W 0007/85 (Isolierpulver) of 5.6.1987

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1987:W000785.19870605
Datum der Entscheidung: 05 Juni 1987
Aktenzeichen: W 0007/85
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: EN
Verteilung:
Download und weitere Informationen:
PDF nicht verfügbar
-
Bibliografische Daten verfügbar in: DE | EN | FR
Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Minnesota
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: Die technischen Informationen reichen aus, um die Einheitlichkeit der Erfindung bei einem Anspruch auf ein Gemisch und einem Anspruch auf einen wesentlichen Bestandteil dieses Gemisches oder eine eng definierte Variante davon von vorneherein ersichtlich zu machen.
Relevante Rechtsnormen:
Patent Cooperation Treaty Art 17(3)(a)
Patent Cooperation Treaty R 13(1)
Patent Cooperation Treaty R 13(2)
Patent Cooperation Treaty R 40(1)
Patent Cooperation Treaty R 40(2)(c)
European Patent Convention 1973 Art 82
European Patent Convention 1973 R 30
Schlagwörter: Einheitlichkeit der Erfindung - Gemisch und Bestandteil
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
W 0004/93
W 0002/95

Sachverhalt und Anträge

I. Die Anmelderin reichte am 13. Mai 1985 die internationale Patentanmeldung PCT/US 85/00882 ein. Das EPA war Bestimmungsamt im Sinne des Artikels 2 xiii) PCT.

II. Am 6. September 1985 forderte das EPA als Internationale Recherchenbehörde (ISA) die Anmelderin gemäß Artikel 17 (3) a) und Regel 40 (1) PCT zur Zahlung einer zusätzlichen Recherchengebühr auf. In der Aufforderung hieß es, daß die oben genannte Anmeldung nach Auffassung der ISA den Anforderungen an die Einheitlichkeit der Erfindung nicht entspreche, da sie zwei verschiedene Gegenstände enthalte, nämlich

- die Ansprüche 1 - 30: Pulver für eine elektrisch isolierende Beschichtung aus einem Gemisch aus (a) einer Verbindung mit einer Epoxy-Endgruppe auf der Grundlage von Hydantoyldiepoxid und (b) einem Polyester mit einer Säure-Endgruppe

- den Anspruch 31: spezifisches Addukt auf der Grundlage von Hydantoyldiepoxid, d. h. eines Gemisches aus den Verbindungen der Formeln III und IV

Die Aufforderung enthielt keine Begründung für die oben genannte Feststellung.

III. Die Anmelderin zahlte mit Schreiben vom 1. Oktober 1985 (das am 7. Oktober 1985 einging) die zusätzliche Recherchengebühr unter Widerspruch (R. 40 (2) c) PCT) und versicherte, daß der Anspruch 31 mit dem Gegenstand der Ansprüche 1 bis 30 eng verbunden sei. So beanspruche Anspruch 7 ein Pulver, bei dem als Bestandteil a eine Zusammensetzung nach Anspruch 31 verwendet werde. Bei einer Recherche zu Anspruch 7 würde mit großer Sicherheit ein Stand der Technik ermittelt, der auch für Anspruch 31 relevant sei.

Entscheidungsgründe

1. Der Widerspruch entspricht Regel 40 (2) c) PCT und ist somit zulässig.

2. Die ISA hat in ihrer Aufforderung festgestellt, daß die beiden oben genannten Gegenstände ihrer Auffassung nach nicht so zusammenhängen, daß sie eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen; entgegen der Regel 40 (1) PCT hat sie jedoch ihre Feststellung weder in der Aufforderung selbst noch in einer Anlage dazu begründet. Die Beschwerdekammern des EPA haben bereits in anderen Fällen (vgl. W 04/85 "Wärmetauscher" und W 07/86 "Lithiumsalze", ABl. EPA 1987, 63 - 67) entschieden, daß eine Aufforderung gemäß Artikel 17 (3) a) und Regel 40 (1) PCT ohne Angabe von Gründen nicht rechtswirksam ist. Nur in "einfachen" Fällen, in denen schon aus einer bloßen Aufzählung der beanspruchten Gegenstände ohne weiteres ersichtlich wird, warum die ISA die verschiedenen Ansprüche für uneinheitlich hält, ist eine ausdrückliche Begründung entbehrlich.

