T 1002/00 (Neutrales Reinigungsmittel/SASOL) of 6.3.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T100200.20030306
Datum der Entscheidung: 06 März 2003
Aktenzeichen: T 1002/00
Anmeldenummer: 90123936.8
IPC-Klasse: C11D 1/66
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Flüssiges, schäumendes Reinigungsmittel
Name des Anmelders: SASOL Germany GmbH
Name des Einsprechenden: KPSS-Kao Professional Salon Services GmbH
Henkel Kommanditgesellschaft auf Aktien
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Unzulässige Änderung der Patentansprüche (Hauptantrag und Hilfsanträge 2 bis 5) - ja: Aufnahme eines Merkmals aus den Beispielen - Unzulässige Verallgemeinerung
Zulässigkeit von neuen Hilfsanträgen eingereicht per Fax einen Tag vor der mündlichen Verhandlung - nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0201/83
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0066/04

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung das europäische Patent Nr. 0. 444 267, betreffend ein flüssiges, schäumendes Reinigungsmittel, zu widerrufen.

Gegenstand der angefochtenen Entscheidung waren die 9. Patentansprüche in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag sowie geänderte Patentansprüche gemäß der Hilfsanträge 1 bis 5.

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hatte den folgenden Wortlaut:

"1. Neutrales, flüssiges, schäumendes Reinigungsmittel, bestehend aus 3 bis 40 Gewichtsprozent Alkylpolyglycosid, 0 bis 30 Gewichtsprozent Lösemittel, 0. bis 10 Gewichtsprozent wasserlöslichem Elektrolyt, 0 bis 3 Gewichtsprozent Additiven und Wasser ad 100 Gewichtsprozent, wobei das Alkylpolyglycosid der Formel I

R-O-Zn I

entspricht, in der R einen gesättigten oder ungesättigten, verzweigten oder unverzweigten Alkylrest mit 12 bis 18 Kohlenstoffatomen und Zn ein Polyglycosylradikal mit n = 1 bis 2 Hexose- oder Pentoseeinheiten oder Mischungen bezeichnet und wobei als Lösemittel Ethanol, i-Propanol oder Propylenglykol-1,2 und als Additive übliche Farbstoffe, Parfümöle, Alkanolamine, Hydrotropica, Harnstoff, sowie zur Einstellung der Viskosität wasserlösliche Polymere verwendet werden."

Dieser Anspruch unterschied sich vom Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Anmeldung unter anderem insofern, als das beanspruchte flüssige Reinigungsmittel "neutral" ist.

II. In zwei Einspruchschriftsätzen war der Widerruf des Patents in vollem Umfang im Hinblick unter anderem auf Artikel 100 c) EPÜ beantragt worden.

III. In ihrer Entscheidung befand die Einspruchsabteilung, daß der Anspruch 1 aller eingereichten Anträge die Erfordernisse des Artikels 123 (2) nicht erfülle, wobei die folgenden von der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) im Einspruchsverfahren genannten Dokumente berücksichtigt wurden:

(18): "Liquid Detergents" vom Kuo-Yann Lai, Marcel Dekker Inc. S. 216;

(26): Römpp Chemie-Lexikon, 9. Auflage, 1990, S. 2979, Stichwort "Neutralreiniger".

Insbesondere stellte die Einspruchsabteilung fest, daß das in den Anspruch 1 aufgenommene Wort "neutrales" nicht einen pH-Wert von exakt 7 darstelle und ein Fachmann darunter einen weiten pH-Wertebereich von 5 bis 9,5 verstehen werde, wie den Dokumenten (18) und (26) zu entnehmen sei. Dieser pH-Wertebereich sei jedoch von den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen nicht gestützt.

