W 0002/95 (Etikettenbogen) of 18.10.1995

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1995:W000295.19951018
Datum der Entscheidung: 18 October 1995
Aktenzeichen: W 0002/95
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: G09F 3/02
B31D 1/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Etikettenbogen, Verfahren zur Herstellung und Vorrichtung
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 154(3)
Patent Cooperation Treaty Art 17(3)(a)
Patent Cooperation Treaty R 13(1)
Patent Cooperation Treaty R 13(2)
Patent Cooperation Treaty R 40(1)
Patent Cooperation Treaty R 40(2)(c)
Patent Cooperation Treaty R 40(2)(e)
Schlagwörter: Einheitlichkeit der Erfindungen von Produkt und Verfahren zu dessen Herstellung beim Fehlen wörtlich gleicher technischer Merkmale in den Ansprüchen
Orientierungssatz:

Aus dem Fehlen wörtlich gleicher technischer Merkmale in einem Produkt-Anspruch und dem unabhängigen Anspruch zur Herstellung des Produkts kann noch nicht auf Nichteinheitlichkeit der Erfindungen geschlossen werden. Beim Vergleich der Merkmale von möglicherweise uneinheitlichen oder als uneinheitlich vermuteten Ansprüchen ist die Beschreibung mit heranzuziehen, um mit ihrer Hilfe zu untersuchen, welche Effekte den einzelnen Anspruchsmerkmalen zuzuordnen sind. Erst aufgrund einer solchen Untersuchung kann entschieden werden, ob die Erfindungen aufgrund "entsprechender" technischer Merkmale in einem technischen Zusammenhang stehen.

Angeführte Entscheidungen:
W 0004/85
W 0007/85
W 0007/86
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0106/06
W 0011/99
W 0007/00

Sachverhalt und Anträge

I. Der Anmelder hat am 11. März 1994 die Internationale Anmeldung PCT/EP.... eingereicht.

Die Anmeldung betrifft einen Etikettenbogen sowie ein Verfahren und eine Vorrichtung zu dessen Herstellung.

II. Am 12. August 1994 richtete das Europäische Patentamt als zuständige Internationale Recherchenbehörde (IRB) an den Anmelder eine Aufforderung gemäß Artikel 17 (3) a) und Regel 40.1 PCT, in der die Anmeldung als uneinheitlich gemäß den Regeln 13.1 und 13.2 PCT bewertet wird.

Zur Begründung wurde in dieser Aufforderung ausgeführt, daß die Ansprüche der vorliegenden Anmeldung in zwei Gruppen unterteilt werden können:

"Erste Gruppe: Ansprüche 1 - 13

Die Erste Gruppe betrifft einem Etikettenbogen bestehend aus abhäsiven Trägermaterial zwischenliegenden Haftklebestoffschicht und Obermaterial und ist dadurch gekennzeichnet, daß die Fläche des Obermaterials derart kleiner ist, daß die Trägermaterialkante auf allen Seiten des Bogens über die Obermaterialkante hinaussteht.

Zweite Gruppe: Ansprüche 14 - 28

Diese zweite Gruppe betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Etikettenbögen, ebenso bestehend aus Trägermaterial, Haftklebestoffschicht und Obermaterial.

Das Etikettenmaterial wird, unter anderem, gestanzt, es entsteht dadurch ein Matrixgitterband. Das besondere technische Merkmal dieses Verfahrens liegt darin, daß das Abziehen des Matrixgitterbandes aus dem Obermaterial in einem Winkel von 5 bis 90 zur Bahnlaufrichtung des weitergeführten Etikettenmaterials stattfindet.

Diese zwei Gruppen von Ansprüchen zeigen kein gemeinsames erfinderisches Konzept, oder gemeinsame bedeutende technische Merkmale.

Insbesondere kann aus den Merkmalen des Verfahrens nicht abgeleitet werden, daß der Etikettenbogen, wie in den Ansprüchen der ersten Kategorie gekennzeichnet, erzeugt werden kann."

Eine weitergehende Begründung, weshalb keine einheitliche Erfindung vorliegen sollte, enthält die Aufforderung nicht. Es muß somit unterstellt werden, daß die IRB vom Vorliegen einer Uneinheitlichkeit "a priori" ausgeht, da sie in der Begründung ihrer Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren keinerlei Stand der Technik nennt, obwohl in der Mitteilung über das Ergebnis der Internationalen Teilrecherche Druckschriften der Kategorie "X" und "Y" aufgeführt sind.

