European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2004:T031102.20040302 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 02 März 2004 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0311/02 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95116382.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | E06B 3/673 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zum Füllen der Randfuge von Isolierglasscheiben mit einer Versiegelungsmasse | ||||||||
Name des Anmelders: | Lenhardt Maschinenbau GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Glastechnische Industrie Peter Lisec Gesellschaft m.b.H. | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die von der Einsprechenden, nachfolgend Beschwerdeführerin, eingelegte Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung einer Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, zur Post gegeben am 26. Februar 2002, die deren Einspruch gegen das europäische Patent EP-B-0 716 208 zurückgewiesen hat.
Die Beschwerde wurde am 25. März 2002 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr eingelegt und am 25. Mai 2002 dahingehend begründet, daß der Gegenstand gemäß erteiltem Anspruch 1 aus der Kombination von D1 (DE-B-2 816 437) mit jeder der folgenden Entgegenhaltungen D2 bis D4 naheliegend ist:
D2: DE-A-4 009 441
D3: DE-A-4 009 436
D4: EP-B-0 391 884
II. Der erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Vorrichtung zum Füllen der Randfuge von Isolierglasscheiben mit einer Versiegelungsmasse, mit einem Waagerechtförderer (1,2), auf welchem die Isolierglasscheiben (7,15,16) hochkant stehend gefördert werden, mit einer Stützeinrichtung (5,6), an welche sich die auf dem Waagerechtförderer (1,2) stehenden Isolierglasscheiben (7,15,16) anlehnen, wobei der Waagerechtförderer (1,2) und die Stützeinrichtung (5,6) gemeinsam eine Scheibenlaufebene definieren und sowohl der Waagerechtförderer (1,2) als auch die Stützeinrichtung (5,6) zwei durch eine Lücke (9) getrennte Abschnitte aufweisen, mit zwei in der Lücke (9) angeordneten Düsen (10,11), von denen eine (10) längs einer Führung auf und ab verfahrbar sowie um eine zur Scheibenlaufebene senkrechte Achse drehbar ist und die andere (11) mit nach oben weisender Öffnung zwischen einer Arbeitsposition (Figur 1) in Höhe der Aufstellfläche (8) des Waagerechtförderers (1,2) und einer demgegenüber tiefer liegenden unwirksamen Position (Figur 2) verstellbar ist, und mit zwei Dosiereinrichtungen zum Zuführen der Versiegelungsmasse zu den beiden Düsen (10, 11), dadurch gekennzeichnet, daß die drehbare Düse (10) auch während ihrer Auf- und Abbewegung stufenlos drehbar und in beliebigen Drehwinkelstellungen festlegbar ist und daß die drehbare Düse (10) in die Arbeitsposition der anderen Düse (11) bringbar ist und der Waagerechtförderer (1,2) einen reversiblen Antrieb hat."
III. Nach einer Erwiderung des Patentinhabers, nachfolgend Beschwerdegegners, zu der Beschwerdebegründung und einer vorbereitenden Mitteilung der Kammer hat eine mündliche Verhandlung am 2. März 2004 stattgefunden, in der die Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegner im wesentlichen folgende Argumente vorgebracht haben:
a) Beschwerdeführerin:
Die von der ersten Instanz formulierte Aufgabe sei unvollständig, da nicht berücksichtigt worden sei, was das Streitpatent selbst im Einleitungsteil der Beschreibung geltend mache. Daraus ergebe sich, daß die der vorliegenden Erfindung zugrundeliegende Aufgabe darin zu sehen sei, eine Versiegelungsvorrichtung zu schaffen, die sowohl mit einer einzigen Düse als auch mit zwei Düsen arbeiten könne.
