R 0020/09 (Schwerwiegender Verstoß gegen Art. 113 (1) EPÜ, sonstiger … of 7.9.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:R002009.20100907
Datum der Entscheidung: 07 September 2010
Aktenzeichen: R 0020/09
Antrag auf Überprüfung von: T 2351/08
Anmeldenummer: 99913314.3
IPC-Klasse: A61K 38/17
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verwendung von Hsp70 Protein
Name des Anmelders: Multhoff, Gabriele Prof. Dr.
Name des Einsprechenden: Dr. Kübler GmbH
Kammer: EBA
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 112a
European Patent Convention Art 113
European Patent Convention R 102
European Patent Convention R 104
European Patent Convention R 106
European Patent Convention R 109
European Patent Convention R 116
European Patent Convention R 125
Schlagwörter: Antrag auf Überprüfung - offensichtlich unbegründet
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
R 0003/17
R 0004/20
T 2023/09

Sachverhalt und Anträge

I. Der von der Antragstellerin (Einsprechende und Beschwerdeführerin) am 25. November 2009 und am 9. April 2010 eingereichte Antrag gemäß Art. 112a EPÜ, richtet sich gegen die in der mündlichen Verhandlung am 8. September 2009 verkündete Entscheidung der Beschwerdekammer 3.3.04 im Verfahren T 2351/08, mit welcher die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen wurde.

II. Die für die Entscheidung über den vorliegenden Antrag auf Überprüfung relevanten Vorgänge und Fakten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

i) Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung, welches darüber hinaus nur Angaben zu den für die Beteiligten erschienenen Personen, die übliche Kurzdarstellung des Verlaufes der Verhandlung und eine Erklärung hinsichtlich eines während dieser benutzten Tonaufnahmegerätes enthält,

- beantragte die Beschwerdegegnerin, nunmehr Antragsgegnerin, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen bzw. zurückzuweisen und bestimmte Passagen in der Beschwerdebegründungsschrift sowie drei Dokumente von der Akteneinsicht auszunehmen;

- beantragte die Beschwerdeführerin, nunmehr Antragstellerin, neben dem Widerruf des Patents den Antrag auf Ausnahme von der Akteneinsicht zurückzuweisen und in das Protokoll einen von ihren beiden Vertretern vorgelegten und unterzeichneten "Annex A" mit folgendem Text aufzunehmen:

"…. stellen wir namens und im Auftrag der Beschwerdeführerin Dr. Kübler GmbH, wie mündlich in der Sitzung gestellt, folgende Anträge:

1) Es soll folgender Vorgang der heutigen Verhandlung vor der Beschwerdekammer protokolliert werden:

Der Vertreter der Patentinhaberin erklärt, dass das Verfahren von der Patentinhaberin so, wie von ihr in der vorgelegten Publikation beschrieben, an der Universitätsklinik Regensburg mittels Apherese zur Gewinnung der NK-Zellen ausgeführt wird.

2) Es sollen auch die mit Schriftsatz vom 07.09.2009 der Rechtsanwälte Dr. Beckstein & Kollegen vorgelegten Unterlagen E8 - E12 im Beschwerdeverfahren inhaltlich berücksichtigt werden.

Für den Fall der Zurückweisung des Antrags 2) rügen wir, wie schon in der mündlichen Verhandlung geschehen, die Verletzung rechtlichen Gehörs bzw. des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs in Gestalt eines schwerwiegenden Verstoßes gegen Art 113 EPÜ (Art. 112a Abs. 2 c EPÜ)."

- kündigte die Beschwerdeführerin, nunmehr Antragstellerin an, "gegebenenfalls einen Antrag auf Überprüfung nach Artikel 112a EPÜ einzureichen";

- wurde die Entscheidung der Kammer verkündet, dass die zulässige Beschwerde zurückgewiesen und dem Antrag auf Ausnahme von der Akteneinsicht stattgegeben wird.

ii) Am 25. November 2009 reichte die Beschwerdeführerin - wie sie ausführte "vorsorglich", da ihr bisher lediglich das Verhandlungsprotokoll vorlag - unter Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr einen ausdrücklich auf Art. 112a (2) c) und d) EPÜ gestützten Antrag ein, "die Beschwerdeentscheidung aufzuheben und das Verfahren vor der zuständigen Beschwerdekammer wieder zu eröffnen und die Mitglieder der Beschwerdekammer, die an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt haben, zu ersetzen". Sie begründete diesen Antrag mit den unter Punkt 3.1, unten, dargestellten Argumenten.

