European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T104298.20010717 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 17 Juli 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1042/98 | ||||||||
Anmeldenummer: | 93110565.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60H 1/00 B60H 1/24 |
||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Kraftfahrzeug mit seitengetrennt einstellbaren Ausrüstungsteilen im Frontbereich | ||||||||
Name des Anmelders: | Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | (I) ADAM OPEL AG (II) VALEO Klimasysteme GmbH |
||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Verspätet vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel - Beschwerde Änderungen - Einspruchsverfahren |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die von den Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden) I und II gegen das europäische Patent Nr. 0 581 047 eingelegten Einsprüche führten zum Widerruf des Patents durch die am 14. Oktober 1998 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung mangels Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1.
II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 27. Oktober 1998 bei gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 2. November 1998 eingegangen.
III. Am 17. Juli 2001 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit den mit Schreiben vom 2. Juli 2001 zum Hauptantrag bzw. zu den Hilfsanträgen 1 bis 5 eingereichten Patentansprüchen.
Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde. Sie beantragten ferner, die geltenden, am 3. Juli 2001 eingegangenen Anträge der Beschwerdeführerin als verspätet nicht zu berücksichtigen.
IV. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 5 nach dem Hauptantrag haben folgenden Wortlaut:
"1. Kraftfahrzeug mit seitengetrennt durch Vorgabe individueller Sollwerte mit Hilfe von Stellgliedern (2, 6) einstellbaren Ausrüstungsteilen (1, 8) im Frontbereich, mit einer ersten Betriebsart, bei der die Einstellung der Ausrüstungsteile (1, 8) auf der Beifahrerseite synchron mit der entsprechenden, durch ein Stellglied (6) vorgenommenen Einstellung auf der Fahrerseite erfolgt, gekennzeichnet durch eine seitengetrennte Einstellungs-Betriebsart, die selbsttätig bei einer Besetzung des Beifahrersitzes anstelle der ersten Betriebsart eingestellt wird."
"5. Kraftfahrzeug mit seitengetrennt durch Vorgabe individueller Sollwerte mit Hilfe von Stellgliedern (2, 6) einstellbaren Ausrüstungsteilen (1, 8) im Frontbereich, mit einer ersten Betriebsart, bei der die Einstellung der Ausrüstungsteile (1, 8) auf der Beifahrerseite synchron mit der entsprechenden, durch ein Stellglied (6) vorgenommenen Einstellung auf der Fahrerseite erfolgt, dadurch gekennzeichnet, dass anstelle der ersten Betriebsart selbsttätig eine seitengetrennte Betriebsart eingestellt wird, nachdem das Ausrüstungsteil (1) auf der Beifahrerseite unabhängig von dem entsprechenden Ausrüstungsteil auf der Fahrerseite (8) verstellt worden ist."
Auf den Anspruch 1 sind abhängige Ansprüche 2 bis 4 direkt bzw. indirekt rückbezogen. Dem unabhängigen Anspruch 5 folgen weitere abhängige Ansprüche 6 bis 8.
Die Anspruchsfassung nach dem Hilfsantrag 1 enthält die Ansprüche 1 bis 4 nach dem Hauptantrag, während die Anspruchsfassung nach dem Hilfsantrag 2 die Ansprüche 5 bis 8 des Hauptantrags umfaßt.
Der Hilfsantrag 3 enthält einen aus dem Wortlaut der Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrags zusammengefaßten Anspruch 1, dem sich abhängige Ansprüche 2 und 3 anschließen, sowie einen aus den Ansprüchen 5 und 6 gemäß Hauptantrag zusammengesetzten weiteren unabhängigen Anspruch 4, dem sich abhängige Ansprüche 5 und 6 anschließen.
Der Hilfsantrag 4 enthält die ersten drei Ansprüche aus dem Hilfsantrag III und der Hilfsantrag 5 die Ansprüche 4 bis 6 nach diesem Hilfsantrag.
