T 2422/09 () of 17.3.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T242209.20110317
Datum der Entscheidung: 17 März 2011
Aktenzeichen: T 2422/09
Anmeldenummer: 03815067.8
IPC-Klasse: F03D 7/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Betriebsführungssystem für eine Windenergieanlage
Name des Anmelders: Repower Systems AG
Name des Einsprechenden: Enercon GmbH
Gamesa Eólica S.L.
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 114
Schlagwörter: Rechtsfehlerfreie Ausübung des Ermessens durch 1. Instanz: ja
Erfinderische Tätigkeit: verneint für Haupt-, Hilfsantrag 1
Zulassung neuer Anträge im Beschwerdeverfahren: verneint für Hilfsanträge 2, 3
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0007/93
T 0253/06
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 2501/10

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einspruchsabteilung hat die beiden gegen das europäische Patent Nr. 1 497 556 eingelegten Einsprüche mit der am 17. November 2009 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.

Sie war der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruches 1 patentfähig sei, insbesondere im Hinblick auf die folgenden Druckschriften:

D5: DE-A-19 844 258,

D14: JP-A-59-212576,

D15: englische Übersetzung der D14.

Die nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereichten Druckschriften D14 und D15 hat die Einspruchsabteilung für die Entscheidung als relevant angesehen und deshalb zum Verfahren zugelassen.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende 1 am 13. Januar 2010 Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 26. März 2010 eingegangen.

Auch die Einsprechende 2 hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt, und zwar am 16. Dezember 2009, und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 17. März 2010 eingegangen.

Mit der Ladung zu der beantragten mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdekammer den Parteien unter anderem mitgeteilt, dass die Druckschriften D5 und D14/D15 die Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstandes in Frage zu stellen scheinen.

Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer hat am 17. März 2011 stattgefunden.

III. Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechende 1 und 2) beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent Nr. 1 497 556 zu widerrufen, die während der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsanträge 1 - 3 der Beschwerdegegnerin nicht zuzulassen und, falls sie zugelassen würden, den Fall an die erste Instanz samt Kostenverteilung zurückzuverweisen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerden zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten, auf Grundlage einer der Hilfsanträge 1 - 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer. Die Hilfsanträge 1 - 7, eingereicht mit Schreiben vom 17. Februar 2011, wurden zurückgezogen. Des weiteren wurde beantragt, die Druckschriften D14 und D15 nicht zum Verfahren zuzulassen.

IV. Anspruch 1 des Hauptantrages hat folgenden Wortlaut:

"Betriebsführungssystem für eine Windenergieanlage (1), über das eine Leistungsabgabe der Anlage (1) geregelt wird, wobei die Windenergieanlage (1) einen Rotor (3) mit wenigstens einem Rotorblatt (5) aufweist, das in einem einstellbaren Rotorblattwinkel zu dem Rotor (3) angeordnet ist und das Betriebsführungssystem innerhalb eines vorgegebenen Windgeschwindigkeitsbereichs die Rotordrehzahl unter Verstellung des Rotorblattwinkels zur Einstellung einer Nennleistung regelt und ab einem definierten windgeschwindigkeitsabhängigen Grenzwert die Leistung reduziert, dadurch gekennzeichnet, daß der Grenzwert ein definierter Rotorblattgrenzwinkel ist."

Dem Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 3 wurde das Merkmal hinzugefügt, dass das Betriebsführungssystem "nach dem Erreichen der Nennleistung mit der Leistungsregelung über eine Verstellung des Rotorblattwinkels beginnt, um eine konstante Nennleistung abzugeben".

In Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 und 3 wurde das Merkmal hinzugefügt, dass die Windenergieanlage "bis zum Erreichen der Nennleistung die Windenergieanlage (1) eine Drehmoment-Drehzahlkennlinie eines in der Windenergieanlage vorgesehenen Generators abfährt".