iii) Am 22. Februar 2010 ging der Antragstellerin die schriftliche Entscheidung mit den Entscheidungsgründen zu.

iv) Am 9. April 2010 reichte die Beschwerdeführerin - diesmal "rein vorsorglich" und unter nochmaliger Zahlung einer Antragsgebühr - neuerlich einen ausdrücklich auf Art. 112a (2) c) und d) EPÜ gestützten Antrag ein und beantragte wie oben unter Punkt II. ii). Sie begründete diesen wie unter Punkt 3.4. unten, zusammengefasst. Sie bezog sich auf den bereits gestellten Antrag auf Überprüfung und regte die Verbindung beider Anträge an. Daraufhin wurde nach Rücksprache mit dem rechtsanwaltlichen Vertreter der Antragstellerin die ursprünglich gezahlte Antragsgebühr zurückgezahlt.

III. Mit am 29. April 2010 eingegangenen Schriftsatz wurden von der Antragstellerin zur Stützung ihres Antrags weitere Argumente vorgebracht und umfangreiche Unterlagen eingereicht.

IV. Ein Teil letzterer wurde mit Beschluss vom 10. Mai 2010 von Amts wegen von der Akteneinsicht ausgenommen (Regel 144 d) EPÜ), bzw. als bereits durch Entscheidung der Beschwerdekammer hinsichtlich bestimmter Passagen von der Akteneinsicht ausgenommen festgestellt.

Am 2. Juni 2010 beantragte die Antragsgegnerin, bestimmte Passagen aus den Schriftsätzen der Antragstellerin vom 25. November 2009 (Punkt II. ii), oben) und vom 9. April 2010 (Punkt III, oben) sowie eine Anzahl von ihr eingereichte Dokumente von der Akteneinsicht auszunehmen, wogegen sich die Antragstellerin mit ihrer am 10. Juni 2010 eingegangenen Eingabe wandte. Hierüber wurde mit gesondertem Beschluss vom 6. September 2010 entschieden.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit

1.2 Es wurden zwar vor Ablauf der in Art. 112a (4) EPÜ bestimmten Frist zwei jeweils als eigener Antrag auf Überprüfung nach Art. 112a EPÜ bezeichnete Antragsunterlagen eingereicht und jeweils eine volle Antragsgebühr gezahlt. Dennoch war nur ein solcher Antrag beabsichtigt, was nicht nur aus dem Inhalt der beiden Schriftsätze hervorgeht, sondern auch aus dem Umstand, dass der Vertreter der Antragstellerin nach Rücksprache mit ihm die Rückzahlung einer der beiden entrichteten Antragsgebühren angenommen hat.

Der Stellung eines Antrags auf Überprüfung schon vor Zustellung der in der mündlichen Verhandlung verkündeten Entscheidung steht weder der Wortlaut des Art. 112a (4) EPÜ ("innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Beschwerdekammerentscheidung zu stellen"), noch der offenbare Regelungszweck dieser Vorschrift, nämlich die Bestimmung eines spätestmöglichen Zeitpunkts für die Einreichung eines solchen Antrags, entgegen. Dass beide Schriftsätze (mit gleichlautendem Antrag, aber unterschiedlicher Begründung) jeweils "vorsorglich" bzw. "rein vorsorglich" eingelegt wurden, ist zwar unüblich, aber unschädlich, da es für die Zulässigkeit nicht auf die subjektiven Motive der Antragstellerin ankommt, sondern darauf, ob - woran im vorliegenden Fall kein Zweifel besteht - ernsthaft die Aufhebung der betreffenden Beschwerdekammerentscheidung angestrebt ist (und die objektiven Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind - siehe unten).

Da auch die weitere Begründung vor Ablauf der Frist für die Einreichung des Antrags auf Überprüfung eingereicht wurde, ist sie Teil der "Grundlage des Antrags" i. S. von Art. 112a (4) EPÜ (vergl. Art. 12 (1) der Verfahrensordnung der Grossen Beschwerdekammer). Insgesamt ist also von einem einheitlichen, in zwei Schritten begründeten Überprüfungsantrag auszugehen.