V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:
Die im Kennzeichen des erteilten Anspruchs 1 genannte "eine Betriebsart" betreffe zwar die synchrone Arbeitsweise der Ausrüstungsteile, es sei jedoch bei fachmännischer Betrachtungsweise insbesondere den abhängigen Ansprüchen der erteilten Unterlagen zu entnehmen, daß die dort als willkürlich wählbar bzw. selbsttätig wählbar bzw. bei Besetzung des Beifahrersitzes wählbar bezeichnete Betriebsart die seitengetrennte und nicht die im Anspruch 1 als solche bezeichnete synchrone Arbeitsweise betreffe. Der Schutzumfang der beiden, jeweils den vollen Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 enthaltenden unabhängigen Ansprüche 1 und 5 nach dem Hauptantrag gehe demnach nicht über den durch das Streitpatent in seiner erteilten Fassung definierten Schutzbereich hinaus. Was den Inhalt der erteilten abhängigen Ansprüche 4 und 5 betreffe, so sei es für einen fachmännischen Leser der erteilten Unterlagen klar, daß es sich bei der in diesen Ansprüchen genannten Betriebsart ebenfalls nur um die seitengetrennte Arbeitsweise handeln könne, wie dies auch im Ausführungsbeispiel erläutert sei. Ein fachmännischer Leser der erteilten Ansprüche müßte somit im Lichte der Beschreibung des Streitpatents erkennen, daß die erteilten Patentansprüche nicht nur die im erteilten Anspruch 1 genannte "eine Betriebsart" für synchrone Einstellung, sondern auch die Betriebsart für seitengetrennte Einstellung beträfen. Die unabhängigen Patentansprüche aller geltenden Anspruchsfassungen verstießen daher nicht gegen Artikel 123 (3) EPÜ. VI. Die Beschwerdegegnerinnen trugen folgendes vor:
Im erteilten Anspruch 1 sei der Begriff "eine Betriebsart" eindeutig der synchronen Einstellung der Ausrüstungsteile zugeschrieben und in allen abhängigen Ansprüchen seien Angaben gemacht, wie "die Betriebsart" wählbar sei. Es handle sich dabei ganz offensichtlich um die im Anspruch 1 der synchronen Einstellung zugeschriebene Betriebsart, zumal eine solche Auslegung auch technisch nicht widersinnig sei. Der durch die erteilte Anspruchsfassung beanspruchte Gegenstand habe sich demnach nur mit der Wählbarkeit der synchronen Einstellung befaßt, während sich die unabhängigen Ansprüche der geltenden Anspruchsfassungen mit der seitengetrennten Einstellung befaßten. Der Schutzbereich des angefochtenen Patents sei demnach verschoben und im Sinne von Artikel 123 (3) EPÜ erweitert worden.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Die geltenden Anspruchsfassungen (Hauptantrag, Hilfsanträge 1 bis 5) sind ca. zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung und somit in einem späten Verfahrensstadium vorgelegt worden.
Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (vgl. T 406/86, ABl. 1989, 302 und T 543/89, nicht veröffentlicht) liegt es im Ermessen der Beschwerdekammer, solche Ansprüche dann noch zuzulassen, wenn durch sie keine unvorhersehbare Änderung des Patentbegehrens herbeigeführt wird, sondern lediglich eine Beschränkung der beanspruchten Lehre in einem während des Verfahrens schon diskutierten Umfang stattfindet. Im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren lagen vor dem Einreichen der geltenden Anspruchsfassungen schon ähnliche, gegenüber den erteilten Ansprüchen geänderte Ansprüche vor. Die Beschwerdekammer hat daher in Ausübung ihres Ermessens die Diskussion der geltenden Ansprüche in der mündlichen Verhandlung zugelassen.
Der in der Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung im letzten Absatz gegebene Hinweis, weitere Stellungnahmen oder geänderte Unterlagen spätestens 1 Monat vor der mündlichen Verhandlung der Kammer vorzulegen, ist im übrigen nicht so auszulegen, daß spätere Vorlagen grundsätzlich ausgeschlossen sind.
