European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2009:T235108.20090908 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 08 September 2009 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2351/08 | ||||||||
Antrag auf Überprüfung: | R 0020/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99913314.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61K 38/17 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verwendung von Hsp70 Protein | ||||||||
Name des Anmelders: | Multhoff, Gabriele Prof. Dr. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Dr. Kübler GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.3.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit der Beschwerde (ja) Einführung weiterer Dokumente in das Beschwerdeverfahren (nein) Einführung weiterer Einspruchsgründe in das Verfahren (nein) Neuheit, erfinderische Tätigkeit, ausreichende Offenbarung (ja) - Erweiterung (nein) Ausschluss von der Akteneinsicht (ja) Aufnahme bestimmter angeblicher Aussagen einer Partei in das Protokoll (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass das europäische Patent Nr. 1 066 050 mit der Bezeichnung "Verwendung von Hsp70 Protein" in geändertem Umfang auf der Grundlage der Ansprüche des ersten Hilfsantrags, der der Einspruchsabteilung vorlag, aufrecht erhalten werden könne.
II. Die Ansprüche dieses Hilfsantrags sind identisch mit denen des Hauptantrags der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) in der Beschwerde.
Die Ansprüche 1, 2, 7, 18, 19, 23 und 28 des Hauptantrags lauten:
"1. Verwendung eines Hsp70-Proteins, das nicht mit Peptiden aus Tumorzellen komplexiert ist, eines C-terminalen Fragmentes davon oder eines Derivats davon oder eines Proteins mit einer Aminosäuresequenzhomologie zum Bereich von Aminosäuren 384-641 des Hsp70-Proteins von > 70 % zur Herstellung eines Arzneimittels, Medizinprodukts oder medizinischen Hilfsstoffs zur Behandlung von Tumoren, Krebserkrankungen oder Infektionskrankheiten durch Aktivierung von NK-Zellen.
2. Verwendung eines Hsp70-Proteins, das nicht mit Peptiden aus Tumorzellen komplexiert ist, eines C-terminalen Fragmentes davon oder eines Derivats davon oder eines Proteins mit einer Aminosäuresequenzhomologie zum Bereich von Aminosäuren 384-641 des Hsp70-Proteins von > 70 % zur in vitro oder ex vivo Aktivierung von NK-Zellen.
7. Verfahren zur ex vivo oder in vitro Aktivierung von NK-Zellen, wobei man eine NK-Zellen enthaltende physiologische Zellsuspension mit einem wie in Anspruch 1 definierten Protein, Fragment oder Derivat vermischt und inkubiert, um eine Aktivierung der NK-Zellen zu bewirken.
18. Verwendung einer pharmazeutisch wirksamen Menge von nach dem Verfahren nach einem der Ansprüche 7 bis 17 aktivierten NK-Zellen zur Herstellung eines Arzneimittels zur in vivo-Aktivierung des Immunsystems, wobei das Arzneimittel gegebenenfalls in Kombination mit oder zeitlich vor einer pharmazeutisch wirksamen Menge eines wie in Anspruch 1 definierten Proteins, Fragmentes oder Derivats verabreicht wird.
19. Verwendung einer pharmazeutisch wirksamen Menge von nach dem Verfahren nach einem der Ansprüche 7 bis 17 aktivierten NK-Zellen und gegebenenfalls eines wie in Anspruch 1 definierten Proteins, Fragmentes oder Derivats zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Tumoren, Krebserkrankungen, Infektionskrankheiten oder Autoimmunerkrankungen.
23. Arzneimittel, Medizinprodukt oder medizinischer Hilfsstoff, das/der ein wie in Anspruch 1 definiertes C-terminales Fragment von Hsp70-Protein oder ein Derivat davon oder von nach dem Verfahren nach einem der Ansprüche 7 bis 17 aktivierten NK-Zellen in einer therapeutisch wirksamen Menge sowie gegebenenfalls übliche Träger- und/oder Hilfsstoffe enthält.
28. Verwendung der nach einem Verfahren nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche behandelten NK-Zellen zur Herstellung eines Arzneimittels zur Therapie von Tumorerkrankungen und/oder Infektionserkrankungen."
Die abhängigen Ansprüche 3 bis 6, 8 bis 17, 20 bis 22, 24 bis 27 und 29 beziehen sich auf bevorzugte Ausführungsformen.
III. Der gegen das Patent eingelegte Einspruch wurde gestützt auf die in Artikel 100 a) EPÜ und Artikel 100 b) EPÜ genannten Einspruchsgründe.
IV. Mit der Beschwerdebegründung vom 6. Februar 2009 reichte die Beschwerdeführerin zusätzlich zu den im Einspruchsverfahren vorgelegten Entgegenhaltungen (D1) bis (D7) weitere acht Entgegenhaltungen (1) bis (8) ein und brachte Argumente gegen die Neuheit, die Offenbarung und die erfinderische Tätigkeit des Anspruchsgegenstands vor.
V. Die Beschwerdegegnerin beantragte mit Schreiben vom 16. April 2009 bestimmte geschwärzte Passagen in der diesem Schreiben in Kopie beigefügten Beschwerdebegründung vom 6. Februar 2009 sowie die mit gleichem Schreiben eingereichten Entgegenhaltungen (3), (7) und (8) von der Akteneinsicht auszuschließen. Sie beantragte weiter, die neu angeführten Entgegenhaltungen (1) bis (8) nicht in dem Verfahren zuzulassen, und begründete, warum der Anspruchsgegenstand neu, ausreichend offenbart und erfinderisch sei.
VI. Am 13. Mai 2009 teilte die Kammer den Parteien ihre Entscheidung mit, dass sie das Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 16. April 2009 und die geschwärzten Passagen in der Beschwerdebegründung sowie die Entgegenhaltungen (3), (7) und (8) vorläufig von der Akteneinsicht ausschließe.
VII. Mit Schreiben vom 18. Mai 2009 beantragte die Beschwerdeführerin, die oben genannten Passagen und Entgegenhaltungen nicht von der Akteneinsicht auszuschließen.
VIII. Am 7. September 2009 reichte die Beschwerdeführerin per Fax weitere Argumente und die zusätzlichen Entgegenhaltungen (E8) bis (E12) ein.
