T 1148/97 () of 9.12.1999

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1999:T114897.19991209
Datum der Entscheidung: 09 Dezember 1999
Aktenzeichen: T 1148/97
Anmeldenummer: 85116564.7
IPC-Klasse: F16K 31/68
F16K 11/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Thermostatventil
Name des Anmelders: ORAS OY
Name des Einsprechenden: Ideal-Standard GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Hauptantrag, erfinderische Tätigkeit (verneint)
Hilfsantrag, neuer gewährbarer Anspruch, erstmals vorgelegt in der mündlichen Verhandlung (zulässig) - erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0406/86
T 0543/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0710/99
T 0030/03
T 1161/03
T 1736/09

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 85 116 564.7 wurde das europäische Patent Nr. 0 187 378 erteilt, dessen Anspruch 1 wie folgt lautet:

"Mischventil mit Thermostat, das Zuflußöffnungen (2, 3) für Heiß- und Kaltwasser und ein in einem im Ventilkörper (1) befindlichen, länglichen Hohlraum kolbenartig beweglich angeordnetes, im wesentlichen spulenförmiges Regelglied (5) aufweist, das die eingestellte Menge Heiß- und Kaltwasser in die hinter dem Regelglied (5) angeordnete Mischkammer (7) und aus dieser in die Wasserausflußöffnung (4) fließen läßt, wobei auf das Regelglied (5) axial ein dem gemischten Wasser ausgesetztes Thermostatglied (8) wirkt und das Regelglied (5) so geformt ist, daß es bei seiner axialen Verschiebung den Öffnungsquerschnitt der Drosselöffnungen (6a, 6b) für Heiß- und Kaltwasser reguliert, und wobei zwischen dem Regelglied (5) und dem Ventilkörper (1) und außerdem zwischen der Heißwasserzuflußöffnung (2) und der Kaltwasserzuflußöffnung (3) eine abdichtende, ringförmige Membran (14) vorgesehen ist, die Bewegungen des Regelgliedes (5) zuläßt und das Kaltwasser vom Heißwasser trennt, dadurch gekennzeichnet, daß das Regelglied (5) rohrförmig ist, ungefähr die Form einer Zwirnsrolle hat und Flansche (5a, 5b und 13) aufweist, die schräg nach außen gerichtet sind; daß die Membran (14) in eine V-förmige Vertiefung am Regelglied (5) und entsprechend am Ventilkörper (1) eingesetzt ist; daß die Drosselöffnungen (6a, 6b) zwischen den der Membran (14) zugewandten Flächen der Flansche (5a, 5b) und am Ventilkörper (1) befindlichen, ringförmigen Schultern ausgebildet sind; und daß die radiale Ausdehnung der Membran (14) größer ist als die radiale Ausdehnung der Flansche (5a, 5b) vom zylindrischen Mittelteil des Regelgliedes (5) bis zu den Drosselöffnungen (6a, 6b)."

II. Der von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) eingelegte, auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) (fehlende erfinderische Tätigkeit) und 100 c) (unzulässige Änderung) EPÜ gestützte Einspruch, in dem zum Stand der Technik die Druckschriften

D1: DE-U-1 921 797

D2: DE-U-1 991 296

D3: DE-A-1 675 525

genannt wurden, wurde von der Einspruchsabteilung mit der am 14. Februar 1994 zur Post gegebenen (ersten) Entscheidung zurückgewiesen.

III. Eine gegen diese Entscheidung von der Beschwerdeführerin eingelegte Beschwerde, in deren Verfahrensverlauf noch die Druckschriften

D4: US-A-4 166 575 und

D5: DE-A-2 231 524

genannt wurden, führte zu der Beschwerdekammerentscheidung T 0286/94 - 3.2.1 vom 22. Juni 1995, mit der die am 14. Februar 1994 zur Post gegebene (erste) Entscheidung der Einspruchsabteilung aufgehoben und die Sache aufgrund der Relevanz der verspätet genannten Druckschrift D5 an die erste Instanz zur weiteren Prüfung zurückverwiesen wurde.