3. Hauptantrag
Zulässigkeit der Änderungen
Im Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 ist nur eine einzige Betriebsart eines Kraftfahrzeugs ausgehend von seitengetrennt durch Vorgabe individueller Sollwerte mit Hilfe von Stellgliedern einstellbaren Ausrüstungsteilen im Frontbereich genannt. Dabei ist diese eine Betriebsart auf die synchrone Einstellung der Ausrüstungsteile auf der Beifahrerseite und der Fahrerseite bezogen. In den geltenden unabhängigen Ansprüchen 1 und 5 wird die im erteilten Anspruch 1 auf die synchrone Einstellbarkeit bezogene eine Betriebsart durch eine andere, einer seitengetrennten Einstellbarkeit zugeordnete, bei Besetzung des Beifahrersitzes (Anspruch 1) bzw. Verstellung des Ausrüstungsteils auf der Beifahrerseite (Anspruch 5) eingestellte Betriebsart insofern ersetzt, als die ursprünglich als "eine Betriebsart" bezeichnete, synchrone Einstellbarkeit nunmehr als "erste Betriebsart" bezeichnet wird und die seitengetrennte Einstellung zeitweise an die Stelle der "einen Betriebsart" des erteilten Anspruchs 1 tritt.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin geben die erteilten abhängigen Ansprüche 2 bis 5 keinen Anlaß zu einer anderen Interpretation, da auch sie sich übereinstimmend auf die im Anspruch 1 genannte Betriebsart, d. h. die synchrone Betriebsart beziehen. Dies gilt offensichtlich auch für den erteilten Anspruch 4, bei dem "die Betriebsart bei Besetzung des Beifahrersitzes wählbar ist". In Verbindung mit dem erteilten Anspruch 1 folgt daraus, daß auch die im Anspruch 4 definierte Betriebsart die synchrone Einstellungsweise betrifft, d. h. daß diese bei Besetzung des Beifahrersitzes wählbar ist. Eine solche Arbeitsweise muß von einem fachmännischen Leser der Ansprüche durchaus nicht als unbrauchbar angesehen werden. Sie ist zumindest dann sinnvoll, wenn z. B. im Taxibetrieb in der Mehrzahl mit der Bedienung der Ausrüstungsteile nicht vertraute Personen als Beifahrer befördert werden und eine zwischenzeitlich von einem Beifahrer vorgenommene seitengetrennte Einstellung unerwünscht ist. Dies gilt im Prinzip auch für die Lehre des abhängigen Anspruchs 5. Andererseits wäre es auch denkbar, daß ein bei Nichtbelegung des Beifahrersitzes vorhandenes Nullsignal des Airbag-Steuergeräts für die synchrone Betriebsart der Ausrüstungsteile sorgt.
Die vorstehende Auslegung der abhängigen Ansprüche widerspricht auch nicht notwendig dem Inhalt der Beispielsbeschreibung, die sich im wesentlichen mit der von der erteilten Anspruchsfassung offensichtlich nicht betroffenen seitengetrennten Einstellung befaßt. Es besteht insofern auch kein Widerspruch zwischen dem Inhalt der erteilten Anspruchsfassung und der erteilten Beschreibung, als sich die Beschreibungseinleitung in erster Linie damit befaßt, ausgehend von einem System mit seitengetrennt verstellbaren Ausrüstungsteilen dem Fahrer einen erhöhten Komfortgewinn bei unbesetztem Beifahrersitz zu verschaffen (vgl. Spalte 1, Zeilen 14 bis 32 der Patentschrift).
Die diesbezügliche Argumentation der Beschwerdeführerin bezüglich eines offensichtlichen Widerspruchs zwischen den erteilten Ansprüchen und der erteilten Beschreibung des Streitpatents sowie einer fachmännischen Auslegung der erteilten Ansprüche im Sinne des Ausführungsbeispiels vermochte demnach nicht zu überzeugen.
Da, wie oben ausgeführt, in den geltenden unabhängigen Ansprüchen 1 und 5 die in der erteilten Anspruchsfassung auf eine synchrone Einstellung bezogene Betriebsart zumindest zeitweise durch eine andere Betriebsart, nämlich eine solche mit seitengetrennter Einstellung ersetzt ist, wird deren Schutzbereich gegenüber dem der erteilten Ansprüche verschoben und demnach im Sinne von Artikel 123 (3) EPÜ erweitert. Die geltenden unabhängigen Ansprüche 1 und 5 erfüllen demnach nicht die Anforderungen gemäß Artikel 123 (3) EPÜ und sind daher nicht gewährbar.
4. Hilfsanträge 1 bis 5, Zulässigkeit der Änderungen
Die unabhängigen Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen entsprechen den unabhängigen Ansprüchen nach dem Hauptantrag (Hilfsanträge 1 und 2) bzw. gehen vom Gesamtwortlaut dieser unabhängigen Ansprüche unter Hinzufügung von Zusatzmerkmalen aus (Hilfsanträge 3 bis 5).
Für diese unabhängigen Ansprüche gilt daher das zu den unabhängigen Ansprüchen nach dem Hauptantrag Vorgetragene in gleicher Weise. Sie verstoßen somit ebenfalls gegen Artikel 123 (3) EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.