IX. Am 8. September 2009 fand eine mündliche Verhandlung statt. Am Ende der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin, bestimmte Aussagen des Vertreters der Beschwerdegegnerin in das Protokoll aufzunehmen. Dieser Antrag wurde als "Annex 'A'" eingereicht. Herr Dr. Kübler, Geschäftsführer der Beschwerdeführerin und Begleitperson der Vertreter der Beschwerdeführerin erklärte, die mündliche Verhandlung auf einem Tonträger aufgenommen zu haben.
X. Für diese Entscheidung sind die folgenden Entgegenhaltungen relevant:
(D1): Wang et al. (2000), Immunological Investigations, Vol. 29, No. 2, Seiten 131-137.
(D2): W0 91/15219
(D7): EP-B-0 584 715
(E9): Srivastava et al. (1994), Immunogenetics, Vol. 39,
Seiten 93-98.
XI. Die Argumente der Beschwerdeführerin können folgendermaßen zusammengefasst werden:
Zulässigkeit der Beschwerde
- Die Beschwerde sei zulässig, da sie alle Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 und der Regel 99 EPÜ erfülle. Insbesondere sei die Beschwerde ausreichend begründet.
Einführung weiterer Eingegenhaltungen in das Beschwerdeverfahren
- Die mit der Beschwerdebegründung in das Beschwerdeverfahren neu eingeführten Entgegenhaltungen (1) bis (8) und die mit Fax vom 7. September 2009 neu eingeführten Dokumente (E8) bis (E12) seien relevant für die Prüfung der Patentierbarkeit des beanspruchten Gegenstands. Insbesondere belegten die Entgegenhaltungen (1) und (2) die fehlende Neuheit der Ansprüche. Weiterhin zeige die Entgegenhaltung (E8), eine nachveröffentlichte Pressemitteilung, dass die von der Patentinhaberin aufgestellte Theorie widerlegt worden sei.
Einführung weiterer Einspruchsgründe in das Verfahren
- Die Kammer habe zu prüfen, ob die beanspruchte Erfindung den Erfordernissen der Artikel 53 a) und 123 (2) EPÜ entspreche.
- Weil der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ Teil des ursprünglichen rechtlichen Rahmens des Einspruchsverfahrens sei, sei das Erfordernis, dass die beanspruchte Erfindung auch Artikel 53 a) EPÜ entsprechen müsse, kein neuer Einspruchsgrund und müsse darum nicht als solcher in das Verfahren eingeführt werden.
- Zudem sollte der Einspruchsgrund nach Artikel 53 a) EPÜ ein "genereller" Grundsatz sein, dem alle patentierten Erfindungen zu entsprechen hätten.
- Die Ansprüche des Hauptantrags entsprächen nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ. Auch der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ sei deshalb in das Einspruchsverfahren einzuführen.
Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
- Die beanspruchte Erfindung sei nicht neu.
Ausreichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ)
- Absatz [0028] der Patentschrift enthalte unklare und zum Teil sogar falsche Angaben bezüglich der Buffy-Coats, nämlich dass Buffy-Coats über die Vene aus dem Patienten entnommen und mit Heparin versetzt würden.
- Buffy-Coats könnten aber nur durch das Leukapherese-Verfahren erhalten werden, das aus der Entgegenhaltung (D7) bekannt sei. Das beanspruchte Verfahren sei nur realisierbar durch leukapheretische Gewinnung eines Buffy-Coats. Stimulierte NK-Zellen könnten nur durch Kokultivierung mit leukapheretisch angereicherten, im Buffy-Coat vorhandenen, Tumorzellen gewonnen werden. Da Absatz [0028] nicht auf die Entgegenhaltung (D7) verweise, erhalte der Fachmann im Streitpatent keinen Hinweis auf dieses Verfahren.
- Ein Rückzug auf nicht leukapheretisch gewonnene Buffy-Coats sei unwahrhaftig.
- Erfindungsgemäß sollten die NK-Zellen zusammen mit anderen peripheren mononukleären Blutzellen vorliegen. Bei Tumorpatienten enthielten diese Anreicherungen weiterhin Tumorzellen, die durch das erfindungsgemäße Verfahren immunologisch eliminiert würden.
- Die erfindungsgemäßen NK-Zellen würden nicht durch synthetische Hsp stimuliert, sondern durch die Hsp, die von den Tumorzellen in den Buffy-Coat-Präparaten freigesetzt würden.
Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
- Der beanspruchte Gegenstand sei nicht erfinderisch.
- Alleine schon Anspruch 26 der Entgegenhaltung (D2), dessen Gegenstand eine "pharmazeutische Zusammensetzung mit einer therapeutisch wirksamen Menge von Hsp70 in einer pharmazeutisch zulässigen Rezeptur" sei, gebe einen Hinweis auf die beanspruchte Erfindung.
Antrag, die geschwärzten Passagen in der Beschwerdebegründung sowie Entgegenhaltungen von der Akteneinsicht auszuschließen
- Sowohl der Inhalt der geschwärzten Passagen in der dem Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 16. April 2009 in Kopie beigefügten Beschwerdebegründung vom 6. Februar 2009 als auch der Inhalt der Entgegenhaltungen (3), (7) und (8) seien bereits einmal öffentlich zugänglich gewesen.
XII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können folgendermaßen zusammengefasst werden:
Zulässigkeit der Beschwerde
- Die Beschwerde sei nicht zulässig, da die Beschwerdebegründung keinen ausreichend begründeten Vortrag enthalte.
Einführung weiterer Entgegenhaltungen in das Beschwerdeverfahren
- Sowohl die mit der Beschwerdebegründung in das Beschwerdeverfahren neu eingeführten Entgegenhaltungen (1) bis (8) als auch die mit Fax vom 7. September 2009 neu eingeführten Entgegenhaltungen (E8) und (E10) bis (E12) seien grundsätzlich verspätet eingereichte Beweismittel und prima facie nicht relevant für die Prüfung der Patentierbarkeit des beanspruchten Gegenstandes und/oder erheblich für die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung der Einspruchsabteilung.