V. Die Beschwerdeführerinnen haben im Wesentlichen folgende Argumente vorgebracht:

a) Zum Hauptantrag

Die Druckschriften D14/D15 seien relevant und deshalb rechtsfehlerfrei zum Verfahren zugelassen worden.

Der Ausdruck "windgeschwindigkeitsabhängigen Grenzwert[s]" in Anspruch 1 sei interpretierbar. Zum einen könne es sich um einen von der Windgeschwindigkeit abhängigen variablen Wert handeln, der also mit der Windgeschwindigkeit veränderlich ist, oder es handele sich um einen im Betrieb der Windenergieanlage nicht veränderlichen Wert.

Die Offenbarung der Druckschriften D14 und D15 sei nicht auf kleine Windenergieanlagen beschränkt. Vielmehr scheint sich aus der hydraulischen Verstellung des Rotorblattes zu ergeben, dass es sich ebenfalls um eine relativ große Windenergieanlage handelt.

Auch für diese Anlage sollte auf die Verwendung eines Anemometers verzichtet werden, nämlich durch die Verwendung der speziell ausgebildeten Regeleinrichtung 23. Diese stelle sicher, dass bei Erreichen eines Grenzwertes des Rotorblattwinkels (siehe Seite 10, vorletzter Absatz: "set pitch") die Leistungsreduzierung unmittelbar ausgelöst wird.

Die Feststellung auf Seite 8, vorletzter Absatz, würde der Fachmann selbstverständlich so verstehen, dass dem Vergleichselement 32 nur der eine oder der andere Wert der Windgeschwindigkeit V3 oder V4 zugeführt wird. Dies würde die verwendete Formulierung jedenfalls nicht ausschließen.

b) Zu den Hilfsanträgen

Anspruch 1 der Hilfsanträge 1-3 sei durch Merkmale beschränkt worden, die lediglich eine Basis in der ursprünglichen Beschreibung haben. Deshalb würden sie völlig neue Aspekte betreffen, die unter Umständen eine Recherche erforderlich machen würden. Da die Beschwerdegegnerin keinerlei Ausführungen zum Zweck dieser Änderungen gemacht hat, wäre es schwierig gewesen noch rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eine Recherche durchzuführen.

VI. Demgegenüber argumentierte die Beschwerdegegnerin wie folgt:

a) Zum Hauptantrag

Die Druckschriften D14 und D15 seien nicht zu berücksichtigen, da sie verspätet eingereicht wurden und prima facie irrelevant seien.

Unter der Formulierung "windgeschwindigkeitsabhängigen Grenzwert[s]" würde der Fachmann einen im Betrieb der Windenergieanlage festen Wert verstehen, der sich nicht in Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit ändere.

Der Gegenstand des Anspruches 1 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Ausgehend von dem nächstliegenden Stand der Technik gemäß Druckschrift D5 könne der Fachmann nicht zu der beanspruchten Lösung gelangen, weil keine der entgegen gehaltenen Druckschriften eine Anregung enthielte, dem Betriebsführungssystem den Rotorblattwinkel zuzuführen, ihn mit einem definierten Rotorblattgrenzwinkel zu vergleichen und bei Überschreiten dieses Winkels die Leistung der Windenergieanlage zu reduzieren. Außerdem gebe es eine große Vielzahl von Möglichkeiten zum Ersatz der Messung der Windgeschwindigkeit.

Die Druckschriften D14/D15 zeigten eine sehr kleine Windenergieanlage, wie sie beispielsweise für einen Batterielader oder für den Inselbetrieb zum Einsatz komme, bei der die Leistung überhaupt nicht geregelt würde, sondern lediglich eine Drehzahlbegrenzung stattfinde. Dies ergebe sich bereits aus der Darstellung einer Feder für das Rückstellen der Rotorblätter und der Verwendung von Schleifringen für das Anemometer. Da die Feder eine wichtige Sicherheitsfunktion habe und zur Rückstellung der mehrere Tonnen schweren Rotorblätter nicht geeignet sei, könne es sich nur um eine kleine Windenergieanlage handeln.

