T 0534/98 (Ausreichende Substantiierung des Einspruchs) of 1.7.1999

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1999:T053498.19990701
Datum der Entscheidung: 01 Juli 1999
Aktenzeichen: T 0534/98
Anmeldenummer: 88908133.7
IPC-Klasse: B02C 4/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Walzenstuhl zur Herstellung von Getreidemahlprodukten
Name des Anmelders: BÜHLER AG
Name des Einsprechenden: SANGATI S.p.A.
GOLFETTO S.p.A.
OCRIM S.p.A.
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 R 55(c)
European Patent Convention 1973 R 67
European Patent Convention 1973 R 68(2)
Schlagwörter: Zulässigkeit des Einspruchs (bejaht)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0222/85
T 0379/88
T 0939/92
T 0085/93
T 0234/93
T 0378/93
T 0590/94
T 0671/94
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0218/97
T 0496/98
T 0689/01
T 0862/01
T 0497/03

Sachverhalt und Anträge

I. Der Hinweis auf die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 334 919 mit der Anmeldenummer Nr. 88 908 133.7 wurde am 15. September 1993 bekanntgemacht.

II. Anspruch 1 hat folgenden Inhalt, für dessen Wiedergabe aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Merkmalsanalyse verwendet wird:

a) Walzenstuhl für die Vermahlung von Getreide zur Herstellung von Mehl, Grieß, Dunst usw.

b) entsprechend dem System der Hochmüllerei,

c) der mit zwei in Mahlrichtung parallel nebeneinander angeordneten Walzenpaaren ausgerüstet ist, die

d) über einen Speisezylinder

e) mit je einer Mahlgutzuführung mit Sensor und Produktspeisung in Verbindung stehen,

f) wobei jedes unabhängig voneinander arbeitende Walzenpaar

f1) mit einer individuellen Einstelleinrichtung für den Mahlspalt f2) und je einer Fremdkörpersicherung ausgestattet ist

g) und jedem Walzenpaar ein eine Kontrolltür aufweisender Produktabführtrichter zugeordnet ist,

dadurch gekennzeichnet, daß

h) der Walzenstuhl aus zwei Hälften bzw. aus zwei Doppeleinheiten besteht

i) mit je zwei mit Abstand übereinander angeordneten Walzenpaaren,

k) wobei zwischen den übereinander angeordneten Walzenpaaren innerhalb jeder Doppeleinheit je ein das von dem jeweils oberen Walzenpaar bearbeitete Gut direkt in den Mahlspalt des zugehörigen unteren Walzenpaares überleitender Produktabführtrichter vorgesehen ist und

l) die Doppeleinheiten eine gemeinsame Baueinheit, einen 8-Walzenstuhl, bilden.

Dem Hauptanspruch folgen die abhängigen Ansprüche 2 bis 7.

III. Am 14. Juni 1994 wurde im Namen von drei Einsprechenden ein in italienischer Sprache abgefaßter Einspruch eingelegt, dem am 13. Juli 1994 eine englische Übersetzung folgte.

Der Einspruch greift das gesamte Patent an und stützte sich auf den Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 52 (1) und 56 EPÜ unter Heranziehung folgender Entgegenhaltungen:

E1: L'INDUSTRIA DEI MOLINI" - La macinazione del grano, 1934-XI, Seiten 155-157;

E2: US-A-5100062; Spalte 2, Zeilen 39-50;

E3: "Storia della costruzione dei molini" - 16a parte tecnica molitoria; November 1985; Seiten 910, 912, Spalte 1, Zeilen 18-28 und Spalte 2, Zeilen 1-18 sowie Seiten 920 und 921;

E4: "Flour Milling Machinery"- Thos. Robinson & Son, Ltd; Index sowie Seite 30 (Leaflet No. 208) und Seite 34 (Leaflet No. 146);

E5: "Müllerei und Mühlenbau"- Abt. I: Der Müller und der Mühlenbauer, 5. erweiterte Auflage; 1922; Seiten 200 und 201;

E6: "SELEZIONE DI TECNICA MOLITORIA"- 1951; Seiten 28, 29, Spalte 1, Zeilen 5-18 und Spalte 2, Zeilen 1-18 sowie Seiten 30-33;

E7: "MANUEL DU CONSTRUCTEUR DE MOULINS ET DU MEUNIER"- 1903; Seiten 313 - 316;

E8: US-A-1 396 712;

E9: DE-A-2 730 166.

