European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1995:T107093.19951107 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 07 November 1995 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1070/93 | ||||||||
Anmeldenummer: | 87118483.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61K 7/11 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Haarfestlegemittel | ||||||||
Name des Anmelders: | Henkel Kommanditgesellschaft auf Aktien | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Goldwell AG | ||||||||
Kammer: | 3.3.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (ja, nach Änderung) Ex-post-facto-Betrachtungsweise unzulässig |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung 87 118 483.4 wurde das europäische Patent Nr. 0 274 086 auf der Grundlage von sieben Ansprüchen erteilt.
II. Gegen die Patenterteilung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Einspruch ein und bezog sich u. a. auf folgende Dokumente:
(1) K. Schrader, "Grundlagen und Rezepturen der Kosmetika", Dr. Alfred Hüthig Verlag Heidelberg (1979), Seiten 56, 88, 137, 157/158 und 480 bis 485, und
(2) Dr. H.P. Fiedler, "Lexikon der Hilfsstoffe für Pharmazie, Kosmetik und angrenzende Gebiete", Editio Cantor Aulendorf, zweite Auflage 1981, Seiten 123/124 und 783.
III. Mit der Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 26. Oktober 1993, zur Post gegangen am 15. November 1993, wurde der Einspruch gemäß Artikel 102 (2) EPÜ zurückgewiesen.
IV. In der Entscheidung wird ausgeführt, das im Streitpatent beanspruchte Haarfestlegemittel sei gegenüber dem genannten Stand der Technik nicht nur neu, sondern basiere auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Da Dokument (1) weder einen Hinweis enthalte, innerhalb welchen Prozentbereiches und bis zu welchem Grade die carboxylgruppenhaltigen Polymeren des Haarfestlegemittels neutralisiert werden sollen, noch gelehrt werde, mindestens 10 % des Polymeren durch Ammoniak zu neutralisieren, könne im Hinblick auf die erzielte Verbesserung der Filmbildungseigenschaften dem Gegenstand des Streitpatentes auch die notwendige erfinderische Tätigkeit zugesprochen werden.
V. Gegen diese Entscheidung richtet sich die von der Beschwerdeführerin eingelegte und begründete Beschwerde. Am 7. November 1995 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in deren Verlauf die Beschwerdegegnerin einen geänderten Satz von sieben Patentansprüchen vorgelegt hat, dessen Anspruch 1 wie folgt lautet:
"Haarfestlegemittel in Form von wäßrigen oder wäßrig- alkoholischen Zubereitungen mit einem Gehalt an durch Neutralisation gelösten, carboxylgruppenhaltigen Polymeren, wobei der Gehalt an niederen Alkoholen maximal 15. Gew.% beträgt, dadurch gekennzeichnet, daß 50 bis 90. Mol% der Carboxylgruppen des Polymeren mit Alkanolaminen mit 2 bis 10 C-Atomen und 10 bis 50 Mol% mit Ammoniak neutralisiert sind, und die Mittel weiterhin ein wasserlösliches kationisches Polymer enthalten."
VI. Im schriftlichen Verfahren und während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin eingeräumt, daß dem Gegenstand des geltenden Anspruches 1 die Neuheit zuerkannt werden könne. Sie hat jedoch eingewendet, die Mitverwendung eines wasserlöslichen kationischen Polymeren in dem aus Druckschrift (1) bekannten Haarfestlegemittel beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit, denn weder gehe aus den hierzu vorgelegten Vergleichsversuchen, deren Ergebnissen als Mittelwerte aus lediglich zwei Messungen die statistische Signifikanz fehle, überhaupt eine Verbesserung gegenüber dem Stand der Technik hervor, noch sei es im Hinblick auf die Lehren der Dokumente (1) und
(5) US-A-4 240 450
für den Fachmann überraschend, daß das mitverwendete kationische Polymere die Curl-Retention verbessere.
Dokument (2) beschreibe, daß durch den Zusatz geringer Mengen von Ammoniak nach der Neutralisation des in Druckschrift (1) genannten Harzes mit Alkanolamin auftretende Trübungen beseitigt werden können, was eindeutig als Bestätigung zu sehen sei, daß gemäß (1) eine Nachneutralisation mit Ammoniak im Sinne des Streitpatentes vorgenommen werde.
