bruchfestigkeit des Turms aufgrund des Biegemoments am Turmfuß erfolgen würde. Daher würde der Fachmann den in der letzten Spalte der Figur 5A, viertletzte Zeile, aufgelisteten Dehnmeßstreifen am Turmfuß ("DMS Turmfuß") als Sensor KT im Regelkreis messtechnisch auch nicht in Betracht ziehen: im Gegensatz zur Bruchfestigkeit des Turms korreliere nämlich die Durchbiegung des Turmkopfes praktisch nicht mit dem gemessenen Biegemoment am Turmfuß. Bei ungünstigen Verhältnissen würden Einflüsse aus Schwingungen des Turms zudem überwiegen, und eine Messung des Biegemoments am Turmfuß mittels Dehnmeßstreifen hätte dann auf die zu ermittelnde Turmbiegung am Turmkopf keinerlei Aussagekraft.
3.5 Für die Kammer ist daher zu entscheiden, ob die Durchbiegung des Turmkopfs mit dem Biegemoment an der Einspannung des Turmfußes korreliert, oder nicht.
Aus Sicht der Kammer ist, basierend auf trivialen Kenntnissen aus der Materialkunde, für den im Bauwesen oder Maschinenbau tätigen Fachmann der Zusammenhang zwischen Durchbiegung eines eingespannten Stabs und dessen Einspannmoment jedoch ohne Zweifel gegeben. So resultiert das Einspannmoment am Turmfuß aus Schubkraft (zufolge Wind) und Turmhöhe. Sobald das resultierende Biegemoment mittels Dehnmeßstreifen am Turmfuß gemessen ist, ergibt sich aus der bekannten Biegesteifigkeit des Turms (Elastizitätsmodul des Materials; Flächenträgheitsmoment des Querschnitts) und der Turmhöhe unmittelbar die Durchbiegung zufolge Wind am freien Ende des Stabes, also am Turmkopf.
Ob darüber hinaus noch dynamische Einflüsse aus den Turmschwingungen gemessen bzw. berücksichtigt werden, oder nicht, ist für die grundsätzliche Korrelation zwischen Turmbiegung am Turmkopf und Einspannmoment am Turmfuß ohne Belang.
3.6 Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass der Fachmann, ausgehend vom verbesserten Regelkonzept der Windkraftanlage aus Figur 2 der D6 zur Messung der Belastung des Turms wegen der Anlageintegrität die Messung der Turmbiegung in Betracht ziehen würde, und hierfür aufgrund seines Fachwissens in naheliegender Weise das Biegemoment im Bereich des Turmfußes mittels des in Figur 5A angegebenen Dehnmessstreifens am Turmfuß messen würde.
Somit kann das Merkmal des Anspruchs 1 des Hauptantrags, wonach Belastungen des Turmes im Bereich des Turmfußes mit einer im Bereich des Turmfußes angeordneten Vorrichtung messbar sind, im Ergebnis gegenüber D6 keine erfinderische Tätigkeit begründen.
4. Zulässigkeit Hilfsanträge
4.1 Die erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgelegten neuen Hilfsanträge 1 bis 3 basieren, abgesehen von geringfügigen Änderungen aus dem Verschlechterungsverbot, de facto auf den bereits am 16. April 2010 im Einspruchsverfahren eingereichten Hilfsanträgen 1 bis 3. Die Hilfsanträge wurden ursprünglich als Reaktion auf den Ladungsbescheid der Einspruchsabteilung vom 12. Januar 2010 eingereicht.
4.2 Die Kammer stellt jedoch fest, dass bereits im Ladungsbescheid der Einspruchsabteilung die Diskussion zahlreicher Dokumente zur Frage der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 1 in Aussicht gestellt wurde. Siehe Punkte 2 und 3 des Bescheids vom 12. Januar 2010. Daraufhin erfolgten am 16. April 2010 mit Einreichung der Hilfsanträge 1 bis 3 keinerlei Erklärungen seitens der Beschwerdegegnerin, was mit den vorgenommenen Änderungen bezweckt, und wie damit den Einwänden der Einsprechenden 1 zur Patentierbarkeit im Lichte der insbesondere von der Einspruchsabteilung genannten Dokumente begegnet werden soll. Auch auf den darauffolgenden Vortrag der Einsprechenden 1 zu den Hilfsanträgen 1 bis 3 vom 10. Mai 2010 erfolgte seitens der Beschwerdegegnerin keine Stellungnahme.
4.3 Spätestens mit Beschwerdeerwiderung hätte, falls die Beschwerdegegnerin die Hilfsanträge in der Beschwerde hätte weiterverfolgen wollen, zusammen mit deren Einreichung eine sachliche Begründung für die Hilfsanträge 1 bis 3 vorgelegt werden müssen, vgl. Artikel 12(2) VOBK. Selbst als die Beschwerdegegnerin nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zum ersten Mal in der Beschwerde mit Schreiben vom 28. März 2014 mitteilte, die Hilfsanträge "weiterhin aufrechterhalten" zu wollen, erfolgte noch keine Begründung, weshalb die Hilfsanträge 1 bis 3 eigentlich die Erfordernisse an die Patentierbarkeit erfüllen.
4.4 Wie oben angedeutet hatte die Beschwerdeführerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren zu den Hilfsanträgen begründete Zweifel zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit im Lichte des zitierten Standes der Technik geäußert. Da die in den Hilfsanträgen im Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen nicht unwesentlich sind und bis dato keine Ausführungen gemacht wurden, wie sie die erhobenen Zweifel aus dem Weg räumen, kann die Kammer ohne eingehende Diskussion nicht feststellen, ob die Hilfsanträge gewährbar sind. Somit sind diese nicht eindeutig gewährbar. Da weder der Beschwerdeführerin noch der Kammer die Frage der Gewährbarkeit der neuen Hilfsanträge 1 bis 3, insbesondere zur erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 1 im Lichte des bekanntgewordenen Standes der Technik ohne Verlegung der Verhandlung zuzumuten war, kam eine Zulassung der neuen Hilfsanträge bei diesem Stand des Verfahrens nicht in Betracht, Artikel 13(3) VOBK. Vgl. hierzu T 253/06 (nicht veröffentlicht), Leitsatz.
5. Da die Kammer entschied, die Hilfsanträge 1 bis 3 nicht ins Verfahren zuzulassen, scheitert auch die beantragte Zurückverweisung an die erste Instanz.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.