- Der Inhalt der Entgegenhaltungen (1) und (5) gehe nicht über den Offenbarungsgehalt der bereits im Verfahren befindlichen Entgegenhaltung (D1), eines Übersichtsartikels, hinaus.
- Die Entgegenhaltungen (2) bis (4) und (6) bis (8) beträfen lediglich eine von der Beschwerdeführerin behauptete Verletzung ihrer Schutzrechte, die aber ohne Relevanz für die angefochtene Entscheidung sei.
- Gegen die Einführung der Entgegenhaltung (E9) in das Beschwerdeverfahren bestünden jedoch keine Bedenken.
Einführung weiterer Einspruchsgründe in das Verfahren
- Der Einführung der Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 53 a) EPÜ und Artikel 100 c) EPÜ werde nicht zugestimmt. Den in der Entscheidung G 10/91 der Großen Beschwerdekammer aufgestellten Grundsätzen zufolge dürften diese Beschwerdegründe deshalb nicht zum Verfahren zugelassen werden.
Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
- NK-Zellen, die durch Hsp70-Proteine aktiviert werden, die nicht mit Peptiden aus Tumorzellen komplexiert sind, wiesen im Gegensatz zu NK-Zellen, die durch aus Tumorzellen isolierte Hsp70-Proteine aktiviert werden, weder eine Tumor-spezifische noch eine Antigen-spezifische Aktivität auf. Diese Tatsache werde durch Beispiel 3 belegt.
- Keine der genannten Entgegenhaltungen des Stands der Technik beschrieben eine solche erfindungsgemäße Aktivierung von NK-Zellen noch deren medizinische Verwendung. Die beanspruchte Erfindung sei daher neu.
Ausreichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ)
- Die Beschwerdeführerin sei weder ihrer Beweispflicht nachgekommen zu zeigen, dass der beanspruchte Gegenstand nicht ausführbar sei, noch habe sie begründete Zweifel an der Ausführbarkeit geltend gemacht, die durch nachprüfbare Fakten belegt seien.
- Wie die Beschwerdeführerin zu Recht in ihrem Einspruchsschriftsatz vom 14. März 2006 auf Seite 4 am Ende des zweiten Absatzes angebe, handle es sich bei einem Buffy-Coat "... wie dem Durchschnittsfachmann bereits vor den Prioritätstagen des angefochtenen europäischen Patents bekannt war, um ein Lymphozytenkonzentrat, welches man nach dem Abzentrifugieren von Vollblut erhält" (siehe hierzu z. B. Entgegenhaltung (E7)).
- Die unklare Aussage in Absatz [0028] der Patentschrift, dass Buffy-Coats, d. h. Lymphozytenkonzentrate, über die Vene aus dem Patienten entnommen werden, hätte der Fachmann, wie zu Recht von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung ausgeführt, zum Anmeldetag des Streitpatents korrekt gedeutet, und er hätte die besagten Buffy-Coats durch Abzentrifugieren von Vollblut hergestellt, wie es dem Fachmann aus dem Stand der Technik bekannt gewesen sei. Der Fachmann hätte deswegen ohne Weiteres auf geeignete Verfahren aus dem Stand der Technik zurückgegriffen, um NK-Zellen in der gewünschten Konzentration zu erhalten.
- Nachdem Verfahren zur Isolierung von Buffy-Coats dem Fachmann bereits bekannt gewesen seien, bestehe keine Notwendigkeit, solche Verfahren aus dem Stand der Technik explizit in der Patentschrift zur erläutern.
- Aus den Absätzen [0052] und [0053] gehe hervor, dass beim erfindungsgemäßen Einsatz von Hsp70 rekombinant hergestelltes Hsp70 bevorzugt werde.
- Die mit Hsp70 zu aktivierenden NK-Zellpräparate könnten gemäß Absatz [0028] des Patents entweder aus Krebspatienten (oder infizierten Patienten) oder gesunden Patienten entnommen werden. In beiden Fällen erfolgt die Aktivierung der NK-Zellen verabreicherten Hsp70.
Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
- Aus dem Stand der Technik ergebe sich kein Hinweis, dass Hsp70, das nicht mit Peptiden aus Tumorzellen komplexiert sei, eine NK-Zellaktivierung herbeiführen könne, deren tumorizide Wirkung patientenunabhängig bei der Krebsheilung eingesetzt werden könne.
- Insbesondere beschreibe die Entgegenhaltung (D2) den Einsatz von Hsp70 zur Behandlung von Zellmortalität in Zellen oder Gewebe unter Stress, z. B. bei Arteriosklerose, Restinose und Absterben von Nervengewebe. Ziel der vorliegenden Erfindung sei es aber, den gezielten Zelltod (z. B. von Tumorzellen) herbeizuführen.
Antrag, die geschwärzten Passagen in der Beschwerdebegründung sowie Entgegenhaltungen von der Akteneinsicht auszuschließen
- Der Inhalt der angegebenen Passagen sowie der Entgegenhaltungen (3), (7) und (8) beeinträchtigten schutzwürdige persönliche als auch wirtschaftliche Interessen der Beschwerdegegnerin und wiesen keinen Bezug zum vorliegenden Beschwerdeverfahren auf, da sie sich weder auf die Rechtsbeständigkeit des Streitpatents noch auf die angefochtene Entscheidung bezögen, sondern vielmehr unsubstanziierte Behauptungen und Anschuldigungen darstellten, deren Würdigung bzw. Beurteilung außerhalb des Beschwerdeverfahrens liege.
XIII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Sie beantragte weiterhin:
1. den Antrag der Beschwerdegegnerin, gekennzeichnete Passagen aus der Beschwerdebegründung von der Akteneinsicht auszunehmen, zurückzuweisen;
2. Annex A in das Protokoll aufzunehmen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte:
1. die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen;
2. die Beschwerde zurückzuweisen;
3. die mit Schreiben datiert vom 16. April 2009 in Kopie beigefügten geschwärzten Passagen in der Beschwerdebegründungsschrift vom 16. Februar 2009 und die Entgegenhaltungen (3), (7) und (8) von der Akteneinsicht auszuschließen.
