T 0323/99 (Diurethane/BAYER) of 17.10.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T032399.20011017
Datum der Entscheidung: 17 October 2001
Aktenzeichen: T 0323/99
Anmeldenummer: 94118822.9
IPC-Klasse: C07C 17/361
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von Diurethanen und ihrer Verwendung zur Herstellung von Diisocyanaten
Name des Anmelders: BAYER AG
Name des Einsprechenden: BASF Aktiengesellschaft
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein) - naheliegendes alternatives Verfahren - erfindungsunwesentliches Merkmal - keine weg weisende Lehre - kein Beweisanzeichen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0002/81
T 0024/81
T 0351/93
T 0645/94
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0552/04

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) hat gegen die am 4. Februar 1999 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des europäischen Patents Nr. 657 420 die am 25. März 1999 eingegangene Beschwerde eingelegt und am 10. Juni 1999 eine Beschwerdebegründung eingereicht.

II. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang vom Beschwerdegegner (Einsprechenden) wegen mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit angegriffen worden. Zur Stützung des Einspruchs wurden folgende Druckschriften angezogen:

(1) EP-A-18 588,

(2) DE-A-3 200 559 und

(3) EP-A-566 925.

III. Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung, der die erteilten Ansprüche 1 bis 4 zugrunde lagen, fest, daß der Gegenstand des Streitpatents zwar neu sei, aber im Hinblick auf die Druckschriften (1) und (2) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Druckschrift (1) beschreibe die Umsetzung von Carbamaten mit Diaminen zu Diurethanen, die identisch zur zweiten Stufe des beanspruchten Verfahrens sei. Im Gegensatz zum Streitpatent werde in dieser Druckschrift nicht auf die Herstellung der Carbamate eingegangen. Deren Herstellung werde jedoch in Druckschrift (2) beschrieben und zwar auf demselben Wege wie in der ersten Stufe des Streitpatents, nämlich durch Umsetzung von Harnstoff mit Alkoholen. Diese Druckschrift lehre darüber hinaus, die hergestellten Carbamate direkt in einer weiteren Stufe einzusetzen. Folglich beruhe der beanspruchte Gegenstand auf einer naheliegenden Kombination des Standes der Technik gemäß Druckschriften (1) und (2).

IV. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 17. Oktober 2001 hat der Beschwerdeführer zwei geänderte, jeweils aus 3 Ansprüchen bestehende Anspruchssätze als Haupt- und Hilfsantrag vorgelegt und die Aufrechterhaltung des Streitpatents nur noch in diesem Umfange begehrt. Der einzige unabhängige Anspruch des Hauptantrages lautet:

"1. Verfahren zur Herstellung von Diurethanen der Formel (I)

R-O-CO-NH-R'-NH-CO-O-R

unter Verwendung von Diaminen der Formel (II)

H2N-R'-NH2

Alkoholen der Formel (III)

R-OH

und Harnstoff als Ausgangsmaterialien, wobei R für den Rest steht, wie er durch Entfernung der Hydroxylgruppe aus einem einwertigen Alkohol mit einem Siedepunkt unter Normaldruck von unter 180 C erhalten wird und

R' für einen zweiwertigen (cyclo)aliphatischen Kohlenwasserstoffrest mit 2 bis 18 Kohlenstoffatomen steht, mit der Maßgabe, daß zwischen den beiden Stickstoffatomen mindestens 2 Kohlenstoffatome angeordnet sind,

dadurch gekennzeichnet, daß man

in einer ersten Stufe Harnstoff mit Alkohol der Formel (III) unter Einhaltung eines Molverhältnisses von Alkohol zu Harnstoff von mindestens 1:1, bei 150 bis 300 C unter Abspaltung und Entfernung aus dem Reaktionsgemisch von 10 bis 90 Mol-% Ammoniak, bezogen auf die molare Menge des eingesetzten Harnstoffs umsetzt, anschließend ohne Zwischenisolierung in einer zweiten Stufe in diese Reaktionsmischung das Diamin der Formel (II), gegebenenfalls in in Alkohol der Formel (III) gelöster Form eindosiert und unter kontinuierlicher Freisetzung von Ammoniak bei 150 bis 300 C umsetzt und

schließlich in einer dritten Stufe das Reaktionsgemisch destillativ von flüchtigen Bestandteilen befreit."

