European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T007897.20010503 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 03 Mai 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0078/97 | ||||||||
Anmeldenummer: | 90100957.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | D21H 17/45 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Aufzeichnungsblatt für Tintenstrahlschreiber | ||||||||
Name des Anmelders: | NIPPON PAPER INDUSTRIES CO., LTD. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | (01) Degussa AG, Frankfurt - Zweigniederl. Wolfgang - (02) Sihl GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.3.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Hauptantrag und erster Hilfsantrag: unzulässige Änderung - willkürliche Beschränkung (Art. 123 (2) EPÜ) Zweiter Hilfsantrag: Kategoriewechsel zulässig (Art. 123 (3) EPÜ Zweiter Hilfsantrag: Neuheit - ja; Identität eines Handelsproduktes unbekannt Zweiter Hilfsantrag: Erfinderische Tätigkeit - nein; besonderer Effekt macht nicht erfinderisch, wenn ein Gegenstand aus anderen Gründen nahegelegt ist |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 90 100 957.1 wurde das europäische Patent Nr. 0 379 964 betreffend ein Aufzeichnungsblatt für Tintenstrahlschreiber mit sieben Ansprüchen erteilt.
II. Gegen die Patenterteilung haben die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende) wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit Einspruch eingelegt. Sie stützten sich dabei unter anderem auf folgende Entgegenhaltungen:
(1) H. Ferch, V. Flach, "Synthetische Kieselsäuren für Ink-Jet-Papiere"; Wochenblatt für Papierfabrikation 115, 1987, Nr. 10, Seiten 439 - 442;
(3) Degussa, Schriftenreihe Pigmente Nr. 60, November 1984, Seite 27; und
(5) JP-A-61 043 593 (Englische Übersetzung und Derwent Abstract).
III. In ihrer Entscheidung war die Einspruchsabteilung zur Auffassung gelangt, daß das Verfahren nach dem ihr vorliegenden, geänderten Anspruch 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, da die anspruchsgemäße Verwendung von pyrogener Kieselsäure anstelle von Fällungskieselsäure als Pigment, um gegenüber den aus Dokument (5) bekannten Ink-Jet-Papieren eine höhere optische Dichte zu erreichen, durch Dokument (1) nahegelegt sei. Daran ändere sich auch dann nichts, wenn mit dem Anmeldungsgegenstand als weitere, im Stand der Technik nicht erwähnte Aufgabe, eine vorteilhafte Beständigkeit gegenüber oxidierende Gase, insbesondere Ozon erzielt werde.
IV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) legte im Laufe des Beschwerdeverfahrens wiederholt geänderte Anspruchsätze vor, zuletzt in einem neuen Hauptantrag und drei neuen Hilfsanträgen mit jeweils einem einzigen unabhängigen Anspruch gemäß Schreiben vom 14. Mai 1999.
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:
"1. Aufzeichnungsblatt für Tintenstrahlschreiber, die mit wäßriger, einen wasserlöslichen Farbstoff enthaltender Tinte drucken, bestehend aus einem Träger aus einem tintenabsorptionsfähigen Material, der mit einem tintenaufnehmenden Material in einer Menge von höchstens 3,4 g/m2 beschichtet oder imprägniert ist, wobei das tintenaufnehmende Material aus einem Gemisch aus einem Polydimethyldiallylammoniumsalz und einem durch Hydrolyse von Siliciumtetrachlorid in einer Knallgasflamme erhaltenen amorphen Siliciumdioxid aus Aggregaten kugeliger Teilchen mit einer mittleren Primärteilchengröße von 7-40 nm sowie gegebenenfalls einem Bindemittel, einem Füllstoff und einem oberflächenaktiven Mittel besteht."
Anspruch 1 gemäß erstem Hilfsantrag unterscheidet sich hiervon durch folgenden Zusatz:
"und wobei das Polydimethyldiallylammoniumsalz in einer Menge von 0,2 bis 5 Gewichtsteilen, bezogen auf 100 Gewichtsteile Siliciumdioxid, enthalten ist".