3. Hier haben wir es nicht mit einem dieser seltenen "einfachen" Fälle zu tun, weil die Unterschiede zwischen den beiden oben genannten Gegenständen nicht augenfällig sind. Der Gegenstand des Anspruchs 31 könnte Teil des Verfahrens zur Herstellung bestimmter in den Ansprüchen 1 bis 30 und insbesondere in Anspruch 7 erfaßter Ausführungsarten sein und hierfür verwendet werden. Wegen dieses Zusammenhangs läßt sich nicht ohne weiteres die Schlußfolgerung ziehen, daß die Gegenstände so wenig zusammenhängen, daß sie sich keinesfalls zu einer einzigen allgemeinen erfinderischen Idee verbinden lassen. Dies allein wäre Grund genug, die Aufforderung aufzuheben, weil ihr wegen dieses Verstoßes gegen Regel 40 (1) PCT jegliche Rechtsgrundlage fehlt.

Die Kammer will jedoch im vorliegenden Fall auch die technischen Sachverhalte prüfen, die für die Einheitlichkeit der beanspruchten Erfindungen a priori maßgebend sind.

4. Die Ansprüche 1 bis 30 beziehen sich auf Pulver zur Anwendung in elektrischen Beschichtungen, die sich aus zwei Komponenten zusammensetzen. Die erste Komponente (a) ist eine "Verbindung mit einer Epoxy-Endgruppe auf der Grundlage von Hydantoylepoxid", die zweite (b) ein aromatisches Dicarbonsäurederivat. Zwischen den unzähligen Varianten, die die Komponente a umfaßt, wird ein bestimmtes Gemisch aus Hydantoyldiepoxidderivaten am stärksten bevorzugt und in Anspruch 31 beansprucht. Anspruch 7 ist eigentlich eine Variante des Anspruchs 1, bei der nur diese in Anspruch 31 definierte, am stärksten bevorzugte Komponente a verwendet wird.

5. Der Gegenstand des Anspruchs 31 ist in Wirklichkeit ein bestimmter Bestandteil der in den Ansprüchen 1 bis 15 jeweils definierten Gemische. Betrachtet man die Ansprüche 4 und 18 bis 30, die sich auf einen bestimmten Verfahrensschritt bei der Herstellung des Gemisches, nämlich die Lösung des Addukts aus Hydantoyldiepoxid und einem aromatischen Dicarbonsäureimid in Hydantoyldiepoxid (als Lösungsmittel), beziehen, so wird erkennbar, daß der Gegenstand des Anspruchs 31, d. h. das Gemisch aus Verbindungen der Formel III und IV, auch hier unter die Definitionen fällt und als Ausgangs- oder Zwischenstoff in der Lösungsstufe wirkt.

6. Die für die Einheitlichkeit geltenden Grundsätze sind in Regel 13 (1) und (2) PCT festgelegt, die Artikel 82 bzw. Regel 30 EPÜ genau entspricht. Darin wird zunächst gefordert, daß die Erfindungen so zusammenhängen, daß sie eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen. Ferner werden in den anderen Bestimmungen unter anderem Gegenstände wie z. B. ein Erzeugnis, dessen Herstellungsverfahren und ein "Mittel, das zur Ausführung dieses Verfahrens besonders entwickelt wurde", als einheitlich anerkannt (vgl. R. 13 (2) iii) PCT und R. 30 c) EPÜ). Die einschlägige Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA ist deshalb für diese und ähnliche Sachverhalte maßgebend.

7. In der Entscheidung T 57/82 "Copolycarbonate" (ABl. EPA 1982, 306) hat die Beschwerdekammer Chemie festgestellt, daß neue chemische Endprodukte und neue Zwischenprodukte für deren Herstellung im Sinne des Artikels 82 EPÜ einheitlich sind, wenn sie "miteinander im technologischen Zusammenhang stehen" und durch die Zielrichtung auf die Endprodukte zu einem einzigen Gesamtkonzept zusammengeschlossen sind. In einer späteren Entscheidung (T 110/82 "Benzylester", ABl. EPA 1983, 274) hat dieselbe Kammer ferner die Auffassung vertreten, daß dann Einheitlichkeit vorliegt, wenn die Zwischen- und die Endprodukte "durch Einbau eines wesentlichen Strukturelements in die Endprodukte" (Hervorhebung durch den Verfasser) miteinander in engem technischem Zusammenhang stehen.