Der Einspruch ging von E9 als dem den Oberbegriff des Anspruchs 1 wiedergebenden Stand der Technik aus, ohne die Merkmale der Oberbegriffs einzeln abzuhandeln und diskutierte anschließend an Hand der übrigen Entgegenhaltungen die kennzeichnenden Merkmale, teilweise mit Hilfe von in den Einspruchsschriftsatz in Kopie eingefügten durch Unterstreichen hervorgehobenen Textstellen und Zeichnungen aus den zitierten Entgegenhaltungen sowie der Streitpatentschrift.

Der Einspruch machte geltend, daß die beiden Doppeleinheiten des Walzenstuhls keine Kombination, sondern nur eine Aggregation darstellten und daß der Fachmann auf Grund seines Fachwissens ohne erfinderische Leistung zum Gegenstand des Patents gelangen könne.

IV. Die Patentinhaberin beanstandete den Einspruch als unzulässig, da er sich nur mit einzelnen Merkmalen, nicht aber mit der Gesamterfindung auseinandersetze. Die Merkmale des Oberbegriffs seien nicht abgehandelt, ebensowenig die abhängigen Ansprüche.

V. Mit Entscheidung vom 26. März 1998 hat die Einspruchsabteilung den Einspruch wegen Verstoßes gegen die Erfordernisse der Regel 55 c) EPÜ als unzulässig verworfen.

In ihrer Begründung hat die Einspruchsabteilung für einen gegen die erfinderische Tätigkeit gerichteten Einspruch das Kriterium aufgestellt, daß nicht nur die Merkmale, durch die der Hauptanspruch sich vom bekannten Stand der Technik unterscheide, "abgehandelt" werden sollten, sondern es müsse zumindest auch dargestellt werden, wie der Fachmann, ausgehend von welchem Stand der Technik, zu welcher Kombination von diesem Stand der Technik mit welchen der in den Entgegenhaltungen dargestellten Lehren kommen werde. Die Einspruchsschrift müsse daher hinreichende Informationen enthalten, die es dem Patentinhaber und der Einspruchsabteilung ermöglichten, den wesentlichen Kern des auf Artikel 56 EPÜ gestützten Einspruchs zu verstehen, d. h. durch welchen Stand der Technik der Einsprechende den Patentgegenstand für den Fachmann vor dem Hintergrund seines allgemeinen Fachwissens als nahegelegt bewerte.

Den Einspruch an diesem Kriterium messend hat die Einspruchsabteilung ausgeführt, daß es zur Substantiierung des Einwands der mangelnden erfinderischen Tätigkeit nicht ausreichen könne, für den Oberbegriff die bereits im Streitpatent genannte Ausgangsdruckschrift zu nennen und für die kennzeichnenden Merkmale acht weitere Entgegenhaltungen aufzuführen und pauschal zu behaupten, daß der Fachmann mit dieser Fülle an Informationen in der Lage sei, einen 8-Walzenstuhl nach dem Hauptanspruch zu bauen. Als Beleg für diese Art der Substantiierung verweist die Einspruchsabteilung auf Punkt 4 "conclusions" des Einspruchsschriftsatzes, 1. und 2. Absatz. Nach Ansicht der Einspruchsabteilung werde es hier ihr und der Patentinhaberin überlassen, selbst die benötigte Kombination der technischen Lehren auszuwählen.

