T 0173/96 (Stabile kaltwasserdispergierbare Präparate) of 16.1.1998

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1998:T017396.19980116
Datum der Entscheidung: 16 Januar 1998
Aktenzeichen: T 0173/96
Anmeldenummer: 89110871.4
IPC-Klasse: A61K 9/50
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Stabile, kaltwasser-dispergierbare Präparate
Name des Anmelders: F. HOFFMANN-LA ROCHE AG
Name des Einsprechenden: BASF Aktiengesellschaft, Ludwigshafen
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Disclaimer zur Abgrenzung gegenüber im Einspruchsverfahren eingeführten Stand der Technik, zulässig
Neuheit nach Einschränkung - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/93
T 0004/80
T 0384/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des auf Grundlage von sieben Patentansprüchen erteilten europäischen Patents Nr. 0 347 751 mit der Anmeldenummer 89. 110 871.4.

Gegen die Patenterteilung legte die Beschwerdegegnerin am 23. Dezember 1993 Einspruch ein und beantragte, gestützt auf Artikel 100 a) EPÜ, den Widerruf des Patents im gesamten Umfang mit der Begründung, daß der Gegenstand des Patents wegen mangelnder Neuheit und unabhängig davon auch wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig sei.

II. In der mündlichen Verhandlung am 23. November 1995 vor der Einspruchsabteilung beantragte die Patentinhaberin Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf Grundlage eines Hauptantrags oder eines ersten oder zweiten Hilfsantrags.

Anspruch 1 des Hauptantrags lautete:

"Stabile, kaltwasser-dispergierbare, pulverförmige, mit einem Schutzkolloid stabilisierte bzw. umhüllte Präparate fettlöslicher Substanzen, dadurch gekennzeichnet, daß sie als Schutzkolloid Fischgelatine enthalten."

III. Die Einspruchsabteilung gelangte in der in der mündlichen Verhandlung am 23. November 1995 verkündeten Entscheidung, die am 20. Dezember 1995 zur Post gegeben wurde, zur Auffassung, daß weder der Gegenstand des Hauptantrags noch die Gegenstände der beiden Hilfsanträge das Erfordernis der Neuheit in Sinne von Artikel 54 (1) EPÜ erfüllten und das Patent daher gemäß Artikel 102 (1) EPÜ zu widerrufen sei.

Von den in der Einspruchsbegründung angeführten sieben Dokumenten wurde in der Entscheidung der Einspruchsabteilung lediglich Bezug genommen auf

Dokument (1): Kim Jacobsen, "Mikroindkapslet foder til marine fiskelarver", 1987;

Forschungsproject: Novo Industri A/S & Fischeries Laboratory of the Danish University of Technology.

Von diesem Originaldokument in dänischer Sprache wurde im Verlauf des Einspruchsverfahrens von der Einsprechenden eine vollständige Übersetzung in englischer Sprache vorgelegt. Da die Beschwerdeführerin keinen Einwand gegen die englische Übersetzung vorgebracht hat, wird im folgenden unter (1) auf diese Übersetzung Bezug genommen.

IV. Zur Begründung des Widerrufs des Patents führte die Einspruchsabteilung im wesentlichen folgendes aus:

Dokument (1) offenbare unter der Bezeichnung "NOVOGUF" (vgl. insbesondere Abschnitte 5.6 und 6.5) bereits ein Präparat, welches u. a. bestimmte fettlösliche Substanzen enthalte (vgl. auch Appendix I) und in Form von Mikrokapseln, deren Matrix aus einem Schutzkolloid aus Fischgelatine bestehe, bereitgestellt werde. Dieses Präparat werde gemäß Abschnitt 5.6.1 in stabiler, pulverförmiger Form erhalten und weise auch die Eigenschaft der Kaltwasserdispergierbarkeit auf.

Nach Auffassung der Einspruchsabteilung werde in der Beschreibung des angegriffenen Patents (siehe insbesondere Spalte 3, Zeilen 18 bis 44 und Spalte 4, Zeilen 8 bis 14) zwar angedeutet, daß sich die bei der Herstellung der Präparate gemäß Streitpatent gegebenenfalls eingesetzten Hilfsstoffe und Emulgatoren weitgehend von konventionellen Koazervationsmitteln und fixierend-quervernetzenden Mitteln, wie beispielsweise dem in (1) eingesetzten Glutaraldehyd, unterschieden, jedoch seien Präparate, die solche Mittel enthielten, vom Wortlaut der Patentansprüche des Streitpatents keinesfalls ausgeschlossen.