IV. Mit der am 22. September 1997 zur Post gegebenen (zweiten) Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde der Einspruch erneut zurückgewiesen.

V. Gegen diese Entscheidung der Einspruchsabteilung legte die Beschwerdeführerin unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr am 28. November 1997 Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung ist am 27. Januar 1998 eingegangen.

Am 9. Dezember 1999 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise das Patent mit den zum Hilfsantrag in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen aufrechtzuerhalten.

VII. Der in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag lautet wie folgt:

"Mischventil mit Thermostat, das Zuflußöffnungen (2, 3) für Heiß- und Kaltwasser und ein in einem im Ventilkörper (1) befindlichen, länglichen Hohlraum kolbenartig beweglich angeordnetes, im wesentlichen spulenförmiges Regelglied (5) aufweist, das die eingestellte Menge Heiß- und Kaltwasser in die hinter dem Regelglied (5) angeordnete Mischkammer (7) und aus dieser in die Wasserausflußöffnung (4) fließen läßt, wobei auf das Regelglied (5) axial ein dem gemischten Wasser ausgesetztes Thermostatglied (8) wirkt und das Regelglied (5) so geformt ist, daß es bei seiner axialen Verschiebung den Öffnungsquerschnitt der Drosselöffnungen (6a, 6b) für Heiß- und Kaltwasser reguliert, und wobei zwischen dem Regelglied (5) und dem Ventilkörper (1) und außerdem zwischen der Heißwasserzuflußöffnung (2) und der Kaltwasserzuflußöffnung (3) eine abdichtende, ringförmige Dichtung vorgesehen ist, die Bewegungen des Regelgliedes (5) zuläßt und das Kaltwasser vom Heißwasser trennt, wobei das Regelglied (5) rohrförmig ist, ungefähr die Form einer Zwirnsrolle hat und Flansche (5a, 5b) aufweist, die schräg nach außen gerichtet sind, wobei die Drosselöffnungen (6a, 6b) zwischen den der Dichtung zugewandten Flächen der Flansche (5a, 5b) und am Ventilkörper (1) befindlichen ringförmigen Schultern ausgebildet sind, dadurch gekennzeichnet, daß die Dichtung eine ringförmige Membran (14) ist; daß die Membran (14) in eine V-förmige Vertiefung am Regelglied (5) und entsprechend am Ventilkörper (1) eingesetzt ist; daß die radiale Ausdehnung der Membran (14) größer ist als die radiale Ausdehnung der Flansche (5a, 5b) vom zylindrischen Mittelteil des Regelgliedes (5) bis zu den Drosselöffnungen (6a, 6b); und daß ein Flansch (13) im Regelglied (5) vorgesehen ist, der bewirkt, daß das zufließende Kalt- und Heißwasser beim Eintritt in die Mischkammer (7) nicht direkt auf das Thermostatglied (8) trifft."

VIII. Die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Das in beiden Fassungen des Anspruchs 1 enthaltene Merkmal "rohrförmig" sei den ursprünglichen Unterlagen des Streitpatents nicht zu entnehmen, in denen nur offenbart sei, daß das Wasser das Regelglied nicht zentral, sondern ringförmig verlasse und daß am Ende des Gliedes jeweils ein Flansch vorhanden sei. Das Merkmal rohrförmig sei in seiner allgemeinen Bedeutung somit nicht offenbart. Durch die im Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag durch Hinzufügung des letzten Teilmerkmals vorgenommenen Änderung werde das betreffende Merkmal zwar im Sinne der ursprünglichen Offenbarung definiert, die Bezeichnung "rohrförmig" sei hierbei jedoch ebenfalls nicht gerechtfertigt.

