T 0101/99 () of 4.10.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T010199.20001004
Datum der Entscheidung: 04 October 2000
Aktenzeichen: T 0101/99
Anmeldenummer: 92101691.1
IPC-Klasse: F16D 69/04
F16D 65/12
F16D 13/64
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Reibbelag oder dgl.
Name des Anmelders: Raybestos Industrie-Produkte GmbH
Name des Einsprechenden: Mannesmann Sachs AG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 100
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 R 29(3)
Schlagwörter: Änderung - Erweiterung (nein)
Klarheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

Die Frage, ob ein ursprünglich offenbartes Merkmal ein wesentliches Merkmal der Erfindung ist und deshalb in einen unabhängigen Anspruch aufgenommen werden sollte, betrifft nicht Artikel 123 (2) EPÜ, da dabei am gesamten Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldung nichts verändert wird, sondern Artikel 84 EPÜ, demzufolge die Erfindung klar und eindeutig und ohne Widerspruch zur Beschreibung in den Patentansprüchen anzugeben ist, wobei nach Regel 29 (3) der unabhängige Anspruch alle wesentlichen Merkmale der Erfindung wiedergeben sollte (Punkt 3).

Angeführte Entscheidungen:
T 0032/82
T 0133/85
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 2251/17

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 554 472 (Anmeldenummer: 92 101 691.1).

II. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) legte gegen das Patent Einspruch ein und beantragte, das Patent wegen fehlender Patentfähigkeit zu widerrufen.

Sie berief sich dabei u. a. auf die folgenden Dokumente:

D1: US-A-1 515 284

D2: US-A-4 747 473.

III. Mit am 19. November 1998 zur Post gegebener Zwischenentscheidung wies die Einspruchsabteilung den Hauptantrag der Patentinhaberin zurück und hielt das Patent im Umfang des Hilfsantrags I aufrecht.

IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 22. Januar 1999 unter Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein.

Die Beschwerdebegründung wurde am 23. März 1999 eingereicht.

V. In Erwiderung auf einen Bescheid zur Ladung zur mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 9. August 2000 zwei neue Sätze von Patentansprüchen gemäß Haupt- und Hilfsantrag ein.

Mit Schreiben vom 21. September 1999 nahm die Beschwerdegegnerin zu den Gegenständen der Patentansprüche 1 gemäß dem neuen Haupt- bzw. Hilfsantrag Stellung und legte das folgende Dokument vor:

D7: JP-U-4-5521 mit einer Übersetzung des Hauptanspruchs.

VI. Die mündliche Verhandlung fand am 4. Oktober 2000 statt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit den während der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen (Patentansprüche 1 bis 9, Beschreibung und Figuren 1 bis 8), hilfsweise auf der Basis der Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag vom 9. August 2000.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet (nach redaktioneller Änderung):

"1. Reibbelag für Kupplungen, mit einem einstückigen kreisscheibenförmigen Ringkörper (2) aus Reibmaterial, dessen Stirnfläche eine kreisringförmige Reibfläche (9) aufweist und der eine zentrale Öffnung (12) und in seinem Ringkörper über dessen Umfang verteilt Löcher (13; 19, 42, 43, 48, 49) zum Durchstecken von Nieten enthält, wobei

die zum Durchstecken der Nieten bestimmten Löcher (42, 43) außerhalb der Reibfläche (9) am Ringkörper (2) angeordnet sind,

dadurch gekennzeichnet, daß

die zum Durchstecken von Nieten bestimmten Löcher in zungenförmigen radialen Ansätzen (11, 18, 40, 41, 47, 46) des Ringkörpers (2) vorgesehen sind."