Aus den Eigenschaften, welche die in (1) offenbarten Mikrokapseln bei deren Verwendung als Futter für Fischlarven aufwiesen, ließe sich einwandfrei auch auf deren Kaltwasserdispergierbarkeit schließen. Ein technisches Merkmal, welches den Gegenstand gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags vom entgegengehaltenen Stand der Technik unterscheide, sei jedenfalls nicht erkennbar.

Die gemäß erstem Hilfsantrag zusätzlich eingeführte Zweckbestimmung, wonach die beanspruchten Präparate "zur menschlichen Ernährung" Verwendung finden sollen, könne auch keinen Beitrag zu deren Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik leisten, da keine sicheren Anhaltspunkte zu finden seien, wonach die in (1) vorgeschlagene Verwendung der bekannten Mikrokapseln als Fischfutter deren Genießbarkeit für den Menschen von vornherein ausschließe. Auch dem Anspruch 1 gemäß erstem Hilfsantrag fehle es daher an der erforderlichen Neuheit.

Das gemäß zweitem Hilfsantrag noch zusätzlich eingeführte funktionelle Merkmal, wonach das beanspruchte Präparat "durch normale Sprühtrocknung oder mittels des Stärke-Catch-Verfahrens erhalten wird", könnte nur dann zur Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik beitragen, falls aus der besonderen Art der Trocknung notwendigerweise Produkte mit bestimmten, gegenüber dem bekannten Produkt unterschiedlichen technischen Merkmalen, beispielsweise in bezug auf die Teilchengröße, resultierten. Da solche unterschiedliche technische Merkmale weder erkennbar noch in irgendeiner Form nachgewiesen worden seien, fehle es dem Anspruch 1 gemäß zweitem Hilfsantrag ebenfalls an der erforderlichen Neuheit.

In Anbetracht dessen, daß bereits der erste Anspruch aller drei Anträge mit einem Neuheitsmangel behaftet sei, sehe die Einspruchsabteilung weder eine Veranlassung, die Frage der möglichen Neuheit weiterer unabhängiger oder abhängiger Ansprüche der einzelnen Anträge zu erörtern, noch zur Frage der erfinderischen Tätigkeit in irgendeiner Form Stellung zu nehmen.

V. Am 20. Februar 1996 legte die Patentinhaberin gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde ein, die sie am 19. April 1996 begründete, und beantragte Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf Grundlage von 5 Patentansprüchen, von denen die unabhängigen Ansprüche 1, 4 und 5 folgendermaßen lauten:

"1. Stabile, kaltwasser-dispergierbare, pulverförmige, mit einem Schutzkolloid stabilisierte bzw. umhüllte Präparate fettlöslicher Substanzen, dadurch gekennzeichnet, daß sie als Schutzkolloid Fischgelatine, aber nicht das Vernetzungsmittel Glutaraldehyd, enthalten.

4. Verfahren zur Herstellung von Präparaten gemäß einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß man eine wäßrige Emulsion der fettlöslichen Substanz und des Schutzkolloids Fischgelatine herstellt und diese Emulsion anschließend in ein Trockenpulver überführt.

5. Verwendung von Fischgelatine zur Herstellung von stabilen kaltwasser-dispergierbaren, pulverförmigen Präparaten fettlöslicher Substanzen in Abwesenheit von Glutaraldehyd".

Die abhängigen Ansprüche 2 und 3 sind auf besondere Ausführungsformen der Präparate gemäß Anspruch 1 gerichtet.

VI. In der Beschwerdebegründung wurde dazu im wesentlichen ausgeführt:

Der geltende Anspruch 1 unterscheide sich von der ursprünglichen Fassung des Anspruchs 1 nicht nur durch die aus dem Anspruch 2 der Erstunterlagen übernommene Einschränkung auf ausschließlich "pulverförmige" Präparate, sondern auch durch das einschränkende Merkmal, wonach die beanspruchten Präparate "nicht das Vernetzungsmittel Glutaraldehyd enthalten". Bei diesem Merkmal sowie dem korrespondierenden Merkmal in Anspruch 5 "in der Abwesenheit von Glutaraldehyd" handle es sich um Disclaimer, die dem im Einspruchsverfahren zitierten Stand der Technik gemäß Dokument (1) Rechnung trügen, so daß das vorliegende Anspruchsbegehren nicht gegen die Bestimmungen von Artikel 123 (2) EPÜ verstoße.

