J 0010/96 () of 15.7.1998

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1998:J001096.19980715
Datum der Entscheidung: 15 Juli 1998
Aktenzeichen: J 0010/96
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 86
European Patent Convention 1973 Art 122
European Patent Convention 1973 R 37
European Patent Convention 1973 R 69
European Patent Convention 1973 R 100
Schlagwörter: Gemeinsamer Vertreter
Wiedereinsetzung - keine Wiedereinsetzungsgebühr, Jahresfrist abgelaufen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
J 0022/88
J 0006/90
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patenanmeldung Nr. .... wurde am 23. Oktober 1990 von den drei Anmeldern A1, A2 und A3 über einen gemeinsamen zugelassenen Vertreter als EURO-PCT-Anmeldung eingereicht.

II. Mit Schriftsatz vom 21. Juli 1993, eingegangen am 22. Juli 1993 legte der gemeinsame Vertreter die Vertretung nieder.

III. Am 28. September 1993 wies die Prüfungsabteilung alle drei Anmelder darauf hin, daß, da kein neuer Vertreter bestellt sei, das Verfahren mit ihnen weitergeführt werde und gemäß Regel 100 (1) EPÜ der im Antrag als erster genannte Anmelder A1 als gemeinsamer Vertreter angesehen werde.

IV. Mit Telefax vom 15. Dezember 1993 bestellte sich ein Patentanwalt .... zum Vertreter des im Antrag an dritter Stelle stehenden Anmelders und Beschwerdeführers A3.

V. Am 6. Dezember 1994 erfolgte der Hinweis, daß die am 31. Oktober 1994 fällig gewordene Jahresgebühr für das 5. Jahr nicht gezahlt worden sei, daß sie aber noch gemäß Artikel 86 (2) EPÜ bis zum letzten Tag des 6. Kalendermonats nach Fälligkeit mit einer Zuschlagsgebühr von 10 % der Jahresgebühr wirksam entrichtet werden könne. Dieser Hinweis wurde nur dem damaligen Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt.

VI. Am 24. Mai 1995 erging eine Mitteilung gemäß Regel 69 (1), daß die Anmeldung mangels Zahlung der Jahresgebühr für das 5. Jahr als zurückgenommen gelte. Auf die Möglichkeit, eine Entscheidung gemäß Regel 69 (2) EPÜ zu beantragen oder Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu stellen, wurde hingewiesen.

Diese Mitteilung wurde ebenfalls zunächst nur dem damaligen Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt, am 29. September 1995 auch dem im Erteilungsantrag an erster Stelle genannten Anmelder A1 sowie in Kopie dem an zweiter Stelle genannten Anmelder A2.

VII. Mit Schreiben vom 6. Juli 1995, eingegangen am 15. Juli 1995, entzog der Beschwerdeführer Patentanwalt .... die Vollmacht und stellte gleichzeitig einen Wiedereinsetzungsantrag.

VIII. Am 24. Januar 1996 erging durch den Hauptformalprüfer eine Entscheidung, daß der Wiedereinsetzungsantrag mangels Zahlung der Wiedereinsetzungsgebühr als nicht gestellt gilt. Die Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer mit Rechtsmittelbelehrung zugestellt.

IX. Hiergegen legte der Beschwerdeführer am 23. März 1996 Beschwerde ein, die er gleichzeitig begründete. Die Beschwerdegebühr hatte er am 20. März 1996 entrichtet.

X. Am 1. April 1996 erfolgte die Zahlung der Jahresgebühr für das 5. Jahr mit Zuschlag ebenso wie der Wiedereinsetzungsgebühr.

XI. Es wurde am 15. Juli 1998 mündlich verhandelt.

Das schriftliche und mündliche Vorbringen des Beschwerdeführers läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Es werde nicht die Bedeutung der in Artikel 122 EPÜ vorgesehenen Fristen für die Rechtssicherheit der Öffentlichkeit verkannt. In diesem Zusammenhang werde aber auf die Entscheidung J 6/90 (ABl. EPA 1993, 714) verwiesen, wonach Wiedereinsetzung dann zu gewähren sei, wenn ein Dritter aus einer klar dokumentierten Absichtserklärung in der Akte entnehmen könne, daß der Anmelder sich um die Aufrechterhaltung der Patentanmeldung bemühe. Dies sei hier der Fall.

Es sei auch zu berücksichtigen, daß unverschuldete finanzielle Schwierigkeiten bei ihm, dem Beschwerdeführer, zur Versäumung der Fristen geführt hätten. Hierzu sei die Entscheidung J 22/88 (ABl. EPA 1990, 244) heranzuziehen. Danach müsse es sich um ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten gehandelt haben, die für die Kammer glaubhaft seien. Diese ergäben sich hier ohne Zweifel aus dem Ablauf der Geschehnisse im Verfahren, in dem er, der Beschwerdeführer, mit umfangreichen Eingaben, Anträgen und Anfragen mangels finanzieller Mittel das Seine zur Rettung der Anmeldung habe beitragen wollen.