VII. Zur Begründung ihres Hauptantrags führte die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes aus:

i) Ursprünglich seien die zungenförmigen radialen Ansätze zwar nur im Zusammenhang mit radialen Langlochschlitzen beansprucht worden, dies bedeute jedoch nicht, daß in den ursprünglich eingereichten Unterlagen keine Offenbarungsgrundlage für die zungenförmigen radialen Ansätze ohne radiale Langlochschlitze vorliege. Vielmehr zeige die ursprüngliche Figur 13, daß die in den radialen Ansätzen vorgesehenen Löcher auch als Rundlöcher ausgebildet sein können.

Die Unterteilung des Ringkörpers in zwei axial zueinander versetzte Abschnitte sei ursprünglich Gegenstand des Unteranspruchs 2 und somit kein wesentliches Merkmal der Erfindung gewesen. Auch in der ursprünglich eingereichten Beschreibung könne man nichts finden, was mit dieser Feststellung unvereinbar wäre, zumal in der ursprünglich eingereichten Beschreibungseinleitung ausdrücklich erwähnt sei, daß vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung "Gegenstand der Unteransprüche" seien (Spalte 1, Zeilen 21 bis 23 der veröffentlichten Anmeldeschrift).

Deshalb sei das betreffende Merkmal nicht als für die Lösung der gestellten Aufgabe zwingend notwendig offenbart und brauche somit nicht in den Patentanspruch 1 aufgenommen zu werden.

ii) Der Fachmann könne bei einer mosaikartigen Zusammenschau der Dokumente D1, D2 und D7 nicht in naheliegender Weise zur beanspruchten Erfindung gelangen, weil sich die Anordnung von zungenförmigen radialen Ansätzen zum Zwecke der guten Konstanz des Reibverhaltens und zugleich der deutlichen Reduzierung des axialen Massenträgheitsmoments nicht aus diesem Stand der Technik herleiten lasse.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) widersprach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und machte dabei im wesentlichen folgendes geltend:

i) Patentanspruch 1 des Hauptantrags basiere im wesentlichen auf den ursprünglichen Patentansprüchen 1 und 4, ohne jedoch aus Patentanspruch 4 ebenfalls aufzunehmen, daß die Löcher in den zungenförmigen radialen Ansätzen des Ringkörpers als radiale Langlochschlitze ausgebildet seien. In den ursprünglich eingereichten Unterlagen sei somit eine Offenbarungsgrundlage für zungenförmige radiale Ansätze mit radialen Langlochschlitzen, jedoch nicht für zungenförmige radiale Ansätze allein vorhanden. Es folge daraus, daß in Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ nur die Kombination von diesen beiden Merkmalen in den Hauptanspruch aufgenommen werden könne.

Des weiteren sei Patentanspruch 4 ursprünglich über Patentanspruch 3 auf Patentanspruch 2 rückbezogen, der die Unterteilung des Ringkörpers in zwei axial versetzte Abschnitte zum Gegenstand habe. Dieses Merkmal gehöre eindeutig als wesentliches Merkmal zu der ursprünglichen Erfindung und müsse demgemäß in den Patentanspruch 1 aufgenommen werden, zumal die Anmeldeschrift in sämtlichen Figuren Ausführungsformen offenbare, bei denen der Ringkörper in zwei axial versetzte Abschnitte unterteilt sei. Die Tatsache, daß das betreffende Merkmal nicht im ursprünglichen Patentanspruch 1 enthalten sei, bedeute nicht, daß dieses Merkmal für die Erfindung nicht zwingend sei. Der ursprüngliche Patentanspruch 1 sei vielmehr unvollständig, d. h. gebe nicht alle Merkmale an, die für die Lösung der gestellten Aufgabe notwendig seien. Die Anmeldungsschrift bezeichne es nämlich als die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe, die "Konstanz des Reibverhaltens der Reibbeläge deutlich zu verbessern und das axiale Massenträgheitsmoment der Reibbeläge stark zu reduzieren". Der Gegenstand des ursprünglich eingereichten Patentanspruchs 1 löse offensichtlich die erste Teilaufgabe, nicht aber die zweite. Durch die Anordnung der zum Durchstecken der Nieten bestimmten Löcher außerhalb der Reibfläche werde nämlich keine Reduzierung des axialen Massenträgheitsmoments erreicht.