Außerdem, seien die in den Tabellen des Streitpatentes in Zusammenhang mit den getesteten erfindungsgemäßen Zubereitungen angegebenen pH-Werten mit den anderen Merkmalen dieser Formulierungen, z. B. mit dem Typ und der Menge der verwendeten Alkylpolyglycoside (im folgenden APG genannt) und Elektrolyte, eng verbunden. Daher stellen diese pH-Werte keine Offenbarung eines erfindungsgemäß anwendbaren pH-Wertebereiches dar. Ihre Aufnahme in den Wortlaut des Anspruchs 1 verletze daher Artikel 123 (2) EPÜ.

IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein und reichte mit der Beschwerdebegründung vier geänderten Anspruchsätze ein: ein Hauptantrag mit 7. Patentansprüchen und drei Hilfsanträgen mit jeweils 4. Patentansprüchen.

Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 insofern als das "neutrale" Reinigungsmittel einen pH-Wert von 6 bis 7,8 besitzt und das Verhältnis APG zu Lösemittel, sowie das Verhältnis Lösemittel zu Elektrolyt, 1:1 bis 8:1 betragen.

Der Anspruch 1 gemäß erstem Hilfsantrag unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag insofern als die Untergrenze des Konzentrationsbereiches für APG und Lösemittel jeweils 5% beträgt.

Der Anspruch 1 gemäß zweitem Hilfsantrag unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag insofern als R in Formel I einen Fettalkylrest mit 12 bis 16 Kohlenstoffatomen darstellt und n in Formel I 1,1 bis 2. statt 1 bis 2 Hexose- und/oder Pentoseeinheiten darstellt.

Der Anspruch 1 gemäß drittem Hilfsantrag unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß zweitem Hilfsantrag insofern als die Untergrenze des Konzentrationsbereiches für APG 5% beträgt und die Obergrenze des pH-Wertebereiches 7 ist.

Mit einem Fax vom 5. März 2003 reichte die Beschwerdeführerin ohne jegliche Begründung einen neuen Hauptantrag mit 4 Patentansprüchen und neue Hilfsanträge 1. bis 7 ein.

Dieser Hauptantrag unterscheidet sich von dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrag nur insofern als er die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 des früheren Hauptantrags nicht mehr enthalten sind.

V. In der am 6. März 2003 abgehaltenen mündlichen Verhandlung wurde die Originalschrift des mit dem Fax vom 5. März 2003 eingereichten Hauptantrags eingereicht.

Nachdem die Kammer in der mündlichen Verhandlung die Einführung der mit dem Fax vom 5. März 2003 eingereichten neuen Hilfsanträgen 1 bis 7 abgelehnt hatte, hielt die Beschwerdeführerin die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträgen 1 bis 3 aufrecht.

Im Laufe der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin jedoch den ersten Hilfsantrag zurückgezogen und die neuen Hilfsanträge 4 und 5 eingereicht.

Der Anspruch 1 gemäß viertem Hilfsantrag unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß drittem Hilfsantrag insofern als der pH-Wert des beanspruchten "neutralen" Reinigungsmittels im Bereich vom 6,3 bis 7,8 liegen muß und der Wert 0 nicht mehr als Untergrenze für die Konzentrationen an Lösemittel und Elektrolyten enthalten ist.

Der Anspruch 1 gemäß fünftem Hilfsantrag unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß viertem Hilfsantrag insofern als der pH-Wertebereich des beanspruchten "neutralen" Mittels nicht spezifiziert wird.

VI. Die von der Beschwerdeführerin sowohl mündlich als auch schriftlich vertretene Auffassung läßt sich wie folgt zusammenfassen:

- die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen weisen darauf hin, daß moderne Mittel für die manuelle Reinigung im Haushaltsbereich im neutralen Bereich einzustellen sind und daß die erfindungsgemäßen Reinigungsmittel hautfreundlich sein müssen;

- daher sei ein "neutrales" Reinigungsmittel von der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen des Streitpatents gestützt;

- außerdem, stellen die in den Beispielen der Tabellen 3a, 3b und 4 offenbarten pH-Werten eine allgemeine Offenbarung des anwendbaren neutralen pH-Wertebereiches dar.