III. Die beiden unabhängigen Ansprüche 1 und 14 der beiden Gruppen lauten wie folgt:

"1. Etikettenbogen aus einem Etikettenmaterial, bestehend aus abhäsivem Trägermaterial, zwischenliegender Haftklebstoffschicht und Obermaterial, dadurch gekennzeichnet, daß die Fläche des Obermaterials derart kleiner als die des Trägermaterials ist, daß die Trägermaterialkante auf allen Seiten des Bogens über die Obermaterialkante hinaussteht."

"14. Verfahren zur Herstellung von Etikettenbögen, bei dem ein aus abhäsivem Trägermaterial, zwischenliegender Haftklebstoffschicht und Obermaterial aufgebautes Etikettenmaterial abgerollt, ggf. bedruckt und dann gestanzt wird, anschließend ein Matrixgitterband des Obermaterials abgezogen wird, und schließlich das verbleibende Etikettenmaterial längs und quer geschnitten bzw. quer perforiert und als Bögen abgelegt bzw. abgefaltet und dann an den Perforationslinien in einzelne Bögen getrennt wird, dadurch

gekennzeichnet , daß man das Matrixgitterband aus dem Obermaterial in einem Winkel alpha = 5 - 90 zur Bahnlaufrichtung des weitergeführten Etikettenmaterials abzieht und hierbei die jeweils äußeren Längsstege des Matrixgitterbandes so führt, daß sie senkrecht zur Laufrichtung des Matrixgitterbandes in der Ebene der abgezogenen Matrix freibeweglich sind."

IV. Der Anmelder hat mit Fax vom 12. September 1994, einem Montag, die geforderte weitere Recherchengebühr unter Widerspruch bezahlt. Zur Begründung seines Widerspruchs führt der Anmelder aus, daß für die Herstellung des Etikettenbogens gemäß dem Anspruch 1 ein spezielles Verfahren erforderlich ist, wie es im Anspruch 14 dargelegt wird. Bei diesem Herstellungsverfahren werden spezielle Bedingungen eingehalten, um das Matrixgitterband (des Obermaterials) abziehen zu können, ohne daß dieses reißt, wobei ein Etikettenbogen gebildet werden soll, bei dem die Trägermaterialkante auf allen Seiten des Bogens über die Obermaterialkante hinaussteht. Die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 14 angegebenen Verfahrensschritte ermöglichen es, daß das aus dünnen Längs- und Querstegen bestehende Matrixgitterband abgezogen werden kann, um dann die Etikettenbögen nur mehr durch einfache Trennschritte aus dem Etikettenmaterial zu erzeugen. Insofern sind die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 14 eine Voraussetzung, um Etikettenbögen der nach Anspruch 1 beanspruchten Art auf technisch und wirtschaftlich sinnvolle Weise zu erzeugen. Somit ist das Verfahren nach Anspruch 14 - nach Auffassung des Anmelders - auf die Herstellung des Gegenstands nach Anspruch 1 abgestellt und daher beruhen die Gegenstände der Ansprüche 1 - 13 einerseits und der Ansprüche 14 - 28 andererseits auf einem gemeinsamen erfinderischen Konzept. Insbesondere wird der Zusammenhang zwischen den beanspruchten Etikettenbögen und dem Verfahren zu ihrer Herstellung auch durch die Beispiele 1 und 2 der vorliegenden Anmeldung verdeutlicht.

V. Am 10. November 1994 hat die IRB dem Anmelder als Ergebnis der Überprüfung der Aufforderung zur Zahlung einer zusätzlichen Recherchengebühr gemäß Regel 40.2 c), d) und e) mitgeteilt, daß diese Aufforderung in vollem Umfang berechtigt gewesen sei. Außerdem hat sie den Anmelder zur Zahlung einer Widerspruchsgebühr in Höhe von DEM 2 000.- innerhalb einer Frist von einem Monat aufgefordert. Im Falle der nicht fristgerechten Bezahlung der Widerspruchsgebühr gelte der Widerspruch als zurückgenommen.

Die IRB hat in der oben genannten Mitteilung vom 10. November 1994 ausgeführt, daß auch der Überprüfungsausschuß zu dem Ergebnis gekommen ist,

"daß kein besonderes gemeinsames Merkmal vorhanden ist zwischen den beiden Gegenständen",

wie die IRB bereits in ihrer Begründung zur Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren vom 12. August 1994 festgestellt hat.