Zum Anspruch 1 nach dem Hauptantrag sei folgendes festzustellen:

Die Ventile nach der D5, die den nächstkommenden Stand der Technik darstellten, seien dauerhaft mit Wasser gefüllt, so daß sich eine Druckänderung in einer der Zulaufleitungen innerhalb des Ventils in allen Richtungen mit Schallgeschwindigkeit ausbreite und zunächst die eine Stirnseite des Ventilkolbens beaufschlage, bevor sie über die zentralen Bohrungen des Ventilkolbens auf dessen andere Stirnseite gelange. Die kurze Zeitspanne, die zwischen den Beaufschlagungen beider Stirnseiten des Kolbens vergehe, würde ausreichen, um den Ventilkolben im Sinne eines Pressostateffekts zu verschieben. Bei den Pressostatventilen nach der D2 oder D3 sei anstelle von Ringdichtungen (wie bei der D5) eine ringförmige Membran zur Abdichtung vorgesehen, die ein Verkalken im Dichtungsbereich verhindere und demnach langfristig ein leichtes Ansprechen des Ventils garantiere. Bei der naheliegenden Übertragung der ringförmigen Membran nach der D2 oder der D3 auf das Ventil nach der D5 ergebe sich die Pressostatwirkung von selbst. Beim Stand der Technik nach der D2 und der D3 seien die V-förmigen Vertiefungen am Ventilkörper bzw. am Regelglied zur Verbesserung der Pressostatwirkung bzw. zur Abstützung der Membran, wie beim Streitpatent beansprucht, ebenfalls schon bekannt. Dies gelte auch für die gegenüber den Regelglied-Flanschen größere radiale Ausdehnung der Membran zum Zwecke der Verbesserung des Pressostateffekts. Es sei somit für einen Fachmann naheliegend, das Ventil nach der D5 im Sinne der in Rede stehenden, bekannten Aufgabenstellung nach dem Vorbild der D2 bzw. D3 umzugestalten, wodurch man ohne weiteres zum Gegenstand nach dem Streitpatent gelange.

Zum Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag sei folgendes zu sagen:

Die verspätetete Vorlage des Anspruchs 1 nach dem Hilfsantrag, dessen letztes Merkmal aus der Beschreibung entnommen sei, stelle einen Verfahrensmißbrauch dar, durch den die Beschwerdegegnerin unvorbereitet vor eine neue Situation gestellt werde. Dieser Antrag sei demnach abzulehnen.

Darüber hinaus füge dieses Merkmal dem Anspruch 1 nach dem Hauptantrag nichts Erfinderisches hinzu, denn es sei bei Thermostatventilen allgemein üblich, Vorkehrungen zu treffen, um ein unerwünschtes Auftreffen des kalten bzw. warmen Flüssigkeitsstroms auf den Thermostat verhindern. Bei der D5 sei am vorderen Ende des Thermostats 27 eine Abdeckplatte erkennbar, die das von den Zentralbohrungen 22. des Ventilkolbens ausströmende Wasser in die Mischkammer ablenke, bevor es mit dem temperaturempfindlichen Glied innerhalb des Thermostats in Berührung komme. Im übrigen seien auch aus der Druckschrift D1, die ebenfalls ein Thermostatventil zeige, konstruktive Maßnahmen zur Vermeidung eines unmittelbaren Auftreffens eines der Wasserströme auf den Thermostat bekannt.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem Hilfsantrag beruhe somit ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