Deshalb offenbare diese Druckschrift keine Windenergieanlage mit einer Leistungsregelung und erst recht keinen Grenzwert, ab dem eine Leistungsreduzierung vorgenommen würde.

Darüber hinaus enthalte die Druckschrift D15 zahlreiche Fehler, die es dem Fachmann nicht ermöglichten, das darin Offenbarte auszuführen. So wäre beispielsweise das Ventil 21 in den Figuren 2 und 3 falsch dargestellt. Außerdem wäre es unmöglich, dem Vergleichselement 32 sowohl das Signal für die Windgeschwindigkeit V3 als auch das Signal für die Windgeschwindigkeit V4 zuzuführen wie es im vorletzten Absatz auf Seite 8 und dem zweiten Absatz auf Seite 9 beschrieben sei.

Aus diesen Gründen würde der Fachmann diese Druckschriften nicht zur Lösung der zu lösenden Aufgabe heranziehen. Selbst wenn er dies aber täte, würde ihn dies nicht zum Gegenstand des Anspruches 1 führen.

b) Zu den Hilfsanträgen

Die Hilfsanträge 1 - 3 sollten zum Verfahren zugelassen werden, da sie eine Reaktion auf den Bescheid der Beschwerdekammer darstellen. Da die zusätzlichen Merkmale dieser Hilfsanträge nicht in Druckschrift D5 offenbart seien, würden sie die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstandes begründen. Auch hätte es der Zeitpunkt der Einreichung, ca. vier Wochen vor der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer, den Beschwerdeführerinnen ermöglicht, noch den Stand der Technik diesbezüglich zu recherchieren.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Druckschriften D14/D15

2.1 Diese Druckschriften sind von der Einspruchsabteilung als für die Entscheidung relevant angesehen worden und deshalb zum Verfahren gemäß Artikel 114(1) zugelassen worden.

2.2 Artikel 114 EPÜ räumt den Organen des Europäischen Patentamts ein Ermessen bei der Zulassung verspäteten Vorbringens ein. In solchen Fällen sollte sich eine Beschwerdekammer nur dann über die Art und Weise, in der die Erstinstanz ihr Ermessen ausgeübt hat, hinwegsetzen, wenn sie zu dem Schluss gelangt, dass das Ermessen nicht nach Maßgabe der richtigen Kriterien oder in unangemessener Weise ausgeübt und damit den ihr eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hat (G 0007/93, ABl. EPA 1994, 775; Entscheidungsgründe Nr. 2.5).

Die Beschwerdegegnerin hat diesbezüglich lediglich vorgetragen, dass diese Druckschriften prima facie irrelevant seien, nicht aber Gründe angegeben, die zeigen, dass die falschen Kriterien angewandt oder das Ermessen in unangemessener Weise ausgeübt wurden. Da auch der Beschwerdekammer solche Gründe nicht bekannt sind, ist die Zulassung dieser Druckschriften durch die Einspruchsabteilung seitens der Beschwerdekammer nicht zu beanstanden.

2.3 Deshalb sind die Druckschriften D14/D15 auch im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen.

3. Auslegung "windgeschwindigkeits-abhängige[r] Grenzwert" in Anspruch 1

Für die nachfolgenden Feststellungen hat die Beschwerdekammer angenommen, dass der Fachmann darunter einen festen Grenzwert versteht, der sich im Betrieb der Windenergieanlage nicht in Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit ändert.

4. Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag

4.1 Die Parteien und Kammer stimmen darin überein, dass Druckschrift D5 den nächstliegenden Stand der Technik für den Gegenstand des Anspruches 1 offenbart.

Diese Windenergieanlage weist ein Betriebsführungssystem auf, welches innerhalb eines vorgegebenen Windgeschwindigkeitsbereiches die Rotordrehzahl unter Verstellung des Rotorblattwinkels zur Einstellung einer Nennleistung regelt (siehe beispielsweise Spalte 1, Zeilen 3 - 13, Spalte 4, Zeilen 2 - 5 und Zeilen 21 - 35). Das Betriebsführungssystem regelt also die Leistungsabgabe der Windenergieanlage.