Der Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hauptantrag ausschließlich dadurch, daß im Anspruch 1 in der ersten Stufe "ohne Verwendung von Inertgas" gearbeitet wird.

V. Der Beschwerdeführer hat zur erfinderischen Tätigkeit im wesentlichen vorgetragen, daß im Gegensatz zur angefochtenen Entscheidung die Druckschriften (1) und (2) den Gegenstand des Streitpatents nicht nahelegten. Ausgehend von Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand der Technik habe die Aufgabe in der Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur Herstellung von hochreinen Diurethanen bestanden. Die Druckschrift (1) beschreibe die Umsetzung von Carbamaten mit Diaminen, welche die zweite Stufe des patentgemäßen Verfahrens darstelle; jedoch würden reine Carbamate eingesetzt und auch in Druckschrift (2), welche die erste Stufe des patentgemäßen Verfahrens betreffe, würden reine Carbamate erzeugt. Im streitgegenständlichen Verfahren liege indessen nach der ersten Stufe eine noch Harnstoff enthaltene Reaktionsmischung und keine reinen Carbamate vor, da der Ammoniak nicht vollständig, nämlich nur bis maximal 90 Mol-%, entfernt werde. Diese Reaktionsmischung werde patentgemäß in die zweite Stufe direkt ohne Zwischenisolierung eingesetzt. Nun verweise die Druckschrift (1) auf Seite 5, Zeilen 18 bis 31 auf mögliche störende Nebenreaktionen von Harnstoff, die dort durch die Verwendung von reinen Carbamaten vermieden würden. Diese Lehre des Standes der Technik habe den Fachmann davon abgehalten, ohne Zwischenisolierung die nicht vollständig zum Carbamat umgesetzte Reaktionsmischung in die zweite Stufe des streitgegenständlichen Verfahrens einzusetzen.

Außerdem würden in Druckschrift (2) zwar Carbamate hergestellt, indessen werde darin kein Hinweis auf deren Einsatz zur Herstellung von Diurethanen gegeben. Die Kombination der Lehren der Druckschriften (1) und (2) sei unwahrscheinlich, da zwischen diesen beiden und dem Streitpatent mehr als 10 Jahre lägen.

Das Verfahren der Druckschrift (3) betreffe die Herstellung von Diisocyanaten über Diurethane als Zwischenprodukt; es sei vom beanspruchten verschieden, denn es würden dort bei der Herstellung der Diurethane Nebenprodukte ausgeschleust, patentgemäß indessen im Verfahren belassen.

Auch werde die Herstellung der Carbamate in Druckschrift (2) unter Verwendung von Inertgas durchgeführt, während im streitgegenständlichen Verfahren gemäß Hilfsantrag ohne ein solches gearbeitet werde. Gleichwohl erwachse nicht eigenständig eine erfinderische Qualität aus dieser Verfahrensmaßnahme. Sie unterstütze lediglich die unvollständige Entfernung des Ammoniaks in der ersten Stufe des patentgemäßen Verfahrens.