VII. Die Beschwerdegegnerin hat dem widersprochen und im wesentlichen ausgeführt, daß der genannte Stand der Technik keinesfalls die Haarfestlegemittel gemäß Anspruch 1 nahelege. Dokument (5) vermittele allenfalls eine Lehre, wie bei sogenannten Ausspülprodukten eine bessere Haftung des anionischen Polymeren am Haar zu erzielen sei; diese Lehre sei aber für Haarfestiger nicht relevant, da diese nicht ausgespült würden. Durch die vorgelegten Vergleichsversuche werde jedoch bewiesen, daß, ausgehend von Dokument (1) als nächstkommendem Stand der Technik, der bereits eine Mischneutralisation des carboxylgruppenhaltigen Polymeren mit Ammoniak und einem Alkanolamin beinhalte, durch die patentgemäße Zusammensetzung in überraschender Weise die Curl- Retentionswerte bei unverändert guter Klebrigkeit zu verbessern seien. Aus den Vergleichsversuchen lasse sich ableiten, daß die Unterdrückung des eigentlich zu erwartenden Anstieges der Klebrigkeit bei niedrigem Alkoholgehalt in der patentgemäßen Zusammensetzung auf die beanspruchte Teilneutralisation mit einem Alkanolamin und die Restneutralisation mit Ammoniak zurückzuführen sei. Aus keiner der genannten Entgegenhaltungen gehe eine Anregung für den Fachmann hervor, den unerwünschten Anstieg der Klebrigkeit auf diese Weise zu vermeiden.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 274 086.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 - 7 und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Der geltende, gegenüber der erteilten Fassung geänderte Anspruchssatz erfüllt die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ. Anspruch 1 stützt sich auf die erteilten Ansprüche 1 und 5, die den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 und 5 entsprechen, in Verbindung mit Seite 2, Zeilen 34 bis 37, der Patentschrift bzw. Seite 2, letzter Absatz, der ursprünglich eingereichten Unterlagen. Die Ansprüche 2 bis 4 sowie 6 und 7 sind gegenüber der erteilten und ursprünglich eingereichten Fassung unverändert. Anspruch 5 stützt sich auf Anspruch 5 gemäß Streitpatent bzw. ursprünglich eingereichten Unterlagen und ist lediglich an den Wortlaut des geänderten Anspruchs 1 bezüglich des wasserlöslichen kationischen Polymeren angepaßt. Die Aufnahme der genannten Merkmale in Anspruch 1 schränkt den Schutzbereich gegenüber der erteilten Fassung des Streitpatentes ein.
3. Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 in der vorliegenden Fassung neu ist. Da dies von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt wurde, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.
4. Der Gegenstand des Streitpatentes betrifft ein Haarfestlegemittel.
4.1. Von der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin wurde Dokument (1), insbesondere die auf Seite 485 als "Haarfestiger (Delft-National) für weiches Haar" bezeichnete Formulierung eines Haarfestlegemittels, als nächstkommender Stand der Technik angesehen. Die Kammer sieht im Hinblick auf den sachlichen Vortrag der Parteien keinen Grund, einen anderen Stand der Technik als Ausgangspunkt für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit heranzuziehen.
4.1.1. Besagte Formulierung enthält (in Gew.-%):
Resyn 28-2930 2,000 %
Aminomethylpropandiol 0,120 %
Ammoniumhydroxid 28%ig 0,072 %
Silkonöl SF 1066 0,200 %
Wasser entsalzt 97,608 %.
Resyn 28-2930 ist ein carboxlgruppenhaltiges Polymer im Sinne des Streitpatents (siehe Druckschrift (2), Seite 783).
4.1.2. Neben diesem Formulierungsbeispiel für einen Haarfestiger finden sich auf Seite 485 weitere konkrete Angaben zu Formulierungen, die jeweils durch die Anwendung für bestimmte Haareigenschaften als "normal", "für normales Haar", "bei hoher Luftfeuchtigkeit", "für poröses, geschädigtes Haar", "für weiches Haar mit starker Festigung" sowie als "Kurhaarfestiger" gekennzeichnet sind.
4.1.3. Die voranstehend erwähnten Formulierungsbeispiele finden sich am Ende eines allgemeine Ausführungen zu den entsprechenden Komponenten enthaltenden Unterabschnittes, tituliert "Filmbildner u. a. Rohstoffe", der sich wiederum dem Abschnitt Haarfrisierhilfsmittel sowie dem Hauptkapitel Haarkosmetika unterordnet.