VI. Der Anmelder hat mit FAX vom 8. Dezember 1994 die Widerspruchsgebühr entrichtet und nochmals seinen Widerspruch detailliert begründet. Gleichzeitig hat der Anmelder einen neuen Satz von Ansprüchen 1 bis 28 beim Internationalen Büro der WIPO in Genf eingereicht, dessen Anspruch 14 dahingehend geändert ist, daß ein Bezug auf die vorangehenden Produktansprüche 1 bis 11 ("gemäß einem der Ansprüche 1 - 11") aufgenommen wurde. Der Anmelder hat beantragt, daß die IRB die Einheitlichkeit der Ansprüche im Hinblick auf den neu definierten Anspruch 14 anerkennt.

Entscheidungsgründe

1. Gemäß Artikel 154 (3) EPÜ sind die Beschwerdekammern des EPA zuständig, über den Widerspruch des Anmelders gegen die Festsetzung zusätzlicher Gebühren zu entscheiden.

2. Der Widerspruch entspricht Regel 40.2 c) und e) PCT; er ist daher zulässig.

3. Die Kammer hat keine Kompetenz, die Einheitlichkeit der Anmeldung auf der Basis des vom Anmelder dem Internationalen Büro der WIPO übersandten und zusammen mit der Widerspruchsgebühr auch bei der IRB eingereichten, geänderten Anspruchs 14 ("gemäß einem der Ansprüche 1 - 11") zu prüfen. Die Befugnis der Kammer ergibt sich aus Artikel 154 (3) EPÜ in Verbindung mit Regel 40.2 c) und e) PCT; danach kann die Prüfung des Widerspruchs nur auf der Grundlage derjenigen Unterlagen erfolgen, die zum Zeitpunkt der Aufforderung der IRB zur Zahlung der zusätzlichen Recherchengebühr vorlagen, da Änderungen der Ansprüche erstmals nach Erstellung des internationalen Recherchenberichtes zulässig sind (Artikel 19 (1) PCT).

4. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist eine Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Recherchengebühren gemäß Artikel 17 (3) a) und Regel 40.1 PCT mit einer ausreichenden Begründung zu versehen, die den Anmelder zumindest erkennen läßt, welche Überlegungen der IRB für die Feststellung der Nichteinheitlichkeit maßgebend waren (siehe W 04/85 - ABl. EPA 1987, 63; W 07/86 - ABl. EPA 1987, 67; W 07/85 - ABl. EPA 1988, 211). Lediglich in einfach gelagerten Fällen kann die reine Aufzählung der unterschiedlichen Anmeldungsgegenstände ausreichend sein, sofern die Aufzählung zeigt, daß offensichtlich nicht nur eine einzige erfinderische Idee verwirklicht ist. Ansonsten jedoch ist in einer logisch-gedanklichen Entwicklung darzulegen, welche Überlegungen zur Feststellung der Nichteinheitlichkeit geführt haben, um dem Anmelder und der Rechtsmittelinstanz die Nachprüfung dieser Feststellung zu ermöglichen.

5. Im vorliegenden Falle sollte prima facie Einheitlichkeit der Anmeldung gegeben sein, nachdem die IRB die beiden unterschiedlichen Erfindungen in den ein Produkt betreffenden Ansprüchen 1 - 13 einerseits und in den ein Herstellungsverfahren für ein solches Produkt betreffenden Ansprüchen 14 - 28 andererseits gesehen hat.

Die IRB hat sich in ihrer Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren vom 12. August 1994 darauf beschränkt, diese beiden Gruppen und den wesentlichen Inhalt der unabhängigen Ansprüche 1 und 14 aufzuzählen, und zur Begründung der Nichteinheitlichkeit ausgeführt, daß die zwei Gruppen von Ansprüchen "kein gemeinsames erfinderisches Konzept, oder gemeinsame bedeutende technische Merkmale" zeigen; insbesondere könne auch "aus den Merkmalen des Verfahrens nicht abgeleitet werden, daß der Etikettenbogen wie in den Ansprüchen der ersten Kategorie gekennzeichnet, erzeugt werden kann".