XII. Der Beschwerdeführer beantragte, die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 24. Januar 1996 aufzuheben und Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der 5. Jahresgebühr zu gewähren.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

Im erstinstanzlichen Verfahren ist die Prüfungsabteilung davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer als im Erteilungsantrag nicht an erster Stelle genannter Anmelder nicht berechtigt sei, das Anmeldeverfahren aktiv zu betreiben und Anträge zu stellen, wie sie dem Beschwerdeführer mehrfach mitgeteilt hat. Sie hat jedoch ihre Überzeugung nicht konsequent umgesetzt und den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Jahresgebühr für das 5. Jahr mit Zuschlag durch die angefochtene Entscheidung verbeschieden.

Gemäß Artikel 107 Satz 1 EPÜ steht die Beschwerde denjenigen zu, die an dem Verfahren beteiligt waren, das zur Entscheidung geführt hat, soweit sie durch die Entscheidung beschwert sind.

Unabhängig von der Frage, ob der im Erteilungsantrag an dritter Stelle genannte Beschwerdeführer im Hinblick auf Regel 100 (1) Satz 1 EPÜ zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags berechtigt war, ist auf seinen Antrag eine Entscheidung erfolgt, die ihm mit Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden ist. Da diese Entscheidung den Beschwerdeführer beschwert, liegen alle Voraussetzungen von Artikel 107 Satz 1 EPÜ vor, so daß die Beschwerdeberechtigung gegeben ist.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung unter Entrichtung der Beschwerdegebühr schriftlich eingelegt und begründet worden, so daß die Erfordernisse von Artikel 108 EPÜ erfüllt sind.

Die Beschwerde ist somit zulässig.

2. Wiederseinsetzungsantrag

2.1. In der Sache kann sie allerdings keinen Erfolg haben. Im Ergebnis ist der Entscheidung der ersten Instanz zuzustimmen.

Die Jahresgebühr für das 5. Jahr war gemäß Artikel 86 (1) i. V. m. Regel 37 (1) EPÜ am 31. Oktober 1994 fällig und hätte mit Zuschlag wirksam noch bis zum 30. April 1995 gezahlt werden können - Artikel 86 (2) EPÜ.

Die am 1. April 1996 mit Zuschlag erfolgte Zahlung war somit verspätet, so daß die Patentanmeldung nach Artikel 86 (3) EPÜ als zurückgenommen gilt.

Für den am 15. Juli 1995 nach Artikel 122 EPÜ eingereichten Wiedereinsetzungsantrag wurde die Wiedereinsetzungsgebühr ebenfalls erst am 1. April 1996 entrichtet.

Nach Artikel 122 (2) EPÜ ist der Wiedereinsetzungsantrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses, das zur Versäumung der Frist geführt hat, schriftlich einzureichen. Gemäß Artikel 122 (3) Satz 2 EPÜ gilt der Antrag erst als gestellt, wenn die Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet ist. Artikel 122 (2) Satz 3 EPÜ bestimmt, daß der Antrag nur innerhalb eines Jahres nach Ablauf der versäumten Frist zulässig ist und Satz 4 legt fest, daß im Fall der Nichtzahlung einer Jahresgebühr die in Artikel 86 (2) EPÜ vorgesehene Frist, in die Frist von einem Jahr eingerechnet wird.

Die Jahresfrist für den Wiedereinsetzungsantrag endete hier somit am 31. Oktober 1995, und alle danach für den Wiedereinsetzungsantrag vorgenommenen Handlungen, können, weil verspätet, keine Wirkung mehr entfalten.

2.2. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob durch die am 24. Mai 1995 gemäß Regel 69 (1) EPÜ erfolgte Mitteilung an den damaligen Vertreter des Beschwerdeführers, daß die Anmeldung als zurückgenommen gelte, das Hindernis wegfiel und die 2-Monatsfrist nach Artikel 122 (2) Satz 1 EPÜ in Lauf gesetzt wurde.

In jedem Fall ist die Wiedereinsetzungsgebühr außerhalb der Jahresfrist nach Artikel 122 (2) Satz 3 EPÜ entrichtet, so daß der Wiedereinsetzungsantrag nach Artikel 122 (3) Satz 2 i. V. m. Absatz 2 Satz 3 EPÜ als nicht gestellt gilt.

Dies hat zur Folge, daß die Beschwerde zurückgewiesen werden muß.

2.3. Die vom Beschwerdeführer herangezogene Entscheidung J 6/90 betrifft einen anderen Sachverhalt und kann deshalb im vorliegenden Fall nicht weiterhelfen. Bei dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt war der Wiedereinsetzungsantrag mißverständlich formuliert und bedurfte der Interpretation. Die Wiedereinsetzungsgebühr war aber innerhalb der Jahresfrist entrichtet worden, so daß dieser Fall dem vorliegenden nicht vergleichbar ist.