VI. Der Beschwerdegegner hat zur erfinderischen Tätigkeit vorgetragen, daß aus den Druckschriften (1) und (2) in Kombination alle wesentlichen Merkmale des streitgegenständlichen Verfahrens bekannt seien, weswegen es naheliege. Der Fachmann würde zwangsläufig die letztere Druckschrift mit der ersteren kombinieren, da die Druckschrift (2) Carbamate herstelle, welche gerade das Ausgangsprodukt des Verfahrens der Druckschrift (1) darstellten, und da jene Druckschrift außerdem auf Seite 7, Zeilen 8 bis 10 lehre, die hergestellten Carbamate direkt weiterzuverarbeiten. Der vom Beschwerdeführer angezogene Absatz auf Seite 5 der Druckschrift (1) halte den Fachmann auch nicht von der Kombination beider Druckschriften ab. Dieser Absatz spreche vormalige Befürchtungen von möglichen Nebenreaktionen an, die gerade das Verfahrens der Druckschrift (1) erfolgreich überwinde. Diese Befürchtungen seien somit schon damals ausgeräumt worden und hätten zum Zeitpunkt des Streitpatents nicht mehr bestanden. Eine nicht vollständige Umsetzung in der ersten Stufe des patentgemäßen Verfahrens, wie sie aus der nicht vollständigen Abspaltung von Ammoniak hervorgehe, und die Weiterverarbeitung dieser Reaktionsmischung ohne Zwischenisolierung in der folgenden Stufe sei reine Routine für den Fachmann. Der Beschwerdeführer habe auch nicht glaubhaft gemacht, daß diese Verfahrensmaßnahme ursächlich für das angestrebte Ergebnis sei. Im übrigen gehe aus der Druckschrift (3), insbesondere Anspruch 3, Abschnitt a), hervor, daß eine Reaktionsmischung, wie sie sich nach der ersten Stufe des patengemäßen Verfahrens ergebe, erfolgreich zum Diurethan umgesetzt werden könne. Folglich weise der Stand der Technik auch nicht vom streitgegenständlichen Verfahren weg. Das Weglassen von Inertgas als Strippmittel zum Austreiben des Ammoniaks in der ersten Stufe des patengemäßen Verfahrens laut Hilfsantrag liege im handwerklichen Können des Fachmannes und trage keine erfinderische Tätigkeit in sich.

VII. Der Beschwerdeführer hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang mit den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüchen 1 bis 3 gemäß Haupt- oder Hilfsantrag aufrechtzuerhalten.

Der Beschwerdegegner hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)

Die Verfahrensmaßnahme in Anspruch 1, die Reaktionsmischung der ersten Stufe des Verfahrens ohne Zwischenisolierung in die zweite Stufe einzusetzen, ist den ursprünglichen Unterlagen auf Seite 3, Zeilen 10 und 11. zu entnehmen. Der Anspruch 1 legt, neben der bereits vorhandenen Untergrenze von 10 Mol-%, nunmehr zusätzlich eine Obergrenze von 90 Mol-% an abgespaltenem und entferntem Ammoniak in der ersten Stufe des Verfahrens fest. Auf Seite 5, Zeile 19 der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen wird ein Vorzugsbereich von 30 bis 90. Mol-% genannt. Nachdem der Endpunkt von 90 Mol-% ursprünglich spezifisch offenbart ist, führt die vorgenommene Abänderung des Anspruchs 1 nicht zu einem Gegenstand, der über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgeht, wodurch sie im Einklang mit Artikel 123 (2) EPÜ steht (siehe Entscheidung T 2/81, ABl. EPA 1982, 394, Punkt 3 der Entscheidungsgründe).

Diese Abänderungen des erteilten Anspruchs 1 beschränken den beanspruchten Gegenstand, wodurch der Schutzbereich des Streitpatents im Vergleich zur erteilten Fassung nicht erweitert wird.

Der geltende Anspruchssatz erfüllt demzufolge alle Voraussetzungen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.

3. Neuheit

Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß der Gegenstand des geltenden unabhängigen Anspruchs 1 in den entgegengehaltenen Druckschriften nicht beschrieben und somit neu ist. Da die Neuheit in der angefochtenen Entscheidung festgestellt und im Beschwerdeverfahren nicht bestritten wurde, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.

4. Erfinderische Tätigkeit

Es verbleibt daher zu prüfen, ob der beanspruchte Gegenstand des Streitpatents auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

4.1. Das Streitpatent betrifft ein mehrstufiges Verfahren zur Herstellung von Diurethanen durch Umsetzung von Harnstoff mit Alkoholen zu Carbamaten in einer ersten Stufe, deren weitere Umsetzung mit Diaminen in einer zweiten Stufe, gefolgt von einer destillativen Aufarbeitung in einer dritten Stufe. Die Druckschrift (1) beschreibt nun ein Verfahren zur Herstellung von Diurethanen auf dem gleichen Syntheseweg beginnend mit den Carbamaten der zweiten Stufe. Die Kammer betrachtet daher, im Einklang mit der Vorinstanz, dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner, diese Druckschrift als nächstliegenden Stand der Technik. Sie wird auch in der Streitpatentschrift als nächstliegender Stand der Technik genannt (Spalte 1, Zeile 36).