Unter dem Ausdruck "Vernetzungsmittel Glutaraldehyd" sei nicht nur freies, unreagiertes Glutaraldehyd, sondern auch Glutaraldehyd, das in eine Vernetzungs- oder Koazervationsreaktion, beispielsweise mit Gelatine, verwickelt worden ist, zu verstehen. In den beanspruchten Präparaten befinde sich weder die eine noch die andere Form von Glutaraldehyd. Hingegen erfolge die in (1) beschriebene Herstellung des Fischlarvenfutters, insbesondere von "NOVOGUF", ausschließlich unter Verwendung von Glutaraldehyd als Vernetzungsmittel. Demzufolge sei der Gegenstand der Ansprüche gemäß vorliegendem Antrag gegenüber der Lehre von (1) klar abgegrenzt und es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob sich die Präparate gemäß Streitpatent auch durch ihre stabilen, kaltwasser-dispergierbaren und ernährenden Eigenschaften von dem in (1) offenbarten Fischlarvenfutter unterschieden oder nicht. Durch die vorgenommenen Änderungen stehe die Neuheit des vorliegenden Anspruchbegehrens jedenfalls außer Zweifel.

VII. Im Bescheid der Kammer vom 22. Oktober 1997 wurde die vorläufige Ansicht vertreten, daß die vorliegende Anspruchsfassung in formaler Hinsicht den Bestimmungen des EPÜ genüge und in Anbetracht des im Verfahren befindlichen Standes der Technik auch das Erfordernis der Neuheit erfülle. Bei dieser Sachlage könne von einer Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung ausgegangen werden.

VIII. Mit der Eingabe vom 8. Januar 1998 hat die Beschwerdegegnerin den Einspruch zurückgezogen, ohne sich im Verlauf des Beschwerdeverfahrens zur Sache geäußert zu haben.

IX. Die Beschwerdeführerin erklärte sich in ihrer Eingabe vom 9. Januar 1998 mit der im Bescheid der Kammer angekündigten Vorgangsweise bei der Fortsetzung des Verfahrens einverstanden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 5 beruhen auf den Ansprüchen 1 und 9 der Erstunterlagen mit folgenden Änderungen:

(a) Die erste Änderung betrifft die Beschränkung der Ansprüche auf pulverförmige Präparate bzw. die Verwendung von Fischgelatine zur Herstellung pulverförmiger Präparate, so daß flüssige Präparate, wie in den Erstunterlagen, als Alternative nicht mehr beansprucht werden. Diese Beschränkung wurde aus den ursprünglichen abhängigen Ansprüchen 2 bzw. 10 übernommen, die bereits auf pulverförmige Substanzen als bevorzugte Ausführungsform der Erfindung gerichtet waren.

(b) Durch die im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens als weitere Änderung eingeführte Ausnahmebestimmung (Disclaimer), wonach die beanspruchten Präparate "nicht das Vernetzungsmittel Glutaraldehyd enthalten", wird nunmehr auf Antrag der Beschwerdeführerin ein in (1) offenbarter, durch technische Merkmale im Sinne der Regel 29 (1) EPÜ definierter Gegenstand - nämlich die Anwesenheit des Vernetzungsmittels Glutaraldehyd in pulverförmigen Präparaten fettlöslicher Substanzen, die als Schutzkolloid Fischgelatine enthalten - von der umfassenderen Lehre des Anspruchs 1 ausgeschlossen.

Die Einführung des Disclaimers erscheint zur klaren Abgrenzung der beanspruchten Präparate gegenüber dem Stand der Technik erforderlich. Die Grundlage für diesen Disclaimer findet sich einerseits in Dokument (1), in den Abschnitten 5.6.1 (Production: materials and method) bis 5.6.2 (Analyses of "NOVOGUF"), wo die Herstellung der in (1) offenbarten Mikrokapseln unter abschließender obligater Quervernetzung mit Glutaraldehyd (siehe insbesondere Seite 78, Zeilen 8 bis 10 und Zeilen 22 bis 23) ausdrücklich offenbart ist.