Entscheidungsgründe
Zulässigkeit der Beschwerde
1. Die Beschwerdegegnerin hat die Unzulässigkeit der Beschwerde geltend gemacht. Die Beschwerde sei nicht zulässig, da die Beschwerdebegründung keinen ausreichend begründeten Vortrag enthalte.
2. Die Kammer kann die Bedenken der Beschwerdegegnerin hinsichtlich einer mangelnden Beschwerdebegründung nicht teilen. In ihrer Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin Einwände gegen die Aufrechterhaltung des Patents mit den von der Einspruchsabteilung als gewährbar Ansprüchen erhoben, die auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) und 100 b) EPÜ gestützt waren. Ferner wurden zu jedem dieser Einspruchsgründe Tatsachen und Beweismittel angeboten und darauf beruhende Argumente vorgebracht. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin in unmittelbar verständlicher Form angegeben, weshalb sie die Entscheidung der Einspruchsabteilung für nicht richtig hält. Dass die Beschwerdebegründung darüber hinaus Passagen enthält, die im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens irrelevant sind, ändert nichts an dieser Einschätzung.
3. Diese Feststellung hat auch unabhängig davon Gültigkeit, ob die von der Akteneinsicht ausgeschlossenen Passagen in Betracht gezogen werden oder nicht.
4. Die Beschwerdeschrift enthält weiterhin den Antrag, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen; sie entspricht damit der Regel 99 (2) EPÜ.
5. Die Kammer kommt deswegen zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde den Anforderungen der Artikel 106 bis 108 sowie Regel 99 EPÜ genügt und daher zulässig ist.
Einführung weiterer Entgegenhaltungen in das Beschwerdeverfahren
6. Die Beschwerdeführerin reichte mit der Beschwerdebegründung acht neue Entgegenhaltungen ((1) bis (8), s. o. Absatz IV.) und per Fax am Tag vor der mündlichen Verhandlung weitere fünf Entgegenhaltungen ((E8) bis (E12), s. o. Absatz VIII.) ein. Die Beschwerdegegnerin beantragte, diese Entgegenhaltungen mit Ausnahme von (E9) vom Verfahren auszuschließen (s. o. Absatz XII).
7. Grundsätzlich sollte eine Beschwerde zwar im Wesentlichen auf Tatsachen und Beweismitteln beruhen, die bereits der ersten Instanz vorlagen, doch stützen sich die Parteien häufig auf zusätzliche Beweismittel, um umfassend zu begründen, warum die angefochtene Entscheidung überprüft werden sollte. Solche verspätet, d. h. nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereichten Beweismittel werden nicht zwingend wegen ihrer verspäteten Einreichung zurückgewiesen. Viel hängt davon ab, ob sie prima facie relevant sind (s. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 5. Auflage 2006, VI.F.3.1), denn die Kammer ist grundsätzlich befugt, die Beweismittel nach Artikel 114 (2) EPÜ nicht zu berücksichtigen oder, wenn sie sie zulässt, den Fall entweder nach Artikel 111 (1) EPÜ zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen oder selbst den Fall zu entscheiden.
8. Die Kammer stimmt mit der Beschwerdegegnerin überein, dass der Inhalt der Entgegenhaltungen (1) und (5), die an sich beide zum Stand der Technik für die beanspruchte Erfindung gehören, nicht über den Inhalt der Entgegenhaltung (D1) hinausgeht, eines wissenschaftlichen Artikels, in dem Vorveröffentlichungen auf einem für die beanspruchte Erfindung relevanten Gebiet erörtert werden, darunter solche, die der Offenbarung der Entgegenhaltungen (1) und (5) entsprechen. Dasselbe gilt für den Inhalt der Entgegenhaltungen (E11) und (E12).
Die Entgegenhaltungen (2) bis (4) und (6) bis (8) offenbaren nicht die Verwendung von Hsp70-Protein oder damit aktivierten NK-Zellen und behandeln teilweise lediglich arzneimittelrechtliche Fragen oder auf andere Erfindungen verliehene Schutzrechte.
Die nachveröffentlichte Entgegenhaltung (E8) beschreibt generell die Stimulierung von Immunreaktionen durch extrazelluläres Hsp70 und dessen Einsatz zu therapeutischen Zwecken, z. B. um eine bessere Immunantwort gegen Tumore zu erzielen. In der Entgegenhaltung geht es aber um die Stimulierung von dendritischen Zellen und nicht von NK-Zellen. Auch die nachveröffentlichte Entgegenhaltung (E10) behandelt nicht die Aktivierung von NK-Zellen mittels Hsp70.
9. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen, also weil sie entweder nicht relevant oder nicht relevanter als die anderen, bereits in erstinstanzlichen Verfahren vorgelegen Entgegenhaltungen sind, entscheidet die Kammer, in Ausübung ihres Ermessens, die Entgegenhaltungen (1) bis (8), (E8) und (E10) bis (E12), d. h. sämtliche Entgegenhaltungen, gegen die die Beschwerdegegnerin Einwände erhoben hatte, nicht zum Verfahren zuzulassen.
Einführung weiterer Einspruchsgründe in das Verfahren
10. Die Beschwerdeführerin machte den in Artikel 100 a) EPÜ genannten Einspruchsgrund in Verbindung mit Artikel 53 a) EPÜ und Artikel 100 c) EPÜ erstmals im Beschwerdeverfahren geltend. Die Beschwerdegegnerin erteilte nicht die gemäß der Entscheidung G 10/91 der Großen Beschwerdekammer (ABl. EPA 1993, 420) erforderliche Zustimmung zur Einführung dieser Einspruchsgründe in das Verfahren. Weil die Große Beschwerdekammer diese Bedingung ohne Ausnahme erstellt hat, ist unerheblich, dass die Beschwerdeführerin geltend gemacht hat, dass der Einspruch auf die Artikel 52 bis 57 EPÜ gestützt worden sei, wodurch auch ein Einwand auf Basis von Artikel 53 a) EPÜ umfasst sei und, dass der Artikel 53 a) EPÜ einen generellen Grundsatz festlege, dem all patentierten Erfindungen zu entsprechen hätten. Deshalb werde diese Einspruchsgründe nicht in das Verfahren zugelassen.