Aus D2 sei eine Versiegelungsvorrichtung sowohl mit einer einzigen Düse bekannt, als auch mit zwei Düsen. Die eine Düse sei während ihrer Auf- und Abbewegung stufenlos drehbar und in beliebigen Drehwinkelstellungen festlegbar, und der Waagerechtförderer habe einen reversiblen Antrieb. Wenn man Modellscheiben mit einer Vorrichtung nach D2, die zwei Düsen habe, mit nur einer Düse versiegeln wolle, also die andere Düse stillsetze, arbeite man so, wie dies in D2 beschrieben sei, nämlich derart, daß nur die stufenlos drehbare Düse die Isolierglasscheibe ringsum versiegele. Diese Arbeitsweise sei in Spalte 3, Zeile 1 des Streitpatents erläutert und als "wie gewohnt" bezeichnet. Bei dieser Arbeitsweise müsse die drehbare Düse die untere horizontale Randfuge der Isolierglasscheiben füllen, so daß sie zwangsläufig die Stellung einnehme, die für die andere, nicht verdrehbare Düse der Vorrichtung nach D1 (siehe Figur 3) vorgesehen sei, während diese andere Düse zwingend in ihre unwirksame Position verstellt werden müsse. Die Kombination von D1 und D2 führe somit zum Gegenstand des Anspruchs 1.
Auch die Lösung der Aufgabe, wie sie im Streitpatent gestellt ist, sei naheliegend: Schon der Figur 2 von D1 sei zu entnehmen, daß sich die nicht verdrehbare Düse in ihrer Ausgangslage befinden müsse, um Platz für die andere, verdrehbare Düse zu machen. Wenn dazu komme, daß der Fachmann aus D2 wisse, daß beim Versiegeln von Modellscheiben mit nur einer Düse, die stufenlos drehbar sei, diese Düse u. a. die untere Randfuge der Isolierglasscheibe füllen müsse, dann liege ihm nahe, diese Düse in die Position der nicht verdrehbaren Düse von D1 zu verstellen. Deshalb sei das wesentliche, nicht in D2 ausdrücklich offenbarte Merkmal des Anspruchs 1, wonach die drehbare Düse in die Arbeitsposition der anderen Düse bringbar ist, naheliegend.
b) Beschwerdegegner:
Die von der Beschwerdeführerin gestellte Aufgabe sei unzulässig, da sie einen Teil des Lösungsgedankens einschließe. Die Beschwerdeführerin verkenne bei ihren Argumenten, daß der wesentliche Aspekt der vorliegenden Erfindung gerade darin liege, daß man wahlweise im Eindüsenbetrieb oder im Zweidüsenbetrieb gearbeiten könne, wozu das zweite Merkmal des Kennzeichnungsteils des Anspruchs 1 von wesentlicher Bedeutung sei. Eine Vorrichtung mit zwei Düsen sei bereits aus D1 bekannt; dagegen empfehle D2 eine Vorrichtung mit einer einzigen Düse, selbst wenn sie einen sehr zurückhaltenden Hinweis auf eine andere Variante, nämlich eine Vorrichtung mit zwei Düsen, gebe. Bei einer Kombination der D1 mit der D2 gelange der Fachmann lediglich zu einer Vorrichtung, bei welcher die eine Düse stets zum Versiegeln des unteren Randes und die zweite Düse stets zum Versiegeln der oberen Randes bzw. der übrigen Ränder der Isolierglasscheibe eingesetzt werde. Für ein Umschalten zwischen einem Ein- und einem Zweidüsenbetrieb oder für einen Platztausch von zwei Düsen finde sich im Stand der Technik keine Anregung.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.
Der Beschwerdegegner beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Unstrittig stellt die Entgegenhaltung D1 den nächstliegenden Stand der Technik dar. Dort wird eine Vorrichtung zum automatischen Füllen der Randfugen von Zwei- oder Mehrfach- Isolierglasscheiben mit einer Versiegelungsmasse beschrieben. Diese bekannte Vorrichtung weist alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 auf. Jedoch können mit dieser bekannten Vorrichtung nur Isolierglasscheiben gefüllt werden, die eine rechteckige Form aufweisen, weil die drehbare Düse nur am Ende ihrer Auf- und Abbewegung, d. h. im Eckbereich der Scheiben, gedreht wird, und dies jeweils lediglich um 90°, so daß sie im Laufe eines Füllvorgangs nacheinander die Randfugen von drei der vier Kanten der rechteckigen Isolierglasscheibe füllt, nämlich zunächst die der vertikalen Vorderkante, dann die der horizontalen Oberkante und schließlich die der vertikalen Hinterkante. In ihrer Arbeitsposition dient die andere, nicht drehbare Fülldüse zum Füllen der Unterkante.
3. Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt gemäß dem Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 23 bis 27 der Erfindung die Aufgabe zugrunde, diese bekannte Vorrichtung im wesentlichen so zu ändern, daß sie eine Versiegelung sowohl von rechteckigen als auch nicht rechteckigen (auch "Modellscheiben" genannt) Isolierglasscheiben erlaubt.
Unstreitig wird diese Aufgabe durch die Unterscheidungsmerkmale des Anspruchs 1 gelöst, nämlich die drei Merkmale des Kennzeichnungsteils des Anspruchs 1. Mit der erfindungsgemäßen Vorrichtung ist es möglich, eine Isolierglasscheibe nach Belieben mit einer einzigen Fülldüse oder mit den beiden Fülldüsen zu versiegeln.
4. Die neue, von der Beschwerdeführerin formulierte Aufgabe ist unzulässig, weil sie eindeutig einen wesentlichen Aspekt der Lösung enthält (T 299/85, ABl. EPA 1987, 237 und T 99/85, ABl. EPA 1987, 413). Die Idee, eine Versiegelungsvorrichtung so auszubilden, daß sie sowohl mit einer einzigen Düse als auch mit zwei Düsen arbeiten kann, ist durch keine der genannten Entgegenhaltungen bekannt geworden und ist somit ein wesentlicher Teil der Erfindung.
Es folgt daraus auch , daß die erste Argumentationslinie der Beschwerdeführerin, die sich darauf stützt, daß der Fachmann Modellscheiben mit einer Vorrichtung nach D1, die zwei Düsen habe, mit nur einer Düse versiegeln wolle, ins Leere geht.
Außerdem muß bei der Ermittlung der Aufgabe nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern untersucht werden, was der Fachmann beim Vergleich des nächstliegenden Stands der Technik mit der Erfindung als Aufgabe erkennt (T 20/81, ABl. EPA 1982, 217; T 910/90; T 570/91). Die Beschwerdeführerin hat nicht bestritten, daß D1, und nicht die anderen, im Streitpatent erwähnten Entgegenhaltungen, den nächstkommenden Stand der Technik darstellt, so daß die technischen Ergebnisse der beanspruchten Erfindung gegenüber der aus D1 bekannten Vorrichtung zu berücksichtigen sind, und nicht eine a posteriori konzipierte Entwicklung gegenüber einer Zusammenstellung der aus den anderen Entgegenhaltungen bekannten Nachteile. Deshalb gibt es keinen Grund, von der im Streitpatent angegebenen Aufgabe abzuweichen.
5. Die von der Beschwerdeführerin zitierten Patentschriften D2 bis D4, die auch im Streitpatent erwähnt sind, haben fast denselben Anmeldetag und sind von demselben Inhaber bzw. Anmelder, der auch der genannte Erfinder ist; sie beschreiben dieselbe Vorrichtung zum Füllen von Randfugen von Isolierglasscheiben mit Versiegelungsmasse, wobei die Isolierglasscheiben sowohl rechteckig als auch nicht rechteckig sein können, z. B. runde Randabschnitte aufweisen können. Im folgenden wird daher nur auf die D2 eingegangen.
6. Die in D2 offenbarte Vorrichtung unterscheidet sich von der aus D1 bekannten Vorrichtung hauptsächlich durch die Bewegungsfähigkeit der Fülldüse(n) und durch den reversiblen Antrieb des Waagerechtförderers.