So offenbart die Druckschrift (1) in Anspruch 1 die Umsetzung von Carbamaten, deren Esterrest sich von Alkoholen mit 1 bis 10 Kohlenstoffatomen ableitet (Anspruch 8), mit primären (cyclo)aliphatischen Diaminen der patentgemäßen Formel (II) (Anspruch 7) in Gegenwart von Alkoholen gemäß patentgemäßer Formel (III) (Anspruch 9) zu Diurethanen. Es wird eine Temperatur von 160 bis 300 C eingehalten (Anspruch 4) und der entstehende Ammoniak wird gleichzeitig und kontinuierlich abgetrennt (Anspruch 5; Seite 9, Zeilen 5 bis 7, Seite 12, Zeilen 28 und 29). Anschließend wird die Reaktionsmischung destillativ von flüchtigen Bestandteilen befreit (Seite 13, Zeilen 13 bis 19), gegebenenfalls auch zusätzlich durch Aus- oder/und Umkristallisieren, wodurch zwangsläufig hochreine Diurethane entstehen. Das Verfahren der Druckschrift (1) entspricht somit der zweiten und dritten Stufe des anspruchsgemäßen Verfahrens, was zwischen Beschwerdeführer und Beschwerdegegner unstrittig ist.

4.2. Ausgehend von der Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand der Technik liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein weiteres Verfahren zur Herstellung von hochreinen Diurethanen bereitzustellen (siehe Streitpatentschrift Spalte 2, Zeilen 20 bis 22). In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat der Beschwerdeführer auch auf diese patentgemäße Aufgabe abgehoben.

4.3. Zur Lösung der oben genannten Aufgabe schlägt das Streitpatent das Verfahren zur Herstellung von Diurethanen gemäß Anspruch 1 vor, in welchem das Carbamat durch Umsetzung von Harnstoff mit einem Alkohol der anspruchsgemäßen Formel (III) in einem Molverhältnis von mindestens 1:1 bei 150 bis 300 C unter Abspaltung und Entfernung von 10 bis 90 Mol-% Ammoniak in einer ersten Stufe erzeugt und anschließend ohne Zwischenisolierung in einer zweiten Stufe mit dem Diamin zum Diurethan umgesetzt wird, das dann in einer dritten Stufe einer destillativen Aufarbeitung unterzogen wird.

4.4. Die erfolgreiche Lösung der patentgemäßen Aufgabe durch die Bereitstellung des anspruchsgemäßen Verfahrens wird weder in der angefochtenen Entscheidung noch vom Beschwerdegegner im Beschwerdeverfahren bestritten. Auch im Hinblick auf die Ausführungen in der Streitpatentschrift, insbesondere dessen Beispiel, hat die Kammer keinen Anhaltspunkt, den Erfolg der Lösung von sich aus in Zweifel zu ziehen.

4.5. Es bleibt nun zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die genannte Aufgabe durch die Bereitstellung der anspruchsgemäßen Zusammensetzungen zu lösen.

