European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T079099.20011116 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 16 November 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0790/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95101388.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | A47B 13/08 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Tisch- oder Abdeckplatte | ||||||||
Name des Anmelders: | MECALIT GmbH Kunststoffverarbeitung | ||||||||
Name des Einsprechenden: | (01) KENDRION Eickel und Spindeldreher GmbH (02) ELCO Kunststoffe GmbH (03) MIELE & Cie. GmbH & Co. |
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Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat am 4. August 1999 gegen die von der Einspruchsabteilung am 2. Juni 1999 zur Post gegebenen Entscheidung über den Widerruf des Patents 0 672 368 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 8. Oktober 1999 eingegangen.
II. Im Beschwerdeverfahren wurden folgende Druckschriften genannt:
D1: US-A-4 934 541
D2: EP-A-0 555 738
D3: EP-A-0 150 335
D4: DE-U-6 800 640
D5: DE-C-4 039 508
D6: DE-U-9 319 734.
III. Am 16. November 2001 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Die Beschwerdegegnerin 02 (Einsprechende 02) ist zu dieser mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Nachdem festgestellt wurde, daß sie ordnungsgemäß geladen worden war, wurde das Verfahren gemäß Regel 71 (2) EPÜ ohne sie fortgesetzt.
IV. Die für diese Entscheidung maßgebliche Fassung des während der mündlichen Verhandlung eingereichten unabhängigen Anspruchs 1 hat folgenden Wortlaut:
"Tisch- oder Abdeckplatte, bestehend aus wenigstens einer Kernplatte (1) aus einem Holzwerkstoff mit einer Oberseite (2), einer Unterseite (3) und seitlichen Schnittflächen (4) und einem die Oberseite und die Unterseite der Kernplatte übergreifenden, umlaufenden Kantenschutz (5) aus einem Kunststoffprofil, der aus zwei, als geschlossene Rahmen (6, 7) gespritzten Winkelprofilen besteht, von denen ein äußerer Rahmen (6) mit einem langen Schenkel (9) die Unterseite (3) der Kernplatte (1) überragt und mit seinem anderen Schenkel (8) die Oberseite übergreift, während der andere, innere Rahmen (7) mit seinem einen Schenkel (11) der Innenseite des langen Schenkels (9) des äußeren Rahmens an dessen die Unterseite (3) überragenden Bereich und mit einem weiteren Schenkel (12) der Unterseite (3) der Kernplatte (1) anliegt, wobei zwischen der Kernplatte (1) und dem inneren Rahmen (7) bzw. äußeren Rahmen (6) elastische Dichtungen (14, 16) angeordnet sind und nach Einlegen der Kernplatte (1) in den äußeren Rahmen und Aufsetzen des inneren Rahmens auf die Kernplatte, beide Rahmen an ihren einander anliegenden Schenkeln (9, 11) miteinander verbunden werden, und der innere Rahmen (7) einen sich über die gesamte Höhe der Schnittfläche (4) der Kernplatte (1) erstreckenden Schenkel (13) aufweist, der der Unterseite des die Oberseite (2) der Kernplatte übergreifenden Schenkels (8) des äußeren Rahmens (5) anliegt, dadurch gekennzeichnet, daß zwischen dem inneren Rahmen (7) und wenigstens zwei benachbarten Schnittflächen (4) der Kernplatte (1) ein Spalt (10) vorgesehen ist, der an der der Schnittfläche gegenüberliegenden Seite von dem sich über die Höhe der Schnittfläche erstreckenden Schenkel (13) begrenzt ist und daß die Dichtungen (14, 16) jeweils nur zwischen dem die Oberseite (2) der Kernplatte (1) übergreifenden Schenkel des äußeren Rahmen (6) und der Oberseite der Kernplatte (1) und zwischen dem der Unterseite (3) der Kernplatte (1) anliegenden Schenkel (12) des inneren Rahmens (7) und der Unterseite der Kernplatte angeordnet sind, und daß diese Schenkel (8, 12) des äußeren bzw. inneren Rahmens (6, 7) an der der Kernplatte (1) zugekehrten Seite je eine umlaufende Vertiefung (15, 17) zur Aufnahme der Dichtung aufweisen."
