T 0980/09 (Teilchenförmiger Klarspüler/HENKEL) of 22.2.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T098009.20110222
Datum der Entscheidung: 22 Februar 2011
Aktenzeichen: T 0980/09
Anmeldenummer: 00125168.5
IPC-Klasse: C11D 17/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Teilchenförmiger Klarspüler und maschinelle Geschirrspülmittel
Name des Anmelders: Henkel AG & Co. KGaA
Name des Einsprechenden: Reckitt Benckiser (UK) Limited
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 108
European Patent Convention Art 111(1)
European Patent Convention R 99(2)
Schlagwörter: Zulässigkeit der Beschwerde (ja)
Aufnahme eines neuen Dokuments in das Beschwerdeverfahren (ja)
Zurückverweisung an die erste Instanz (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
J 0020/86
T 0147/95
T 0389/95
T 1063/98
T 1029/05
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung das europäische Patent 1 103 599 in geänderter Form aufrecht zu erhalten.

II. Im Einspruchsverfahren wurde von der Einsprechenden inter alia der Mangel an Neuheit und erfinderischer Tätigkeit des Streitpatents beanstandet. In diesem Zusammenhang wurden die folgenden Dokumente zitiert:

D1 = EP-A-0 423 487

D2 = WO-A-97/05226

D3 = WO-A-99/27067

D4 = WO-A-99/37746

III. In ihrer Entscheidung gelangte die Einspruchabteilung zu der Auffassung, dass der während der mündlichen Verhandlung modifizierte und neu eingereichte erste Hilfsantrag die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.

IV. Der aufrecht erhaltene Anspruchssatz besteht aus insgesamt 19 Ansprüchen, wobei die unabhängigen Ansprüche wie folgt lauten:

"1. Teilchenförmiger Klarspüler für das maschinelle Geschirrspülen, enthaltend

a) 10 bis 95 Gew.-% eines oder mehrerer Aktivstoffe, wobei mindestens einer der Aktivstoffe ein Tensid ist und das Tensid in Mengen von 10 bis 95 Gew.-% vorliegt,

b) mindestens 5 Gew.-% eines oder mehrerer Trägermaterialien aus der Gruppe der Zeolithe, Bentonite, Silicate, Carbonate, Hydrogencarbonate, Sulfate, Phosphate, quervernetzten Polycarboxylaten, Polyvinylalkohole, den bei Raumtemperatur festen Polycarbonsäuren oder Stärke- oder Cellulosederivate und eines oder mehrerer Bindemittel aus der Gruppe Polyethylenglykole, Polyacrylate, Galaktomannan, Celluloseether, Mono-, Oligo- oder Polysaccharide und/oder Harze, sowie

c) 0 bis 10 Gew.-% weiterer Wirk- und Hilfsstoffe, dadurch gekennzeichnet, dass

- die Komponenten a, b und ggf. C derart verdichtet sind, dass die Aktivstoffe der Komponente a und ggf. die weiteren Inhaltsstoffe der Komponente c zu einem vorbestimmten Zeitpunkt oder während eines vorgegebenen Zeltraums im Reinigungsvorgang freigesetzt werden."

Anspruch 7 betrifft ein "Verfahren zur Herstellung teilchenförmiger Klarspüler, enthaltend", das durch die Merkmale a), b), c) und den kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 charakterisiert ist, wobei die Passage "oder Stärke- oder Cellulosederivate und eines oder mehrerer Bindemittel" durch den Text "oder natürliche oder halbsynthetische Polymere wie Stärke- oder Cellulosederivate und/oder Bindemittel" ersetzt und nach "0 bis 10 Gew.-% weiterer Wirk- und Hilfsstoffe" noch das Wort "enthält" eingefügt wurde.