Es folge daraus, daß der geänderte Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag gegen Art. 123 (2) EPÜ verstoße.

ii) Dokument D2 zeige einen Reibbelag für eine Kupplung, bei dem die zum Durchstecken der Nieten bestimmten Löcher in zungenförmigen radialen Ansätzen vorgesehen seien. Zwar sei dort der Reibkörper nicht einstückig ausgebildet, sondern bestehe aus Segmenten, Vorbild und Anregung für eine einstückige Ausbildung erhalte aber der Fachmann aus dem Dokument D1. Der Fachmann könne daher ohne erfinderisches Zutun vom Stand der Technik gemäß den Dokumenten D1 und D2 zur Lehre des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag gelangen.

Aus den Figuren 1 und 2 von Dokument D7 sei ein Reibbelag für eine Reibungskupplung zu entnehmen, bei dem Löcher zum Durchstecken der Nieten vorgesehen seien. Diese Löcher seien dabei außerhalb der Reibfläche im Ringkörper angeordnet. Gleichzeitig seien auch die zungenförmigen radialen Ansätze des Ringkörpers aus der Figur 2 in Verbindung mit der Figur 1 zu entnehmen.

Die beanspruchte Lehre weiche zwar von dem Reibbelag gemäß Dokument D7 in der kreisringförmigen Geometrie der Reibfläche ab, es bedürfe aber keiner erfinderischen Leistung insbesondere im Hinblick auf Dokument D1, um auch bei dem Reibbelag gemäß Dokument D7 eine kreisringförmige Reibfläche vorzusehen.

Demgemäß fehle bei dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag die notwendige erfinderische Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag: Artikel 123 (2) EPÜ

Wie die Beschwerdegegnerin vorgebracht hat, basiert Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag im wesentlichen auf den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 1 und 4, ohne jedoch aus Patentanspruch 4 ebenfalls aufzunehmen, daß die Löcher in den zungenförmigen radialen Ansätzen des Ringkörpers als radiale Langlochschlitze ausgebildet sind.

Zur Frage, ob es im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ zulässig ist, nur einen Teil eines Unteranspruchs, im vorliegenden Fall die radialen zungenförmigen Ansätze, in den jeweiligen Patentanspruch 1 aufzunehmen, wird folgendes bemerkt:

Die Hinzufügung eines technischen Merkmals in einen Patentanspruch ist jedenfalls dann im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ zulässig, wenn für das hinzugefügte Merkmal in den ursprünglich eingereichten Unterlagen eine Offenbarungsgrundlage vorhanden ist. Dies ist hier der Fall, denn das Ausführungsbeispiel nach Figur 13 zeigt und beschreibt unstreitig zungenförmige radiale Ansätze, in denen die Löcher zum Anstecken der Nieten keine Langlochschlitze, sondern Rundlöcher sind. Die Aufnahme des Merkmals "zungenförmige radiale Ansätze" in den Patentanspruch 1 ohne die Angabe, daß die dort angeordneten Löcher als Langlochschlitze ausgebildet sind, geht deshalb nicht über das ursprünglich Offenbarte hinaus und ist demgemäß im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ zulässig.

Des weiteren ist es laut Streitpatentschrift Aufgabe der Erfindung, "die Konstanz des Reibverhaltens der Reibpaarungen deutlich zu verbessern und das axiale Massenträgheitsmoment stark zu reduzieren". Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Löcher in Form von Langlochschlitzen für die Lösung einer solchen Aufgabe keinesfalls nötig sind. Diese konstruktive Maßnahme ist daher eindeutig kein wesentliches Merkmal der Erfindung und braucht deshalb nicht in Patentanspruch 1 aufgenommen zu werden.