V. Im Verfahren vor der Beschwerdekammer haben die Beschwerdegegnerinnen im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Die Beschwerdegegnerin 01 (Einsprechende 01) hat vorgetragen, daß der geltende Anspruch 1 unklar im Sinne des Artikels 84 EPÜ sei und sein Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruhe, wenn ein Fachmann von D2 ausgehend, die Lehre von der D4 oder der D5 heranziehen würde.
Die Beschwerdegegnerin 02 hat vorgetragen, daß der mit der Beschwerdebegründung eingereichte Anspruch 1, nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (3) EPÜ genüge und sein Gegenstand auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 beruhe, wenn ein Fachmann von der Figur 2 der D2 ausgehend, die in Figur 3 der D2 und die in der D3 offenbarten Lehren heranziehen würde. Ferner werde Anspruch 1 auch durch die Kombination von D2 mit D1, aber auch von D2 mit einer der Druckschriften D4, D5 oder D6 nahegelegt.
Die Beschwerdegegnerin 03 (Einsprechende 03) hat vorgetragen, daß der Gegenstand des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anspruchs 1, aber auch der jetzt geltende Anspruch 1, nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ genüge und auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 beruhe, weil dessen Gegenstand auf einer Zusammenschau der Dokumente D1 und D2 beruhe.
VI. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent mit den Beschreibungsspalten 1, 2 der erteilten Patentschrift, der am 29. Oktober 2001 eingereichten Beschreibungsspalte 3, den während der mündlichen Verhandlung übergebenen Beschreibungsspalten 4, 5, den während der mündlichen Verhandlung übergebenen Ansprüchen 1 bis 5, sowie den Figuren 1 und 2 der erteilten Patentschrift, aufrechtzuerhalten.
Alle drei Beschwerdegegnerinnen beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Auslegung des unabhängigen Anspruchs 1
2.1. Es ist für einen Fachmann klar, daß dem Wort "beziehungsweise" in der Passage "wobei zwischen der Kernplatte (1) und dem inneren Rahmen (7) bzw. dem äußeren Rahmen (6) elastische Dichtungen (14, 16) angeordnet sind" die Bedeutung "sowohl ... als auch" zu geben ist, also die Passage so auszulegen ist, daß sowohl zwischen der Kernplatte und dem inneren Rahmen als auch dem äußeren Rahmen elastische Dichtungen angeordnet sind.
2.2. Die Beschreibung, insbesondere Spalte 5, Zeilen 4 bis 9 impliziert, daß der Spalt nicht ausgefüllt werden darf. In der Tat, da dieser Spalt gemäß der Beschreibung dazu da ist als Dehnungspalt zu dienen, also wesentlich für die Erfindung ist, ist es für einen Fachmann offensichtlich, daß dieser Spalt nicht ausgefüllt werden darf und sich über die gesamte Stirnfläche zu erstrecken hat. Daher dürfen sich die Dichtungen auch nicht in den Bereich der Stirnseite ausdehnen. Dies kann nur erreicht werden, wenn die Dichtungen daran gehindert werden in den Spalt vorzudringen. Dies wird wiederum durch die Anbringung der Dichtungen in Vertiefungen erreicht. Daraus ergibt sich, daß diese Vertiefungen den Dichtungen seitlichen Halt geben müssen. Dies ist auch den Figuren 1, 2 zu entnehmen. Daher wird ein Fachmann im Sinne des Patents die "Vertiefungen" als "Nuten" auslegen.