Anspruch 1 gemäß zweitem Hilfsantrag lautet:
"1. Verwendung eines Gemisches aus amorphem Siliciumdioxid, das durch Hydrolyse von Siliciumtetrachlorid in einer Knallgasflamme erhalten worden ist und aus Aggregaten kugeliger Teilchen mit einer mittleren Primärteilchengröße von 7-40 nm besteht, und einem kationischen Harz sowie gegebenenfalls einem Bindemittel, Füllstoff und einem oberflächenaktiven Mittel besteht, als tintenaufnehmendes Material in einem Aufzeichnungsblatt für Tintenstrahlschreiber, die mit wäßriger, einen wasserlöslichen Farbstoff enthaltender Tinte drucken, wobei das Aufzeichnungsblatt aus einem Träger aus einem tintenabsorptionsfähigen Material, der mit dem tintenaufnehmenden Material in einer Menge von höchstens 10 g/m2 beschichtet oder imprägniert ist, besteht, zur Verringerung der Verfärbung des Bildes bei Einwirkung oxidierender Gase."
V. Den dritten Hilfsantrag ließ die Beschwerdeführerin im Laufe der am 3. Mai 2001 vor der Beschwerdekammer durchgeführten mündlichen Verhandlung fallen.
VI. Die Beschwerdeführerin hat schriftlich und mündlich im wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:
- Die in den neuen Ansprüchen vorgenommenen Änderungen, insbesondere auch die Beschränkung der Menge des tintenaufnehmenden Materials auf 3,4 g/m2, seien durch die ursprünglichen Unterlagen gedeckt und würden den Schutzbereich der erteilten Fassung des Streitpatents nicht erweitern.
- Der beanspruchte Gegenstand des Streitpatents sei in keiner der Entgegenhaltungen offenbart.
- Dem Streitpatent liege die Aufgabe zugrunde, ein Aufzeichnungsblatt für Tintenstrahlschreiber (= Ink-Jet-Aufzeichnungsblatt) zu schaffen, das bei guter Oberflächenfestigkeit eine gute Beständigkeit gegenüber oxidierenden Gasen aufweist.
- Diese Aufgabe werde gemäß Streitpatent dadurch gelöst, daß die tintenaufnehmende Beschichtung des papierartigen Trägers ein durch Hydrolyse von Siliciumtetrachlorid erhaltenes Siliciumdioxid (= ultrafeine pyrogene Kieselsäure) mit einer Primärteilchengröße von 7-40 nm und ein kationisches Harz, insbesondere Polydimethyldiallylammoniumsalz, umfaßt und daß die Menge der Beschichtung höchstens 3,4 g/m2 bzw., nach Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrages, 10 g/m2 beträgt.
- Keines der Dokumente, die gegen das Streitpatent genannt wurden, gäbe einen Hinweis auf obige Aufgabe, geschweige denn auf seine Lösung.
- Aus Dokument (1) sei eine Äquivalenz von pyrogener Kieselsäure und Fällungskieselsäure als Pigment in Ink-Jet-Papieren zu entnehmen, so daß der Fachmann keinerlei Veranlassung hatte, pyrogene Kieselsäure zu bevorzugen.
- Das aus Dokument (5) bekannte Papier könne zwar als Pigment ebenfalls pyrogene Kieselsäure enthalten; dieses Papier müsse aber als wesentlichen Bestandteil Magnesiumsulfat enthalten, um Lichtbeständigkeit zu gewährleisten. Der Fachmann würde diese Komponente daher keinesfalls weglassen. Lichtbeständigkeit sei außerdem eine völlig andere Eigenschaft als Oxidationsbeständigkeit.
VII. Die Argumente der Beschwerdegegnerinnen können wie folgt zusammengefaßt werden:
- Die Ansprüche aller neuen Anträge erfüllten nicht die Erfordernisse des Artikels 123 EPÜ.
- Der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber dem Vergleichsbeispiel 5 von Dokument (5) nicht neu.
- Aufgrund der Dokumente (1) und (3) sei es naheliegend, in den Aufzeichnungsblättern von Dokument (5) kommerzielle pyrogene Kieselsäuren einer Primärteilchengröße von 7-40 nm einzusetzen.
- Das Erfordernis der Oxidationsstabilität der Aufzeichnung sei schon in Dokument (5) erwähnt. Das dort beschriebene Ink-Jet-Aufzeichnungsmaterial sei nicht nur lichtbeständig und für hohe Aufzeichnungsdichten geeignet, sondern zeige auch eine hohe Haltbarkeit der aufgezeichneten Bilder in Gegenwart von Luftsauerstoff, also gegenüber Oxidation.