Andererseits wird durch dieses Merkmal die in den Erstunterlagen enthaltene technische Lehre nicht modifiziert, da die Verwendung von Vernetzungsmitteln, beispielsweise von Glutaraldehyd, bei der Herstellung der im Streitpatent beanspruchten Präparate von vorne herein nicht vorgesehen war (siehe Seite 3, Zeile 10 bis Seite 4, Zeile 22, Verfahrensansprüche 4 und 5, Beispiele der Erstunterlagen).

Die Kammer kann auch nicht erkennen, wie der beanspruchte Gegenstand ohne unzumutbare Einschränkung der technischen Lehre des Streitpatents klarer und knapper positiv formuliert werden könnte.

Die obigen Ausführungen gelten sinngemäß auch für den Disclaimer "in Abwesenheit von Glutaraldehyd" im Verwendungsanspruch 5.

Die abhängigen Ansprüche 2 und 3 finden ihre Grundlage in den Ansprüchen 3 und 4 der Erstunterlagen.

Der Verfahrensanspruch 4 ist, wie der ursprünglichen Anspruch 5, auf ein Verfahren zur Herstellung von Trockenpulver beschränkt und enthält nunmehr einen Verweis auf die Ansprüche 1 bis 3.

Insgesamt sind die geänderten Ansprüche als klar und durch die Erstunterlagen ausreichend gestützt anzusehen und entsprechen in dieser formalen Hinsicht den Erfordernissen der Artikel 84 und 123 (2) EPÜ. Diese Beschränkung ist in Übereinstimmung mit den in den Entscheidungen T 0004/80 (ABl. EPA 4/1982, 149), T 0384/91 (ABl. EPA, 1995, 745) und G 0001/93 (ABl. EPA, 1994, 541) niedergelegten Grundsätzen für die formale Zulässigkeit von nachträglich in Patentansprüche aufgenommenen Disclaimern.

Da durch die geänderten Ansprüche der Schutzbereich gegenüber dem Patent in der erteilten Fassung eingeschränkt wird, werden auch die Bestimmungen des Artikel 123 (3) EPÜ nicht verletzt.

3. Für die Beurteilung der Neuheit des vorliegenden Antrags scheint es zweckmäßig zunächst von Kapitel 5 (Practical Aspects) und hier insbesondere von den Abschnitten 5.1 (Preparation of microcapsules) und 5.1.1 (Materials and method) auf den Seiten 72 bis 74 von (1) auszugehen, wo die Herstellung von Mikrokapseln, deren Matrix aus Gelatine besteht, nach der in (1) angewandten Methode durch einfache Koazervation in allgemeiner Form beschrieben wird (siehe auch Abbildung 5.1). Als entscheidend ist anzusehen, daß hier im ersten Absatz auf Seite 72, Zeilen 8 bis 10, und im zweiten vollen Absatz auf Seite 73, Zeilen 8 bis 11, bereits darauf hingewiesen wird, daß die durch Koazervation der Gelatine gebildeten Mikrokapseln vor ihrer Isolierung in jedem Fall mit dem Vernetzungsmittel (crosslinking agent) Glutaraldehyd behandelt werden.

In Abschnitt 5.6.1 auf den Seiten 77 bis 78 von (1) wird das oben beschriebene Verfahren speziell für die Herstellung von Mikrokapseln, die unter dem Namen "NOVOGUF" als Futter für Fischlarven dienen und im Kernmaterial u. a. fettlösliche Substanzen enthalten, im Detail offenbart. Demnach werden 400 ml einer 25%igen wäßrigen Lösung von Fischgelatine unter Rühren mit einem Magnetrührer mit 30 g der in Anhang 1 näher definierten, kompletten Nährstoffzusammensetzung (enthaltend u. a. fettlösliche Substanzen, wie die Vitamine A, D, E oder K, Carotinoide, polyungesättigte Fettsäuren) und 160 g Fischöl vermischt. Nach dem Entlüften im Vakuum wird die Mischung unter Rühren zur Koazervation in 1500 ml Olivenöl eingebracht und nach einer Verweilzeit von 10. Minuten mit 40 ml 25%igem Glutaraldehyd versetzt. Nach weiteren 30 Minuten Rührzeit werden die nunmehr gehärteten, quervernetzten (hardened) Mikrokapseln durch Zentrifugieren isoliert und für ungefähr zehn Stunden an der Luft getrocknet.

