European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1992:J000690.19921022 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 22 October 1992 | ||||||||
Aktenzeichen: | J 0006/90 | ||||||||
Anmeldenummer: | 84903728.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B65D 25/08 B65D 81/32 |
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Verfahrenssprache: | EN | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | Baxter | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.1.01 | ||||||||
Leitsatz: | Für die Erfüllung des Erfordernisses, daß ein gültiger Wiedereinsetzungsantrag innerhalb eines Jahres nach Ablauf der versäumten Frist zu stellen ist, genügt es, wenn die Akte eine klar dokumentierte Absichtserklärung enthält, der ein Dritter entnehmen kann, daß sich der Anmelder um die Aufrechterhaltung der Patentanmeldung bemüht. | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Wiedereinsetzung - Antragsfrist von einem Jahr | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Für die (aus der internationalen Anmeldung PCT/US 84/01504 hervorgegangene) europäische Patentanmeldung Nr. 84 903 728.8 wurde die Jahresgebühr für das dritte Jahr nicht fristgerecht entrichtet. Mit Entscheidung vom 24. August 1989 wies die Eingangsstelle des EPA einen Wiedereinsetzungsantrag des europäischen Vertreters der Anmelderin als unzulässig zurück, weil das EPA innerhalb der in Artikel 122 (2) Satz 3 EPÜ verankerten Frist von einem Jahr keine Begründung für den Wiedereinsetzungsantrag erhalten hatte. Die Begründung wurde erst kurz danach eingereicht, jedoch innerhalb der in Artikel 122 (2) Satz 1 EPÜ vorgesehenen Frist, die im vorliegenden Fall später ablief.
II. Die Anmelderin legte am 12. Oktober 1989 Beschwerde gegen diese Entscheidung ein und entrichtete die entsprechende Gebühr; am 19. Dezember 1989 reichte sie eine Beschwerdebegründung ein. Ihr Vertreter und die Eingangsstelle waren sich über die entscheidungserheblichen Tatsachen einig, die von der Beschwerdekammer überprüft worden sind und sich wie folgt darstellten:
30.9.86 Fälligkeitstag der dritten Jahresgebühr
12.11.86 Absendung einer Mitteilung (EPA Form 2522) mit dem Hinweis auf Artikel 86 (2) EPÜ an den europäischen Vertreter, die dieser am 17.11.86 erhielt
30.3.87 Ablauf der Frist nach Artikel 86 (2) EPÜ für die Entrichtung der Jahresgebühr und einer Zuschlagsgebühr
6.8.87 Absendung einer Mitteilung gemäß Regel 69 (1) EPÜ betreffend den nach Artikel 86 (2) EPÜ eintretenden Rechtsverlust
16.8.87 Wegfall des Hindernisses und Beginn der in Artikel 122 (2) EPÜ genannten Frist von zwei Monaten, wobei nach Regel 78 (3) EPÜ davon ausgegangen wurde, daß der Vertreter die Mitteilung gemäß Regel 69 (1) EPÜ innerhalb von zehn Tagen nach der Aufgabe zur Post erhalten hat
21.9.87 Eingang eines Schreibens des Vertreters vom 17. September 1987, in dem die Zahlung der Jahresgebühr, der Zuschlagsgebühr und der Wiedereinsetzungsgebühr zugesagt und "ein schriftlicher Antrag auf Wiedereinsetzung" angekündigt wurden
28.9.87 Zahlung der oben genannten Gebühren
30.9.87 Ablauf der in Artikel 122 (2) Satz 3 EPÜ angegebenen Frist von einem Jahr
6.10.87 Eingang eines Schreibens mit der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags
16.10.87 Ablauf der in Artikel 122 (2) Satz 1 EPÜ genannten Frist von zwei Monaten, wobei davon ausgegangen wurde, daß das Hindernis am 16. August 1987 weggefallen war (siehe oben)
III. Mit Entscheidung vom 24. August 1989 wies der Formalsachbearbeiter der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts den Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig zurück, weil er nicht innerhalb der in Artikel 122 (2) Satz 3 EPÜ genannten Frist von einem Jahr gestellt worden sei. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrags innerhalb der Jahresfrist sei, daß in dem betreffenden Jahr eine Begründung eingereicht werde. Ein Einspruch sei nach Artikel 99 (1) in Verbindung mit den Regeln 55 c) und 56 (1) EPÜ nur zulässig, wenn vor Ablauf der Einspruchsfrist die Einspruchsgründe dargelegt würden. Dies gelte analog - bezogen auf die Jahresfrist nach Artikel 122 (2) Satz 3 EPÜ - auch für Wiedereinsetzungsanträge.