- Erhalten würden diese Eigenschaften in der gleichen Weise wie beim Streitpatent, nämlich durch eine Beschichtung aus kationischem Harz und synthetischem Siliciumdioxid, wie etwa pyrogener Kieselsäure. Die Anwesenheit von Magnesiumsulfat spiele hierbei nur bezüglich der Lichtbeständigkeit eine Rolle und sei gemäß Streitpatent keineswegs ausgeschlossen.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines des Hauptantrages oder der Hilfsanträge 1 oder 2, eingereicht mit Schreiben vom 14. Mai 1999.
Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)
1.1. Hauptantrag und erster Hilfsantrag
Der einzige Einwand der Beschwerdegegnerinnen im Hinblick auf die Änderungen im Anspruch 1 des Hauptantrages betrifft die Beschränkung der Beschichtungs- bzw. Imprägniermenge auf höchstens 3,4 g/m2. Der gleiche Einwand wurde unter anderem auch hinsichtlich des ersten Hilfsantrages erhoben.
1.1.1. Die Beschwerdeführerin vertrat die Ansicht, dieser Wert, der den Streitgegenstand beschränke, sei in Beispiel 10 unabhängig von allen anderen Parametern offenbart. Seine Aufnahme in Anspruch 1 verstoße daher nicht gegen die Vorschriften des Artikels 123 EPÜ.
1.1.2. Die Kammer akzeptiert zwar, daß Werte aus den Beispielen als Grundlage für unter Artikel 123 (2) EPÜ zulässige Anspruchsänderungen dienen können, da Beispiele als bevorzugte Ausführungsformen einer Erfindung gelten. Voraussetzung dafür ist aber, daß die Änderung nicht willkürlich ist, und daß der Fachmann ohne weiteres erkennen kann, daß der betreffende Wert mit den übrigen Merkmalen des betreffenden Beispiels nicht so eng verbunden ist, daß er die Wirkung dieser Ausführungsform der Erfindung entscheidend beeinflußt (vgl. T 201/83, ABl. EPA 1984, 481, Punkt 10).
1.1.3. Im vorliegenden Fall ist aus den ursprünglichen Unterlagen eine maximale Beschichtungsmenge von 10 g/m2 zu entnehmen (Anspruch 9 und Seite 9, Zeilen 25 bis 27). Die erfindungsgemäßen Beispiele 1 bis 11 zeigen Ink-Jet-Aufzeichnungsblätter mit Beschichtungsmengen von 1,9 bis 6,6 g/m2, wobei die Beschichtung ein Polydimethyldiallyl ammoniumsalz als kationisches Salz in einer Menge von 3 bis 30 g/100g pyrogenem Siliciumdioxid sowie Polyvinylalkohol als Bindemittel enthält. Die Primärteilchengröße des Siliciumdioxids variiert zwischen 7 und 30 nm (vgl. Tabellen 1 bis 4). Die Güte der Aufzeichnungsblätter wird insbesondere anhand der nach bestimmten Methoden gemessenen Ozonbeständigkeit und Punktaufzeichnungsdichte festgestellt. Danach sind nur solche Produkte als gut zu bezeichnen, die eine Ozonbeständigkeit von maximal 10. und eine Punktaufzeichnungsdichte von mindestens 5. haben (Seite 22, Zeile 17 bis Seite 23, Zeile 30 der ursprünglichen Unterlagen).
Eine Beschichtungsmenge von 3,4 g/m2 ist in Beispiel 10 offenbart, und zwar konkret für eine Beschichtung, die Siliciumdioxid einer Primärteilchengröße von 12 nm und 5 g (bezogen auf 100 g SiO2) des kationischen Salzes enthält. Mit diesem Beispiel erhält man eine Punktaufzeich nungsdichte von 5,84 und eine Ozonbeständig keit von 7,2.
1.1.4. Eine Beschränkung auf den Wert 3,4 g/m2 wäre dann zulässig, wenn aus den ursprünglichen Unterlagen des Streitpatents ersichtlich wäre, daß die Beschichtungsmenge als einzige Variable ausschlaggebend ist, um im gesamten Bereich des Anspruchs, einschließlich aller dort umfaßten Kieselsäuretypen, weiterer Füllstoffe, Bindemittel sowie oberflächenaktiven Mittel, zu einem Gegenstand der Güte von Beispiel 10 zu führen.