VII. Die Beschwerdegegnerinnen haben unter anderem vorgetragen, daß

- weder ein "neutrales" Reinigungsmittel, noch einer spezifischer pH-Wertebereich von der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen des Streitpatentes gestützt seien;

- die Hautfreundlichkeit des erfindungsgemäßen Reinigungsmittels durch die Verwendung spezifischer Tensidkomponente und nicht durch die Auswahl besonderer pH-Werte erzielt werde;

- die erwähnte Hautfreundlichkeit nicht zwangsläufig eine "neutrale" Einstellung des Reinigungsmittels erfordere; ganz im Gegenteil, könnten die erfindungsgemäßen Zubereitungen nach der ursprünglichen Beschreibung sowohl saure als auch basische Additive enthalten;

- die Tabellen 3a und 3b beziehen sich auf nicht erfindungsgemäße Zubereitungen, da sie kein Lösemittel und Mengen an APG weit unterhalb von 1. Gew.% enthalten;

- die in der Tabelle 4 angegebenen pH-Werten hängen von den in der jeweiligen Zubereitung benutzten Tensiden und Elektrolyten ab;

- die in den Tabellen 3a, 3b und 4 angegebenen pH-Werte seien daher nur für die entsprechenden konkreten Zubereitungen gültig und könnten daher nicht verallgemeinert und zur Definition eines erfindungsgemäß allgemein anwendbaren pH-Wertebereiches herangezogen werden.

VIII. Die Beschwerdeführerin beantragt die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent im Umfang der Patentansprüchen gemäß Hauptantrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung oder gemäß der Hilfsanträge 2 und 3, beide eingereicht am 1. Dezember 2002, oder gemäß der Hilfsanträge 4 und 5, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung, aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerinnen beantragen die Beschwerde zurückzuweisen.

IX. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag

1.1. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 unter anderem insofern als das "neutrale" Reinigungsmittel einen pH-Wert von 6 bis 7,8 besitzt.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin finde der pH-Wertebereich von 6 bis 7,8 Stützung in den pH-Werten der Tabellen 3a, 3b und 4 der ursprünglichen Beschreibung (siehe Punkt V oben).

1.2. In den Tabellen 3a und 3b wird durch einen sogenannten Minitellertest die Reinigungswirkung der erfindungsgemäßen APG mit der von Markenprodukten verglichen, wobei den Überschriften dieser Tabelle zufolge Wasser einer bestimmten Wasserhärte verwendet und der pH-Wert im Bereich von 6 bis 7 eingestellt wurde (siehe Seite 7, Zeilen 29 zu 33 sowie Seite 9, Zeilen 17 bis 18 und Seite 20, Zeilen 2 bis 3).

In diesen Versuchen werden die einzelnen APG in Abwesenheit der anderen wesentlichen Komponenten des beanspruchten Reinigungsmittels, d. h. Lösemittel und Elektrolyt, getestet.

Die Kammer schließt daraus, daß der in den Überschriften dieser Tabellen angegebene pH-Wertebereich von 6 bis 7 nicht als repräsentativ für das beanspruchte Reinigungsmittel angesehen werden kann. Zudem ist die Kammer der Auffassung, daß der dort angegebene pH-Wertebereich (der zusammen mit dem Wasserhärtegrad genannt wird), sich nicht auf die getesteten Tenside oder Produkte, sondern auf die jeweiligen Spülflotten bezieht. Der pH-Wert der Spülflotte unterscheidet sich aber, wegen der erfolgten starken Verdünnung auf 0,075 g/l, notwendigerweise vom ursprünglichen pH-Wert des getesteten Produktes.

1.3. Daher ist die Untergrenze 6 für das beanspruchte pH-Wertebereichs nicht von den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen des Streitpatentes gestützt.