6.1. Die Ausführungen der IRB, daß die zwei Gruppen von Ansprüchen "kein gemeinsames erfinderisches Konzept" zeigen und "aus den Merkmalen des Verfahrens nicht abgeleitet werden kann, daß der Etikettenbogen wie in den Ansprüchen der ersten Kategorie gekennzeichnet, erzeugt werden kann", stellen lediglich Behauptungen aber keine Begründung im Sinne einer nachvollziehbaren, logisch-gedanklichen Entwicklungskette dar.

In ihren weiteren Ausführungen, daß die zwei Gruppen von Ansprüchen auch keine gemeinsamen bedeutenden [gemeint war offenbar "besonderen"] technischen Merkmale aufweisen, hätte die IRB im einzelnen darlegen müssen, inwiefern ein solcher technischer Zusammenhang fehlt. Es genügt nämlich normalerweise nicht, in rein mechanistisch-formalistischer Art die als uneinheitlich vermuteten Anspruchsgruppen nach gemeinsamen, wörtlich übereinstimmenden Merkmalen abzusuchen und aus dem Fehlen solcher wörtlich übereinstimmender Merkmale auf Nichteinheitlichkeit zu schließen. In Regel 13.2 PCT ist die für das Vorliegen von Einheitlichkeit hinreichende Bedingung - wie folgt - definiert,

"wenn zwischen diesen Erfindungen ein technischer Zusammenhang besteht, der in einem oder mehreren gleichen oder entsprechenden besonderen technischen Merkmalen zum Ausdruck kommt"

(Hervorhebung durch die Kammer hinzugefügt).

6.2. Der vorliegende Fall ist nicht einer jener sogenannten "einfachen" Fälle, weil - wie unter Nr. 5 schon ausgeführt - normaler Weise das Produkt und ein besonders angepaßtes Verfahren zu seiner Herstellung ("a process specially adapted for the manufacture of the said product" - PCT Applicant's Guide-Volume I, No. 115(i)) als einheitlich zu betrachten sind. Somit handelt es sich nicht um einen offensichtlichen oder augenfälligen Fall der Nichteinheitlichkeit, sondern um einen äquivalenten Fall zum Beispiel 7 der "Administrative Instructions as in force from July 1, 1992", Annex B, Part 2, No. I.

In diesem Beispiel 7 handelt es sich ebenfalls um einen Produkt-Anspruch und um einen Anspruch auf ein Verfahren zur Herstellung des Produkts, wobei auch in diesem Fall im Anspruch für das Herstellungsverfahren nicht alle Merkmale des Produkt-Anspruchs wörtlich wiederzufinden sind. Nachdem jedoch aus der Beschreibung dieses Beispiels hervorgeht, daß die Verfahrensschritte des Verfahrens-Anspruchs zu einem Produkt mit den im Verfahrens-Anspruch nicht wörtlich aufgeführten Merkmalen des Produkt-Anspruchs führen, ist Einheitlichkeit der Erfindung gegeben, da "entsprechende" Merkmale im Verfahrens-Anspruch vorhanden sind.

6.3. Aus dem Fehlen wörtlich gleicher technischer Merkmale kann somit noch nicht auf Nichteinheitlichkeit geschlossen werden, sondern es ist zu untersuchen, ob die Erfindungen aufgrund "entsprechender" technischer Merkmale in einem technischen Zusammenhang stehen. Hierzu muß die aus der Beschreibung abzuleitende Aufgabe in Betracht gezogen werden. Es ist nämlich (jedenfalls nicht im vorliegenden Fall) eine sinnvolle Beurteilung der Einheitlichkeit ohne Heranziehung der Aufgabe nicht möglich.

Wegen der Unterlassung einer Analyse der Erfindung nach Aufgabe und deren Lösungen, um "entsprechende" technische Merkmale aufzufinden oder deren Vorhandensein auszuschließen, kann nicht nachvollzogen werden, ob die in der Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren behaupteten beiden Gruppen von Erfindungen sich derart von einander unterscheiden, daß keinerlei technischer Zusammenhang oder Wechselwirkung gegeben ist.