2.3. Wenn ein Rahmen einen ersten Schenkel und einen weiteren Schenkel umfaßt, so ist dies so auszulegen, daß der weitere Schenkel auf keinen Fall fluchtend mit dem ersten Schenkel sein kann. Alle an der mündlichen Verhandlung teilnehmenden Parteien haben diese Auslegung bestätigt, d. h. ihr zugestimmt.
3. Artikel 123 (2) und 123 (3) EPÜ
3.1. Der neue Anspruch 1 entspricht einer Zusammenfassung der erteilten Ansprüche 1 bis 3 und 6 mit den zusätzlichen Aussagen, daß
a) die Kernplatte aus einem Holzwerkstoff besteht,
b) die Dichtungen jeweils nur zwischen dem die Oberseite der Kernplatte übergreifenden Schenkel des äußeren Rahmens und der Oberseite der Kernplatte und zwischen dem der Unterseite der Kernplatte anliegenden Schenkel des inneren Rahmens und der Unterseite der Kernplatte angeordnet sind,
c) der Spalt von dem sich über die Höhe der Schnittfläche erstreckenden Schenkel des inneren Rahmens begrenzt ist.
3.2. Merkmal a) ist in der Beschreibung der Patentanmeldung, Seite 7, Zeilen 26, 27 offenbart (entspricht den Zeilen 32 bis 34 der Spalte 4 der Patentschrift).
3.3. Merkmal b) ist einerseits aus den Figuren zu entnehmen und andererseits auch implizit aus der Beschreibung und dem erteilten Anspruch 1 bekannt. Denn, falls sich die Dichtungen nicht nur zwischen den die Oberseite bzw. die Unterseite der Kernplatte übergreifenden Schenkeln und der Kernplatte angeordnet wären, könnten sich die Dichtungen auch im Bereich der Stirnseite der Kernplatte ausdehnen. Dies wäre aber im Gegensatz zum Merkmal des Anspruchs 1, wonach zwischen Stirnseite und innerem Rahmen ein Spalt vorgesehen ist (siehe Abschnitt 2.2).
3.4. Merkmal c) ist in der Beschreibung der Patentanmeldung, Seite 8, Zeilen 24, 25 (entspricht den Zeilen 4, 5 der Spalte 5 der Patentschrift) sowie in Figuren 1, 2 offenbart.
3.5. Ferner wird im Oberbegriff des Anspruchs 1 nun angegeben, daß "zwischen der Kernplatte und dem inneren bzw. äußeren Rahmen elastische Dichtungen angeordnet sind". Die Beschreibung offenbart zwar nicht explizit, daß die an der Unterseite der Kernplatte angeordnete Dichtung auch elastisch ist, ein Fachmann würde jedoch, vom Inhalt der Anmeldung ausgehend, beide Dichtungen identisch ausführen, da keine Angabe vorliegt, die ihm einen Grund geben könnte daran zu zweifeln. Daher ist auch implizit offenbart, daß die an der Unterseite der Kernplatte angeordnete Dichtung auch eine elastische Dichtung ist.
3.6. Die Beschwerdeführerin 03 hat zwar geltend gemacht, daß das ursprüngliche und erteilte Merkmal wonach "zumindest zwischen dem die Oberseite (2) der Kernplatte (1) übergreifenden Schenkel des äußeren Rahmens (6) und der Oberseite der Kernplatte eine elastische Dichtung angeordnet ist", eine Ausdehnung der Dichtung auch in den Bereich der Stirnseite der Kernplatte zulasse. Dem kann nicht gefolgt werden.
Aus der Gesamtheit der Offenbarung ist einem Fachmann klar, daß "zumindest" sich lediglich auf die Anzahl der Dichtungen bezieht und nicht auf deren Ausdehnung bzw. den abgedichteten Bereich. Dies ist auch allein schon aus den erteilten Ansprüchen ersichtlich, wonach in Anspruch 1 zumindest zwischen der Oberseite der Kernplatte und... eine Dichtung angeordnet ist, während gemäß Anspruch 2 auch noch zusätzlich zwischen der Unterseite der Kernplatte ... eine Dichtung angeordnet ist.