"11. Teilchenförmiges maschinelles Geschirrspülmittel, enthaltend Gerüststoffe sowie optional weitere Inhaltsstoffe aus den Gruppen der Tenside, Enzyme, Bleichmittel, Bleichaktivatoren Korrosionsinhibitoren, Polymere, Farb- und Duftstoffe, dadurch gekennzeichnet, dass es einen teilchenförmigen Klarspüler nach einem der Ansprüche 1 bis 6 in Mengen von 0,5 bis 30 Gew.-%, vorzugsweise von 1 bis 25 Gew.-% und insbesondere von 2 bis 15 Gew.-%, jeweils bezogen auf gesamtes Mittel, enthält."

"17. Kit-of-parts, umfassend ein pulverförmiges maschinelles Geschirrspülmittel nach einem der Ansprüche 11 bis 16 und einen Siebeinsatz für Haushaltsgeschirrspülmaschinen."

V. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde von der Einsprechenden/Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt. Insbesondere wurde argumentiert, dass hinsichtlich des mit der Beschwerdebegründung erstmalig eingereichten Dokuments

D5 = US-A-5 133 892

die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands des Streitpatents nicht gegeben sei. Eine Diskussion der in der Entscheidung der Einspruchsabteilung genannten Gründe erfolgte nicht und die Beschwerdeführerin beschränkte sich in diesem Zusammenhang darauf anzugeben, dass sich keiner der abhängigen Ansprüche 2 bis 6 und 8 bis 19 ausreichend vom Stand der Technik, D1-D4 und das allgemeine Fachwissen inbegriffen, unterscheide. Weiterhin wurde auch angeführt, dass die Ansprüche 2 bis 6 und 8 bis 13 nur generelle und arbiträre Einschränkungen repräsentierten, ohne zur Lehre des Streitpatents beizutragen.

VI. Die Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin sah die Beschwerde als unzulässig an und argumentierte unter anderem, dass das Dokument D5 nicht in das Beschwerdeverfahren aufgenommen werden sollte. Geänderte Ansprüche wurden nicht eingereicht.

VII. Die Hauptargumente der Beschwerdegegnerin waren wie folgt:

Zulässigkeit der Beschwerde

- In ihrer Beschwerdebegründung geht die Beschwerdeführerin nicht auf die Entscheidungsgründe der Einspruchsabteilung ein, sondern diskutiert nur das neu eingereichte Dokument D5. Daher liegt keine gültige Beschwerdebegründung vor.

- Da D5 zu spät eingereicht wurde, darf die Entgegenhaltung nicht in das Beschwerdeverfahren aufgenommen werden. Mangels weiterer Argumente seitens der Beschwerdeführerin liegt auch aus diesem Grund keine Beschwerdebegründung vor.

- Daher ist die Beschwerde nicht zulässig.

Aufnahme von D5 in das Beschwerdeverfahren

- D5 wurde zu spät eingereicht; das Dokument hätte bereits während des Einspruchsverfahrens genannt werden sollen.

- Es liegt keine Rechtfertigung vor, warum D5 erst in diesem späten Stadium des Verfahrens eingereicht wurde.

- Daher darf D5 im Beschwerdeverfahren nicht in Betracht gezogen werden.

VIII. Die Hauptargumente der Beschwerdeführerin waren wie folgt:

Zulässigkeit der Beschwerde

- Die Beschwerdegründe betreffen die bereits im Einspruchsverfahren genannten Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit.

- Nach der gängigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA ist eine Beschwerde auch dann zulässig, wenn sie sich einzig und alleine auf neue, in der Beschwerdebegründung erstmals vorgebrachte Beweismittel stützt.

- Um diese Argumentation zu untermauern wurde die Rechtsprechung des EPA, 6. Auflage 2010, Kapitel VII E.7.6.2 c), insbesondere T 389/95 und T 1029/05, zitiert.

Aufnahme von D5 in das Beschwerdeverfahren

- D5 wurde von der Beschwerdeführerin in das Verfahren eingeführt, sobald sie davon Kenntnis hatte.