8. Im vorliegenden Fall wird das bevorzugte Gemisch aus spezifischen Hydantoylepoxidderivaten der Formel III und IV als Komponente a durch Mischen mit der Komponente b in das Pulver nach den Ansprüchen 1 bis 15 eingebracht. Somit stellen die vorgeschlagenen Derivate einen wesentlichen Bestandteil des Pulvers dar, das ein Kompositum ist. Wenn chemische Zwischen- und Endprodukte schon dann als einheitlich gelten, wenn - wie es häufig der Fall ist - nur ein Teil der Zwischenstruktur eingebaut wird, so muß erst recht von einem engen technischen Zusammenhang gesprochen werden, wenn die vollständigen Komponenten in die entsprechenden als Gemisch vorliegenden Zusammensetzungen eingebaut werden. Die ersteren bleiben auch in der Beimengung intakt und behalten im Endprodukt - anders als typische Zwischenprodukte, die dabei ihre Identität verlieren - alle ihre Eigenschaften und Funktionen bei.

9. Die bevorzugte Kombination von Verbindungen der Formel III und IV ist kein bloßer optischer Bestandteil, sondern ein wesentliches Merkmal des Gemischs. Zudem ist sie im vorliegenden Fall keine Komponente von untergeordneter Bedeutung, sondern ein wesentlicher Bestandteil des Gemischs (vgl. Ansprüche 6 und 13, in denen von einem Überschuß der Komponente a über die Komponente b die Rede ist), der zu seiner Funktion voll beiträgt. Außerdem wird in der Offenbarung keine andere Verwendung dieser Komponente aufgezeigt. Daß sich der Schutzbereich des Gegenstands des Anspruchs 31 nur mit dem des Anspruchs 7 und nicht mit dem des weiter gefaßten Anspruchs 1 deckt, ist ohne Bedeutung. Die Tatsache, daß die Anmelderin die Komponente a der Kombination an sich nicht für einen Schutzbereich beansprucht, der sich mit dem in Anspruch 1 definierten deckt oder gar darüber hinausreicht, kann viele Gründe haben. Es wäre denkbar, daß einige der Varianten bereits bekannt sind oder daß sich die Anmelderin aus bestimmten kommerziellen oder rechtlichen Gründen entschlossen hat, das von ihr beanspruchte Monopol freiwillig zu beschränken.

10. Die technischen Informationen reichen aus, um die Einheitlichkeit der Erfindung bei einem Anspruch auf ein Gemisch, d. h. eine Zusammensetzung, und einem Anspruch auf einen wesentlichen Bestandteil oder ein Element dieses Gemisches oder eine eng definierte Variante davon von vorneherein ersichtlich zu machen. Somit dürften beide Erfindungen unter dieselbe allgemeine erfinderische Idee fallen. In diesen Fällen ist das Erfordernis, daß das Mittel zur Herstellung des Endprodukts "zur Ausführung des Verfahrens besonders entwickelt" sein muß, erfüllt, da keines der Mittel zu einem Endprodukt führt oder sich auf ein Endprodukt bezieht, das außerhalb seines Definitionsbereichs liegt. Dementsprechend hängt der erfinderische Charakter der Komponente prima facie auch von dem des Endprodukts ab; es wäre unter diesen Umständen nicht angebracht, die Einheitlichkeit in Zweifel zu ziehen, bevor die Prüfung der entsprechenden erfinderischen Tätigkeit a posteriori einen Verlust der Einheitlichkeit ergibt. Da in der Anmeldung keine andere Komponente, z. B. des Typs b, beansprucht wird, stellt sich die Frage der Beziehung der Komponenten zueinander im Zusammenhang mit der Einheitlichkeit nicht. Deshalb sind im vorliegenden Fall die Gegenstände aller Ansprüche einheitlich. Die zusätzliche Recherchengebühr kann daher keinesfalls einbehalten werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden

Die Rückzahlung der zusätzlichen Recherchengebühr wird angeordnet.

Quick Navigation