4.5.1. Nachdem die nächstliegende Druckschrift (1) keine Angaben über die Herstellung der dort eingesetzten Carbamate enthält, liegt es für den Fachmann in Anbetracht der patentgemäßen Aufgabe auf der Hand, seine Aufmerksamkeit zuvorderst auf solche Verfahren im Stand der Technik zu richten, welche die Herstellung von Carbamaten betreffen. Daher wird der Fachmann von der Druckschrift (2) angesprochen, die ein Verfahren zur Herstellung von Carbamaten beschreibt. Diese Druckschrift erringt umso mehr seine Aufmerksamkeit, als sie auf Seite 7, Zeilen 8 bis 10 auf die Weiterverarbeitung des hergestellten Carbamats abhebt und lehrt, daß "der Rückstand (Endstoff) ... ohne zusätzliche Reinigung weiterverarbeitet werden kann". Damit gibt die Druckschrift (2) den klaren Hinweis, das Endprodukt, d. h. das hergestellte Carbamat, direkt und unmittelbar weiterzuverarbeiten. Diese Druckschrift beschreibt zur Herstellung der Carbamate die Umsetzung von Harnstoff mit einem Alkohol der patentgemäßen Formel (III) (Anspruch 1, Seite 5, Zeilen 23 bis 30) in einem Molverhältnis von mindestens 1:1 (Seite 5, Zeilen 17 bis 20) bei einer Temperatur von 140 bis 250 C, bevorzugt 160 bis 210 C (Seite 5, Zeilen 33 und 34). Der bei der Reaktion entstehende Ammoniak wird fortlaufend aus der Reaktionslösung entfernt (Seite 6, Zeilen 22 bis 24, Seite 7, Zeilen 3 bis 5). Diese Verfahrensmaßnahmen der Druckschrift (2) sind, vom Beschwerdeführer unbestritten, mit jenen der ersten Stufe des patentgemäßen Verfahrens identisch.

Der Stand der Technik vermittelt dem Fachmann somit einen spezifischen und konkreten Hinweis, die patentgemäße Aufgabe, ein weiteres Verfahren zur Herstellung von Diurethanen bereitzustellen, durch die Zusammenfügung des Verfahrens gemäß Druckschrift (2) als erster Stufe mit dem Verfahren der Druckschrift (1) als zweiter und dritter Stufe zu lösen. Insoweit stellt das patentgemäße Verfahren lediglich eine Aggregation von bekannten Verfahrensstufen dar, ohne daß es hierfür eines erfinderischen Tuns des Fachmanns bedurft hätte.

4.5.2. Der Beschwerdeführer hat vorgebracht, daß im Verfahren der Druckschrift (2) reine Carbamate erzeugt und im Verfahren der Druckschrift (1) bei der Umsetzung der Carbamate mit den Diaminen reine Carbamate eingesetzt würden. Im streitgegenständlichen Verfahren lägen indessen nach der ersten Stufe keine reinen Carbamate, sondern Carbamate in einer noch Harnstoff enthaltenden Reaktionsmischung vor, denn es erfolge keine vollständige Umsetzung des Harnstoffs mit Alkohol zum Carbamat, da der sich bei dieser Reaktion abspaltende Ammoniak nicht vollständig, nämlich nur bis maximal 90. Mol-%, entfernt werde. Diese carbamat- und harnstoffhaltige Reaktionsmischung werde patentgemäß direkt in die zweite Stufe zur Umsetzung mit dem Diamin eingesetzt.

Der Beschwerdeführer hat nicht vorgetragen und der Kammer ist auch von sich aus nicht ersichtlich, daß es sich bei dieser patentgemäßen Verfahrensweise um ein Maßnahme handelt, die als solche für die Lösung der patentgemäßen Aufgabe kritisch oder mit einem besonderen technischen Effekt verbunden ist. Nach unwidersprochenem Vortrag des Beschwerdegegners in der mündlichen Verhandlung bedeutet indessen die Weiterverarbeitung eines nicht vollständig umgesetzten Reaktionsgemisches aus einer vorherigen Stufe direkt in der nachfolgenden in einem mehrstufigen Verfahren, wie es das patentgemäße darstellt, eine vom Fachmann stets routinemäßig in Betracht gezogene alternative Maßnahme, die in seinem rein handwerklichen Können liegt.