3. Hauptantrag: Artikel 84 EPÜ

Die Beschwerdegegnerin rügte eine angebliche weitere unzulässige Erweiterung gemäß Artikel 123 (2) EPÜ mit der Begründung, die Befestigung des Reibkörpers außerhalb der eigentlichen Reibfläche sei gemäß den Ausführungsbeispielen nur in Verbindung mit zwei axial zueinander versetzten Abschnitten des Ringkörpers offenbart. Deshalb müsse dieses wesentliche Merkmal der Erfindung in den jeweiligen Patentanspruch 1 aufgenommen werden.

Nach Auffassung der Kammer liegt hier kein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ vor. Die Anordnung von zwei axial zueinander versetzten Abschnitten ist zwar in allen ursprünglich eingereichten Ausführungsbeispielen der Beschreibung offenbart, sie ist aber als "vorteilhafte Ausgestaltung" offenbart und erst im ursprünglichen Anspruch 2 aufgeführt. An keiner Stelle der ursprünglichen Beschreibung ist sie als untrennbar mit dem Merkmal der Anordnung der Löcher außerhalb der Reibfläche verbunden zu entnehmen. Es steht daher dem Artikel 123 (2) EPÜ in keiner Weise entgegen, wenn dieses Merkmal nicht in den Patentanspruch 1 aufgenommen wird.

Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, wonach die Anordnung von zwei axial versetzten Abschnitten ein wesentliches Merkmal der Erfindung sei und somit im Patentanspruch 1 genannt werden müsse, bezieht sich nicht auf das Erfordernis von Artikel 123 (2) EPÜ, sondern vielmehr auf das von Artikel 84 EPÜ.

Laut Regel 29 (3) EPÜ und der Rechtsprechung der Beschwerdekammern muß ein technisches Merkmal, das in der Beschreibung als wesentliches Merkmal der Erfindung herausgestellt wird, auch Bestandteil des Hauptanspruchs sein, durch den diese Erfindung definiert wird (vgl. T 133/85, ABl. EPA 1988, 441, Punkt 2 der Entscheidungsgründe). Als wesentliche Merkmale der Erfindung sind alle Merkmale anzusehen, die zur Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe notwendig sind (vgl. u. a. Entscheidung T 32/82, ABl. EPA 1984, 354, Punkt 15 der Entscheidungsgründe).

Ein Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ ist zwar nach Artikel 100 EPÜ kein Einspruchsgrund. Jedoch muß, wenn die Patentinhaberin wie im vorliegenden Fall Änderungen nach Artikel 102 (3) EPÜ vorgenommen hat, im Einspruchsbeschwerdeverfahren geklärt werden, ob der geänderte Patentanspruch 1 gegen Artikel 84 EPÜ verstößt.

Es erhebt sich somit die Frage, ob das in Rede stehende Merkmal in den Anmeldungsunterlagen als wesentliches Erfindungsmerkmal dargestellt ist, unter Berücksichtigung der daraus entnehmbaren, der Erfindung zugrundeliegenden technischen Aufgabe. Ist die Aufgabe ohne das betreffende Merkmal zu lösen, dann kann dieses Merkmal als unwesentlich betrachtet werden und braucht nicht in den Patentanspruch 1 aufgenommen zu werden.

Wie vorstehend dargelegt ist es Aufgabe der Erfindung, "Die Konstanz des Reibverhaltens der Reibpaarungen deutlich zu verbessern und das axiale Massenträgheitsmoment der Reibbeläge stark zu reduzieren."

Nach Auffassung der Kammer wird diese Aufgabe bereits durch die im geltenden Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmale gelöst: Die zum Durchstecken der Nieten bestimmten Löcher sind

i) außerhalb der Reibfläche im Ringkörper angeordnet, und

ii) in zungenförmigen radialen Ansätzen des Ringkörpers vorgesehen.