IX. Die Beschwerdegegnerin argumentierte zum Hauptantrag wie folgt:

Während sich der Gegenstand des Streitpatents in erster Linie auf ein Thermostatventil beziehe und zusätzlich eine Pressostatwirkung aufweise, sei das in der D2 bzw. D3 gezeigte Ventil ein reines Pressostatventil. Weiterhin werde bei der D2 der Ventilschieber in axialer Richtung vom Wasser angeströmt, so daß das Ventil bei einem Druckstoß unvermittelt in Anströmrichtung geschlossen werde und somit zum Flattern neige. Bei dem Pressostatventil nach der D3 diene nicht die Membran allein zum Erzeugen der Pressostatfunktion, sondern es werde noch zusätzlich die Stirnseite des Ventilschiebers beaufschlagt. Außerdem seien bei keinem der Ventile nach der D2 und der D3 sowohl radial innen als auch radial außen V-förmige Vertiefungen für die Membran angeordnet, wie dies beim Streitpatent der Fall sei. Bei dem Thermostatventil nach der D5 breite sich eine in der Zulaufleitung auftretende Druckwelle von einer Stirnseite des Ventilschiebers über dessen zentrale Verbindungsbohrungen in einer derart kurzen, im Bereich von Millisekunden liegenden Zeitspanne auf die andere Stirnseite des Schiebers aus, daß sich der Schieber nicht nennenswert bewegen könne. Die D5 habe daher offensichtlich keine Pressostatfunktion. Um beim Ventil nach der D5 anstelle der Gleitringdichtungen eine Membran anbringen zu können, hätten zunächst der Durchmesser des Ventilschiebers verkleinert und dann die V-förmigen Aussparungen angebracht werden müssen, um die leichte Verschiebbarkeit und die schonende Aufnahme der Membran zu gewährleisten. Die Pressostatventile nach der D2 und der D3 hätten aufgrund ihres anderen Bauprinzips dem Fachmann für die angestrebte bessere Verschiebbarkeit des gattungsgemäßen Thermostatventils nach der D5 keine Anregung geben können. Dies sei auch durch die anderen Anströmverhältnisse des Pressostatventils nach der D2 und durch die bei der D3 gezeigte, zusätzliche Beaufschlagung der Ventilschieberstirnseiten bedingt. Die beanspruchte Lehre nach dem Anspruch 1 sei demnach durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.

Zum Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag trug die Beschwerdegegnerin folgendes vor:

Das im Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag am Ende des Anspruchstextes angeführte Zusatzmerkmal sei eindeutig und klar definiert und es sei von technischer Bedeutung für das beanspruchte Thermostatventil. Es handle sich somit um eine echte Einschränkung des Schutzumfanges des Patents, die auch zu einem späten Zeitpunkt des Verfahrens zulässig sein sollte. Dieses Zusatzmerkmal sei der ursprünglichen Beschreibung eindeutig entnehmbar. Der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag sei somit zulässig und sein Gegenstand erfinderisch.

Was das in beiden Anspruchsfassungen enthaltene Merkmal "rohrförmig" betreffe, so sei dessen Offenbarung eindeutig zumindest durch die Zeichnung des Streitpatents gestützt, in der der Ventilkörper als rohrförmig erkennbar sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1. Ursprüngliche Offenbarung (Artikel 123 (2) EPÜ)

Die Merkmale aus dem Anspruch 1 in der erteilten Fassung sind mit Ausnahme des Teilmerkmals "daß das Regelglied (5) rohrförmig ist" unmittelbar aus den Ansprüchen 1 bis 3. sowie dem Beschreibungstext Seite 3, 3. Absatz, Zeilen 2 bis 4 und Seite 4, 3. Absatz, Zeilen 1 bis 7 zu entnehmen. Das Merkmal "rohrförmig" ist indirekt durch den Inhalt des ursprünglichen Anspruchs 5 in Verbindung mit den Zeichnungen des Streitpatents gestützt. Im ursprünglichen Anspruch 5 ist nämlich angegeben, "daß die eine der beiden zu mischenden Wasserarten, z. B. das Kaltwasser, durch das Regelglied (5) hindurch in die Mischkammer (7) geleitet wird". Wie aus der Zeichnung ersichtlich ist, verläuft im Innern des im wesentlichen zylindrischen Regelgliedes eine axial durchgehende Öffnung, die den auf der linken Stirnseite des Regelgliedes liegenden Kaltwasserraum mit dem auf der rechten Stirnseite des Ventilgliedes liegenden Mischwasserraum verbindet. Die Lehre nach dem ursprünglichen Anspruch 5 beschränkt die konstruktive Gestaltung des Regelgliedes (5) nicht auf die in der Zeichnung gezeigte Konstruktion mit einem an der rechten Stirnseite des zylindrischen Regelgliedes angeordneten Flansch (13), der die axiale Bohrung des Regelgliedes (5) an der rechten Stirnseite derart abdeckt, daß die durch die Bohrung fließende Strömung am stirnseitigen Regelgliedende schräg nach außen über schräg verlaufende Öffnungen des Regelgliedes abgeleitet wird. Die Schieberausbildung nach dem ursprünglichen Anspruch 5 des Streitpatents ist somit nicht auf die in der Zeichnung gezeigte Regelgliedgestaltung beschränkt, sondern umfaßt offensichtlich auch das allgemeinere Merkmal "rohrförmig".