Artikel 123 (2) und 123 (3) EPÜ
11. Gegenüber Anspruch 23 in der erteilten Fassung unterscheidet sich Anspruch 23 des Hauptantrags dadurch, dass der Satzteil "... oder ein Protein mit einer Aminosäuresequenzhomologie zum Bereich von Aminosäuren 384-641 des Hsp70-Proteins von > 70% und/..." zwischen den noch im Anspruch 23 befindlichen Satzteilen "... oder ein Derivat davon" und "oder von nach dem Verfahren nach ...", gestrichen wurde.
12. Das Streichen einer Alternative in einem Anspruch geht weder über den Offenbarungsgehalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus, noch stellt es eine Schutzbereichserweiterung dar. Die Änderung entspricht also den Erfordernissen von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.
Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
13. Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung keine Einwände gegen die Neuheit der beanspruchten Erfindung erhoben.
14. Während des Beschwerdeverfahrens erhob die Beschwerdeführerin keine weiteren Einwände gegen die Neuheit der beanspruchten Erfindung gegenüber den im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen. Die Kammer sieht keinen Anlass, die Neuheit der mit den Ansprüchen 1 bis 17 und 20 bis 29 beanspruchten Erfindung zu verneinen.
15. Die Beschwerdegegnerin führte während der mündlichen Verhandlung aus, dass NK-Zellen, die durch Hsp70-Proteine aktiviert werden, die nicht mit Peptiden aus Tumorzellen komplexiert sind, im Gegensatz zu NK-Zellen, die durch aus Tumorzellen isolierte Hsp70-Proteine aktiviert werden, weder eine Tumor-spezifische noch eine Antigen-spezifische Aktivität aufwiesen.
16. Da keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen des Stands der Technik NK-Zellen beschreibt, die durch Hsp70-Proteine aktiviert werden, die nicht mit Peptiden aus Tumorzellen komplexiert sind, und die damit neu sind, ist auch deren Verwendung zur Herstellung eines Arzneimittels zur in-vivo-Aktivierung des Immunsystems oder zur Behandlung von Tumoren, Krebserkrankungen, Infektionskrankheiten und Autoimmunerkrankungen neu. Insbesondere ist daher auch der Gegenstand der Ansprüche 18 und 19 neu.
Ausreichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ)
17. Die beanspruchte Erfindung betrifft die Behandlung von Tumoren, Krebserkrankungen, Infektionskrankheiten oder Autoimmunerkrankungen durch Aktivierung von NK-Zellen mittels eines Hsp70-Proteins (oder eines C-terminalen Fragmentes davon, eines Derivats davon oder eines Proteins mit einer Aminosäuresequenzhomologie zum Bereich von Aminosäuren 384-641 des Hsp70-Proteins von > 70 %), das nicht mit Peptiden aus Tumorzellen komplexiert ist, wobei das Hsp70-Protein entweder direkt am Patienten eingesetzt oder zur in-vitro- oder ex-vivo-Aktivierung von NK-Zellen verwendet werden kann, die dann wiederum zur in-vivo-Aktivierung des Immunsystems eingesetzt werden können, gegebenenfalls in Kombination mit dem Hsp70-Protein.
18. Die Beschreibung des Patents geht zusammenfassend auf die unterschiedlichen Aspekte der Erfindung wie folgt ein:
18.1 Nach Absatz [0026] werden als NK-Zellen enthaltende physiologische Zellsuspension periphere, mononukleäre Blutzellen (PBMC) oder eine NK-Zellen enthaltende Fraktion hiervon eingesetzt.
Absatz [0027] beschreibt, dass die NK-Zellen aus den zu behandelnden Patienten oder aus einem gesunden Spender gewonnen werden können, wobei bevorzugt Buffy-Coats, die NK-Zellen enthalten, verwendet werden.
In Absatz [0028] wird ausgeführt: "Buffy-Coats (Lymphozytenkonzentrate) werden über die Vene aus dem Patienten entnommen ...". Danach werden die Blutzellen (= PBMC, periphere, mononukleäre Blutzellen, z. B. Lymphozyten, Erythrozyten, Granulozyten) durch Zentrifugation angereichert. Im Falle von gesunden Probanden besteht ein Buffy-Coat aus weißen und roten Blutzellen (Lymphozyten, Erythrozyten usw.), enthält aber bei Tumorpatienten zusätzlich auch noch Tumorzellen, wobei Letztere aber durch das erfindungsgemäße Verfahren immunologisch eliminiert werden (siehe Absatz [0041]).
Absatz [0030] beschreibt, dass die NK-Zellen enthaltende physiologische Zellsuspension weiterhin Hsp70 auf der Zelloberfläche exprimierende menschliche oder tierische Zellen (z. B. Leukämiezellen, Lymphomzellen, metastasierende Zellen solider Tumore und Zellen von Patienten mit viralen, mykotischen oder bakteriellen Infektionserkrankungen, siehe Absätze [0031] und [0032]) enthalten kann, wobei eine Stimulation der NK-Zellen durch Hsp70-Protein allerdings auch erfolgen kann, wenn keine Hsp70 auf der Zelloberfläche exprimierende Zielzellen vorhanden sind.
Absatz [0040] beschreibt ein Beispiel für eine erfindungsgemäße Behandlung, bei der Buffy-Coat-Zellen, bestehend aus peripheren, mononukleären Blutzellen oder Knochenmarkszellen und Tumorzellen aus Tumorpatienten, beispielsweise Leukämiepatienten, in einem Behälter mit dem Hsp70 einer Hitzebehandlung unterzogen werden. Im Behälter befinden sich sowohl die Tumorzellen als auch die NK-Zellen, die über die Behandlung stimuliert werden. Nach Abschluss des Verfahrens wird die aktivierte NK-Zellen und lysierte Tumorzellen enthaltende Kulturlösung in den Patienten reinfundiert.
Absatz [0052] beschreibt, dass das eingesetzte Hsp70-Protein oder die Fragmente sowohl rekombinant hergestellt, aus Zellextrakten isoliert oder über chemische Synthese hergestellt werden können, wobei die rekombinante Herstellung bevorzugt wird.