1.1.5. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Vielmehr ist den allgemeinen Anweisungen des Streitpatents bzw. der ursprünglichen Anmeldung zu entnehmen, daß bei der Wahl des geeigneten Siliciumdioxids die Eigenschaften der Beschichtungsmasse zu berücksichtigen sind. Ebenso ist das Mischungs-, d. h. das Mengenverhältnis von kationischem Harz zu Siliciumdioxid unter Berücksichtigung der Art des Siliciumdioxids sowie Art und Menge des Bindemittels zu bestimmen (Seite 4, Zeilen 27 bis 33 und 40 bis 43 des Streitpatents bzw. Seite 8, Zeilen 10 bis 21 und Seite 9, Zeilen 3 bis 9 der ursprünglichen Unterlagen). Daraus schließt die Kammer, daß die in den Beispielen des Streitpatents genannten Beschichtungsmengen für Siliciumdioxid nur in Verbindung mit den jeweils genannten anderen Parametern Gültigkeit haben. Eine Überprüfung der Beispiele bestätigt dies. So zeigt ein Vergleich von Beispiel 1 mit Beispiel 2, daß die Qualität des Produktes erheblich durch die Menge an kationischem Harz beeinflußt wird. Bei praktisch gleicher Beschichtungsmenge und gleichen Bestandteilen des Produktes, führt eine Verringerung des Harzgehaltes um etwa zwei Drittel zu einer Verbesserung der Ozonbeständigkeit von 8,8 auf 5,0. Ebenso zeigen die Beispiele 3 und 5 bis 7 - bei im wesentlichen sonstiger Identität - eine zunehmende Ozonbeständigkeit mit zunehmender Primärteilchengröße der Kieselsäure.
Daraus folgt, daß die in Beispiel 10 offenbarte Beschichtungsmenge von 3,4 g/m2 nur im konkreten Zusammenhang offenbart wurde und nicht verallgemeinert werden kann. Daher ist der Ausschluß einer Beschichtungmenge oberhalb 3,4 g/m2 willkürlich.
1.1.6. Die Kammer folgert daraus, daß durch die Beschränkung der Beschichtungsmenge der Gegenstand der Ansprüche gemäß Hauptantrag und erstem Hilfsantrag über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinausgeht und damit nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ genügt.
1.2. Zweiter Hilfsantrag
Im Gegensatz zu den erteilten Ansprüchen, die auf ein Ink-Jet-Aufzeichnungsblatt gerichtet waren, das ein Gemisch aus Siliciumdioxid und einem kationischen Harz enthält, betrifft Anspruch 1 nun die Verwendung dieses Gemisches in jenem Aufzeichnungsblatt zur Verringerung der Verfärbung des Bildes bei Einwirkung oxidierender Gase.
1.2.1. Nach Auffassung der Beschwerdegegnerinnen sei dieser Anspruch unter Artikel 123 (3) EPÜ aus zwei Gründen nicht zulässig:
- Nach der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 2/88 (ABl. EPA 1990, 93) sei zwar ein Kategoriewechsel von einem Stoff in die Verwendung dieses Stoffes in einem Stoffgemisch für einen bestimmten Zweck zulässig. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, da der verwendete Stoff, anders als gemäß der G 2/88, nicht Gegenstand der erteilten Ansprüche war, sondern ein diesen Stoff enthaltendes Erzeugnis, d. h. das Aufzeichnungsblatt.
- Durch den Verwendungszweck "zur Verringerung der Verfärbung des Bildes ..." falle nunmehr nicht nur das Aufzeichnungsblatt an sich bzw. dessen Verwendung unter den Schutzbereich der Ansprüche, sondern auch das bedruckte und somit weiterverarbeitete Blatt.
Beide Argumente überzeugen die Kammer im vorliegenden Fall nicht.