Es ist ohne weiteres erkennbar, daß die Anordnung der Löcher zum Anstecken der Nieten außerhalb der Reibfläche im wesentlichen zur Verbesserung der Konstanz des Reibverhaltens dient, während durch die zungenförmigen radialen Ansätze gleichzeitig eine deutliche Gewichtsersparnis und damit eine Reduzierung des axialen Massenträgheitsmoments erzielt wird. Mithin ist die Unterteilung des Ringkörpers in zwei axial versetzte Abschnitte nicht zwingend notwendig für die Lösung der der Erfindung zugrundeliegenden technischen Aufgabe. Folglich braucht dieses Merkmal nicht in den Patentanspruch 1 aufgenommen zu werden.

Aus alledem folgt, daß der geltende Patentanspruch 1 alle wesentlichen Merkmale der Erfindung enthält und somit auch die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt.

4. Hauptantrag: Stand der Technik, Gegenstand des Streitpatents

4.1. In Erwiderung auf den Ladungsbescheid der Kammer hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung am 10. August 2000 den neuen Patentanspruch 1. gemäß Hauptantrag eingereicht.

Das mit Schreiben vom 21. September 1999 vorgelegte Dokument D7 ist als Reaktion der Beschwerdegegnerin auf die Änderungen der Patentansprüche anzusehen. Diese Druckschrift gilt mithin als nicht verspätet vorgebracht und ist deshalb bei der Ermittlung der Patentfähigkeit zu berücksichtigen.

4.2. Die Streitpatentschrift betrifft einen Reibbelag für Kupplungen, mit einem einstückigen kreisscheibenförmigen Ringkörper aus Reibmaterial, dessen eine Stirnfläche eine kreisförmige Reibfläche aufweist und der eine zentrale Öffnung und in seinem Ringkörper über dessen Umfang verteilt Löcher zum Durchstecken von Nieten enthält.

Ein Reibbelag dieser Gattung ist aus Dokument D1 bekannt. Dort befinden sich die Löcher zum Durchstecken von der Befestigung an Trägerscheiben dienenden Nieten außerhalb der Reibfläche. Hierdurch wird die Reibfläche nicht unterbrochen, was zu einem gleichförmigen Reibverhalten der Reibpaarungen führt.

Die Patentinhaberin hat das verhältnismäßig große Massenträgheitsmoment dieses bekannten Reibbelags als nachteilig angesehen.

Dementsprechend kann die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe - wie im wesentlichen in der Streitpatentschrift angegeben - darin gesehen werden, den aus der Druckschrift D1 bekannten Reibbelag so zu verbessern, daß unter Beibehaltung der Konstanz des Reibverhaltens der Reibpaarungen eine Reduzierung des axialen Massenträgheitsmoments der Reibbeläge erreicht wird.

Diese Aufgabe wird bei einem gattungsgemäßen Reibbelag durch die im Kennzeichen des Patentanspruchs definierte Anordnung von zungenförmigen radialen Ansätzen gelöst, in denen die zum Durchstecken der Nieten bestimmten Löcher vorgesehen sind.

5. Neuheit

Wie sich aus den Ausführungen im vorstehenden Abschnitt 4 ergibt, unterscheidet sich der Reibbelag nach Patentanspruch 1 von dem nach dem gattungsgemäßen Dokument D1 durch das im Kennzeichen aufgeführte Merkmal.

Durch die noch genannten Dokumente D2 und D7 ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ebenfalls nicht bekannt. Dies folgt schon daraus, daß beide Druckschriften keinen gattungsgemäßen Reibbelag betreffen: Der Reibbelag gemäß Dokument D2 ist nicht einstückig ausgebildet und der gemäß Dokument D7 weist keine kreisringförmige Reibfläche auf.

Der Reibbelag nach Patentanspruch 1 ist daher gegenüber dem vorstehenden Stand der Technik neu.