Absätze [0022] und [0025] beschreiben, dass erfindungsgemäß die Aktivierung der NK-Zellen eine Stimulation der Proliferation der NK-Zellen und/oder eine Steigerung ihrer Zytotoxizität gegenüber z. B. Leukämiezellen, Lymphomzellen, Tumorzellen und metastasierenden Zellen solider Tumore und Zellen von Patienten mit viralen, mykotischen oder bakteriellen Infektionserkrankungen umfasst.
18.2 Die Beispiele in der Patentschrift können wie folgt zusammengefasst werden:
Beispiel 1 (Absätze [0060] bis [0065]) beschreibt anhand von **(3)H-Thymidin-Aufnahme-Standardtests eine gesteigerte Proliferation gereinigter NK-Zellen nach der Gabe (Vorinkubation) von humanen, rekombinanten Hsp70 (rHsp70).
Beispiel 2 (Absätze [0066] bis [0069]) betrifft eine funktionelle Analyse von NK-Zellen unter Verwendung von auf der Plasmamembran Hsp70-exprimierenden (CX+)- und Hsp70 nicht exprimierenden (CX-)-Tumorzellen, wobei die Expression von Hsp70 mit einer erhöhten Sensitivität für die durch NK-Zellen vermittelte Lysis korrelierte. Sowohl die Proliferation als auch die zytolytische Aktivität von hochgereinigten NK-Zellen gegenüber autologen (CX+)-Tumorzellen wird stimuliert, wenn eine Vorinkubation für mindestens 4 Tage mit rHsp70-Protein stattgefunden hat. Im Gegensatz dazu verlieren nicht vorbehandelte NK-Zellen aus dem gleichen Spender diese Reaktivität nach 10 Tagen. Weiterhin ist die lytische Aktivität von nicht vorbehandelten und stimulierten NK-Zellen geringer und war gleich für (CX+)- und (CX-)-Tumorzellen.
In Beispiel 3 (Absätze [0070] bis [0072]) wird die in-vivo-Relevanz von NK-Zellen gegenüber (CX+)-Tumorzellen untersucht. In dem Beispiel werden (CX+)- oder (CX-)-Tumorzellen in SCID/beige Mäuse zum Tumorwachstum gebracht. Eine Injektion von mit Hsp70 stimulierten humanen NK-Zellen führt auch noch vier Tage nach der Injektion der Tumorzellen zu einer vollständigen Inhibition des Tumorwachstums. Die mit Hsp70 stimulierten humanen NK-Zellen konnten nicht nur das Wachstum von Primärtumoren inhibieren, sondern auch die Metastasierung der Tumore.
19. Die vorstehende Analyse zeigt, dass die Offenbarung des Patents dem Fachmann deutlich und vollständig dargelegt, wie die beschriebene Wirkung erreicht werden kann, dass nämlich eine Vorbehandlung von NK-Zellen mit Hsp70-Protein, das nicht mit Peptiden aus Tumorzellen komplexiert ist, eine Aktivierung der NK-Zellen herbeiführt, die sich übersetzt in eine Stimulation der Proliferation der NK-Zellen und/oder eine Steigerung ihrer Zytotoxizität.
20. Nach der ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann nur dann gegen eine Anmeldung oder ein Patent der Einwand mangelnder Offenbarung erhoben werden, wenn ernsthafte, durch nachprüfbare Fakten erhärtete Zweifel bestehen.
21. Während des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, dass Absatz [0028] der Patentschrift unklare und zum Teil falsche Angaben bezüglich Buffy-Coats enthalte. Buffy-Coats könnten nämlich nicht über die Vene aus dem Patienten entnommen werden, sondern nur durch ein Leukaphereseverfahren erhalten werden, das aus der Entgegenhaltung (E7) bekannt sei. Absatz [0028] verweise jedoch nicht auf die Entgegenhaltung (E7), sodass der Fachmann im Patent kein Hinweis auf dieses Verfahren erhalte.
Die Europäische Patentanmeldung EP-A-0 584 715 (die zur Erteilung eines Patents führte, das von der Einsprechenden als Entgegenhaltung (E7) in das Verfahren eingeführt wurde), wurde schon 1994, d. h. fünf Jahre vor dem Anmeldetag des Streitpatents veröffentlicht und gehört damit zum Stand der Technik. Die Anmeldung beschreibt Verfahren zur Isolierung und Kultivierung von transformierten Zellen aus Blut sowie die Verwendung dieser Zellen zur Herstellung individuumsspezifischer Antikörper.
Auf Seite 3, Zeilen 17 bis 35 der Entgegenhaltung (E7) wird in Bezug auf Blutauftrennungsverfahren Folgendes ausgeführt:
"Zur Auftrennung des Blutes in seine Bestandteile verwendet man eine hierzu geeignete Vorrichtung, wie sie bei den sogenannten Apherese-Verfahren eingesetzt wird. Im Gegensatz zu den üblichen Auftrennverfahren, wo eine größere Menge Vollblut dem Patienten entnommen und mit einer Zentrifuge in Fraktionen aufgetrennt wird, ist beim Apherese-Verfahren die Auftrennvorrichtung über Leitungen direkt mit dem Blutstrom des Patienten verbunden. Auf diese Weise wird es möglich, das dem Patienten entnommene Blut aufzutrennen, die gewünschte Fraktion abzutrennen und die übrigen Blutbestandteile dem Patienten sofort wieder zurückzugeben. Apherese-Verfahren erlauben somit die quasikontinuierliche Entnahme von bestimmten Blutfraktionen in hohen Mengen, ohne den Patienten zu belasten. So spricht man bei der apheretischen Sammlung von Blutplasma von "Plasmapherese", bei der Sammlung von Leukozyten von "Leukapherese" usw. (US-Patent 5 112 298, US-Patent 5 147 290).