Wenn die Windgeschwindigkeit einen vorgegebenen Grenzwert erreicht, muss das Betriebsführungssystem demnach den Rotorblattwinkel zwangsläufig auf einen bestimmten Wert einstellen, damit die Nennleistung gemäß Figur 4 erzielt wird. Der vorgegebenen Grenzwindgeschwindigkeit ist also ein ganz bestimmter Grenzwert für den Rotorblattwinkel zugeordnet. Im Gegensatz zu der Grenzwindgeschwindigkeit, die eine vorher definierte bestimmte Windgeschwindigkeit angibt, handelt es sich bei dem Rotorblattgrenzwinkel aber nicht um einen vorher definierten bestimmten Winkel, sondern lediglich um einen Winkel, der sich zwangsläufig als Folge der vorgegebenen Grenzwindgeschwindigkeit einstellt.

Wenn die Windgeschwindigkeit über dem vorgegebenen Grenzwert liegt, reduziert das Betriebsführungssystem die Leistungsabgabe (siehe Spalte 4, Zeilen 38 bis 51).

4.2 Technische Aufgabe

4.2.1 Der Gegenstand des Anspruches 1 unterscheidet sich von diesem Betriebsführungssystem für eine Windenergieanlage dadurch, dass die Leistung ab einem definierten Grenzwert des Rotorblattwinkels reduziert wird und nicht ab einem definierten Grenzwert der Windgeschwindigkeit.

Der Grenzwert des Rotorblattwinkels kann leichter und genauer erfasst werden, und ist damit ein besserer Indikator für die Belastung der Anlage als der Grenzwert der Windgeschwindigkeit (siehe Patentschrift Absatz 0007 in Verbindung mit Absatz 0014).

Deshalb ist der Zeitpunkt, ab dem die Leistungsabgabe zum Schutz der Anlage vor Überlastung reduziert wird, leichter und genauer festzustellen, wodurch auch der Ertrag der Windenergieanlage erhöht werden kann.

4.2.2 Dem Gegenstand des Anspruches 1 lag somit die Aufgabe zu Grunde, das aus Druckschrift D5 bekannte Betriebsführungssystem dahingehend zu verbessern, dass damit ein Überschreiten der Belastungsgrenzen der Windenergieanlage bei maximalem Ertrag zuverlässiger vermieden werden kann.

4.3 Naheliegen der Lösung

4.3.1 Auch bei der in den Druckschriften D14/D15 offenbarten Windenergieanlage soll eine Überlastung bei sehr hohen Windgeschwindigkeiten zuverlässig vermieden werden (siehe D15: Seite 3, Satz 2). Auch soll auf ein Anemometer verzichtet werden (siehe den die Seiten 1, 2 verbindenden Absatz, Absatz 2 auf Seite 4 und den letzten Absatz auf Seite 11).

Zur Lösung dieser Problematik schlagen diese Druckschriften eine Regeleinrichtung 23 vor. Im Windgeschwindigkeitsbereich V1 < V < V2 sind die Rotorblätter in Betriebsstellung (Figur 1: "OPERATION PITCH"). Im Windgeschwindigkeitsbereich V2 < V < V4 wird der Rotorblattwinkel in Richtung der Anfangsstellung verändert, um so die Rotordrehzahl konstant zu halten (Figur 1: "SET ROTATIONAL SPEED").

Der Rotorblattwinkel erreicht bei der Windgeschwindigkeit V4 einen definierten Grenzwert (Seite 10, Abs. 3, letzter Satz: "set pitch"). Dann geben die Vergleichselemente 32 und 33 das Signal "on" ab (Seite 10, Zeile 4 von unten bis Seite 11, Zeile 2) und das NAND-Glied 34 das Signal "off" (Seite 11, Abs. 2). Da auch der Vergleichselement 31 das Signal "on" abgibt (Seite 9, Abs. 2), gibt das AND-Glied 35 das Signal "off" ab (Seite 11, Abs. 2). Dadurch wird der Schalter 36 geöffnet, so dass die Hydraulik das Rotorblatt in die Anfangsstellung ("starting pitch") zurückdreht (Seite 11, Abs. 2).