Der Anspruch 1 entspricht deshalb den Anforderungen von Artikel 123 (2) EPÜ und ist insoweit nicht zu beanstanden.

2.2. Neuheit

Aus dem Stand der Technik ist kein Mischventil bekannt, bei dem das Regelglied ausschließlich durch eine ringförmige Membrandichtung abgedichtet ist und aufgrund seiner weiteren Ausgestaltung sowohl als Thermostatventil als auch Pressostatventil wirkt.

Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 ist unbestritten neu.

2.3. Erfinderische Tätigkeit

Aus der D5 ist ein Mischventil mit Thermostat bekannt, das in seiner geometrischen Ausgestaltung und seiner Funktion dem beanspruchten Ventil am nächsten kommt. Das im Anspruch 1 des Streitpatents definierte Mischventil unterscheidet sich von diesem bekannten Ventil durch folgende Merkmalsgruppen:

a) Die Dichtung (welche die Heißwasserzuflußöffnung (2) gegenüber der Kaltwasserzuflußöffnung (3) zwischen dem Regelglied und dem Ventilkörper abdichtet) ist eine ringförmige Membran (14);

b) die Membran (14) ist in eine V-förmige Vertiefung am Regelglied (5) und entsprechend am Ventilkörper (1) eingesetzt;

c) die radiale Ausdehnung der Membran (14) ist größer als die radiale Ausdehnung der Flansche (5a, 5b) vom zylindrischen Mittelteil des Regelgliedes (5) bis zu den Drosselöffnungen (6a, 6b).

Infolge der Verwendung der Membrandichtung kann beim beanspruchten Mischventil auf das bei Ringdichtungen (nach der D5) nötige, relativ kleine Spiel zwischen dem Regelglied und dem Ventilkörper verzichtet werden, wodurch sich gegenüber dem Ventil nach der D5 der Nachteil vermeiden läßt, daß durch die Ablagerung von Leitungswasserkalk in den engen Zwischenräumen der Passung zwischen dem Ventilkörper und dem Regelglied die Funktion und die Leichtgängigkeit des Ventils stark beeinträchtigt werden. Beim Streitpatent werden daher die Funktion und die Leichtgängigkeit des Regelgliedes verbessert und infolge der beanspruchten geometrischen Ausgestaltung der Membran, des Regelgliedes und des Ventilkörpers werden auch noch Wasserdruckstöße in den Zulaufleitungen durch Drosselung des Zulaufs auf der Seite des jeweils höheren Druckes kompensiert. Das beanspruchte Ventil funktioniert somit auch als Pressostatventil.