Auch könne es nicht ausreichen, ganz allgemein zu behaupten (siehe Punkt 4 "conclusions", 3. und 4. Absatz), daß es auf der Hand liege, in den aus E4 oder E7 bekannten Walzenstühlen mit symmetrisch nebeneinander angeordneten Walzenpaaren die aus E5 oder E6 bekannte Lehre der übereinander angeordneten Walzenpaare anzuwenden und zusätzlich noch für das dabei fehlende Merkmal des überleitenden Produkttrichters auf E8 zu verweisen. Bei dieser Argumentation fehle es überhaupt an einer Abhandlung der sonstigen wesentlichen Merkmale des Oberbegriffs des Hauptanspruchs, wie z. B. des Speisezylinders mit Sensor und Fremdkörpersicherung und des Aspekts der Hochmüllerei. Außerdem werde der Fachmann, an den sich die Einspruchsschrift richte, durch den Verweis auf E8 irregeführt, weil erstens das Bezugszeichen "K" weder einen "Hopper", noch einen Produktabführtrichter, sondern einen Luft-Bypass betreffe. Zweitens sei der "Hopper" in dieser Entgegenhaltung mit "D" gekennzeichnet, der allerdings nicht zwischen den beiden Rollenpaaren angeordnet sei. Dabei lasse die Einspruchsabteilung noch außer Acht, daß von der Einsprechenden keine Ausführungen erfolgt seien, inwiefern die Lehre einer Anordnung in einer Erzbrechanlage (E8) auf eine Getreidemahlanlage anwendbar sein solle.

Somit fehle es an einer Begründung, warum die zahlreichen Entgegenhaltungen, die angeblich in Verbindung miteinander alle relevanten Merkmale des Hauptanspruchs enthielten, auf mangelnde erfinderische Tätigkeit schließen ließen. Die Annahme, das bloße Vorhandensein einiger oder aller dieser Merkmale in mehreren verschiedenen Entgegenhaltungen könne ohne Begründung für den Widerruf des Patents sprechen, widerspreche den Grundsätzen des Patentrechts und der Patentpraxis, worauf auch in der Entscheidung T 0222/85, ABl. EPA 1988, 128 Punkt 8 der Gründe hingewiesen worden sei.

VI. Gegen diese Entscheidung haben die Einsprechenden (Beschwerdeführerinnen) am 26. Mai 1998 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Am 28. Juli 1998 ist die Beschwerde begründet worden. Mit ihrer Begründung wenden sich die Beschwerdeführerinnen gegen den Vorwurf der mangelnden Substantiierung ihres Einspruchs und machen insbesondere geltend, daß es bei der Prüfung dieser Frage darauf ankomme, den Durchschnittsfachmann und dessen Wissen zu bestimmen. Dies habe die Einspruchsabteilung außer acht gelassen. Auch könne es nicht angehen, den Einspruch als nicht ausreichend begründet anzusehen, nur weil bestimmte Merkmale nicht abgehandelt seien, deren Bedeutung von den Beschwerdeführerinnen anders gesehen werde als von der Einspruchsabteilung.

Insgesamt habe der hier tätige Fachmann bei objektiver Betrachtungsweise verstehen können, was die Beschwerdeführerinnen mit ihrem Einspruch meinten.

Die Vorgehensweise der Einspruchsabteilung sei so rechtsfehlerhaft, daß die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gerechtfertigt sei.

Die Beschwerdeführerinnen beantragen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

VII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

Sie hat sich den Gründen der angefochtenen Entscheidung angeschlossen und zusätzlich hervorgehoben, daß der Einspruchsschriftsatz eine verwirrende Argumentation enthalte, das behauptete allgemeine Fachwissen nicht belegt werde und sich zudem kommentarlos auf fernliegenden Stand der Technik gestützt werde. Wenn man dies tue, sei es erforderlich anzugeben, warum es nahegelegen habe, aus diesem fremden Gebiet bekannte Lehren auf das Gebiet des Streitpatents zu übertragen. Insbesondere gelte dies für E8, die eine Erzbrechanlage betreffe.