Wenn der Rotorblattwinkel also einen definierten Grenzwert (set pitch) erreicht, steuert die Regeleinrichtung 23 die Rotorblätter zurück in Richtung ihrer Anfangsstellung, wodurch die Drehzahl auf einen Wert n4 (Figur 1) abgesenkt und damit zwangsläufig die Anlagenleistung und Anlagenbelastung verringert werden.

4.3.2 Die Beschwerdekammer kann diesen Druckschriften keine Hinweise entnehmen aus denen sich ergibt, dass es sich ausschließlich um eine kleine Windenergieanlage handeln würde. Vielmehr scheinen die hydraulische Verstellung der Rotorblätter, die die in den Figuren 2 und 3 dargestellte hydraulische Vorrichtung erfordert, und die Regeleinrichtung eher für eine größere Windenergieanlage zu sprechen. Auch die in diesen Figuren dargestellte Feder 11 widerlegt nicht diesen Eindruck, weil es, selbst nach den Aussagen der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, durchaus sehr große Federn im Einsatz bei großen Windenergieanlagen gibt. Darüber hinaus handelt es sich bei diesen Figuren um schematische Darstellungen. Deshalb scheint die dargestellte Feder 11 lediglich anzudeuten, dass es sich um eine auch bei Versagen der Hydraulik wirksame Rückstelleinrichtung handelt.

Somit kann die Beschwerdekammer nicht erkennen, dass diese Druckschriften ausschließlich eine sehr kleine Windenergieanlage betrifft.

4.3.3 Druckschrift D15 enthält auch keine Fehler, die den Fachmann davon abhielten, deren Lehre zu verstehen und anzuwenden. So wird die Funktion des Ventils 21 präzise in der Beschreibung beschrieben (siehe beispielsweise Seite 7 und Seiten 9 bis 11). Auch ist es für den Fachmann eine Selbstverständlichkeit, dass an dem Vergleichselemente 32 nicht Signale für beide Windgeschwindigkeiten V3 und V4 gleichzeitig anliegen können, sondern nur das eine oder andere Signal.

4.3.4 Da die Druckschriften D14/D15 das gleiche technische Gebiet der Windenergieanlagen wie Druckschrift D5 betreffen, und die gleiche Problematik und gleichen Lösungsmittel wie die Patentschrift offenbaren, ist die Kammer davon überzeugt, dass der Fachmann die Druckschriften D14/D15 zur Lösung der oben genannten Aufgabe berücksichtigen würde.

Durch die Lehre der Druckschriften D14/D15 würde er das zur Einstellung der Rotorblätter der Druckschrift D5 vorgesehene Betriebsführungssystem (Spalte 4, Zeile 2 - 5 und 29 - 35) so modifizieren, dass die Leistung ab einem definierten Grenzwert des Rotorblattwinkels reduziert wird. Dieses modifizierte Betriebsführungssystem entspricht dem in Anspruch 1 beanspruchten.

4.3.5 Der Gegenstand des Anspruches 1 beruht somit nicht auf der nach Artikel 56 EPÜ erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.

5. Hilfsanträge

5.1 Zulässigkeit

5.1.1 Nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsanträge können in Einklang mit Artikel 13(3) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) auch dann als unzulässig angesehen werden, wenn sie innerhalb einer gesetzten Frist eingereicht wurden, aber nicht substantiiert sind, d.h. nicht mit Erklärungen dazu versehen sind, was mit den vorgenommenen Änderungen bezweckt und wie damit den im Lauf des Verfahrens erhobenen Einwänden begegnet werden soll. Es ist in einem solchen Fall weder der Kammer noch den anderen am Verfahren Beteiligten zuzumuten, diesbezügliche Überlegungen anzustellen, insbesondere, wenn es sich um eine größere Anzahl von Anträgen und um Anspruchsmerkmale handelt, die neue Aspekte darstellen (siehe T 253/06 vom 24. Juni 2008, Orientierungssatz; nicht im ABl. EPA veröffentlicht).