Auf Seite 480 zeigt eine allgemeine Studie zur Abhängigkeit der Formbeständigkeit (kalkuliert aus Längenänderungsdaten von mit Festlegemitteln versehenen und aufgewickelten Haarsträhnen) vom Neutralisationsgrad eines carboxylierten Polyvinylpyrrolidon-Vinylacetat- Copolymeren, daß sich mit zunehmender Neutralisation der Carboxylgruppen die Feuchtigkeitsformbeständigkeit des gebildeten Filmes verringert. Ergänzend wird ausgeführt, daß durch Einsatz wasserlöslicher und wasserunlöslicher Copolymere die Feuchtigkeitsbeständigkeit verbessert werden kann. Im Zusammenhang mit den Filmbildungseigenschaften wird u. a. mit Bezug auf carboxyliertes PVP/VA vermerkt, daß bei höherer Luftfeuchtigkeit eine weiche und klebrige Konsistenz des gebildeten Films zu erwarten ist. Zur Überführung der carboxylierten PVP/VA-Copolymeren in eine wasserlösliche Form wird eine teilweise Neutralisation mit Alkali vorgeschlagen, was zu gut glänzenden und feuchtigkeitsbeständigen Filmen führen soll (Seite 480, letzter Absatz; Seite 481 Mitte, Absatz beginnend "Carboxyliert"). Ferner wird auf Alkylmonoester eines Poly(methylvinylether/maleinsäure)-Komplexes, sogenannte Gantrezharze, verwiesen, deren Wasserlöslichkeit durch Neutralisation der freien Säuregruppen im Monoesterharz mittels Alkalien und Aminen steuerbar sein soll. Es wird ausgeführt, daß mit steigender Neutralisation dieser Harze und durch Auswahl des Neutralisationsmittels pH- Wert, Viskosität, Wasserverträglichkeit, Löslichkeit, Härte, Klebrigkeit und Redispergierbarkeit des Filmes in Wasser beeinflußt werden können (Seite 482, zweiter Absatz). Neben weiteren Handelspräparaten, die als filmbildende Festlegemittel geeignet sein sollen, wie die der Luviskolreihe (PVP/VA) und Resyn 28-2930, letzteres in Ethanol und Isopropanol löslich (Seite 481, letzter Absatz), wird u. a. die Einsatzmöglichkeit von kationaktiven Polymeren, z. B. vom Gafquat-Typ, erörtert. Diese sollen hervorragende Substantivität zum Haar und zur Haut, bei guter Festigkeit, Geschmeidigkeit und Luftfeuchtigkeitsbeständigkeit zeigen, aber aufgrund ihrer Substantivität, wenn auch in geringem Maße, den Nebeneffekt eines Aufziehens unter starker Beschwerung des Haares aufweisen, was als nachteilig angesehen wird. Es wird die Möglichkeit angedeutet, durch Verschneiden verschiedener Filmbildner die günstigste Kombination aller geforderten Eigenschaften zu erreichen (Seite 482, Absatz "Gafquatpolymere" in Verbindung mit Seite 481 Absatz beginnend "In jüngster Zeit"). Ferner soll durch Neutralisation der Carboxylgruppen enthaltenden Filmbildner mit organischen Basen der zu bildende Film elastisch gehalten werden können (Seite 482, letzte beiden Zeilen). Desgleichen sollen kationaktive Verbindungen glättende Wirkung zeigen und das nasse Haar gut kämmbar machen (Seite 483, Absatz beginnend "Stark gekraustes"). Als allgemeiner Hinweis zur Rezeptur von Haarfestigern wird hervorgehoben, daß jeder Haartyp einen besonders zusammengesetzten Festiger benötigt und es einen bei jedem Haartyp und in jeder Hinsicht optimalen Haarfestiger demnach nicht geben kann (Seite 483, vorletzter Absatz).
4.2. Gegenüber diesem Stand der Technik sieht die Kammer die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe darin, ein Haarfestlegemittel in Form von wäßrigen oder wäßrig alkoholischen Zubereitungen mit geringem Alkoholgehalt bereitzustellen, das bei gleichbleibend guter Klebrigkeit eine Verbesserung der Curl-Retention zeigt.