1.3 Der Antrag stützt sich ausdrücklich auf Art. 112a (2) c) und d) EPÜ und wurde in beiden Teilen vor Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung der am 19. Februar 2010 zur Post gegebenen und damit als am 1. März 2010 als zugestellt geltenden, schriftlichen Entscheidung der Beschwerdekammer eingereicht. Dasselbe gilt für die Zahlung der Beschwerdegebühr(en). Damit entspricht die Beschwerde Art. 112a (4) EPÜ.

1.4 Ob und welche konkrete Rügepflicht nach Regel 106 EPÜ bestand und ob und inwieweit sie ggf. erfüllt wurde kann angesichts der jedenfalls gegebenen offensichtlichen Unbegründetheit des Antrags (siehe ab Punkt 3, unten) dahingestellt bleiben.

2. Grundlagen für die Entscheidung über den Antrag

Gemäß Regel 109 (3) EPÜ entscheidet die Grosse Beschwerdekammer in der hier gegebenen Besetzung nach Absatz 2 a) dieser Bestimmung auf Grundlage des Antrags. Besondere Gründe, neues Vorbringen nach Ablauf der Frist für die Einreichung des Überprüfungsantrages zu berücksichtigen (Artikel 12 der Verfahrensordnung der Grossen Beschwerdekammer) sind weder vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich. Somit sind der Inhalt der nach Ablauf der Antragsfrist eingereichten Schriftsätze und diesen beigefügte Dokumente, hier der Schriftsatz Antragsstellerin vom 29. April 2010 samt Anlagen (Punkt III, oben), für die Entscheidung durch diese Kammer nicht zu berücksichtigen.

3. Begründetheit des Überprüfungsantrags

3.1 Im ersten Antrag/Schriftsatz wurde eine - wie sich die Antragstellerin ausdrückte - "Verletzung des Anspruchs auf eine faire Verfahrensgestaltung" als schwerer Verfahrensmangel nach Art. 112a (2) (d) EPÜ geltend gemacht:

- Das Verhandlungsprotokoll enthalte keine kurze Darstellung des Sachverhalts (Regel 102 f) EPÜ) und die Angabe der Entscheidungsgründe fehle (Regel 102 h) EPÜ), sodass die Beschwerdeentscheidung überhaupt nicht nachvollzogen werden könne. Hierzu konnte in der Verhandlung am 8. September 2009 mangels Vorliegen des Protokolls noch keine Rüge vorgebracht werden;

- Dem Antrag auf Aufnahme von bestimmten, rechtserheblichen Erklärungen des Vertreters der Antragstellerin in das Verhandlungsprotokoll (Punkt II. i), oben) sei nicht stattgegeben worden.

- Hinsichtlich des Protokollierungsantrages Annex A enthalte das Verhandlungsprotokoll "eine bis zur Unkenntlichkeit verkürzte Darstellung des Gangs der mündlichen Verhandlung und der von der Beschwerdeführerin gestellten Anträge";

- dem Verhandlungsprotokoll sei eine Entscheidung über die mündlich und schriftlich in der Verhandlung gestellten Anträge nicht zu entnehmen;

- die Beschwerdekammer sei für den Ausschluss von der Akteneinsicht gar nicht zuständig gewesen.

- Die Beschwerdekammer habe trotz einschlägigen Hinweisen durch den Vertreter der Antragstellerin nicht dazu bewogen werden können, hierzu nachvollziehbar zu agieren und die angetretenen Beweise zu erheben bzw. zur Kenntnis zu nehmen. Mangels inhaltlicher Äußerung der Beschwerdekammer in der Verhandlung hätte dort auch nicht in Erfahrung gebracht werden können, ob die Beschwerdekammer ein bestimmtes, nach Ansicht der Antragstellerin entscheidendes Vorbringen ihres Vertreters trotz zweimaliger Erläuterung "am Ende intellektuell verarbeitet hatte".