Bisher war man der Annahme, daß die an sich bekannten Apherese-Verfahren nur für die Auftrennung von im Kreislauf ohnehin ständig peripher zirkulierenden weißen Blutkörperchen und anderen, in relativ großen Mengen vorhandenen Blutbestandteilen geeignet seien. Die Erfinder haben nun überraschenderweise festgestellt, dass sich auch die abgesiedelten transformierten Zellen eines Primartumors in einer bestimmten Zellfraktion anreichern." (Hervorhebungen durch die Kammer)
Im Hinblick auf die oben ausgeführten hervorgehobenen Passagen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass Verfahren zum Isolieren von Lymphozytenkonzentraten, die im Streitpatent als Buffy-Coats bezeichnet werden, am Anmeldetag des Streitpatents dem Fachmann routinemäßig bekannt waren und zur Verfügung standen, seien es solche, die auf isoliertem Vollblut beruhen, oder solche, bei denen ein sogenanntes Apherese-Verfahren eingesetzt wird. Der notwendige Rohstoff für die zu isolierenden Lymphozytenkonzentrate, nämlich Blut, muss naturgemäß in beiden Verfahren über eine Vene dem Patienten entnommen werden.
Die ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern geht davon aus, dass für die Beurteilung der ausreichenden Offenbarung das Wissen des Fachmanns maßgebend ist (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 5. Auflage 2006, II.A.1.2). Die Offenbarung ist nämlich an einen Fachmann gerichtet, der die in der Anmeldung enthaltenen Informationen durch sein allgemeines Fachwissen vervollständigen kann, wobei er aufgrund seines Fachwissens sogar bestimmte Fehler in der Beschreibung erkennen und berichtigen kann.
Die Kammer ist also der Auffassung, dass die vielleicht als "unglücklich" einzustufende Passage in Absatz [0028], in der beschrieben wird, dass Buffy-Coats über die Vene aus dem Patienten entnommen werden, vom Fachmann aufgrund seines Fachwissens korrekt gedeutet und im richtigen Licht betrachtet wird. Der Fachmann konnte deswegen ohne Weiteres auf geeignete Verfahren aus dem Stand der Technik zurückgreifen, um NK-Zellen in der gewünschten Konzentration zu erhalten.
22. Die Beschwerdeführerin hat weiter vorgetragen, dass erfindungsgemäß die NK-Zellen zusammen mit anderen peripheren mononukleären Blutzellen isoliert würden. Bei Tumorpatienten enthielten diese Anreicherungen deswegen Tumorzellen. Stimulierte NK-Zellen könnten nur durch Kokultivierung mit solchen leukapheretisch angereicherten im Buffy-Coat vorhandenen Tumorzellen gewonnen werden. Die erfindungsgemäßen NK-Zellen würden nämlich nicht durch synthetische Hsp70 Proteine stimuliert, sondern durch diejenigen, die von den in den Buffy-Coat-Präparaten befindlichen Tumorzellen freigesetzt würden.
In diesem Zusammenhang verweist die Kammer auf das oben in Punkt 18 zusammengefasste Beispiel 3 in der Beschreibung des Streitpatents, wo gezeigt wird, dass auch eine Injektion von mit Hsp70 stimulierten humanen NK-Zellen, die nicht zusammen mit in den Buffy-Coat-Präparaten befindlichen Tumorzellen vorliegen, zu einer vollständigen Inhibition des Tumorwachstums führt. Dieses Beispiel zeigt somit, dass die erfindungsgemäße Aktivierung von NK-Zellen mittels eines Hsp70-Proteins, das nicht mit Peptiden aus Tumorzellen komplexiert ist, nicht auf eine Aktivierung derselben durch die Hsp70 angewiesen ist, die in den Buffy-Coat-Präparaten befindlichen Tumorzellen freigesetzt werden.
23. Aufgrund dieser Überlegungen gelangt die Kammer zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführerin keine ernsthaften, durch nachprüfbare Fakten erhärtete Zweifel vorgetragen hat, die einen Einwand mangelnder Offenbarung rechtfertigen würden, und dass das Patent somit die Erfordernisse des Artikels 100 b) EPÜ erfüllt.
Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
24. Die Entgegenhaltung (D2), die die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung als nächstliegenden Stand der Technik erachtet hat, offenbart Verfahren zur Bekämpfung von Zellmortalität in Zellen oder Gewebe unter Stress mit Hsp70. Bei Arteriosklerose, Restinose und Absterben von Nervengewebe können Hsp70 vorteilhaft angewendet werden (siehe z. B. Seite 3, Zeile 24 bis Seite 4, Zeile 27).
25. Die von der Beschwerdeführerin in das Beschwerdeverfahren eingeführte Entgegenhaltung (E9) ist eine Untersuchung der Rolle von Hitzeschockproteinen, u. a. Hsp70, für die Auslösung Tumor-spezifischer Immunität. Im Abschnitt mit der Überschrift "Tumor-specific immunogenicity of tumor-derived but not healthy-tissue-derived HSPs" von Seite 93 bis Seite 94 der Entgegenhaltung wird auf Versuche verwiesen, die die im Streitpatent getroffene Aussage "Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Stand der Technik eine immunologische Aktivität von HSP-Molekülen belegt, wenn diese entweder mit Peptiden komplexiert sind und/oder auf der Oberfläche von Zellen wie Tumorzellen präsentiert werden" (siehe Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 3 bis 8) widerspiegeln. Dies gilt auch für Hsp70, wie der Entgegenhaltungen (E9) zu entnehmen ist, z. B. auf Seite 94, linke Spalte, Zeilen 38 bis 49. Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt des Patents dem Fachmann das Potenzial von Hsp70 zur Krebsbehandlung bekannt war. Sie erachtet daher die Entgegenhaltungen (E9) und nicht die Entgegenhaltung (D2) als nächstliegenden Stand der Technik.
26. Damit war es die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Erzeugnis bereitzustellen, das vorteilhaft zur Behandlung von Tumoren, Krebserkrankungen oder Infektionskrankheiten angewandt werden kann.
27. Die beanspruchte Erfindung betrifft die Verwendung eines Hsp70-Proteins, das nicht mit Peptiden aus Tumorzellen komplexiert ist. Die vorteilhafte Behandlung von Tumoren, Krebserkrankungen oder Infektionskrankheiten erfolgt dann über eine Aktivierung von NK-Zellen, die für die Wirkung verantwortlich sind.