4.5.3. In Anbetracht dessen hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auch darauf abgehoben, daß diese patentgemäße Verfahrensmaßnahme im vorliegenden Fall die Überwindung einer vom Stand der Technik weg weisenden Lehre darstelle, welche dem anspruchsgemäßen Verfahren erfinderische Qualität verleihe. So verweise die Druckschrift (1) auf Seite 5, Zeilen 18 bis 31, auf mögliche störende Nebenreaktionen von Harnstoff, die dort durch die Verwendung von reinen Carbamaten vermieden würden. Diese Lehre des Standes der Technik habe den Fachmann davon abgehalten, ohne Zwischenisolierung die nicht vollständig zum Carbamat umgesetzte und noch harnstoffhaltige Reaktionsmischung der ersten Stufe in die zweite Stufe des streitgegenständlichen Verfahrens zur Umsetzung mit dem Diamin einzusetzen.

Zum einen betrifft der vom Beschwerdeführer angezogene Absatz auf Seite 5 der Druckschrift (1) Befürchtungen über mögliche Nebenreaktionen von Harnstoff, welche gerade das Verfahren der Druckschrift (1) erfolgreich überwunden hat; diese Befürchtungen mögen also vor dem Zeitpunkt dieser Druckschrift bestanden haben, sie sind indessen bereits damals ausgeräumt worden und haben im Widerspruch zum Vorbringen des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Streitpatents nicht mehr bestanden.

Zum anderen beschreibt die Druckschrift (3) in ihrem Anspruch 3, Abschnitt a) eine Reaktionsmischung enthaltend Harnstoff, Alkohol und Carbamat und deren Umsetzung mit Diamin zum Diurethan unter Abspaltung von Ammoniak. Diese Reaktionsmischung stimmt überein mit derjenigen, wie sie sich nach der ersten Stufe des patengemäßen Verfahrens ergibt, nämlich enthaltend Carbamat sowie unumgesetzten Harnstoff und Alkohol, und deren Umsetzung mit Diamin zum Diurethan entspricht der zweiten Stufe des patentgemäßen Verfahrens. Damit lehrt die Druckschrift (3) dem Fachmann, daß Carbamat auch in Anwesenheit von Harnstoff ohne störende Nebenreaktionen mit Diamin erfolgreich zum Diurethan umgesetzt wird. Folglich widerlegen die Tatsachen das Vorbringen des Beschwerdeführers.

Aus den oben genannten Gründen hat die Lehre der Druckschrift (1) den Fachmann nicht davon abgehalten, die in der ersten Stufe des patentgemäßen Verfahrens erhaltene carbamathaltige Reaktionsmischung direkt ohne Zwischenisolierung in dessen zweiter Stufe einzusetzen. Somit weist der Stand der Technik auch nicht vom streitgegenständlichen Verfahren weg.

4.5.4. Der Beschwerdeführer hat des weiteren vorgetragen, der Zeitablauf von 10 Jahren von der Offenlegung der Druckschriften (1) und (2) bis zum Prioritätstag des Streitpatents lasse die vorliegende Erfindung als nicht naheliegend erscheinen.

Der Zeitfaktor zwischen der Veröffentlichung des einschlägigen Standes der Technik und dem Zeitpunkt der Erfindung kann ein Beweisanzeichen für das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit darstellen. Allerdings ersetzt eine bloße Prüfung auf das Vorliegen von Beweisanzeichen nicht die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik aus objektiver Sicht nach dem Aufgabe-Lösung-Ansatz wie oben ausgeführt. Beweisanzeichen stellen lediglich Hilfserwägungen für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dar und sind somit nur in Zweifelsfällen von Bedeutung, wenn die objektive Bewertung des Standes der Technik kein klares Bild ergibt (siehe Entscheidungen T 24/81, ABl. EPA 1983, 133, Punkt 15 der Entscheidungsgründe; T 351/93 vom 1. März 1993, Punkt 5.6 der Entscheidungsgründe; T 645/94 vom 21. Oktober 1997, Punkt 4.7 der Entscheidungsgründe; letztere beiden Entscheidungen nicht veröffentlicht in ABl. EPA). Im vorliegenden Fall bestehen jedoch keine Zweifel, nachdem die objektive Bewertung des Standes der Technik ein klares Bild ergibt (siehe Punkte 4.1 bis 4.5.3 oben) und das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit aus objektiver Sicht nach dem Aufgabe-Lösung-Ansatz zu verneinen ist.