6.4. Falls die IRB mit ihrer Formulierung

"wie in den Ansprüchen der ersten Kategorie gekennzeichnet"

zum Ausdruck bringen wollte, daß der kennzeichnende Teil des Produkt-Anspruchs (Etikettenbogen) keine "gleichen oder entsprechenden" technischen Merkmale im kennzeichnenden Teil des Verfahrens-Anspruch aufweist, "die einen Beitrag jeder beanspruchten Erfindung als Ganzes zum Stand der Technik bestimmen", so wäre dies ein Einwand der Nichteinheitlichkeit "a posteriori" gewesen, der die Nennung eines entsprechenden Standes der Technik und eine Darlegung seiner Relevanz für den Anmeldungsgegenstand notwendig gemacht hätte.

Nachdem die Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren weder einen Stand der Technik nennt noch die Relevanz eines solchen hinsichtlich der Patentfähigkeit des Anmeldungsgegenstandes darlegt, ist davon auszugehen, daß der von der IRB gemachte Einwand ein Einwand der Nichteinheitlichkeit "a priori" sein sollte, der eine Analyse der strittigen Ansprüche als Ganzes hinsichtlich gleicher oder entsprechender Merkmale erforderlich gemacht hätte.

6.5. Die Aufforderung der IRB ist nicht rechtswirksam, weil sie keine ausreichende, logisch-gedanklich nachvollziehbare Begründung für die behauptete Nichteinheitlichkeit enthält.

6.6. Der Überprüfungsausschuß hat, nachdem er den mit Gründen versehenen Widerspruch des Anmelders in Betracht gezogen hat, die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren bestätigt.

7. Unabhängig von den Ausführungen unter obigen Nr. 6.1 bis 6.5. ist die Kammer aber auch der Auffassung, daß die vorliegende Anmeldung das Erfordernis der Einheitlichkeit erfüllt.

Nach Artikel 17 (3) a) und Regel 13 PCT kommt es nicht darauf an, ob die isoliert betrachteten Ansprüche einheitlich sind. Vielmehr ist gemäß den Vorschriften des PCT die Einheitlichkeit der Anmeldung zu beurteilen, die aus Beschreibung, Ansprüchen und ggf. Zeichnungen besteht; d. h. daß zur Beurteilung der Einheitlichkeit der beanspruchten Erfindung bzw. der Gruppe von Erfindungen die Ansprüche im Lichte der Beschreibung und ggf. der Zeichnungen zu sehen sind. Beim Vergleich der Merkmale von möglicherweise uneinheitlichen oder als uneinheitlich vermuteten Ansprüchen ist also die Beschreibung mit heranzuziehen, um mit ihrer Hilfe zu untersuchen, welche Effekte den einzelnen Anspruchsmerkmalen zuzuordnen sind.

7.1. Die vorliegende Anmeldung betrifft einerseits einen Etikettenbogen, der aus einem abhäsiven Trägermaterial, aus einer zwischenliegenden Haftklebstoffschicht und aus einem Obermaterial besteht, wobei die Fläche des Obermaterials derart kleiner als die des Trägermaterials ist, daß die Trägermaterialkante auf allen Seiten des Bogens über die Obermaterialkante hinaussteht.

Der Vorteil eines solchen Etikettenbogens besteht darin, daß die Übertragung von Haftklebstoff auf weiterverarbeitende Maschinen und Anlagen vermieden wird, weil nur die von Haftklebstoffpartikeln freien, vorstehenden Trägermaterialkanten mit den Anlagen bzw. den entsprechenden Maschinenteilen in Berührung kommen, unabhängig davon ob der Etikettenbogen mit der schmalen oder der breiten Seite voran durch die Weiterverarbeitungsanlage transportiert bzw. eingezogen wird (vgl. Seite 5, Absatz 1 und 2 der Beschreibung).

Ferner betrifft die Anmeldung ein Verfahren zur Herstellung solcher Etikettenbögen. Dieses im Anspruch 14 beanspruchte Herstellungsverfahren für die Etikettenbögen des Anspruchs 1 soll wirtschaftlich mit einer hohen Produktionsgeschwindigkeit durchgeführt werden können. Nachdem (für eine wirtschaftliche Materialausnutzung) der Abstand zwischen der Trägermaterialkante und der Obermaterialkante des Etikettenbogens nur 0,1 bis 2,0 mm betragen soll (vgl. Seite 8 vorletzter Absatz der Beschreibung), bedarf es einer besonderen Technik, um das Abziehen des aus den schmalen Längs- und Querstegen bestehenden Matrixgitters aus dem Obermaterial bei hohen Bahnlaufgeschwindigkeiten des Trägermaterials (entsprechend hohen Produktionsgeschwindigkeiten) zu ermöglichen, ohne daß das Matrixgitter dabei ab- oder einreißt, wodurch der Produktionsablauf erheblich gestört würde (vgl. Seite 7, letzter Absatz bis Seite 8, erster Absatz der Beschreibung). Diese spezielle Technik wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 14 zur Verfügung gestellt.