Diese Aufgabe soll gemäß geltendem Anspruch 1 prinzipiell dadurch gelöst werden, daß man in einem Haarfestlegemittel, das neben carboxylgruppenhaltigen Polymeren maximal 15 Gew.-% niedere Alkohole und obligatorisch ein wasserlösliches kationisches Polymer enthält, jeweils definierte Molanteile der eingesetzten carboxylgruppenhaltigen Polymere mit Alkanolaminen definierter Kettenlänge und mit Ammoniak neutralisiert.
Mit Bezug auf die Beispiele für Haarfestiger- Zusammensetzungen im Streitpatent und die aus dem "Technischen Versuchsbericht", eingereicht mit Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 7. Oktober 1994, hervorgehende vergleichende Zusammenfassung der Meßergebnisse der Curl- Retention nach jeweils fünf Stunden und der Klebrigkeit einer Zusammensetzung gemäß Streitpatent "M4" gegenüber vier für den Stand der Technik repräsentativen Zusammensetzungen "M1", "M2, "M3", und "M5" ist die Kammer überzeugt, daß die bestehende Aufgabe auch tatsächlich gelöst wurde.
Die Meßergebnisse "M1" und "M3" zeigen, daß bei einem Isopropanolgehalt von 15 Gew.-% unabhängig vom Zusatz des wasserlöslichen kationischen Polymeren Gafquat 755 die Klebrigkeit bei traditioneller Neutralisation mit Werten von 5 bzw. 3 - 4 (1 = nicht klebrig; 5 = sehr klebrig) unerwünscht groß ist, wohingegen die Versuche "M2" und "M4" zeigen, daß bei erfindungsgemäßer Neutralisation die Klebrigkeit mit einem Wert von 2 unabhängig vom Zusatz des besagten kationischen Polymeren unverändert gut bleibt, daß also das Klebrigkeitsverhalten eindeutig mit der erfindungsgemäßen Neutralisation korreliert ist. Darüber hinaus weist die patentgemäß neutralisierte und zusammengesetzte Probe "M4" nach fünf Stunden mit einem prozentualen Curl-Retentionswert von 80,4 gegenüber M1=60,0; M2=44,2 und M3=63,4 die beste Curl-Retention auf. Die Formulierung M5, die lediglich das kationische Gafquat mit Alkohol und Wasser enthält, zeigt nach fünf Stunden mit einer prozentualen Curl-Retention von 71,8 zwar einen relativ guten Wert, jedoch in Verbindung mit einem nicht akzeptablen Klebrigkeitswert von 5.
4.3. Die Beschwerdeführerin hat nicht bestritten, daß die für die Versuche M1 bis M3 und M5 verwendeten Zusammensetzungen als repräsentativ für den bekannten Stand der Technik angesehen werden können. Sie hat jedoch die Signifikanz der aufgeführten Curl-Retentionswerte als Mittelwerte aus jeweils zwei Messungen in Frage gestellt und behauptet, daß erst Mittelwerte aus jeweils fünf Messungen die Annahme einer signifikanten Verbesserung rechtfertigen würden.
In Abwesenheit konkreter Beweise, die im Ergebnis die aufgezeigte Verbesserung der Curl-Retention bei gleichbleibend guter Klebrigkeit des Mittels gemäß Streitpatent gegenüber dem nächstkommenden Stand der Technik hätte in Frage stellen können, besteht jedoch für die Kammer kein Anlaß, die Lösung der voranstehend definierten Aufgabe aufgrund des Versuchsberichts vom 7. Oktober 1994 nicht für glaubhaft zu halten, nur weil Mängel vermutet wurden. Es wäre nämlich Sache der Einsprechenden gewesen, die sich auf die mangelnde Signifikanz der mitgeteilten Meßwerte beruft, geeignete Tatsachen und Beweismittel vorzubringen, die das geltend gemachte mögliche Fehlen einer Verbesserung belegen (vgl. T 0219/83, ABl. EPA 7/1968, Seiten 211 bis 226, insbesondere Punkt 12 der Entscheidungsgründe).
5. Zu untersuchen verbleibt somit, ob die beanspruchte Lösung gegenüber dem genannten Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
5.1. Dokument (1) offenbart die Möglichkeit, zur Neutralisation freier Carboxylgruppen der Polymerkomponenten in einem alkoholfreien Haarfestiger einer genau definierten Komponentenzusammensetzung (vgl. nochmals voranstehend Punkt 4.1.1) ein Gemisch aus Aminomethylpropandiol und Ammoniumhydroxid-Lösung einzusetzen. Dieses Dokument beschreibt ferner Vor- und Nachteile des Einsatzes von wasserlöslichen kationischen Polymeren in Haarfestigern.