6. Erfinderische Tätigkeit

Es erhebt sich in dieser Hinsicht die Frage, ob die Dokumente D2 oder D7 einen Fachmann dazu anregen konnten, den aus dem gattungsgemäßen Dokument D1 bekannten Reibbelag im Sinne der beanspruchten Lehre des Streitpatents weiter zu verbessern.

6.1. Beim Dokument D2 wird die von der Erfindung nach der Streitpatentschrift angestrebte und erzielte Wirkung - Beibehaltung der guten Konstanz des Reibverhaltens sowie Reduzierung des axialen Massenträgheitsmoments - keinesfalls erreicht:

Diese Druckschrift betrifft einen Reibbelag für eine Kupplung oder eine Bremse, der aus einzelnen Segmenten besteht. Am Außenumfang, d. h. außerhalb der Reibzone ist jedes Segment mit einer Zunge vorgesehen, die eine axiale Öffnung zum Durchstecken eines Nietes enthält. Die Verbindung der einzelnen Segmente zu einem kreisscheibenförmigen Reibbelag erfolgt durch als Klammer wirkende Elemente, die jeweils zwei benachbarte Zungen fest miteinander verbinden, wobei das freie Ende der Niete durch die Verbindungselemente und die Zungen der Segmente hindurch gesteckt ist.

Mithin dienen die dort gezeigten Zungen dazu, mit Hilfe eines Verbindungselements zwei benachbarte Segmente zu verbinden. Sie bewirken keine Verringerung des Massenträgheitsmomentes des Reibbelags. Am Übergangsbereich zwischen zwei benachbarten Segmenten, innerhalb der Reibfläche befindet sich eine radiale Rinne. Hierdurch wird die Reibfläche unterbrochen, was zu einem ungleichförmigen Reibverhalten der Reibpaarungen führt.

6.2. Gegenstand des Dokuments D7 ist ein Reibbelag für eine Kupplung mit einem einstückigen kreisscheibenförmigen Ringkörper. Am Außenrand des Ringkörpers und über dessen Umfang verteilt sind drei Aussparungen vorgesehen. In dem Boden der Aussparungen sind axiale Öffnungen zum Durchstecken der der Befestigung des Reibbelags an der Trägerscheibe dienenden Niete angeordnet.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin zeigt diese Druckschrift keine zungenförmigen radialen Ansätze sondern - wie gesagt - Aussparungen, die innerhalb des kreisförmigen Außenrands des Reibbelags angeordnet sind. Es ist auch in der Übersetzung des Patentanspruchs 1 dieses japanischen Gebrauchsmusters von Aussparungen die Rede.

Die Befestigungszone ist somit beim Dokument D7 konstruktiv anders ausgebildet als beim Streitpatent und würde, falls sie für eine Verbesserung des Reibbelags nach Dokument D1 als Vorbild herangezogen würde, offensichtlich zu einer anderen Ausführung als der beanspruchten führen.

Des weiteren liegt noch ein funktioneller Unterschied vor: Im Bereich der Aussparungen ist bei Dokument D7 die Breite der ringförmigen Reibfläche geringer als in dem übrigen Bereich, so daß die Konstanz des Reibverhaltens der Reibpaarungen nicht gewährleistet ist.

Weder die Lehre des Patentanspruchs 1 noch die von der Erfindung angestrebte und erzielte Wirkung - Beibehaltung der guten Konstanz des Reibverhaltens sowie stärkere Reduzierung des axialen Massenträgheitsmoments - ist demgemäß durch Dokument D7 nahegelegt bzw. erreicht.

6.3. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 (Hauptantrag) auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ). Er ist daher patentfähig.

7. Die abhängigen Patentansprüche 2 bis 9 betreffen besondere Ausführungsformen des Reibbelags gemäß Patentanspruch 1 und werden von dessen Patentfähigkeit mit getragen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten: Patentansprüche 1 bis 9, Beschreibung und Figuren 1 bis 8, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.

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