3.2 Keiner dieser Verfahrensmängel, wenn sie denn tatsächlich solche darstellten und gegeben wären, ist in Regel 104 EPÜ oder sonst in der Ausführungsordnung genannt. Dem Vertreter der Antragstellerin ist offenbar entgangen, dass nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 112a (2) d) EPÜ sonstige, schwerwiegende Verfahrensmängel nur in Betracht kommen, wenn sie in der Ausführungsordnung genannt sind. Die Behauptung, eine Entscheidung über die mündlich und schriftlich in der Verhandlung gestellten Anträge sei dem Verhandlungsprotokoll nicht zu entnehmen, ist ihrem Inhalt nach auch nur eine Protokollrüge, konkret der Unvollständigkeit der Verhandlungsniederschrift, und keine substantiierte Geltendmachung eines schwerwiegenden Verfahrensmangels gemäß Regel 104 b) EPÜ, zumal ein konkreter (und entscheidungserheblicher) Antrag, über den nicht entschieden worden sei, gar nicht angegeben wurde.

3.3 Der Vortrag der Antragstellerin, sie habe diese "Vorgehensweise" in der mündlichen Verhandlung auch als Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 113, 112a (2) c) EPÜ) gerügt, was im Protokoll auch - allerdings "bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt", nämlich als Ankündigung eines Überprüfungsantrags - festgehalten worden sei, kann daran nichts ändern: Eine mangelhafte Protokollführung, eine Unzuständigkeit der Kammer für die Entscheidung über den Ausschluss von der Akteneinsicht oder eine Nichterkennbarkeit, ob die Beschwerdekammer ein bestimmtes Vorbringen des Vertreters eines Beteiligten "am Ende intellektuell verarbeitet hatte" - kann schon begrifflich keinen, und damit schon gar nicht einen schwerwiegenden, Verstoß gegen Artikel 113 i. S. von Art. 112a (2) c) EPÜ darstellen.

3.4 In der zweiten, am 9. April 2010 eingereichten Antragsbegründung wurde ferner geltend gemacht:

3.4.1 Die Vertreter der Antragstellerin hätten in der mündlichen Verhandlung angesichts der von der Kammer in Aussicht gestellten Verweigerung der Kenntnisnahme und Berücksichtigung von vorgelegten Beweismitteln, wissenschaftlichen Veröffentlichungen und den Argumenten der Antragstellerin deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt gesehen und auf Abhilfe bestanden. Ein Überprüfungsantrag würde nicht notwendig werden, wenn die Beschwerdekammer das rechtliche Gehör gewähren und die vorliegenden Tatsachen, Beweismittel und Argumente bei der Abfassung ihrer Entscheidung berücksichtigen würde (Nr. 2 des Schriftsatzes).

Inhaltlich geht dies nicht über das unter Punkt 3.3, oben, abgehandelte Vorbringen hinaus. Die Berücksichtigung von Tatsachen, Beweismitteln und Argumenten betrifft die inhaltliche Richtigkeit einer Entscheidung, während nach Art. 113 (1) EPÜ maßgeblich ist, ob sich die Verfahrensbeteiligten zu den Gründen äußern konnten, auf welche die Entscheidung, unabhängig von deren Richtigkeit, konkret gestützt ist. Welche diese sind, ist oft erst aus der (schriftlichen) Begründung ersichtlich; in diesem Fall besteht nach Regel 106 EPÜ keine Rügepflicht, da ja "der Einwand im Beschwerdeverfahren nicht erhoben werden konnte". Andernfalls, also wenn die tragenden Gründe der noch zu treffenden Entscheidung schon während des Verfahrens absehbar sind, ist davon auszugehen, dass sich die Parteien dazu i. S. von Art. 113 (1) EPÜ äußern konnten, wenn sie nicht durch konkrete Umstände daran gehindert waren, etwa ein bestimmtes Verhalten der Kammer in der mündlichen Verhandlung. Ob das ein Parteienvertreter anders einschätzt und sich diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung zur Erhebung einer Rüge veranlasst sieht, ist nicht maßgeblich, weder für die Frage, ob diese Rüge nach Regel 106 EPÜ qualifiziert ist(eine Frage, die die Kammer hier ausdrücklich als nicht entscheidungsbedürftig offen lässt - Punkt 1.4, oben), noch für die weitere Voraussetzung nach Art. 113(1) EPÜ, nämlich dass es sich um Gründe handeln muss, auf die die Entscheidung gestützt ist. Dazu wurde von der Antragstellerin nichts vorgetragen.