Schließlich enthalte der Einspruchsschriftsatz auch noch falsche Tatsachenbehauptungen durch falsche Zitierungen und damit sinnentstellende Verdrehungen. Durch die falsche Zitierung werde versucht, vom in dem in Entgegenhaltung E4 (Seite 34, Leaflet 146) dargestellten Flachmüllereistuhl eine Brücke zum Hochmüllereistuhl zu schlagen, die in der Realität nicht existiere. Ein derartiges Vorgehen grenze an Rechtsmißbrauch. Nach Aufdecken der falschen Zitate seien die Patentinhaberin und die Einspruchsabteilung genötigt, eigene Ermittlungen dazu anzustellen, warum der Erfindungsgegenstand im Hinblick auf den von den Einsprechenden zitierten Stand der Technik nahegelegen haben solle.

Insgesamt sei die Einspruchsabegründung ungenügend im Sinne der Regel 55 c) EPÜ. Damit sei der Einspruch unzulässig.

VIII. Wegen weiterer Einzelheiten zum Vortrag der Parteien wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Einspruchsabteilung hält den hier in Rede stehenden Einspruch für im Hinblick auf die Erfordernisse der Regel 55 c) EPÜ unzureichend substantiiert.

3. Gemäß Regel 55 c) EPÜ muß die Einspruchsschrift eine Erklärung darüber enthalten, in welchem Umfang gegen das europäische Patent Einspruch eingelegt und auf welche Einspruchsgründe der Einspruch gestützt wird, sowie die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel.

Die ersten beiden Erfordernisse, Erklärung über den Umfang und die Einspruchsgründe, sind unstreitig erfüllt. Es geht hier nur um das dritte Erfordernis, die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel. Die auch von der Einspruchsabteilung zitierte Entscheidung T 0222/85 hat das dritte Erfordernis dahingehend interpretiert, daß sichergestellt werden soll, daß der Standpunkt des Einsprechenden in der Einspruchsschrift so deutlich dargelegt wird, daß sowohl der Patentinhaber als auch die Einspruchsabteilung wissen, worum es bei dem Einspruch geht. Das dritte Erfordernis sei je nach Lage des Einzelfalls nur dann erfüllt, wenn die relevanten (d. h. für den Umfang des angefochtenen Patents relevanten) "Tatsachen und Beweismittel" so ausreichend angegeben seien, daß die angeführten Einspruchsgründe und ihre Stichhaltigkeit von der Einspruchsabteilung und vom Patentinhaber richtig verstanden werden könnten.

Dies sei aus der Sicht des Durchschnittsfachmanns auf dem Gebiet, auf das sich das angefochtene Patent beziehe, objektiv zu beurteilen (Punkt 4 der Gründe). Diese Interpretation ist von zahlreichen Entscheidungen übernommen worden und hat so Eingang in die gefestigte Rechtsprechung gefunden.

4. Die von der Einspruchsabteilung aufgestellte Interpretation legt einen wesentlich engeren Maßstab an. Die Einspruchsabteilung hat ausgeführt, daß es für einen zulässigen Einspruch, der auf fehlende erfinderische Tätigkeit abziele, nicht genüge, nur die kennzeichnenden Merkmale mit entsprechenden Textstellen in den Entgegenhaltungen abzuhandeln und es der Einspruchsabteilung zu überlassen, die technischen Zusammenhänge dieser Entgegenhaltungen herauszufinden, um dann darauf schließen zu können, wie der Fachmann zu welcher Kombination dieser Entgegenhaltungen kommt.

Die Kammer kann dieser Logik nicht folgen. Denn bei einer Würdigung der kennzeichnenden Merkmale eines Anspruchs mit den Textstellen der Entgegenhaltungen ergeben sich die technischen Zusammenhänge, wie der Einsprechende sie sieht, auf Grund der Abhandlung. Eine solche Würdigung hat der Einsprechende hier vorgenommen. Er hat die Merkmale in einen Zusammenhang gestellt, sie technisch eingeordnet und kommentiert, so daß die Einspruchsabteilung und der Patentinhaber in der Lage waren zu verstehen, was der Einsprechende meinte.