Somit ist keine unzulässige Änderung im Sinne des Artikels 123 (2) EPÜ vorgenommen worden.
3.7. Die Beschwerdeführerin 02 hat geltend gemacht, daß die Anspruchsneufassung gegen Artikel 123 (3) EPÜ verstoße. Sie hat insbesondere vorgetragen, daß in der Neuformulierung des kennzeichnenden Teils die Dichtung nicht mehr als "elastische Dichtung" bezeichnet werde.
Dazu ist zu bemerken, daß der Gegenstand eines Anspruchs, also auch der Schutzumfang, nicht durch die Merkmale des alleinigen kennzeichnenden Teils angegeben wird, sondern durch die Gesamtheit der Merkmale des Anspruchs, also auch die Merkmale des Oberbegriffs.
Im Oberbegriff dieses Anspruchs ist folgendes Merkmal aufgenommen worden: "daß zwischen der Kernplatte und dem inneren bzw. äußeren Rahmen elastische Dichtungen angeordnet sind". Somit ist festgelegt, daß nur elastische Dichtungen beansprucht werden.
Ferner ist der Schutzumfang durch Aufnahme von Merkmalen der erteilten Ansprüche 2, 3, 6 weiter eingeschränkt worden.
Es besteht also kein Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ.
4. Artikel 84 EPÜ (Klarheit)
4.1. In diesem Zusammenhang hat die Beschwerdegegnerin 01 vorgetragen, daß durch die Verwendung von dem Wort "beziehungsweise" in der Passage "zwischen der Kernplatte und dem inneren Rahmen bzw. dem äußeren Rahmen elastische Dichtungen angeordnet sind" insofern eine Unklarheit entsteht, als dadurch nicht deutlich gemacht wird, daß sowohl zwischen der Kernplatte und dem inneren Rahmen als auch zwischen der Kernplatte und dem äußeren Rahmen elastische Dichtungen angeordnet sind.
Dem kann nicht gefolgt werden. Wie bereits unter Abschnitt 2.1 oben betont, wird ein Fachmann das Wort "beziehungsweise" als "sowohl ... als auch" verstehen.
4.2. Die Beschwerdegegnerin 01 hat weiter vorgetragen, daß nun ein Teil des Anspruchs (von "daß die Dichtungen jeweils nur zwischen dem die Oberseite der Kernplatte ... " bis "und der Unterseite der Kernplatte angeordnet sind") lediglich eine Wiederholung der oben, unter Abschnitt 4.1 bereits genannten Passage sei und dadurch Anspruch 1 unklar würde. Auch dem kann nicht gefolgt werden. In diesem Teil des Anspruchs wird angegeben, daß die Dichtungen jeweils nur zwischen ... und zwischen ... vorhanden sind. Dadurch wird festgelegt, wo genau sich die Dichtungen erstrecken. Es wird also eine neue genauere Information gegeben, die in der Lage ist, den beanspruchten Gegenstand vom Stand der Technik zu unterscheiden und somit keine unnötige Wiederholung darstellt.
4.3. Die Beschwerdekammer ist der Ansicht, daß der geänderte Anspruch 1 den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ genügt. Die Kammer möchte darauf aufmerksam machen, daß ein Anspruch mit der Absicht zu lesen ist, diesen Anspruch technisch sinnvoll zu verstehen, nicht aber mit der Absicht ihn nicht verstehen zu wollen.
5. Nächstkommender Stand der Technik
5.1. Die Beschwerdegegnerin 01 ist der Ansicht, daß, obwohl in der D2 drei verschiedene Ausführungsformen offenbart werden, die den drei unabhängigen Ansprüchen 1, 2, 12 entsprechen, ein Fachmann vom gesamten Inhalt, also von der "Lehre" der D2 ausgehen würde.