Anspruch 1 entspricht daher nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ und dieser Antrag muß bereits aus diesem Grund zurückgewiesen werden ohne daß erforderlich ist, die anderen von den Beschwerdegegnerinnen erhobenen Einwände zu behandeln.

2. Hilfsanträge 2 und 3

Da der jeweilige Anspruch 1 dieser Anträge sich ebenfalls auf "neutrale" Reinigungsmittel mit einer Untergrenze des pH-Wertebereiches von 6 bezieht (siehe Punkt V oben), sind diese Anträgen aus den gleichen Gründen wie der Hauptantrag zurückzuweisen (siehe Punkte 1.2. und 1.3 oben).

3. Hilfsantrag 4

3.1. Anspruch 1 gemäß viertem Hilfsantrag unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag unter anderem insofern als der pH-Wertebereich des "neutralen" Reinigungsmittels 6,3 bis 7,8 beträgt.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin findet der pH-Wertebereich von 6,3 bis 7,8 Stützung in den pH-Werten der Tabelle 4 der ursprünglichen Beschreibung (siehe Punkt V. oben).

3.2. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, entspricht eine Änderung durch Aufnahme eines Merkmals aus einem Beispiel, z. B. eines Zahlenwerts, in einen Anspruch den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ, wenn der Fachmann erkennen kann, daß dieser Wert mit den übrigen Merkmalen des Beispiels nicht so eng verbunden ist, daß er die Wirkung dieser erfindungsgemäßen Ausführungsform bestimmt (T 0201/83, ABl. EPA 1984, 481, Punkt 12 der Entscheidungsgründe).

Tabelle 4 des Streitpatents (und seiner ursprünglichen Unterlagen) enthält eine Reihe von Zubereitungen (a), (b), (c), (d), (e), (f) und (g), deren pH-Werte zwischen 6,3 (Zubereitung d) und 7,8 (Zubereitung g) liegen.

In den Zubereitungen (a), (b), (c) und (d) wurde als Tensid das APG C12C14G1.2 verwendet und in den Zubereitungen (e), (f) und (g) das APG C12C13G1.1. Alle anderen Merkmale der Zubereitungen (b) bis (g) entsprechen jenen der im Anspruch 1 beanspruchten Reinigungsmittel.

3.3. Der pH-Wert der getesteten Zubereitungen der Tabelle 4 wird nicht nachträglich durch den Zusatz einer Säure oder einer Base eingestellt, sondern ergibt sich zwangsläufig auf Grund der jeweils benutzten Komponenten des Reinigungsmittels.

Z. B. enthalten die Zubereitungen (d) und (e) jeweils gleiche Mengen APG, i-Propanol und NaCl. Sie unterscheiden sich lediglich in der chemischen Natur des jeweils eingesetzten APG. So enthält Zubereitung (d) ein APG der Bezeichnung C12C14G1.2 ,und Zubereitung (e) eines der Bezeichnung C12C13G1.1. Dennoch weisen diese Zubereitungen sehr unterschiedliche pH-Werte auf. Die Formulierung (d) hat einen pH-Wert von 6,3 während die Formulierung (e) einen pH-Wert von 7,5 aufweist.

Daraus ergibt sich, daß der pH-Wert dieser Zubereitungen von den ihre Zusammensetzung bestimmenden Parametern nicht unabhängig ist, sondern von der Art des verwendeten APG abhängt.

Da die in Tabelle 4 angegebenen pH-Werte sehr eng mit dem eingesetzten Tensid und der spezifischen Zubereitung verbunden und von diesen nicht unabhängig sind, können sie nicht verallgemeinert und zur Definition des in Anspruch 1 genannten pH-Wertebereiches herangezogen werden.

Daher entspricht der Anspruch 1 nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ und dieser Antrag ist zurückzuweisen.