1.2.2. Bei näherer Betrachtung des Wortlautes richtet sich Anspruch 1 auf die Verwendung eines Bestandteiles des Aufzeichnungsblattes im Aufzeichnungsblatt, oder allgemein ausgedrückt, auf die Verwendung eines Bestandteils des Erzeugnisses in diesem Erzeugnis zu einem bestimmten Zweck. Obschon diese Ausdrucksweise ungewöhnlich ist, ist die Kammer - wie auch die Beschwerdeführerin - der Auffassung, daß deren Inhalt nur als Verwendung des Erzeugnisses ingesamt gedeutet werden kann. Insofern herrscht daher Übereinstimmung mit den in G 2/88 aufgestellten Prinzipien (Leitsatz II).
1.2.3. Es ist zwar richtig, daß ein Anspruch für eine bestimmte Verwendung sich nur insofern auf einen Gegenstand an sich richtet, als dieser im Verlauf einer bestimmten Tätigkeit verwendet wird (G 2/88, Punkt 5 der Entscheidungsgründe). Dies bedeutet aber nach Ansicht der Kammer nicht, daß sich der Schutzumfang damit auch auf in dieser Verwendung begründeten Verfahrensschritte erstreckt (G 2/88, Punkt 5.1 der Entscheidungsgründe).
Der vorliegende Verwendungsanspruch 1 kann in folgender abgekürzter Form wiedergegeben werden:
Verwendung des Aufzeichnungsblattes für Tintenstrahlschreiber zur Verringerung der Verfärbung des Bildes.
Wenn gemäß G 2/88 ein solcher Anspruch nicht das Jet-Ink-Verfahren (Tintenstrahl-Verfahren) umfaßt, so umfaßt er aus logischen Gründen auch nicht das Bedrucken des Blattes zur Herstellung eines verfärbbaren Bildes. Vielmehr stellt das Merkmal "zur Verringerung der Verfärbung des Bildes" lediglich den inhärenten Effekt dar, der bei bestimmungsgemäßem Gebrauch des Aufzeichnungsblattes resultiert.
1.2.4. Die Kammer ist daher der Auffassung, daß der Verwendungsanspruch nach Artikel 123 (3) EPÜ nicht zu beanstanden ist.
Die Kammer hat sich außerdem davon überzeugt, daß das Erfordernis von Artikel 123 (2) EPÜ erfüllt ist.
2. Neuheit
Die Neuheit des Streitgegenstandes wurde einzig in Bezug auf den Offenbarungsgehalt von Vergleichsbeispiel 5 in Dokument (5) angegriffen.
Es ist jedoch unbestritten, daß dieses Beispiel keinen direkten Hinweis auf pyrogene Kieselsäure gibt. Die Beschwerdegegnerinnen konnten auch keine Beweismittel dafür vorlegen, daß es sich bei der in diesem Beispiel verwendeten synthetischen Kieselsäure Sairoid 74 der Firma Fuji Devison Corporation (vgl. Seite 21, Zeilen 5 bis 8 und 21 bis 26) um pyrogene Kieselsäure handelt. Auch der Hinweis in der Beschreibung, daß als synthetische Kieselsäure neben Naßfällungskieselsäuren und nach dem Gelverfahren gewonnene Kieselsäuren auch pyrogene Kieselsäuren in Frage kommen (Seiten 6 und 7, überbrückender Absatz), kann nicht als unmittelbare und unzweideutige Offenbarung der Verwendung pyrogener Kieselsäure im Vergleichsbeispiel 5 des Dokumentes (5) angesehen werden.
Die Kammer geht somit davon aus, daß der Gegenstand nach Anspruch 1 neu ist.
3. Zu prüfen verbleibt noch die Frage der erfinderischen Tätigkeit.
3.1. Technisches Gebiet
Das Streitpatent betrifft Aufzeichnungsmaterialien speziell zur Verwendung für Tintenstrahlschreiber (Seite 2, Zeilen 4 bis 8). Üblicherweise bestehen diese Materialien aus einem Basispapier als Träger für eine Beschichtung aus synthetischem amorphen Siliciumdioxid. Dies bietet vor allem den Vorteil einer verbesserten Aufzeichnungsdichte (Seite 2, Zeilen 9 bis 18). Amorphe Siliciumdioxide können grundsätzlich nach dem Naßfällungsverfahren, dem Gelverfahren oder dem Trockenverfahren hergestellt werden (Seite 2, Zeilen 19 bis 21). Gemäß Streitpatent ist weiterhin bekannt, die Beschichtung mit einem kationischen Harz, z. B. Polydimethyldiallylammoniumsalz zu versehen, um das Material wasserfest zu machen (Seite 2, Zeilen 38 bis 41).