- Die erste Nennung von D5 erfolgte in der Beschwerdebegründung, also fristgerecht.

IX. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents 1 103 599.

Die Beschwerdegegnerin beantragt die Beschwerde zurückzuweisen oder die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

1.1 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass die Beschwerde hauptsächlich aus zwei Gründen nicht zulässig sei:

(a) Es sei in der Beschwerdebegründung nicht angegeben, warum die angefochtene Entscheidung aufzuheben sei. Da nur das im Beschwerdeverfahren erstmalig genannte Dokument D5 diskutiert werde, sei keine Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen gegeben; die Beschwerde diene somit nur der Verlängerung des Einspruchsverfahrens.

(b) Die Beschwerde sei auch schon alleine deshalb nicht zulässig, da das einzig inhaltlich diskutierte Dokument D5 verspätet vorgebracht wurde und deshalb nicht zuzulassen sei; deshalb sei keine Beschwerdebegründung vorhanden.

1.2 Die Beschwerdeführerin führte an, dass D5 mit der Beschwerdebegründung, also fristgerecht, eingereicht wurde und verwies auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts.

1.3 Die Kammer stellt fest, dass die Argumentation der Beschwerdeführerin, dass D5 zusammen mit der Beschwerdebegründung, also innerhalb der Frist von vier Monaten, gemäß Artikel 108 EPÜ, dritter Satz, eingereicht wurde, korrekt ist.

Weiters wurde im Einspruchsverfahren von der Einsprechenden mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit als Einspruchsgrund genannt; dieser Sachverhalt hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geändert. Es wurden somit im Beschwerdeverfahren keine neuen Einspruchsgründe genannt.

Die verbleibende Frage ist, ob die fast ausschließliche Bezugnahme auf D5 in der Beschwerdeschrift, ohne die von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung angeführten Argumente eingehend zu diskutieren, eine Begründung im Sinne von Artikel 108 und Regel 99(2) EPÜ darstellt.

1.4 Gemäß der gängigen Praxis der Beschwerdekammern ist eine Beschwerde nicht schon alleine deshalb unzulässig, weil sie sich auf in der Beschwerdebegründung erstmals vorgebrachte Beweismittel stützt (siehe die beiden von der Beschwerdeführerin genannten Entscheidungen T 389/95 und T 1029/05, sowie auch T 1063/98, Abschnitte 1.1 und 1.2 der Entscheidungsgründe, alle Entscheidungen nicht im Amtsblatt des EPA veröffentlicht).

Dies gilt auch dann, wenn eine Auseinandersetzung mit den Gründen der Entscheidung vollständig fehlt, sofern der neue Tatbestand der Entscheidung die rechtliche Grundlage entzieht (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 6. Auflage, 2010, Kapitel VII E.7.6.1, fünfter Absatz und J 20/86, erster Leitsatz und Absatz 1.4 der Entscheidungsgründe; Abl. EPA 9/1988, Seite 323, sowie T 147/95, Absatz 1.2 der Entscheidungsgründe, nicht im Abl. EPA veröffentlicht).

1.5 Im vorliegenden Fall wurde ein neues Dokument zitiert, mit welchem die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des Streitpatents in Frage gestellt wurde. Falls sich die Behauptungen der Beschwerdeführerin bestätigen, muss somit davon ausgegangen werden, dass der Entscheidung die rechtliche Grundlage entzogen worden ist.

1.6 Zudem ist es zwar richtig, dass die Beschwerdeführerin nicht ausführlich auf die Argumente der Einspruchsabteilung eingegangen ist und statt dessen die Neuheit und erfinderische Tätigkeit gegenüber D5 diskutiert hat; die Prüfung der Zulässigkeit der Beschwerde gemäß Artikel 108 und Regel 99(2) EPÜ hängt aber nicht davon ab, ob D5 im Beschwerdeverfahren zugelassen wird (siehe oben, Absatz 1.4).