Bevorzugt wird aber die Verwendung einer einzigen Fülldüse für das Versiegeln von Isolierglasscheiben mit beliebig ausgebildeter Umrißform, zum Beispiel rechteckige, dreieckige oder gerundete Scheiben. Die gesteuerte Fülldüse kann stufenlos um 360° verdreht werden und ist an einem ebenfalls gesteuerten, auf und ab verschiebbaren Schlitten so angesetzt, daß sie stets der Randfuge zugekehrt ist und der gesamten Kontur der Isolierglasscheibe folgen kann.
Ein Vorbild für das erste sowie das letzte Kennzeichnungsmerkmal des Anspruchs 1 ist deshalb in dieser Patentschrift gegeben, jedoch würde der Fachmann aufgrund der Lehre dieser aus D2 bekannten Ausführungsform die Vorrichtung nach D1 so ändern, daß sie nur eine einzige Düse aufweist.
7. Ein kurzer Hinweis auf eine mögliche, aber nicht bevorzugte Verwendung von zwei oder mehreren Düsen ist auch in D2 gegeben, jedoch wird offenbart, daß in diesem Fall die Düsen gleichzeitig an verschiedenen Stellen der Randfuge der Isolierglasscheibe tätig sind. Mit diesem Hinweis wird der Fachmann nicht dazu angeregt, eine einzige Fülldüse zu benützen, wenn die Vorrichtung zum Versiegeln zwei oder mehrere Fülldüsen aufweist, wie dies bei der Vorrichtung nach D1 der Fall ist.
8. Er wird auch nicht angeregt, die beiden Düsen so anzuordnen, daß eine drehbare Düse in die Arbeitsposition der anderen bringbar ist (zweites Unterscheidungsmerkmal des Anspruchs 1). Die Beschwerdeführerin hat ausgeführt, daß Figur 2 von D1 bereits eine Anregung dazu liefere, weil dort die nicht drehbare, nur für die Unterkante der Isolierglasscheibe vorgesehene Düse Platz für die andere , drehbare Düse unterhalb der Isolierglasscheibe lasse, so daß eine Kombination der aus D2 bekannten, mit einer einzigen Düse bevorzugten Arbeitsweise mit dieser von D1 gegebenen Anregung zu diesem entscheidenden Merkmal des Anspruchs 1 führe.
Der D1 ist jedoch keinerlei Hinweis zu entnehmen, daß, wenn sich die nicht drehbare Düse in ihrer Ausgangslage unterhalb der Isolierglasscheibe befindet, es in diesem Bereich für die verdrehbaren Düse genügend Platz besteht, zumal die Figur 2 von D1 selbst dafür einen nicht ausreichenden Abstand zwischen der Unterkante der Isolierglasscheibe und der nicht drehbaren Düse in ihrer Ausgangslage zeigt. Die von der Beschwerdeführerin gegebene Auslegung der Figur 2 von D1 ist somit als das Ergebnis einer rückschauenden Betrachtungsweise zu sehen, welches für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unzulässig ist.
Im vorgelegten Stand der Technik ist somit kein Vorbild für das zweite kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 des Streitpatents.
9. D2 offenbart nur zwei Ausführungsformen, die eine mit einer einzigen Fülldüse, die andere mit zwei oder mehr. Eine Anregung, diese beiden Ausführungsformen miteinander zu kombinieren, ergibt sich nicht aus diesem Dokument. Der Erfindungsgedanke, die Vorteile des Eindüsenkonzeptes für Modellscheiben nach D2 mit den Vorteilen des in D1 offenbarten Zweidüsenkonzeptes für rechteckige Isolierglasscheiben zu verbinden, ist somit nicht naheliegend. Die Druckschriften D2 bis D4 sind auf eine anderes Konzept als jenes des Anspruchs 1 gerichtet.
10. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ. Mit dem Rechtbestand dieses Anspruchs ist auch der Rechtbestand der abhängigen Ansprüche 2 und 3 gegeben, die besondere Ausführungsformen des Gegenstands nach Anspruch 1 betreffen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.