7.2. Auch wenn der der IRB vorliegende und der vorliegenden Entscheidung zugrundeliegende Anspruch 14 keinen eindeutigen Bezug auf den Gegenstand der Etikettenbögen gemäß Anspruch 1 enthält, so geht doch aus der Beschreibung (beispielsweise Seite 10, Zeilen 3 und 4 von unten) eindeutig hervor, daß das Herstellungsverfahren des Anspruchs 14 sich auf derartige Etikettenbögen bezieht. Die besonderen entsprechenden Merkmale dieses Verfahrens tragen dem Umstand Rechnung, daß die Trägermaterialkante auf allen Seiten des Etikettenbogens über die Obermaterialkante hinaussteht. Im Anspruch 14 weist das aus dem Obermaterial abzuziehende Material die Form eines Matrixgitters auf, welches notwendigerweise neben Längs- auch Querstege aufweisen muß und bei dem nicht einfach zwei Rand-Längsstege in Bahnlaufrichtung abgezogen werden. Erst mittels der Maßnahme, daß die äußeren Längsstege des Matrixgitterbandes so geführt sind, daß sie senkrecht zur Laufrichtung des Matrixgitterbandes in der Ebene der abgezogenen Matrix freibeweglich sind, wird ermöglicht, daß die Querstege gleichzeitig mit abgezogen werden, ohne daß beim Abziehen die Gefahr des Ein- oder Abreißens, insbesondere bei hohen Bahnlaufgeschwindigkeiten des Trägermaterials, auftritt. Es ist nämlich mit dem im Anspruch 14 charakterisierten Verfahren möglich, eine übermäßige Dehnung der Querstege und eine Kerbwirkung in den Knotenpunkten von Längs- und Querstegen zu verhindern bzw. gering zu halten und dabei dennoch Produktionsgeschwindigkeiten (Bahnlaufgeschwindigkeiten) von über 100 m/min zu erreichen (Seite 14, Absatz 2 der Beschreibung).

7.3. Es ist somit zweifelsfrei, daß dem Merkmal des Produktanspruches 1

"daß die Fläche des Obermaterials derart kleiner als die des Trägermaterials ist, daß die Trägermaterialkante auf allen Seiten des Bogens über die Obermaterialkante hinaussteht"

das Verfahrensmerkmal zur Herstellung dieses Produkts entspricht,

"daß man das Matrixgitterband aus dem Obermaterial in einem Winkel alpha = 5° bis 90° zur Bahnlaufrichtung des weitergeführten Etikettenmaterials abzieht und hierbei die jeweils äußeren Längsstege des Matrixgitterbandes so führt, daß sie senkrecht zur Laufrichtung des Matrixgitterbandes in der Ebene der abgezogenen Matrix freibeweglich sind".

Somit ermöglichen die Merkmale des Verfahrensanspruchs 14 die Herstellung des Etikettenbogens nach Anspruch 1, bei dem die Fläche des Obermaterials derart kleiner als die des Trägermaterials ist, daß die Trägermaterialkante auf allen Seiten des Bogens über die Obermaterialkante hinaussteht.

8. Nachdem die Feststellung der Nichteinheitlichkeit in der Zahlungsaufforderung der IRB im Hinblick auf den Wortlaut der Regel 13 PCT und auf die relevanten PCT-Verwaltungsrichtlinien nicht ausreichend begründet war, genügt diese Aufforderung den Erfordernissen der Regel 40.1 PCT nicht.

Darüber hinaus genügt die Anmeldung - zumindest "a priori" - aber auch dem Erfordernis der Einheitlichkeit im Lichte der oben angeführten Vorschriften des PCT.

Die Einbehaltung der unter Widerspruch entrichteten zusätzlichen Recherchengebühr und der Widerspruchsgebühr ist daher nicht gerechtfertigt [Regel 40.2 c)und e) PCT].

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Rückzahlung der zusätzlich entrichteten Recherchengebühr und der Widerspruchsgebühr wird angeordnet.

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