5. Im einzelnen ergibt die Prüfung der Einspruchsschrift im Hinblick auf die angefochtene Entscheidung folgendes:

a) Es trifft zu, daß die Merkmale des Oberbegriffs des Hauptanspruchs des angefochtenen Patents pauschal als Ausgangspunkt des in der im Streitpatent genannten Entgegenhaltung DE-A-2 730 166 (E9) wiedergegebenen Standes der Technik bezeichnet und, abgesehen vom Merkmal b) (System der Hochmüllerei), nicht einzeln abgehandelt werden. Ob und inwieweit dies hätte erfolgen sollen, hängt vom Einzelfall und von der weiteren Argumentation der Einsprechenden zu den kennzeichnenden Merkmalen ab. Im vorliegenden Fall haben sich die Beschwerdeführerinnen im wesentlichen darauf beschränkt, bezüglich des Oberbegriffs zu wiederholen, was in der Patentschrift (Spalte 1, Zeilen 9 bis 11) steht. Sofern sie diese Aussage für zutreffend halten, haben sie keine Veranlassung, hierzu weitere Ausführungen zu machen.

b) Nicht zutreffend sind die Ausführungen der Einspruchsabteilung zu den kennzeichnenden Merkmalen, nämlich, daß hierfür acht Entgegenhaltungen angegeben und pauschal behauptet würde, daß der Fachmann mit dieser Fülle an Informationen in der Lage sei, einen 8-Walzenstuhl nach dem Hauptanspruch zu bauen.

c) Auf den Seiten 3 und 4 der englischen Übersetzung der Einspruchsschrift werden die Merkmale h) und l) unter Heranziehung von Figur 1 des Streitpatents abgehandelt und dahingehend erläutert, daß es sich hier um zwei unabhängige Einheiten handle, die unabhängig voneinander arbeiteten, selbst wenn sie in einem Gehäuse angeordnet seien. Deshalb liege hier keine Kombination im patentrechtlichen Sinne vor, bei der verschiedene Elemente eine Gesamtwirkung erzielten, sondern eine Aggregation von Merkmalen, die keine erfinderische Tätigkeit aufweise und die zu den üblichen Kenntnissen und Fähigkeiten des auf diesem Gebiet tätigen Fachmanns gehöre.

Der fehlende kombinatorische Effekt wird ebenfalls für die Unteransprüche 2, 3, 5 und 7 abgehandelt (Seite 5, Ziffer 2).

d) Zum Zwecke der Darlegung, was alles zu den üblichen Fähigkeiten und Kenntnissen eines hier tätigen Fachmanns gehört, erläutern die Beschwerdeführerinnen zunächst unter Hinweis auf Textstellen in den Entgegenhaltungen E1 und E2 die im Stand der Technik seit Jahrzehnten für das Getreidemahlen bestehenden Konzepte und Techniken und legen dar, daß der Unterschied zwischen Flach- und Hochmüllerei im wesentlichen nur in der Verfahrensführung liege und per se kein technisches Problem darstelle, sondern von den Anforderungen der Verbraucher an die Qualität des Mehls abhänge. Bei der Konstruktion eines Walzenstuhls werde diesen Anforderungen durch das Vorsehen von mehr oder weniger Mahlzyklen sowie durch das Streichen oder Hinzufügen von Siebabteilen Rechnung getragen. Es gehöre zu den üblichen Aufgaben des Fachmanns, die besonderen Erfordernisse von Fall zu Fall einzuschätzen (Seiten 5 und 6, Ziffer 3a). Damit ist implizit auch das Merkmal b) des Oberbegriffs des Hauptanspruchs abgehandelt.

e) Ab Seite 6, Ziffer 3b erläutern die Beschwerdeführerinnen an Hand von fünf einzeln mit Zeichnungen und hervorgehobenen Textstellen erklärten Druckschriften, daß zum Prioritätszeitpunkt die Anordnung von Walzenpaaren übereinander und/oder nebeneinander in einem Gehäuse zu den normalen Konstruktionsfähigkeiten des auf diesem Gebiet tätigen Fachmanns gehöre und allein vom Bedarf abgehangen habe, so daß die Merkmale i) und l) keine erfinderische Tätigkeit aufwiesen. Insbesondere werde in E3 auf zwei Walzenpaare hingewiesen, die jeweils entsprechend den verschiedenen Zwecken bedarfsgerecht angeordnet werden könnten, auch übereinander.