1.7 Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Beschwerdeschrift innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung der Einspruchsabteilung detailliert angegeben, dass das Streitpatent aufgrund mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit zu widerrufen sei und dies aufgrund des Beweismittels D5 geschehen solle.

1.8 Weiters hat die Beschwerdeführerin auch in ihrer Begründung erwähnt, dass sie sich auch auf die Dokumente D1 bis D4 beruft, um die Patentierbarkeit der Ansprüche 2 bis 6 und 8 bis 19 zu beanstanden. Insofern kommt die Kammer nicht zu der Auffassung, dass keine Begründung der Beschwerde vorliegt. Jedoch bleibt auch in diesem Fall zu überprüfen, ob die Beschwerde ausreichend und überzeugend begründet wurde, was zu ihrer Zurückweisung führen könnte, aber ihre Zulässigkeit nicht berührt.

1.9 Daher erachtet die Kammer die Erfordernisse des Artikels 108 und der Regel 99(2) EPÜ als erfüllt und die Beschwerde als zulässig.

2. Aufnahme von D5 in das Beschwerdeverfahren

2.1 Die Beschwerdegegnerin beantragte D5, da verspätet eingereicht, nicht im Verfahren vor der Kammer zuzulassen.

2.2 Das Dokument wurde dem Beschwerdeschriftsatz beigefügt und somit fristgerecht im Hinblick auf Artikel 108 EPÜ und Artikel 12(1) VOBK eingereicht.

2.3 Da die Offenbarung von D5 hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit, falls zutreffend, auch für die im Einspruchsverfahren eingereichten Anspruchssätze mit breiterem Schutzbereich potentiell relevant wäre, muss geklärt werden, warum D5 nicht bereits im Einspruchsverfahren genannt wurde und ob in der Folge möglicherweise ein Verfahrensmissbrauch vorliegt.

2.4 Nach den Angaben der Beschwerdeführerin lag D5 im Einspruchsverfahren nicht vor und wurde erst zu einem späteren Zeitpunkt entdeckt. Die Beschwerdeführerin führte weiter aus, dass D5 bereits kurze Zeit nach der Auffindung in das (Beschwerde-) Verfahren und somit auch zur Unterstützung der Beschwerdebegründung eingeführt wurde. Seitens der Beschwerdegegnerin wurden dazu keine weiteren Angaben gemacht.

2.5 Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass D5 erst zu einem relativ späten Zeitpunkt in das Verfahren eingeführt wurde. Allerdings wurde der im Beschwerdeverfahren vorliegende Anspruchssatz in der vorliegenden Fassung erst in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung formuliert. Dies bedeutet, dass die Beschwerdeführerin erstmalig mit dem Beschwerdeschriftsatz die Möglichkeit hatte, auf den vorliegenden Anspruchssatz zu reagieren. Deshalb ist es durchaus plausibel, dass erst eine erneute Recherche als Reaktion auf die Argumentation in der Entscheidungsbegründung der Einspruchsabteilung zum Auffinden von D5 führte.

2.6 Seitens der Beschwerdegegnerin wurde kein Beweis vorgelegt, dass dieser Sachverhalt nicht zutrifft, dass D5 der Beschwerdeführerin bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hatte oder die Einreichung von D5 missbräuchlich erfolgte.

2.7 Somit wird D5 im Beschwerdeverfahren zugelassen.

3. Zurückverweisung an die erste Instanz

3.1 Die Beschwerdegegnerin beantragte das Verfahren an die erste Instanz zurückzuverweisen; die Beschwerdeführerin war mit diesem Antrag einverstanden.

3.2 Um den Parteien nicht die Möglichkeit einer Entscheidung zweier Instanzen über die Patentierbarkeit der Erfindung zu nehmen, übt die Kammer ihr Ermessen nach Artikel 111(1) EPÜ aus und verweist den Fall an die erste Instanz zur Fortsetzung der Verfahrens.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur Weiterbehandlung zurückverwiesen.

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