5.1.2 Zu Hilfsantrag 1 hat die Beschwerdegegnerin kurz ausgeführt, was mit der in Anspruch 1 vorgenommenen Änderung bezweckt werden soll, nämlich die beanspruchte Betriebsführung besser von der bekannten leitungsvariablen Regelung abzugrenzen. Da diese Änderung keine neuen Aspekte beinhaltet, hat die Beschwerdekammer den Hilfsantrag 1 zum Verfahren zugelassen.

5.1.3 Demgegenüber hat die Beschwerdegegnerin keinerlei Angaben dazu gemacht, was mit der Aufnahme des auf das Abfahren einer Drehmoments-Drehzahlkennlinie gerichteten Merkmal in Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 und 3 bezweckt werden soll und in welcher Weise damit den erhobenen Einwänden der mangelnden Neuheit und erfinderischen Tätigkeit begegnet werden soll. Es wurden lediglich Angaben dazu gemacht, auf welche Passagen in der Beschreibung sich diese Änderung stützt. Die Hilfsanträge 2 und 3 sind deshalb nicht als substantiiert anzusehen.

a) Die Kammer und die Beschwerdeführerinnen hätten bis zur mündlichen Verhandlung ergründen müssen, welche Absichten mit dieser Änderung von der Beschwerdegegnerin verfolgt wurden, insbesondere, warum der Gegenstand des Anspruches 1 dieser Hilfsanträge auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Darüber hinaus hätten auch noch Überlegungen zur Offenbarung der Änderung in den ursprünglichen Unterlagen angestellt werden müssen, insbesondere ob es sich um eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung handelt, da das aufgenommene Merkmal lediglich in Verbindung mit der in den Figuren dargestellten Windenergieanlage dargestellt ist.

b) Da die genannte Änderung auch einen völlig neuen Aspekt betrifft, der im bisherigen Verfahren keine Rolle gespielt hat, der Beschreibung entnommen und auch nicht substantiiert wurde, konnte von den Beschwerdeführerinnen nicht erwartet werden, dass sie diesbezüglich eine Recherche im Stand der Technik vor der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer durchführen.

c) Gemäß Artikel 12 (2) VOBK muss die Erwiderung auf die Beschwerdebegründung den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten.

Im vorliegenden Fall sind nach der Beschwerdebegründung keine neuen Einwände erhoben worden. Veranlassung zur Einreichung neuer Hilfsanträge bestand deshalb bereits seit der Kenntnis der Beschwerdebegründung und nicht erst seit der Mitteilung der Beschwerdekammer.

d) Weil diese Änderung in Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 und 3 somit weder der Kammer noch den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung zuzumuten ist, hat sie die Kammer nicht zum Verfahren zugelassen.

5.2 Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 1

5.2.1 Das zusätzlich in Anspruch 1 aufgenommene Merkmal, dass das Betriebsführungssystem nach dem Erreichen der Nennleistung mit der Leistungsregelung über eine Verstellung des Rotorblattwinkels beginnt, um eine konstante Nennleistung abzugeben, ist ebenfalls aus Druckschrift D5 bekannt, siehe Spalte 4, Zeilen 29 bis 35.

5.2.2 Dem Gegenstand des Anspruches 1 dieses Antrages mangelt es somit aus den gleichen Gründen an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit, weil er sich durch die gleichen Merkmale vom nächstliegenden Stand der Technik unterscheidet wie derjenige des Hauptantrages.

6. Somit konnte keinem der zulässigen Anträge stattgegeben werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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