f) Schließlich wird ab Seite 10, Absatz 3 bis Seite 11, Absatz 1 des Einspruchsschriftsatzes unter Bezugnahme auf E7 und E4 im Hinblick auf das Merkmal k) erläutert, daß Mahlmaschinen bekannt seien, bei denen das Mahlgut von einem oberen Walzenpaar ohne Sieb direkt in den Mahlspalt des unteren Walzenpaares geleitet werde und eine derartige Anordnung zum allgemeinen Fachwissen des Fachmanns gehöre.

Des weiteren wird zu diesem Merkmal auf Seite 12, 2. Absatz ausgeführt, daß es vom Stand der Technik bekannt sei, daß das aus einem oberen Walzenpaar kommende Gut verstreut werde und daß es deshalb notwendig sei, das Mahlgut mittels eines Trichters dem Einlaß des unteren Walzenpaares zuzuleiten, wie dieser aus E8 bekannt sei und in der dortigen Figur mit "K" bezeichnet werde.

Wie die Beschwerdeführerinnen in ihrer Beschwerdebegründung zutreffend ausführen, soll hiermit ersichtlich die Information vermittelt werden, daß es sich hierbei für den Fachmann um eine technisch notwendige Maßnahme zur Zusammenführung des Mahlguts handelt und daß die Verwendung eines Produktabführtrichters gemäß Merkmal k) für sich bekannt ist.

7. Auch die weiteren Rügen der Einspruchsabteilung kann die Kammer nicht nachvollziehen.

a) So wird es nicht der Einspruchsabteilung und der Patentinhaberin überlassen, selbst die "benötigte" Kombination der technischen Lehren auszuwählen. Vielmehr haben die Beschwerdeführerinnen erläutert, daß alle Merkmale für sich bekannt seien und daß es allein vom Bedarf und von den Wünschen der Verbraucher abhänge, wie der Walzenstuhl aufgebaut werde.

Insbesondere haben sie vorgetragen, daß es sich bei dem aus zwei Doppeleinheiten aufgebauten Walzenstuhl um zwei individuelle Einheiten handle, die einfach einander gegenüberstehend in einem gemeinsamen Gehäuse angeordnet seien und voneinander unabhängig arbeiteten. Es seien bei diesen Einheiten getrennte Produktionspeisevorrichtungen, Arbeitselemente, Steuerungsmittel und Auslässe vorgesehen und es liege bei dieser Anordnung eine einfache Aggregation von Merkmalen vor, die keinerlei erfinderische Tätigkeit erkennen lasse, sondern im Rahmen der üblichen Kenntnisse und Fähigkeiten des Fachmanns liege (siehe Abschnitt 1, insbesondere die Seiten 3 und 4).

b) Das gleiche gilt für den zu den Absätzen 3 und 4 der "conclusions" erhobenen Vorwurf der mangelnden Substantiierung in bezug auf die Ersetzung nebeneinander angeordneter Walzenpaare durch übereinander angeordnete. Auch dies gehört nach Auffassung der Einsprechenden zum allgemeinen Fachwissen, wie auf den den "conclusions" vorangehenden Ausführungen ausführlich erläutert wird.