IV. Die Beschwerdeführerin legte am 12. Oktober 1989 gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und entrichtete am darauffolgenden Tag die entsprechende Gebühr. Eine Beschwerdebegründung wurde am 12. Dezember 1989 eingereicht.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung ihres Wiedereinsetzungsantrags an die erstinstanzliche Abteilung, die der Frage nachgehen sollte, ob gemäß Artikel 122 (1) EPÜ alle nach den gegebenen Umständen gebotene Sorgfalt beachtet worden sei.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2.1 In Artikel 122 (2) Satz 3 EPÜ wird mit folgendem Wortlaut eine einjährige Frist festgelegt: "Der Antrag ist nur innerhalb eines Jahres nach Ablauf der versäumten Frist zulässig." Die Bedeutung ist in allen drei Amtssprachen dieselbe. In den zwei vorangehenden Sätzen und im darauffolgenden Absatz 3 geht es ebenfalls um "den Antrag" und die Anforderungen, die er in zeitlicher (Frist von zwei Monaten) und formaler Hinsicht erfüllen muß. Daraus ließe sich folgern, daß alle Handlungen, die in irgendeiner Weise eine Vorbedingung für die Wiedereinsetzung darstellen, zusammen innerhalb der Frist vorzunehmen sind, die von den beiden genannten Fristen (zwei Monate und ein Jahr) zuerst abläuft. So entsteht der Eindruck, die folgenden Erfordernisse seien in vollem Umfang innerhalb der von den beiden Fristen zuerst ablaufenden Frist zu erfüllen:
a) Einreichung eines schriftlichen Antrags (Absatz 2 Satz 1)
b) Nachholen der versäumten Handlung (Absatz 2 Satz 2)
c) Begründung des Antrags unter Angabe der zur Begründung dienenden Tatsachen (Absatz 3 Satz 1)
d) Glaubhaftmachung der Tatsachen (nur im deutschen Wortlaut) (Absatz 3 Satz 1)
e) Entrichtung der Wiedereinsetzungsgebühr (Absatz 3 Satz 2)
2.2 Alle diese Erfordernisse müssen vor einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfüllt sein. Diese zwingende Notwendigkeit ist allein schon Grund genug, die Erfordernisse in Artikel 122 (2) und (3) EPÜ einzeln aufzuzählen. Diese Vorschrift kann jedoch kaum dahingehend verstanden werden, daß für die Erfüllung der obengenannten Erfordernisse jeweils beide Fristen maßgeblich sind. Wäre Artikel 122 EPÜ so zu verstehen, so käme es - gerade in Verbindung mit Jahresgebühren - häufig dazu, daß die Frist von zwei Monaten durch den früheren Ablauf der Jahresfrist gewissermaßen verkürzt würde. Im Falle der Zahlung von Jahresgebühren beginnt die Frist von einem Jahr mit dem Fälligkeitstag; sie verringert sich nach Artikel 122 (2) Satz 4 EPÜ auf sechs Monate ab dem letztmöglichen Zahlungstermin, d. h. dem Fälligkeitstag der Zuschlagsgebühr. Die Mitteilung nach Regel 69 (1) EPÜ in bezug auf den Rechtsverlust wird - wie in der vorliegenden Sache - oft so spät verschickt, daß die Frist von zwei Monaten erst nach Ablauf der Jahresfrist endet. Das allein zeigt schon, daß die Jahresfrist nicht die rechtliche Funktion einer Frist für die Erfüllung jedes unter Nummer 2.1 aufgeführten Erfordernisses haben kann. Sofern diese Erfordernisse fristgebunden sind, sind sie innerhalb der Frist von zwei Monaten zu erfüllen.
2.3 Innerhalb der in Artikel 122 EPÜ genannten Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt der Jahresfrist die rechtliche Funktion einer Ausschlußfrist zu. Dies ist unter anderem daran zu erkennen, daß zwei zeitliche Beschränkungen angegeben sind, nämlich zwei Monate und ein Jahr. Jede dieser Beschränkungen hat eine ganz bestimmte Funktion.
2.4 Die Jahresfrist soll für Rechtssicherheit sorgen. Ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist muß für alle Beteiligten klar sein, daß keine Wiedereinsetzung mehr möglich ist. Nach Ablauf der Jahresfrist kann dann jeder Beteiligte darauf vertrauen, daß eine Patentanmeldung oder ein Patent, das durch Versäumung einer Frist ungültig geworden ist, nicht wiederauflebt. Er kann sich darauf verlassen, daß das Schutzrecht aufgehoben wurde und nicht mehr verletzt werden kann. Wenn allerdings ein Dritter bei Einsicht in die Akte feststellt, daß innerhalb der Frist von einem Jahr ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt worden ist, ist er hinreichend vorgewarnt. Die Kammer vertritt daher die Auffassung, daß die Jahresfrist nicht erst dann als eingehalten gilt, wenn die materiellrechtlichen Erfordernisse für die Wiedereinsetzung erfüllt sind. Diese Erfordernisse unterliegen der Frist von zwei Monaten und wurden in der vorliegenden Sache auch innerhalb dieser Frist erfüllt. Der Zweck der Jahresfrist nach Artikel 122 (2) Satz 3 EPÜ ist es, für Rechtssicherheit zu sorgen; dem ist voll und ganz Genüge getan, wenn ein Dritter aus der Akteneinsicht schließen muß, daß nach einem Fristversäumnis der Wunsch nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand besteht. Dieses Erfordernis ist ausreichend erfüllt, wenn der Anmelder oder der Patentinhaber unmißverständlich den Wunsch geäußert hat, die Patentanmeldung weiterzuverfolgen bzw. das Patent aufrechtzuerhalten.
2.5 Dies war hier der Fall. Alles in allem muß das Schreiben des Vertreters vom 17. September 1987 als kategorischer Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand angesehen werden, nachdem die Frist für die Entrichtung der Jahresgebühr und der Zuschlagsgebühr versäumt worden war. Der Wortlaut des Schreibens bedarf in gewisser Weise der Interpretation, da der Vertreter darin einen baldigen schriftlichen Wiedereinsetzungsantrag ankündigte. Das allein ist aber bereits als Antrag auf Wiedereinsetzung zu betrachten. Dies ergibt sich aus der Tatsache, daß der Vertreter wenige Tage später - innerhalb der Frist von einem Jahr - die Wiedereinsetzungsgebühr bezahlt hat. Gebühren für gebührenpflichtige Anträge werden in der Regel erst entrichtet, nachdem der Antrag gestellt wurde. In der vorliegenden Sache hält die Kammer dafür, daß der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wirksam innerhalb eines Jahres nach Ablauf der versäumten Frist gestellt wurde. Die angefochtene Entscheidung wird daher aufgehoben und die Sache zur Wiederaufnahme des Verfahrens zurückverwiesen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und die Sache an die erste Instanz zurückverwiesen.