3.2. Nächstliegender Stand der Technik
Solche Aufzeichnungsmaterialien sind aus Dokument (5) bekannt. Diese bestehen aus einem Trägermaterial, beispielsweise Papier, das mit einer Beschichtung versehen ist, welche synthetische Kieselsäure und ein kationisches Harz enthält (Seite 5, Zeilen 8 bis 14 und 27. bis 30, Seite 11, Zeilen 27 bis 29 und Beispiele).
Die technische Aufgabe, die im Streitpatent angegeben ist, besteht in der Bereitstellung eines Ink-Jet-Aufzeichnungsblattes, das unter Beibehaltung des Papiercharakters und guten Griffs ein gleichmäßiges Bild, eine hohe Aufzeichnungsdichte und eine gute Mehrfachaufzeichnung liefert, eine geringe Bildverfärbung durch oxidierende Gase sowie eine ausgezeichnete Haltbarkeit des Bildes und eine hohe Lichtbeständigkeit aufweist (Seite 3, Zeilen 46 bis 50).
Mit dem gleichen bzw. einem sehr ähnliche Problem befaßt sich auch Dokument (5), nämlich mit der Bereitstellung eines Ink-Jet-Aufzeichnungsmaterials, das bei hoher Druckgeschwindigkeit hohe Punktaufzeichnungsdichten liefert und gleichzeitig licht- und wasserbeständig ist (Seite 5, Zeilen 1 bis 7), da sich herausgestellt hatte, daß Zusätze zur Verbesserung der Wasserfestigkeit häufig die Lichtbeständigkeit negativ beeinflussen (Seite 4, letzter Absatz).
Nach Dokument (5) müssen Aufzeichnungsmaterialien für Tintenstrahldrucker grundsätzlich noch weitere Eigenschaften aufweisen; unter anderem müssen die auf dem Aufzeichnungsmaterial erzeugten Bilder gegenüber Luftsauerstoff beständig sein (Seite 3, Zeilen 3 bis 13). Dabei ist die Forderung nach Beständigkeit des Bildes gegen Luftsauerstoff als eine konkrete Ausformung der Forderung nach Beständigkeit gegenüber oxidierenden Gasen anzusehen.
Die Kammer geht daher in Übereinstimmung mit den Parteien bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Dokument (5) aus.
3.3. Aufgabe und Lösung
3.3.1. Das Streitpatent enthält keine ausreichenden Informationen, die erkennen ließen, ob es tatsächlich alle laut Aufgabenstellung gewünschten Eigenschaften besitzt. Ebensowenig enthält es Versuchsergebnisse, die einen direkten Vergleich mit einem der in Dokument (5) beschriebenen Aufzeichnungsmaterialien zuließen. Die Beschwerdeführerin hat aber geltend gemacht, die von ihr gefundene verbesserte Beständigkeit des Bildes gegenüber oxidierenden Gasen sei auf die Verwendung von Aerosil (vgl. Seite 4, Zeilen 1 und 2 des Streitpatents) als ultrafeines pyrogenes Siliziumdioxid anstelle von Fällungskieselsäure zurückzuführen. Da weder die Beispiele noch die Vergleichsbeispiele von Dokument (5) nähere Angaben zu den dort verwendeten Kieselsäuren enthalten, geht die Kammer von der zur Zeit unwiderlegbaren Annahme aus (vgl. Punkt 2), daß dort Fällungskieselsäure eingesetzt wurde - ebenso wie in den Vergleichsbeispielen des Streitpatents. Die in den Vergleichsbeispielen 1 und 5 des Dokuments (5) beschriebenen Aufzeichnungsmaterialien enthalten, anders als jene der Beispiele dieser Entgegenhaltung, kein Magnesiumsulfat. Sie kommen daher den Aufzeichnungsmaterialien des Streitpatents am nächsten. Zugunsten der Patentinhaberin können des weiteren die Vergleichsbeispiele des Streitpatents als repräsentativ für den Stand der Technik angesehen werden wie er sich dem Fachmann aus den Vergleichsbeispielen 1 und 5 des Dokuments (5) erschließt.