4. Hilfsantrag 5

4.1. Der Anspruch 1 gemäß fünftem Hilfsantrag unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß viertem Hilfsantrag insofern als der pH-Wertebereich des beanspruchten "neutralen" Mittels nicht spezifiziert wird.

Daher enthält die erste Zeile dieses Anspruchs, wie im erteilten Anspruch 1, den Wortlaut "Neutrales, flüssiges, schäumendes Reinigungsmittel...".

Es bleibt daher zu entscheiden, ob im vorliegenden Fall die Aufnahme in den Anspruch des Wortes "neutrales" den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ entspricht.

4.2. Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, daß das Wort "neutrales" keinen genauen pH-Wert, sondern einen breiten Bereich um den Wert 7 bezeichne, welcher z. B. Werte von 5 bis 9,5 umfassen könne, wie den Dokumenten (18) und (26) zu entnehmen und in der Entscheidung der ersten Instanz (Punkt 2.1, Seite 5, erster Absatz, der Entscheidungsgründe) auch anerkannt worden sei.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin lehre die Beschreibung, daß das erfindungsgemäße Reinigungsmittel im neutralen Bereich einzustellen sei. Dieses Merkmal werde z. B. ausdrücklich auf Seite 1, Zeile 8 der ursprünglichen Unterlagen erwähnt und von den Beispielen gestützt. Außerdem sei die Aufgabe des Streitpatentes ein hautfreundliches Reinigungsmittel zur Verfügung zu stellen (Seite 1, Zeilen 18 bis 20, Seite 2, Zeilen 7 bis 10 und 17 bis 20, Seite 5, Zeilen 33 und 34), welche technische Aufgabe einen weiteren Hinweis darstelle, das beanspruchte Mittel neutral einzustellen.

4.3. Die Kammer stimmt zu, daß der praktisch tätige Fachmann, an den sich das Streitpatent wendet, das Wort "neutral" im vorliegenden Fall nicht als Bezeichnung eines pH-Werts von exakt 7 auffassen würde, sondern als technisch realistischen Bereich um den Wert 7, der je nach technischem Einsatzgebiet unterschiedlich breit sein kann (und daher unter Umständen auch einen Bereich von 5 bis 9,5).

Die einzige Stelle in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen, an der das Wort "neutral" vorkommt, befindet sich in einem Satz auf Seite 1 (Zeilen 8 und 9), welcher Satz wie folgt lautet:

"Moderne Produkte bestehen hier aus neutral eingestellten wäßrigen Formulierungen auf der Basis stark schäumenden Tenside." (Seite 1, Zeilen 8 und 9).

Dieser Satz ist in Zusammenhang mit der vorhergehenden Einleitung:

"Die Erfindung betrifft ein umweltverträgliches, flüssiges Reinigungsmittel. Flüssige, schäumende Reinigungsmittel zielen auf die manuelle Reinigung harter Oberflächen insbesondere im Haushalt...Das bedeutendste Anwendungsgebiet sind manuelle Spülmittel für die Reinigung von Geschirr." (Seite 1, Zeilen 1 bis 6),

zu lesen.

Aus dem Zusammenhang, in den also die "Moderne Produkte" gestellt werden, ergibt sich zwingend, daß sich die Eigenschaft "neutral" auf den unmittelbar vorhergehenden Satz und daher auf manuelle Spülmittel für die Reinigung von Geschirr bezieht.

Daher kann die Kammer der Auffassung der Beschwerdeführerin, der Hinweis auf den Zeilen 8 und 9 sei auf die Gesamtheit der vom Anspruch 1 umfaßten Reinigungsmittel zu beziehen, nicht zustimmen.

Daraus folgt, daß die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen des Streitpatents keine ausdrückliche allgemeine Offenbarung von erfindungsgemäß "neutralen" Reinigungsmitteln enthalten, da auch die in den Beispielen angegebenen pH-Werte nicht als allgemeine Offenbarung des erfindungsgemäß anwendbaren pH-Wertebereichs angesehen werden können (siehe Punkt 3.3. oben).