5.2. Die Beschwerdegegnerin 02 ist in ihrer schriftlichen Eingabe von der Ausführungsform nach Figur 2 der D2 ausgegangen.
5.3. Die Beschwerdegegnerin 03 ist der Ansicht, daß ein Fachmann von einem Gegenstand, der der Zusammenschau der Ansprüche 2, 7 und 8 der D2 entsprechen würde, ausgehen würde.
5.4. Die Beschwerdekammer kann die Meinungen der Beschwerdegegnerinnen 01 und 03 nicht teilen. Nach Ansicht der Kammer kann für einen Fachmann nur ein klar und eindeutig definierter Gegenstand, wie z. B. ein Ausführungsbeispiel als Ausgangspunkt in Frage kommen. Bevor ein Fachmann die Nachteile eines konkreten Gegenstands bzw. Ausführungsbeispiels erkennen kann, um das objektiv zu lösende Problem zu bestimmen, muß er die konstruktiven Merkmale, die den konkreten Gegenstand bzw. das Ausführungsbeispiel offenbart, und insbesondere die Merkmale, die für die beanspruchte Erfindung von Bedeutung sind, erkennen können. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Entscheidungen T 570/91 vom 26. November 1993 (Abschnitt 4) und T 1105/92 vom 21. Januar 1994 (Abschnitt 4) hingewiesen.
5.5. Deshalb kann der Ausgangspunkt bzw. der nächstkommende Stand der Technik auch keine allgemeine Lehre oder ein hypothetisches Gebilde, sondern nur ein konkreter und eindeutig definierter Gegenstand bzw. Ausführungsbeispiel sein.
5.6. Auch ein hypothetischer Gegenstand, der durch die Zusammenschau von mehreren Ansprüchen, die sich aufeinander rückbeziehen und die darin angegebenen Begriffe, definiert wird, kann in der Regel die oben unter Abschnitt 5.4 genannte Bedingung nicht erfüllen.
Ein Fachmann wird zwar in der Lage sein zu bestimmen, ob ein Ausführungsbeispiel durch den Umfang dieser Ansprüche erfaßt wird oder nicht, ein konkreter eindeutiger Gegenstand ist aber deshalb noch nicht definiert.
Im konkreten Fall ist es für die Kammer überhaupt nicht ersichtlich, d. h. eindeutig und klar, wie ein solcher Gegenstand gestaltet sein sollte, z. B. wo die Dichtungen in den "Übergangsbereichen" (siehe Ansprüche 7 und 8) liegen sollten.
5.7. Wenn ein Fachmann, obwohl er die grundsätzlich unterschiedlichen Gestaltungen gemäß D2 kennt, d. h. die Figuren 1 bis 3 (Patentanspruch 1) einerseits und die Figuren 9 bis 11 (Patentanspruch 7) andererseits, trotzdem den Gegenstand gemäß Figur 2 als Ausgangspunkt für eine Weiterentwicklung wählt, kann es nach Meinung der Kammer nicht naheliegend sein, zu einer völlig unterschiedlichen, nicht gewählten Gestaltung (gemäß Figur 11) zu gelangen.
Diese Auswahl ist eher die Folge einer rückschauenden Betrachtungsweise, die der Relevanz der Dichtungen in dem angefochtenen Patent Rechnung trägt, nicht aber der spezifischen Gestaltung des Gegenstandes nach Anspruch 1.
5.8. Nach Ansicht der Kammer wird der nächstkommende Stand der Technik in diesem Fall aber eindeutig durch das Ausführungsbeispiel gemäß der Figur 11 der D2 dargestellt.
6. Neuheit
Nach Ansicht der Kammer ist die Neuheit gegeben. Dies ist im Beschwerdeverfahren auch nicht betritten worden.