2.4. Die ferner angeführte Entscheidung J 22/88 betrifft die Frage, ob bei Versäumung von Fristen zur Zahlung von Gebühren unverschuldete finanzielle Schwierigkeiten ein Grund für die Gewährung der Wiedereinsetzung sein können. Dies wird bejaht, wenn sich der Antragsteller mit der gebotenen Sorgfalt um finanzielle Unterstützung bemüht hat. Im vorliegenden Fall kann die Kammer jedoch gar nicht zur Prüfung dieser Frage kommen, da es bereits an einem wirksam gestellten Wiedereinsetzungsantrag mangelt.

2.5. Daher können die zitierten Entscheidungen nicht zu einer anderen Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts führen.

3. Verfahren nach Regel 100 EPÜ

3.1. Das Verfahren vor der ersten Instanz begegnet allerdings rechtlichen Bedenken.

Nach der Niederlegung des Mandats durch den ursprünglich beauftragten zugelassenen Vertreter hat die Prüfungsabteilung den im Erteilungsantrag an erster Stelle genannten Anmelder A1 als gemeinsamen Vertreter angesehen und sich hierbei auf Regel 100 (1) EPÜ berufen. Diese Bestimmung schreibt vor, daß wenn eine europäische Patentanmeldung von mehreren Personen eingereicht wird und im Antrag auf Erteilung eines europäischen Patents kein gemeinsamer Vertreter bezeichnet ist, der Anmelder, der im Antrag als erster genannt ist, als gemeinsamer Vertreter gilt. Im vorliegenden Fall waren aber für die am 23. Oktober 1990 eingereichte Patentanmeldung von allen drei Mitanmeldern als gemeinsamer Vertreter die Patentanwälte Richter et al bezeichnet. Die Vertretungsvollmacht, die am 14. Mai 1992 eingereicht wurde, ist dementsprechend von allen drei Mitanmeldern unterzeichnet. Somit lagen die Voraussetzungen der Regel 100 (1) Satz 1 EPÜ hier nicht vor.

Diese Bestimmung gilt nur für den Fall, daß bei Einreichung der Anmeldung kein gemeinsamer Vertreter benannt ist, nicht auch für den Fall, daß, wie hier, im Lauf des Verfahrens der gemeinsame Vertreter wegfällt.

3.2. Ebenso war es fehlerhaft, den vom Beschwerdeführer alleine benannten Vertreter, Patentanwalt ...., bis zur Beendigung von dessen Mandat als gemeinsamen Vertreter zu behandeln. Regel 100 (1) Satz 2 EPÜ bestimmt, daß wenn einer der Anmelder verpflichtet ist, einen zugelassenen Vertreter zu bestellen, dieser Vertreter als gemeinsamer Vertreter gilt, sofern nicht der im Antrag als erster genannte Anmelder einen zugelassenen Vertreter bestellt hat.

Aus dem Sachzusammenhang, insbesondere auch aus dem letzten Halbsatz dieser Bestimmung geht hervor, daß Satz 2 von Regel 100 (1) EPÜ deren Satz 1 voraussetzt, so daß schon aus diesem Grund die Bestimmung von Satz 2 keine Anwendung finden kann. Darüber hinaus liegen auch deren besondere Voraussetzungen nicht vor, da der Beschwerdeführer nicht zur Bestellung eines zugelassenen Vertreters verpflichtet war.

3.3. Die erste Instanz hätte vielmehr nach Regel 100 (2) Satz 2 EPÜ verfahren müssen, die einen Auffangtatbestand darstellt und vorschreibt, daß in anderen als den von Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1, der den Rechtsübergang auf mehrere Personen im Lauf des Verfahrens betrifft, erfaßten Fällen, das Europäische Patentamt die betroffenen Personen, hier die drei Anmelder, auffordert, innerhalb von zwei Monaten einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen. Wird dieser Aufforderung nicht entsprochen, so bestimmt das Europäische Patentamt den gemeinsamen Vertreter.

Die erste Instanz hätte also hier die drei Anmelder nach Niederlegung des Mandats durch den ursprünglichen gemeinsamen Vertreter zunächst zur erneuten Bestellung eines gemeinsamen Vertreters auffordern müssen und gegebenenfalls bei fruchtlosen Ablauf der Frist den gemeinsamen Vertreter selbst bestimmen müssen.

3.4. Da das Begehren des Beschwerdeführers bereits am Ablauf der Jahresfrist für die Wiedereinsetzung scheitert, hatte die fehlerhafte Verfahrensführung keine Auswirkungen, weder zugunsten noch zum Nachteil des Beschwerdeführers.

4. Rückzahlung der Gebühren

Da die Anmeldung wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr für das 5. Jahr als zurückgenommen und der Wiedereinsetzungsantrag als nicht gestellt gilt, sind die ab dieser Jahresgebühr weiter gezahlten Jahresgebühren sowie die Wiedereinsetzungsgebühr zurückzuerstatten, da diese Gebühren nicht angefallen sind.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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