3.4.2 Weiters wird in diesem Schriftsatz ausgeführt, es könne nicht ernsthaft davon ausgegangen werden, dass die erst am 19. Februar 2010 abgesendeten schriftlichen Entscheidungsgründe, die in Kenntnis des (ersten) Überprüfungsantrags erfolgten, noch etwas mit der am 8. September 2009 verkündeten Beschwerdeentscheidung zu tun hätten oder diese stützen könnten (Nr. 2.1 des Schriftsatzes). In der Entscheidungsbegründung seien entscheidungserhebliche Sachverhalte ausgespart worden, andererseits unerhebliche, für die getroffene Entscheidung rechtlich irrelevante Passagen enthalten (Nr. 2.2 des Schriftsatzes). Die Kammer habe sich weder in der mündlichen Verhandlung noch in den Entscheidungsgründen richtig oder überhaupt mit relevantem Vorbringen der Antragstellerin gemäß ihrem Schriftsatz vom 7. September 2009 nebst Anlagen auseinandergesetzt. Die der am 8. September 2009 verkündeten Entscheidung innewohnenden Widersprüche würden durch die Entscheidungsgründe nicht aufgelöst, vielmehr vertieft (Nr. 5 und 6 des Schriftsatzes)

Dieser Vortrag beschränkt sich auf sachlich nicht nachvollziehbare Pauschalbehauptungen und Wertungen und es wurde weder angegeben, noch ist ersichtlich, welcher der in Art. 112a (2) und/oder Regel 104 EPÜ genannten Aufhebungsgründe damit verwirklicht worden sein könnte. Eine (behauptete) inhaltliche Fehlerhaftigkeit einer Entscheidung einer Beschwerdekammer fällt ganz grundsätzlich nicht darunter (vergl. Punkt 3.4.1, oben).

3.4.3 Nach dem weiteren Vorbringen der Antragstellerin träfen die für die Zurückweisung des Antrags auf Protokollierung der auch in Annex A formulierten Aussage der seinerzeitigen Beschwerdegegnerin angegebenen Gründe nicht zu und stünden auch im Widerspruch zu den sonst vorgenommenen Protokollierungen, mit denen teilweise verfahrensfremde Zwecke verfolgt worden seien, nämlich die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen einen der Vertreter der Antragstellung. Diese sei dann aufgrund einer Anzeige des Vertreters der Patentinhaberin und Antragsgegnerin auch erfolgt, wobei eine Abstimmung zwischen diesem und der kurz nach Abfassung der Entscheidungsgründe aus der Kammer ausgeschiedenen Vorsitzenden naheliege. Die Vorsitzende habe ihre Machtbefugnisse, über den Inhalt des Protokolls zu entscheiden, missbraucht, indem sie in Verfolgung verfahrensfremder Zwecke einerseits rechtserhebliche Erklärungen der Beteiligten nicht protokollierte, anderseits "angebliche Aussagen" protokollierte, die nach den von ihr selbst aufgestellten Kriterien nicht protokollierungsfähig gewesen seien (Nr. 3 bis 3.5 des Schriftsatzes). Die Entscheidungsgründe enthielten für den Ausschluss von der Akteneinsicht keine näheren Gründe. Nochvollziehbar sei die, im Übrigen in Überschreitung der ihrer Kompetenzen erfolgte, Vorgangsweise der Beschwerdekammer nur, wenn die erwähnten verfahrensfremden Umstände eine Rolle spielten (Nr. 4 des Schriftsatzes).

Soweit dieses Vorbringen als Vorwurf der Parteilichkeit der Vorsitzenden verstanden werden sollte, ist darauf hinzuweisen, dass mangels einer in Art. 24 (3) EPÜ vorgesehenen Ablehnung seitens eines Beteiligten darüber keine Entscheidung ergangen ist; eine solche ist aber Voraussetzung für den Tatbestand gemäß Art. 112a (2) a) EPÜ. Wie durch eine Entscheidung über den Ausschluss von der Akteneinsicht ein in 112a (2) und/oder Regel 104 EPÜ genannter Aufhebungsgrund verwirklicht werden könnte, ist für die Kammer nicht erkennbar; Argumente dafür hat die Antragstellerin auch keine vorgebracht.