7. Erfinderische Tätigkeit
7.1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 11 der D2 dadurch, daß
- zwischen dem inneren Rahmen und wenigstens zwei benachbarten Schnittflächen der Kernplatte ein Spalt vorgesehen ist, der an der der Schnittfläche gegenüberliegenden Seite von dem sich über die Höhe der Schnittfläche erstreckenden Schenkel begrenzt ist,
- Dichtungen jeweils nur zwischen dem die Oberseite der Kernplatte übergreifenden Schenkel des äußeren Rahmen und der Oberseite der Kernplatte und zwischen dem der Unterseite der Kernplatte anliegenden Schenkel des inneren Rahmens und der Unterseite der Kernplatte angeordnet sind und
- die Schenkel des äußeren bzw. inneren Rahmens an der der Kernplatte zugekehrten Seite je eine umlaufende Vertiefung zur Aufnahme der betreffenden Dichtung aufweisen.
7.2. Von dem aus der D2 bekannten Stand der Technik ausgehend, ist die dem Patentgegenstand zugrundeliegende Aufgabe darin zu sehen, eine Tisch- oder Abdeckplatte so weiterzubilden, daß sie bei ausreichendem Feuchtigkeitsschutz thermischen Belastungen beschädigungsfrei standhält.
7.3. Die Kammer ist der Überzeugung, daß diese drei unterschiedlichen Merkmale zur Lösung der gestellten Aufgabe klar zusammenwirken, um das Problem der Dehnung, die sehr feuchtigkeitsabhängig ist, in den Griff zu bekommen.
Es ist zwar aus dem Stand der Technik bekannt, einen Spalt vorzusehen, um einer Platte Spielraum zu lassen, um sich Temperaturschwankungen anzupassen, jedoch wurde dem Fachmann durch den Stand der Technik aber nicht offenbart, wie er dies unter Beibehaltung eines ausreichenden Feuchtigkeitsschutzes erreichen könne. Erst durch die Erfindung wird offenbart, daß um den Spalt frei zu behalten, die Dichtungen nur an der Oberseite bzw. der Unterseite der Kernplatte vorhanden sein dürfen, und daß damit die Bewegungen der Platte nicht dazu führen können, daß die Dichtungen in den Spalt eindringen, umlaufende Vertiefungen zur Aufnahme der Dichtungen vorzusehen sind.
Daraus ergibt sich, daß diese Merkmale in Wechselwirkung miteinander stehen, weil die Dehnung in hohem Maße feuchtigkeitsabhängig ist.
Keine der Entgegenhaltungen löst aber gleichzeitig die Aufgabe des Feuchtigkeitschutzes und der thermischen Belastung, geschweige denn, in beanspruchter Weise und daher, obwohl es aus verschiedenen Dokumenten bekannt ist, einen Spalt zwischen Platte und Rahmen vorzusehen oder Dichtungen nur an Ober bzw.-Unterseite einer Platte anzubringen oder auch Dichtungen in Nuten einzubringen, gibt der Stand der Technik einem Fachmann keinen Hinweis diese Merkmale zusammen zu verwirklichen, um die gestellte Aufgabe zu lösen.
7.4. Die Beschwerdegegnerin 01 ist der Ansicht, daß außer dem (offenen) Spalt (siehe Abschnitt 2.2) alle Merkmale des Anspruchs 1 aus der D2 bekannt wären, so daß das zu lösende Problem sich also darauf beschränke, thermischen Belastungen beschädigungsfrei standzuhalten. Dies sei jedoch durch einen Spalt, wie in D4 bereits offenbart, zu erreichen. Ferner sei aus der D5 die Lehre zu entnehmen, daß der Spalt nicht ausgefüllt werden soll. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 für einen Fachmann naheliegend.
7.5. Die Beschwerdegegnerin 02 sieht als Unterschied zum Ausführungsbeispiel gemäß der Figur 2 der D2 das Vorhandensein eines Spalts und die umlaufenden Vertiefungen zur Aufnahme der Dichtungen.