Aus dieser allgemeinen Lehre folgt jedoch nicht, daß der Fachmann ein solches kationisches Polymeres gezielt einer in etwa der im voranstehenden Punkt 4.1.1 genannten Haarpflegemittel-Formulierung entsprechenden Zusammensetzung zugesetzt hätte, um auf diese Weise einen Haarfestiger mit den gemäß Streitpatent angestrebten und realisierten Eigenschaften zu erzielen. Selbst wenn man im Sinne der Beschwerdeführerin davon ausgehen wollte, daß dem Fachmann gemäß den voranstehend unter 4.1 dargelegten Ausführungen in Druckschrift (1) die Abhängigkeit verschiedener Eigenschaften, wie z. B. der Feuchtigkeitsbeständigkeit und der Klebrigkeit des gebildeten Filmes vom Neutralisationsgrad und die Abhängigkeit der letzteren Eigenschaft auch vom Neutralisationsmittel geläufig waren, so folgt daraus nicht, daß außer der zweifelsohne vorhersehbaren Neutralisationswirkung von Ammoniak in Verbindung mit den aufgeführten mittelbaren auf den Neutralisationsgrad zurückzuführenden Effekten noch ein Zusammenhang zwischen dem speziellen Einsatz von Ammoniak (Ammoniumhydroxidlösung) in Kombination mit Alkanolaminen und der nachgewiesenen vorteilhaften Verknüpfung mit der Klebrigkeit besteht, also im Hinblick auf die bestehende Aufgabe eine Verbesserung des Curl-Retentionsverhaltens bei gleichzeitig geringer Klebrigkeit beim Zusatz eines kationischen Polymeren zu der in Punkt 4.1.1 genannten Formulierung zu erwarten gewesen wäre. Daß eine solche Lehre der Druckschrift (1) nicht zu entnehmen war, geht auch daraus hervor, daß das Handbuch (1) eine Vielzahl von weiteren konkreten Rezepturen für Haarfestiger offenbart, darunter solche mit und ohne Alkohol bzw. kationaktivem Polymer, ohne daß dabei eine den Zusammensetzungen des Streitpatents ähnlichere Formulierung in Betracht gezogen worden wäre als die unter Punkt 4.1.1 genannte. Diese Rezepturen mit spezieller Verwendungsangabe bestätigen nach Überzeugung der Kammer den zuvor bereits erwähnten allgemeinen Hinweis in Dokument (1), daß beim Rezeptieren von Haarfestigern zu berücksichtigen ist, daß jeder Haartyp einen besonders zusammengesetzten Festiger benötigt. Die Kammer vermag bei diesem Sachverhalt nicht zu erkennen, inwiefern der Fachmann die in Dokument (1) aufgeführten konkreten Rezepturen in einem anderen als dem geschilderten Lichte sehen könnte und demzufolge überhaupt Komponenten unterschiedlicher Formulierungen, die zur Lösung jeweils unterschiedlicher Haartypprobleme vorgesehen sind, ohne weitere Anregung, also ziellos, "mischen" würde, um auch nur zu weiteren brauchbaren, geschweige denn zu verbesserten Zusammensetzungen zu gelangen. Aus diesem Grunde sieht die Kammer in dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, der Fachmann hätte zwangsläufig die voranstehend unter 4.1.1 aufgeführte spezielle Haarfestiger-Zusammensetzung aus den vielen anderen Rezepturen herausgegriffen und mit einem kationischen Polymeren mit dem Ziel kombiniert, einen Haarfestiger zu erhalten, dessen verbesserte Curl- Retention nicht mit einer erhöhten Klebrigkeit erkauft wäre, das Ergebnis einer auf der Kenntnis der Erfindung beruhenden und deshalb für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit nicht relevanten ex post facto- Analyse des Offenbarungsgehalts der Druckschrift (1). Wie dargelegt, ist nämlich auch in Verbindung mit den allgemeinen textlichen Ausführungen zu den Komponenten in Dokument (1) nicht erkennbar, zu welchem Zweck besagte Formulierung eine Mischneutralisation aufweist. Dem von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vorgetragenen Argument, daß auch die voranstehend unter 4.1.1. aufgeführte Zusammensetzung aus Dokument (1) als nächstkommender Stand der Technik bereits inhärent die Eigenschaft geringer Klebrigkeit aufweise, so daß diese Eigenschaft als dem Fachmann implizit offenbart angesehen werden müsse, kann sich die Kammer nicht anschließen. Nach Auffassung der Kammer, die der gefestigten Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA entspricht (siehe Entscheidung G 2/88 (ABl. 1990, Seite 93 ff, insbesondere Punkt 10 der Entscheidungsgründe), können nämlich solche nur inhärent vorhandenen Eigenschaften (Wirkungen) nicht als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht gelten.