3.4.4 Ausweislich der Entscheidungsgründe, so wurde seitens der Antragstellerin schließlich ausgeführt, habe sich die Beschwerdekammer für berechtigt gehalten, Vorbringen und die Argumente der Antragstellerin sowie vorgelegte Dokumente als verspätet nicht zu berücksichtigen. Dies beruhe auf einem falschen Verständnis der zu Art. 114 (2) EPÜ ergangenen Rechtssprechung. Bei dem Verfahren vor der Beschwerdekammer handle es sich um ein gerichtsähnliches Verfahren. Eine unabhängige Überprüfung des Verwaltungshandelns der Prüfungs- und Einspruchsabteilungen durch die Beschwerdekammern sei nämlich nur dann möglich, wenn vor dieser der Amtsermittlungsgrundsatz ohne Einschränkung gelte, mithin die Beschwerdekammer gemäß Art. 114 (1) EPÜ den gesamten ihr unterbreiteten Prozessstoff im Interesse einer materiell richtigen Entscheidung berücksichtigen muss. Gegenteiliges ergäbe sich auch nicht aus Art. 114 (2) EPÜ. Vielmehr habe die Kammer gegen Regel 116 (1) EPÜ verstoßen, indem die Ladung zur mündlichen Verhandlung keinen Hinweis auf erörterungsbedürftige Fragen und keinen spätesten Zeitpunkt für die Einreichung von vorbereitenden Schriftsätzen enthielt. Damit habe die Kammer ihrerseits die mündliche Verhandlung nicht sachgerecht vorbereitet, sodass schon aus diesem Grund eine Nichtberücksichtigung von Tatsachen und Beweismitteln sowie Einspruchs- und Beschwerdegründen nicht in Betracht komme, soll nicht der Anspruch der Antragstellern als damalige Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör verletzt werden. Art. 10a der nicht von den Vertragsstaaten als solchen, sondern vom Präsidenten verabschiedeten Verfahrensordnung beruhe auf einem Missverständnis betreffend die Stellung der Beschwerdekammern, des weiteren regle Art. 18 der VOBK, dass diese nur insoweit verbindlich für die Beschwerdekammern sei, als sie nicht Geist und Ziel des EPÜ widerspricht. Ein Ermessen, ob und welche Beschwerdegründe die Kammer zulässt und welche Tatsachen und Beweismittel sie berücksichtigt, mithin über welchen Sachverhalt sie entscheidet, führe den Amtsermittlungsgrundsatz und den hierin zum Ausdruck gekommenen Geist und Sinn des EPÜ ad absurdum und sei folglich nicht durch das EPÜ gedeckt. All dies habe die Kammer im Verfahren nicht erwogen; die von der Vorsitzenden der Kammer verfassten schriftlichen Gründe würden ebenfalls zu diesen Erwägungen schweigen. Die Entscheidung sei daher wegen Verletzung des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs fehlerhaft und deshalb aufzuheben (Nr. 7 des Schriftsatzes).

Abgesehen von dem hierin zum Ausdruck kommenden grundlegenden Fehlverständnis des auch für die Beschwerdekammern gültigen Regelungsgehalts von Art. 114 EPÜ ist eine Verletzung dieser Vorschrift kein Tatbestand nach Art. 112a (2) und/oder Regel 104 EPÜ. Warum dies eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs darstellte, ist mangels entsprechender Argumente nicht nachvollziehbar. Im Übrigen wird nochmals darauf verwiesen, dass die inhaltliche Richtigkeit einer Entscheidung nicht Gegenstand des Verfahrens nach Artikel 112a EPÜ ist, sowie darauf, dass - durchaus im Einklang mit der überwiegenden Praxis nationaler Gerichte - gemäß Art. 5 (5) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern die vorgeschriebene schriftliche Begründung von Entscheidungen der Beschwerdekammern vom Berichterstatter "entworfen" und nicht etwa von dem/der Vorsitzenden verfasst werden, welche/r diese lediglich (zusammen mit dem Geschäftsstellenbeamten) durch Unterschrift als authentisch bestätigt (Regel 102 EPÜ); auch wird die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern nicht vom Präsidenten (des EPA oder einer sonstigen Institution) verabschiedet. Insofern ist der betreffende Vortrag (der Vertreters) der Antragstellerin auch in Widerspruch zum geltenden Recht.

4. Aus all dem ist offensichtlich: Weder hinsichtlich des der angefochtenen Entscheidung der Beschwerdekammer 3.3.04 vorangegangenen Verfahrens, noch der Entscheidung selbst liegt einer der von der Antragstellerin geltend gemachten, in Art. 112a und/oder Regel 104 EPÜ genannten Aufhebungsgründe vor.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird einstimmig entschieden:

Der Antrag auf Überprüfung wird als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.

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