3.3.2. Mit diesen Annahmen läßt sich nun den Tabellen 1 und 4 des Streitpatents entnehmen, daß die Aufzeichnungsblätter des Streitpatents, aufgrund der Verwendung von Aerosil als Pigment, zu einer verbesserten Oxidationsbeständigkeit eines durch bestimmungsgemäße Benutzung auf diesen Blättern erzeugten Bildes führt, bei gleichzeitiger Erhaltung einer guten Punktaufzeichnungsdichte und einer guten Oberflächenfestigkeit der Papiere.
3.3.3. Diese Ergebnisse lassen sich zur Definition der gegenüber Dokument (5) objektiv gelösten technischen Aufgabe heranziehen. Sie besteht demnach in der Beibehaltung einer guter Punktaufzeichnungsdichte und Oberflächenfestigkeit sowie der Erzielung einer verbesserten Oxidationsbeständigkeit des Bildes.
3.4. Erfinderische Tätigkeit
Bei der Prüfung der Frage, ob die beanspruchte Lösung auf erfinderischer Tätigkeit beruht, ist zu beachten, daß sich die vorstehend definierte Aufgabe aus drei Teilaufgaben zusammensetzt, nämlich dem Erhalt
A) einer hohen Punktaufzeichnungsdichte,
B) einer verbesserten Oxidationsbeständigkeit und
C) einer guten Oberflächenfestigkeit.
3.4.1. Dokument (5) lehrt nun bereits, daß für die dort beschriebenen Aufzeichnungsmaterialien mit hoher Punktaufzeichnungsdichte unter anderem pyrogene Kieselsäuren als Pigment in Frage kommt (Seite 6, letzter Absatz). Ein Fachmann wird daher bei der Nacharbeitung der Lehre des Dokuments (5) auch den Einsatz dieses Siliciumdioxids in Erwägung ziehen.
3.4.2. Aus Dokument (1), das sich konkret mit der Verwendung synthetischer Kieselsäuren in Ink-Jet-Papieren befaßt, entnimmt der Fachmann des weiteren, daß im Vergleich zu Fällungskieselsäuren pyrogene Kieselsäuren, wie z. B. Aerosil, eine höhere optische Dichte im Sinne der Punktaufzeichnungsdichte des Bildes erzeugen (Seite 3 und 4, Abschnitt 4.2). Dabei ist Aerosil ein Handelsprodukt, das in unterschiedlichen Typen auf dem Markt erhältlich ist. Eine Kenngröße dieser Typen ist die Primärteilchengröße, die zwischen 7 und 40 nm variiert (vgl. Dokument (3), Seite 27, Tabelle 5).
Daher legt allein schon die Information aus Dokument (1) dem Fachmann die Verwendung von Aerosil in den aus Dokument (5) bekannten Papieren nahe um zumindest die Teilaufgabe A zu lösen, zumal die Qualität eines Ink-Jet-Aufzeichnungsblattes mit der Güte der Aufzeichnungsdichte als eine Hauptanforderung steht und fällt. Daran ändert auch die Zweckangabe der Oxidationsstabilität in Anspruch 1 nichts, da die Teilaufgabe B bei der bestimmungsgemäßen Verwendung des Aufzeichnungsmaterials stets mitgelöst wird. Das gleiche gilt für die Oberflächenfestigkeit gemäß Teilaufgabe C.
3.4.3. Auch kann das Argument der Beschwerdeführerin nicht überzeugen, wonach wegen der nicht vorhersehbaren Oxidationsbeständigkeit des Bildes erfinderische Tätigkeit anzuerkennen sei. Wenn, wie hier, ein relevantes Dokument dem Fachmann zur Lösung einer Teilaufgabe eine bestimmte Handlungsweise empfiehlt (hier: Verwendung von Aerosil), und diese sogar schon im nächstliegenden Stand der Technik (hier Dokument (5)) angesprochen ist, so liegt diese Handlungsweise nahe, auch wenn damit gleichzeitig und unvorhersehbar noch eine weitere Teilaufgabe gelöst wird.
4. Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand nach Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) beruht.
5. Somit bietet keiner der gestellten Anträge eine Basis zur Aufrechterhaltung des Patents.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.