Folglich kann auch dieses Vorbringen des Beschwerdegegners nicht durchgreifen.

4.6. Die Kammer kommt aus den oben angeführten Gründen zu dem Schluß, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 eine naheliegende Lösung der patentgemäßen Aufgabe darstellt und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

5. Da über einen Antrag nur als Ganzes zu entscheiden ist, war auf dessen übrige Ansprüche nicht weiter einzugehen.

Der Hauptantrag des Beschwerdeführers ist somit wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 52 (1) und 56 EPÜ nicht gewährbar.

Hilfsantrag

6. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)

Die zusätzlich eingeführte Verfahrensmaßnahme in Anspruch 1, die erste Stufe des Verfahrens ohne Verwendung von Inertgas durchzuführen, findet seine Stütze auf Seite 7, Zeilen 19 und 20 der ursprünglichen Unterlagen.

Nachdem diese Abänderung des beanspruchten Gegenstandes auch den Schutzbereich des Streitpatents im Vergleich zur erteilten Fassung einschränkt, erfüllt der geltende Anspruchssatz alle Voraussetzungen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.

7. Neuheit

Die Kammer hat sich von der Neuheit des Gegenstandes des unabhängigen Anspruchs 1, die nie angegriffen worden ist, überzeugt.

8. Erfinderische Tätigkeit

Als einzigem Unterschied zum Anspruch 1 des Hauptantrages wird in der ersten Stufe des Verfahrens nach Anspruch 1 des Hilfsantrages von der Verwendung eines Inertgases abgesehen wird (siehe Punkt IV supra), d. h. es wird kein Inertgas als Strippmittel zum Ausschleusen des Ammoniaks eingesetzt. Der Beschwerdeführer hat weder vorgetragen noch belegt, daß mit dem anspruchsgemäßen Verzicht auf die Verwendung von Inertgas ein besonderer technischer Effekt im Vergleich zur angezogenen Druckschrift (2) verbunden ist. Die Kammer hat auch von sich aus keinen Anhaltspunkt hierfür. Der Beschwerdeführer hat vielmehr eingeräumt, daß aus dieser Verfahrensmaßnahme als solcher keine erfinderische Qualität erwachse; sie unterstütze lediglich die bereits im Anspruch 1 angegebene Maßnahme der unvollständigen Entfernung des Ammoniaks in der ersten Stufe des patentgemäßen Verfahrens. Diese Feststellung deckt sich mit der Angabe in der Druckschrift (1), Seite 12, Zeilen 23 bis 33, daß die Verwendung von Inertgas als Strippmittel zum Ausschleusen von entstehendem Ammoniak fakultativ und damit erfindungsunwesentlich ist. Folglich ist der anspruchsgemäße Verzicht auf Inertgas weder zielgerichtet noch kritisch für die zu lösende Aufgabe, nämlich ein weiteres Verfahren zur Herstellung von Diurethanen bereitzustellen. Ein willkürlicher Verzicht auf die Verwendung von Inertgas, wie in Anspruch 1 formuliert, stellt somit lediglich eine Routinetätigkeit dar, die im Rahmen des handwerklichen Könnens des Fachmanns liegt, ohne daß es eines erfinderischen Tuns seinerseits bedürfte.

Nachdem sich das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrages von dem des Hauptantrages mit Ausnahme des Verzichts auf die Verwendung von Inertgasen in der ersten Stufe nicht unterscheidet, diese Verfahrensmaßnahme jedoch wie oben ausgeführt keine erfinderische Qualität beinhaltet, gelten die Feststellungen und Schlußfolgerungen zur erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 1 nach Hauptantrag unter Punkt 4 supra gleichermaßen für den Anspruch 1 des Hilfsantrages, d. h. er ist naheliegend und beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

9. Aus diesen Gründen ist der Hilfsantrag des Beschwerdeführers ebenfalls wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 52 (1) und 56 EPÜ nicht gewährbar.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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