Aus der D2 (vgl. Seite 2, 1. und 2. Absatz) war es allerdings schon bekannt, die Kolbenschieber von Mischventilen für Kalt- und Warmwasser zwecks Verhinderung einer durch Kalkansätze bedingten Schwergängigkeit des Kolbenschiebers nicht mit den üblichen Dichtungsringen sondern mit einer Membrandichtung zu versehen, welche die beiden Zuleitungen zuverlässig voneinander trennt, baulich einfach ist und eine hohe Ansprechempfindlichkeit des Ventilkolbens bewirkt (vgl. Seite 3, 1. Absatz der D2). Die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabenstellung (Vermeidung der durch Kalkablagerung bedingten Mängel der Funktionsfähigkeit des Regelgliedes bei Anwendung einer besonders einfachen und wirtschaftlich vorteilhaften Konstruktion) war somit am Prioritätstag des Streitpatents aus der D2 an sich bekannt und im wesentlichen auch ihre Lösung. Es muß somit als für einen Fachmann auf dem Gebiet der Mischventile naheliegend angesehen werden, zum Zwecke der technischen Verbesserung eines Mischventils nach der D5 die aus der D2 bekannte Dichtungsmembran anstelle von Dichtringen zu benutzen (vgl. das oben unter a) formulierte Teilmerkmal des Anspruchs 1 des Streitpatents). Um zwischen einem Ventilschieber-Regelglied und der Innenbohrung des äußeren Ventilkörpers eine Membrandichtung mit einer für die axiale Beweglichkeit des Regelgliedes nötigen radialen Erstreckung unterbringen zu können, muß zwangsläufig zwischen der radial äußeren und radial inneren Einspannung der Membrandichtung ein deutlicher radialer Abstand vorgesehen werden, wie dies auch aus der Zeichnung der D2 ersichtlich ist. Die Anwendung einer solchen bekannten Membran bei einem Mischventil nach der D5 führt demnach, wenn weitreichende Änderungen am bekannten Ventil vermieden werden sollten, dazu, daß in den gegenüberliegenden Flächen des Ventilkörpers und des Kolbengliedes Aussparungen angebracht werden, die aus Gründen der schonenden Aufnahme der Dichtungsmembran bei axialen Extremlagen des Regelgliedes zweckmäßig eine V-Form aufweisen, wie dies bei der D2 bereits auf seiten des Ventilschiebers gezeigt ist. Demzufolge sind die in den Teilmerkmalen b) und c) des Anspruchs 1 des Streitpatents angegebenen Ausgestaltungen bzw. Bemessungen als im Rahmen des fachmännischen Könnens liegend anzusehen.

Eine solche das Regelglied im Durchmesser überragende Membran hat zwangsläufig zur Folge, daß das Regelglied "teilweise auch als Pressostat fungieren" kann, wie dies in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents herausgestellt ist. Die beim Einbau der aus der D2 bekannten Membrandichtung in das Mischventil nach der D5 auftretende Pressostatwirkung wird im übrigen dem Fachmann auch aus der Beschreibung (Seite 4, 2. Absatz) der D2 bewußt gemacht, in der die Pressostatwirkung durch Druckbeaufschlagung an der Dichtungsmembran ausdrücklich angesprochen ist.

Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 des Streitpatents (Hauptantrag) beruht demnach nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3. Hilfsantrag

3.1. Zulässigkeit des Antrags

Der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag ist erst in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer und somit in einem sehr späten Verfahrensstadium vorgelegt worden.

Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (vgl. die Beschwerdekammerentscheidungen T 406/86, ABl. EPA 1989, 302 und T 543/89, nicht veröffentlicht) liegt es im Ermessen der Beschwerdekammer, solche Ansprüche dann noch zuzulassen, wenn die im Anspruchswortlaut vorgenommenen Änderungen den beanspruchten Gegenstand in seinem Schutzumfang so beschränken, daß ein Widerruf des Patents vermieden werden kann und eine Aufrechterhaltung des Patents mit geänderter Fassung bei zügiger Verfahrensführung erreichbar ist.

