European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1995:T014795.19951114 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 November 1995 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0147/95 | ||||||||
Anmeldenummer: | 88104805.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | B65H 27/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Druckwalze | ||||||||
Name des Anmelders: | JAGENBERG Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | J. M. Voith GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit der Beschwerde (bejaht) Vollkommen neuer, noch nicht geprüfter Sachverhalt Zurückverweisung an die erste Instanz Form of appeal - grounds - substantiation (yes) Late filed material - document - admitted - remittal to the department of first instance |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Gegen das europäische Patent Nr. 0 294 546 (erteilt auf die europäische Patentanmeldung Nr. 88 104 805) hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Einspruch eingelegt und den Widerruf des Patents wegen mangelnder Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf drei Vorveröffentlichungen beantragt.
II. In ihrer am 26. Januar 1995 zur Post gegebenen Entscheidung hielt die Einspruchsabteilung das Patent sowohl für neu als auch für erfinderisch und wies den Einspruch zurück.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 11. Februar 1995 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Eine Beschwerdebegründung wurde am 1. März 1995 eingereicht.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragt den Widerruf des Patents, da dessen Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. In der Beschwerdebegründung nennt die Beschwerdeführerin erstmals die Druckschrift
D4 "Beloit Winders - New Features Through Research"; Beloit Finishing Machinery, Downingtown Division, Beloit Corporation, Downingtown, PA., U.S.A. 19335; "Printed in U.S.A.-3M-1167-GL",
und stützt ihre Argumente ausschließlich auf diese neu genannte Druckschrift.
Die Beschwerdeführerin beantragt hilfsweise eine mündliche Verhandlung.
V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) bemängelt, daß die neu genannte Druckschrift D4 keinen sachlichen Bezug zum bisherigen Vortrag der Beschwerdeführerin hat, daß die im bisherigen Einspruchsverfahren entgegengehaltenen drei Druckschriften im Beschwerdeschriftsatz und in der Beschwerdebegründung nicht einmal erwähnt werden, und daß der Einspruch plötzlich auf eine völlig neue Basis gestellt wird.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Druckschrift D4 als verspätetes Vorbringen nach Artikel 114 (2) EPÜ nicht zuzulassen. Sie betrachtet die Druckschrift als sachlich nicht sehr relevant, bestritt deren öffentliche Zugänglichkeit und ist der Ansicht, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der Druckschrift neu und erfinderisch sei.
Auch die Beschwerdegegnerin beantragt hilfsweise eine mündliche Verhandlung.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
1.1. Die nach Artikel 108 EPÜ erforderlichen Fristen wurden eingehalten.
1.2. Für eine ausreichende Begründung im Sinne von Artikel 108 EPÜ ist es nicht notwendig, daß sich die Beschwerdebegründung mit den Argumenten der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt, sondern es ist nur erforderlich, daß die Beschwerdebegründung rechtliche und faktische Gründe angibt, die unter dieselben Einspruchsgründe fallen, mit denen sich die Entscheidung befaßt, und aus denen sich die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll (vgl. T 611/90, ABl. EPA 1993, 50), d. h. die Beschwerdebegründung muß die Entscheidung anfechten und nicht unbedingt die Argumente, die zur Entscheidung führten.
Im vorliegenden Fall geht die Beschwerdeführerin von der neu genannten Druckschrift D4 aus, um mangelnde erfinderische Tätigkeit nach Artikel 56 EPÜ geltend zu machen. Die Beschwerdeführerin versucht damit indirekt, dem in der Entscheidung der Einspruchsabteilung angegebenen Einwand, die drei früher genannten Druckschriften gingen am Wesen der Erfindung vorbei, durch ihre Argumente auf der Basis eines relevanteren Standes der Technik entgegenzutreten.
1.3. Die von der Beschwerdeführerin erst während des Beschwerdeverfahrens genannte Druckschrift D4 ist zwar spät vorgebracht. Wegen ihrer offensichtlichen Relevanz ist aber die Kammer der Auffassung, daß sie gemäß Artikel 114 (1) EPÜ von Amts wegen geprüft werden soll, um die Patentfähigkeit des Gegenstandes des angefochtenen Patents vollständig beurteilen zu können.
1.4. Deshalb entspricht die Beschwerde den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ. Die Beschwerde ist daher zulässig.
2. Die vorliegenden Entscheidungsgründe der Vorinstanz sind in dieser Beschwerde nicht angegriffen worden und müssen also nicht durch die Kammer und auch nicht mehr durch die Einspruchsabteilung geprüft werden. Die Beschwerdeführerin hat aber durch die Einführung der neuen Druckschrift D4 in das Verfahren grundlegend neue Argumente im Hinblick auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ eingeführt, die die Aufrechterhaltung des Patentes in vorliegender Form in Frage stellen können und die von der Vorinstanz noch nicht geprüft worden sind. Die Kammer hält es daher für erforderlich, die Sache an die Vorinstanz unter Anwendung des Artikels 111 (1) EPÜ zurückzuverweisen (vgl. die obengenannte T 611/90).
3. Bei den gegebenen Umständen besteht keine Notwendigkeit, die hilfsweise beantragte mündliche Verhandlung anzuberaumen (vgl. T 315/92, Abschnitt 5).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.