28. In Anbetracht der Ergebnisse des Beispiels 3 des Streitpatents hat die Kammer keine Zweifel, dass die beanspruchte Erfindung die Aufgabe löst.
29. Weder die Offenbarung in der Entgegenhaltung (E9) selbst noch die einer anderen der Kammer vorliegenden Entgegenhaltung enthält einen Hinweis darauf, dass Hsp70-Protein, das nicht mit Peptiden aus Tumorzellen komplexiert ist, überhaupt über eine NK-Zellaktivierung bei den genannten Behandlungen eingesetzt werden kann, wodurch der Fachmann in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand gelangen würde. Der Gegenstand der Ansprüche 1, 2, 7, 18, 19, 23 und 28, und somit auch den von diesen Anspruch abhängigen Ansprüche, beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit und erfüllt die Voraussetzungen des Artikels 56 EPÜ.
Antrag, die geschwärzten Passagen in der Beschwerdebegründung sowie Entgegenhaltungen von der Akteneinsicht auszuschließen
30. Gemäß Artikel 1 (2) a) des Beschlusses der Präsidentin des Europäischen Patentamts vom 12. Juli 2007 über von der Akteneinsicht ausgeschlossene Unterlagen (Sonderausgabe Nr. 3, ABl. EPA 2007, 125) werden - gestützt auf Artikel 128 (4) EPÜ und Regel 144 d) EPÜ - auf begründeten Antrag eines Beteiligten oder seines Vertreters Unterlagen von der Akteineinsicht ausgeschlossen, wenn die Akteneinsicht schutzwürdige persönliche oder wirtschaftliche Interessen von natürlichen oder juristischen Personen beeinträchtigen würde. Gemäß Artikel 1 (3) dieses Beschlusses wurden die von Artikel 1 (2) a) betroffenen Unterlagen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag vorläufig von der Akteneinsicht ausgeschlossen.
31. Die Kammer ist der Meinung, dass ein öffentlicher Zugriff auf den Inhalt der geschwärzten Passagen in der dem Schreiben vom 16. April 2009 in Kopie beigefügten Beschwerdebegründung vom 6. Februar 2009 und die Entgegenhaltungen (3), (7) und (8) spezifische und konkrete persönliche oder wirtschaftliche Interessen der Beschwerdegegnerin beeinträchtigen würde. Folglich hat die Kammer diese Inhalte zunächst gemäß Artikel 1 (2) a) und Artikel 1 (3) des oben genannten Beschlusses vorläufig von der Akteneinsicht ausgeschlossen und dies den Parteien am 13. Mai 2009 mitgeteilt, und diese Inhalte später während der mündlichen Verhandlung gemäß Artikel 1 (2) a) dieses Beschlusses endgültig von der Akteneinsicht ausgeschlossen.
32. Gemäß Artikel 1 (1) b) des oben genannten Beschlusses werden Anträge auf Ausschluss von Unterlagen von der Akteneinsicht nach Artikel 1 (2) a) dieses Beschlusses von Amts wegen von der Akteneinsicht ausgeschlossen. Folglich hat die Kammer auch entschieden, das Schreiben der Beschwerdegegnerin datiert vom 16. April 2009 ebenfalls von der Akteneinsicht auszuschließen.
Antrag, bestimmte angebliche Aussagen einer Partei während der mündlichen Verhandlung in die Niederschrift aufzunehmen
33. Während der mündlichen Verhandlung stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, eine bestimmte, von ihr verfasste schriftliche Formulierung einer angeblich von der Beschwerdegegnerin während dieses Verfahrens abgegebenen Aussage in die Niederschrift der mündlichen Verhandlung aufzunehmen (siehe Annex "'A'" zur Niederschrift). Die Beschwerdegegnerin beantragte dagegen, dies nicht in die Niederschrift aufzunehmen.
34. In der Entscheidung T 263/05 (ABl. EPA 2008, 329, Nrn. 8 bis 8.11 der Entscheidungsgründe) stellte die Kammer fest, dass die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor den Beschwerdekammern die Anträge der Beteiligten, über welche die Kammer entscheiden soll, festhalten sollte, wie etwa Anträge zur Zulässigkeit der Beschwerde oder zu der Fassung, in der das Patent der Patentinhaberin zufolge aufrechterhalten werden soll, oder Zurückweisungsanträge sowie die Beschwerdegebühren oder die Kosten des Verfahrens betreffende Anträge. In der Niederschrift festgehalten werden sollten auch besondere Erklärungen, die sich auf die Festlegung des Gegenstands des Patents auswirken, wie etwa Verzichtserklärungen, soweit sie für die zu erlassende Entscheidung von Bedeutung sind. Die Argumente der Beteiligten sollten in der Niederschrift hingegen ebenso wenig festgehalten werden wie die in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen oder Anerkenntnisse, die ein Beteiligter für (anschließende) Verfahren vor nationalen Gerichten für nützlich halten mag, die aber für die Entscheidung der Kammer unerheblich sind, wie Erklärungen oder Anerkenntnisse, die weder den "wesentlichen Gang der Verhandlung" betreffen noch "rechtserhebliche Erklärungen" im Sinne von Regel 76 (1) EPÜ 1973 sind (Regel 124 (1) EPÜ; siehe z. B. auch die Entscheidungen T 928/98 vom 8. November 2000; Nrn. 5 bis 5.5 der Entscheidungsgründe, T 550/04 vom 2. April 2008, Nrn. 5 bis 5.3 der Entscheidungsgründe, und T 71/06 vom 15. Oktober 2008, Nrn. 6 bis 6.1 der Entscheidungsgründe).
35. Die Kammer befand, dass die im Annex 'A' formulierte angebliche Aussage der Beschwerdegegnerin weder einen Bezug zur Festlegung des Patentgegenstands oder zu Verzichtserklärungen noch irgendwelche sonstigen Auswirkungen auf die von der Kammer zu erlassende Entscheidung hat.
36. Der Antrag zur Aufnahme der beantragten Formulierung in die Niederschrift wurde daher zurückgewiesen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde ist zulässig;
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen;
3. Dem Antrag, die geschwärzten Passagen in der Beschwerdebegründung und Dokumente von der Akteneinsicht auszunehmen, wird stattgegeben.