Im Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag ist neben dem gesamten Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 (Hauptantrag) noch folgendes Merkmal enthalten:

"und daß ein Flansch (13) im Regelglied (5) vorgesehen ist, der bewirkt, daß das zufließende Kalt- und Heißwasser beim Eintritt in die Mischkammer (7) nicht direkt auf das Thermostatglied (8) trifft".

Dieses Merkmal ist in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 4, Zeilen 2 bis 4 offenbart und schränkt den Schutzumfang des Anspruchs auf ein rohrförmiges Regelglied der in der Zeichnung des Streitpatents gezeigten Form ein. Es vermeidet offensichtlich unerwünschte Regelschwankungen infolge einer unmittelbaren Beaufschlagung des Thermostatventils durch einen der beiden in die Mischkammer eingeleiteten Wasserströme, so daß die Ansprechempfindlichkeit bzw. Genauigkeit des Mischventils nicht gestört wird. Es werden somit unerwünschte Regelschwingungen des leichtgängigen Regelgliedes vermieden. Der zusätzliche Flansch 13 dient demnach einer Verbesserung des Ventils im Sinne der Aufgabenstellung des Streitpatents.

Um die in diesem Merkmal des Anspruchs 1 definierte Ablenkung der Wasserströme zu bewirken, muß der zusätzliche Flansch (13) sich zwangsläufig der schräg nach außen gerichteten Form der weiteren Flansche (5a, 5b) des als "Zwirnsrolle" im Anspruch definierten Regelgliedes (5) anpassen. Die Merkmale "Zwirnsrolle" und "schräg nach außen gerichtete Flansche" waren jedoch schon im erteilten Anspruch 1 vorhanden, so daß das zusätzliche Merkmal, falls bekannt, schon während der Einspruchsfrist hätte ermittelt werden können. Die Änderung des Anspruchs 1 nach dem Hilfsantrag hat somit in dieser Hinsicht keine überraschenden neuen Gesichtspunkte ergeben.

Wie sich aus den nachfolgenden Feststellungen zur Frage der Patentfähigkeit ergibt, ist dieses Zusatzmerkmal auch relevant.

Aus den vorstehenden Gründen wird der Hilfsantrag als zulässig erachtet.

3.2. Neuheit

Da der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag abgesehen von dem vorstehend unter Punkt 3.1 definierten Zusatzmerkmal alle Merkmale des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag enthält, folgt die Neuheit des Anspruchs 1 notwendig auch aus den Ausführungen unter Punkt 2.2 zur Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag.

3.3. Erfinderische Tätigkeit

Das Zusatzmerkmal des Anspruchs 1 stellt eine konstruktive Weiterbildung des Mischventils zur Verbesserung der Funktion des Regelgliedes im Sinne der Aufgabenstellung des Streitpatents dar, für die es im Stand der Technik kein Vorbild gibt.

Die hierzu von der Beschwerdeführerin entgegengehaltene Abdeckplatte an der Stirnseite des Thermostats 27 der D5 ist weder konstruktiv noch wirkungsmäßig mit diesem Zusatzmerkmal gleichzusetzen. Das gleiche gilt für die D1, aus der ebenfalls kein Ablenkflansch im Sinne des Streitpatents zur Verhinderung des direkten Auftreffens des aus dem Ventilglied austretenden Wassers auf den Thermostat zu entnehmen ist.

Weiterhin kann bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht unberücksichtigt bleiben, daß die weiteren Merkmale aus dem Anspruch 1, nämlich die Gesamtlehre nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, nicht unmittelbar aus einer einzigen Druckschrift bekannt sind, sondern durch sinnvolle, wenngleich auch für sich allein noch nicht als erfinderisch angesehene Überlegungen ermittelt werden mußten.

Aufgrund dieser Überlegungen kommt die Beschwerdekammer zu dem Schluß, daß der Gegenstand nach dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Das Patent hat somit auf der Basis des Hilfsantrags Bestand.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin wird zurückgewiesen.

3. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 und 2 und Beschreibung, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung,

- Zeichnung wie erteilt.

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