c) Bezüglich der Vorhaltungen wegen der Übernahme des Produktabführtrichters aus E8 und der angeblichen Irreführung wegen der falschen Verwendung eines Bezugszeichens, die gleichermaßen von der Beschwerdegegnerin erhoben werden, ist zu sagen, daß die Einspruchsabteilung hier in der Tat die Zulässigkeit des Einspruchs mit seiner Begründetheit verwechselt. Es ist für die Zulässigkeit des Einspruchs nicht erforderlich, daß die Einsprechenden rechtfertigen, warum sie die E8, die übrigens bereits im Recherchenbericht genannt wird, heranziehen. Es genügt, daß sie dies tun und daß sie darin beschriebene Merkmale in einen Zusammenhang mit Anspruchsmerkmalen nach dem angegriffenen Patent bringen. Damit geben sie der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin zu verstehen, daß nach ihrer Auffassung der Fachmann auf diese Weise ohne erfinderisch tätig zu werden, zum geschützten Gegenstand gelangt, wie dies von den Beschwerdeführerinnen in der Beschwerdebegründung (Seite 13) zutreffend geltend gemacht wird. Ob diese Auffassung zutrifft, ist eine Frage der Begründetheit. Nicht anders verhält es sich mit der angeblich falschen Angabe des Bezugszeichens. Auch dies beeinträchtigt nicht die Zulässigkeit des Einspruchs. Die Ausführungen im Einspruchsschriftsatz müssen nicht richtig sein. Die Einspruchsabteilung und die Beschwerdegegnerin müssen ihnen nur folgen können. Entweder sie erkennen, daß ein Irrtum in der Bezeichnung des Bezugszeichens vorliegt oder sie erkennen, daß die im Einspruch vertretene Ansicht falsch ist, oder daß kein Irrtum vorliegt und die vertretene Ansicht richtig ist. Dies ist ausschließlich eine Frage der Begründetheit.

8. Das gleiche gilt im Hinblick auf den von der Beschwerdegegnerin erhobenen zutreffenden Vorwurf der falschen Zitierung. Eine zur Untermauerung einer Argumentation gemachte falsche Zitierung führt zunächst dazu, daß die Argumentation nicht belegt ist. Die Argumentation selbst kann zutreffend oder unzutreffend sein. Dies ergibt sich nicht allein aus der falschen Zitierung, sondern aus dem Gesamtzusammenhang der Argumentationskette. Jedenfalls ist dies im Rahmen der Begründetheit des Einspruchs zu klären. Eine absichtliche Falschzitierung kann den Beschwerdeführerinnen nicht unterstellt werden. Dazu fehlen jegliche Anhaltspunkte, zumal die Beschwerdeführerinnen die Ansicht vertreten haben, daß die Unterschiede zwischen Flach- und Hochmüllerei per se kein technisches Problem darstellten und die Wahl des einen oder anderen Mahlstuhls von den Wünschen der Verbraucher vorgegeben werde (s. oben unter 5 d)).

Schließlich ist auch der Ansicht der Beschwerdegegnerin zu widersprechen, daß der Nachweis behaupteten allgemeinen Fachwissens zu den Substantiierungserfordernissen eines Einspruchs gehöre.

Nach bisheriger herrschender Rechtsprechung ist ein Nachweis für die Behauptung, daß etwas zum allgemeinen Fachwissen gehört, nur erforderlich, wenn dies von einem anderen Beteiligten oder dem Europäischen Patentamt in Zweifel gezogen wird (vgl. T 0939/92, ABl. EPA 1996, 309; T 0234/93; T 0590/94, T 0671/94; T 0378/93; T 0379/88).

Zwar versucht eine neuere Entscheidung - T 0085/93 (ABl. EPA 1998, 183) - diesen Grundsatz etwas einzuschränken und fordert, daß auch Belege für allgemeines Fachwissen in einer früheren Phase des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung vorgelegt werden sollen. Aber auch diese Entscheidung geht nicht so weit, dies bereits für den Einspruchsschriftsatz zu fordern.

9. Die Kammer hat somit gegen die Zulässigkeit des in Rede stehenden Einspruchs keine Bedenken.

10. Gemäß Regel 67 EPÜ ordnet die Beschwerdekammer die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an, wenn sie der Beschwerde stattgibt und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht.

Der Einspruchsabteilung ist hier insofern ein wesentlicher Verfahrensmangel vorzuwerfen, als sie sich in ihrer Entscheidungsbegründung im wesentlichen nur mit der eine Seite umfassenden "conclusions" des Einspruchsschriftsatzes auseinandersetzt und die vorhergehenden zehn Seiten unkommentiert läßt. Dies stellt einen Begründungsmangel und damit eine Verletzung von Regel 68 (2) EPÜ dar. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspricht unter den gegebenen Umständen der Billigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

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