Dieses Ergebnis wird von weiteren Ausführungen in der ursprünglichen Beschreibung bestätigt, wonach saure Additive wie Zitronensäure oder alkalische Additive wie Alkanolamin in den erfindungsgemäßen Zubereitungen verwendet werden können (Seite 6, Zeilen 25 und 34). Die ursprüngliche Offenbarung der Erfindung umfaßt daher sowohl saure als auch alkalische Reinigungsmittel.

Schließlich, kann auch die erwünschte Hautfreundlichkeit der erfindungsgemäßen Reinigungsmittel nicht die Aufnahme des Merkmals "neutral" in den Anspruch 1 stützen, da sie durch die Verwendung des APG als alleiniges Tensid und nicht durch die Einstellung des pH-Werts erreicht wird (siehe Seite 2, Zeilen 7 bis 10 und 22 bis 23 und Seite 5, Zeilen 21 bis 23 und 29 bis 34). Nach der Lehre der ursprünglichen Beschreibung ist daher ein erfindungsgemäßes hautfreundliches Reinigungsmittel nicht zwangsläufig "neutral".

Außerdem ist von den Beschwerdegegnerinnen bestritten worden, daß ein hautfreundliches, flüssiges, schäumendes Reinigungsmittel zwangsläufig "neutral" sein müsse wie von der Beschwerdeführerin behauptet wurde. Einen Beweis für ihre Behauptung hat die Beschwerdeführerin nicht vorgelegt; sie kann daher von der Kammer nicht berücksichtigt werden.

4.4. Da der Anspruch 1 aus diesen Gründen nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ entspricht, ist dieser Antrag zurückzuweisen.

5. Verfahrensfragen

5.1. Eine Patentinhaberin ist verpflichtet nach dem Grundsatz des ordnungsgemäßen Verfahrens Änderungen zu den Patentunterlagen und insbesondere Hilfsanträge so frühzeitig wie möglich einzureichen. Nicht rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung eingereichte Änderungen können daher von der Kammer unberücksichtigt bleiben (siehe Hinweise für die Parteien und ihre Vertreter im Beschwerdeverfahren, ABl. EPA 1996, 342, Punkt 3.3, wobei als Beispiel eine Zeit von 4 Wochen vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich genannt wird).

5.2. Bei der Ausübung ihres diesbezüglichen Ermessens wird die Kammer insbesondere Zweck und Sachdienlichkeit der vorgeschlagenen Änderungen überprüfen. Sie wird auch den Grund der Verspätung und allfällige Gründe für deren Rechfertigung sowie verfahrensökonomische Gesichtspunkte berücksichtigen. Es ist aber weder Aufgabe der Kammer noch der Gegenpartei Vermutungen darüber anzustellen, welche Einwände die Patentinhaberin mit den eingereichten Änderungen möglicherweise zu begegnen beabsichtigt und dann gegebenenfalls Gründe zu suchen, die für die Sachdienlichkeit dieser Änderungen sprechen könnten. Vielmehr ist es Aufgabe der Patentinhaberin Anlaß und Zweck der Änderungen eingehend zu erläutern.

5.3. Da die Beschwerdeführerin dieser Aufgabe im vorliegenden Fall nicht entsprochen hat, waren die von ihr einen Tag vor der mündlichen Verhandlung ohne jegliche Begründung per Fax eingereichten 7 neue Hilfsanträge (siehe Punkt IV oben) von der Kammer in Ausübung ihres Ermessens nicht zuzulassen.

5.4. Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung einen neuen Hauptantrag und Hilfsanträge 4 und 5 eingereicht (siehe Punkte IV und V oben). Diese Anträge wurden von der Kammer zugelassen, da hier die erforderlichen Informationen von der Beschwerdeführerin gegeben wurden und sie in verfahrensökonomisch vertretbarer Weise diskutiert werden konnten.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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