Einen solchen Spalt sieht die Beschwerdegegnerin 02 bereits in der Figur 3 der D2 verwirklicht; zwar sei dieser Spalt mit einer Dichtung versehen, es läge einem Fachmann jedoch auf der Hand, die Dichtung nachgiebig zu gestalten. Die Vertiefungen betreffend wird auf die D3 verwiesen. Ferner ist die Beschwerdegegnerin 02 der Ansicht, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 sich auch aus der Kombination der D2 mit der D1, der D2 mit der D4, der D2 mit der D5 oder der D2 mit der D6 ergeben würde.
7.6. Die Beschwerdegegnerin 03 sieht als Unterschied zu einem Gegenstand der aus der Zusammenschau der Ansprüche 2, 7 und 8 der D2 entstehen würde, das Vorhandensein eines Spalts und daß die Dichtungen nur zwischen dem die Oberseite der Kernplatte übergreifenden Schenkel des äußeren Rahmen und der Oberseite der Kernplatte und zwischen dem der Unterseite der Kernplatte anliegenden Schenkel des inneren Rahmens und der Unterseite der Kernplatte angeordnet sind. Ihrer Ansicht nach sei der Spalt aus allen Entgegenhaltungen bekannt und die Dichtungen nur an der Oberseite bzw. der Unterseite der Kernplatte vorzusehen, sei einer nicht erfinderischen Auswahlerfindung gleichzustellen.
7.7. Die von den Beschwerdegegnerinnen vorgebrachten Argumentationen vermögen die Kammer nicht zu überzeugen. Auch wenn es einem Fachmann gelingen würde einem hypothetischen Gegenstand, der aus der Zusammenschau der Figuren 2 (Dichtungen) und 11 (Gestaltung) der D2 entstanden wäre (was wahrscheinlich dem, durch die Beschwerdegegnerin 01 als der Lehre der gesamten D2 entsprechenden Gegenstand gleichkommt), zu definieren, so würden zumindest davon ausgehend drei unterscheidende Merkmale verbleiben. Dies wären der Spalt, die umlaufenden Vertiefungen (im Sinne des angefochtenen Patents) und, daß die Dichtungen nur an der Oberseite bzw. der Unterseite der Kernplatte vorhanden sind.
Die Beschwerdegegnerin 02 hat zwar behauptet, in Figur 3 der D2 sei bereits ein Spalt offenbart, dem kann jedoch nicht gefolgt werden, da es sich um eine durch eine Dichtung ausgefüllte Vertiefung handelt, die weder die Funktion des Spalts im Sinne des Patentes erfüllt, noch diesem gleichgestellt werden kann.
Ferner ist das Argument der Beschwerdegegnerin 03, wonach die Dichtungen nur an Ober- bzw. Unterseite einer Platte anzubringen sind, einer Auswahlerfindung gleichzustellen sei, nach Ansicht der Kammer schon deshalb nicht annehmbar, weil einerseits, um auswählen zu können, mehrere Möglichkeiten geboten sein müssen, zum Beispiel ein Bereich, in dem ausgewählt werden kann, vorhanden sein muß, was hier nicht der Fall ist und weil andererseits ein Fachmann eine Anregung braucht um eine Änderung (Auswahl) vorzunehmen, und in diesem Fall keine vorliegt.
Was das Argument angeht, daß Anspruch 1 ausgehend von der Figur 2 der D2 naheliegend wäre, wird auf Abschnitt 5.7. verwiesen.
7.8. Daher beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche:
1. bis 5, eingereicht während der mündlichen Verhandlung;
Beschreibung:
Spalten 1, 2 der veröffentlichten Patentschrift,
Spalte 3, eingereicht am 29. Oktober 2001,
Spalten 4, 5, eingereicht während der mündlichen Verhandlung;
Zeichnungen:
Figuren 1, 2 der veröffentlichten Patentschrift.