Bei dieser Herstellungsweise wird nicht übersehen, daß die Mikroeinkapselung der Nährstoffe mit Fischgelatine nach den Angaben in (1) durch einfache Koazervation der Fischgelatine offensichtlich bereits beim Rühren und gegebenenfalls Abkühlen der in Olivenöl suspendierten oder emulgierten Zusammensetzung aus Fischgelatine, Nährstoffen und Fischöl (vgl. Abbildung 5.1) und damit vor dem Zusatz des Vernetzungsmittels Glutaraldehyd stattfindet, jedoch liegen die Mikrokapseln in diesem Stadium keineswegs als pulverförmige Präparate vor, wie dies in den vorliegenden Ansprüchen gefordert wird. Nach der gemäß der Lehre von (1) obligaten Härtung (Quervernetzung) mit Glutaraldehyd enthalten die isolierten und getrockneten Mikrokapseln, bzw. das Präparat "NOVOGUF", aber unweigerlich das Vernetzungmittel Glutaraldehyd. Die Kammer kann sich der Auffassung der Beschwerdeführerin anschließen, wonach vom Wortlaut des Anspruchs 1 ("nicht das Vernetzungsmittel Glutaraldehyd enthalten") nicht nur Präparate ausgeschlossen sind, die Rückstände an freiem, unreagiertem Glutaraldehyd enthalten, sondern ebenso Präparate ausgeschlossen sind, die Glutaraldehyd, welches in eine Vernetzungs- oder Koazervationsreaktion mit Fischgelatine verwickelt worden ist, enthalten.

Nach den Angaben in Abschnitt 5.4.1 auf den Seiten 76 bis 77 in Zusammenhang mit den Abschnitten 6.3 bis 6.3.4 auf den Seiten 92 bis 101 wurden in Modellversuchen zur Bestimmung des Vernetzungsgrades und der Freisetzungsraten von verschiedenen, mit Fischgelatine mikroverkapselten Substanzen sowohl die Reaktionszeiten für die Vernetzung als auch die eingesetzten Mengen an Glutaraldehyd als Vernetzungsmittel innerhalb gewisser Bereiche variiert. Es ergibt sich aber aus Dokument (1) kein wie immer gearteter Hinweis, daß innerhalb dieser Versuchsreihen oder in anderem Zusammenhang bereits pulverförmige Präparate in gänzlicher Abwesenheit des Vernetzungsmittels Glutaraldehyd hergestellt worden wären.

4. Demgegenüber werden die Präparate gemäß Streitpatent dadurch hergestellt, daß eine wäßrige Emulsion der fettlöslichen Substanz und des Schutzkolloids Fischgelatine hergestellt und diese Emulsion anschließend direkt in ein Trockenpulver überführt wird. Die beanspruchten Präparate unterscheiden sich somit vom Stand der Technik gemäß (1) grundsätzlich dadurch, daß sie unter Ausschluß von Koazervationsmitteln/Vernetzungsmitteln, insbesondere des Vernetzungsmittels Glutaraldehyd, hergestellt werden und daher dieses Vernetzungsmittel auch nicht enthalten können (vgl. insbesondere Spalte 3, Zeile 45 bis Spalte 4, Zeile 30, Beispiele 1 bis 9 des Streitpatents).

Die Präparate gemäß Anspruch 1 und den abhängigen Ansprüchen 2 und 3 sind daher gegenüber der Lehre von Dokument (1) neu im Sinne von Artikel 54 (1) EPÜ. Das gleiche muß für den Verfahrensanspruch 4 gelten, da dieser auf die Herstellung der Präparate gemäß den Ansprüchen 1 bis 3 gerichtet ist. Die oben angeführten Gründe zur Neuheit der Präparate gelten in Hinblick darauf, daß die Anwesenheit von Glutaraldehyd bei der Herstellung der Präparate ausdrücklich ausgeschlossen ist, sinngemäß auch für den Verwendungsanspruch 5.

5. Der Einwand mangelnder Neuheit wurde im Einspruchsverfahren ausschließlich auf die Lehre des Dokuments (1) gestützt (vgl. Einspruchsbegründung, Seite 3, vorletzter Absatz). Weiteres Material, welches die Neuheit des geltenden Anspruchsbegehrens in Frage stellen könnte, wurde von der Einsprechenden (Beschwerdegegnerin) im Verlaufe des Verfahrens nicht genannt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 23. November 1995 wird aufgehoben.

2. Die Sache wird nach Artikel 111 (1) EPÜ an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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