5.2. Beide Parteien vertraten in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend die Auffassung, Dokument (5) sei repräsentativ für das allgemeine Fachwissen. Dem stimmt die Kammer zu. Abgesehen davon, daß diese Druckschrift bereits im "Abstract" expressis verbis erwähnt, daß durch den gemeinsamen Einsatz eines kationischen Polymeren mit einem anionischen Polymeren die Anhaftung von letzterem am Haar selbst nach einem Auswaschvorgang ermöglicht wird, offenbart Dokument (5) nichts über die allgemeine Lehre von Dokument (1) Hinausgehendes. Auch mit Bezug auf die von der Beschwerdeführerin aus diesem inhaltlich sehr umfangreichen Stand der Technik, der insgesamt 102 Spalten und 217 Ausführungsbeispiele umfaßt, isoliert herausgegriffenen Zitate, vermag die Kammer nicht zu erkennen, was den Fachmann gezielt zur beanspruchten Lösung hätte führen können. Aus einer Verknüpfung der Angaben gemäß Spalte 51, Zeilen 39 bis 48 und Zeilen 62 bis 64 sowie Spalte 58, Zeilen 9 bis 19 könnte der Fachmann allenfalls entnehmen, daß neben einer Vielzahl anderer geeigneter Mischungen von Komponenten aus der Gruppe der Alkylamine und/oder Alkanolamine auch Mischungen von Alkanolaminen und Ammoniak zur Neutralisation von anionischen Polymeren wie Resyn 28- 2930 geeignet sind, die dann in wäßrigen oder wäßrig alkoholischen Lösungen eines Haarfestigers eingesetzt werden können. Es fehlt jedoch hier wie auch in Dokument (1) der geringste Hinweis, warum der Fachmann einer bestimmten Gruppe oder einer bestimmten Mischung von Neutralisationsmitteln den Vorzug geben sollte. Daß Ammoniak eine besondere Wirkung im Hinblick auf die hier angestrebte geringe Klebrigkeit entfalten könnte, ist aus dieser Druckschrift schon gar nicht abzuleiten. Weder die Lehre von Dokument (5) alleine noch in Kombination mit der von Dokument (1) regt daher den Fachmann dazu an, die bestehende Aufgabe auf die in Anspruch 1 angegebene Weise zu lösen. Aufgrund der voranstehenden Ausführungen kann die Kammer sich auch die Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zu eigen machen, der Fachmann hätte im Hinblick auf die allgemein gehaltenen Angaben in diesen Dokumenten gar keine andere Wahl gehabt, als einen Haarfestiger mit der in Anspruch 1 angegebenen Zusammensetzung zu konzipieren, wenn er sich mit der Lösung der allgemeineren Aufgabe befaßt hätte, einen weiteren brauchbaren Haarfestiger bereitzustellen, so daß ihm bei der Lösung dieser allgemeineren Aufgabe die Lösung der hier bestehenden speziellen Aufgabe sozusagen ohne weiteres Zutun in den Schoß gefallen wäre. Die allgemein gehaltenen Angaben in den umfangreichen Druckschriften (1) und (5) umfassen vielmehr eine praktisch unbegrenzte Vielfalt an Kombinationsmöglichkeiten der dort als denkbare Inhaltsstoffe von Haarfestlegemitteln genannten Komponenten, die der Fachmann alle bei der bloßen Suche nach weiteren brauchbaren Haarfestigern in Betracht zu ziehen hatte. Auch dieser Einwand der Beschwerdeführerin beruht daher ersichtlich auf einer unzulässigen ex-post- facto-Bewertung des Offenbarungsgehalts der genannten Druckschriften.
5.3. Das von der Beschwerdeführerin zuletzt nicht mehr herangezogene Dokument (2) beschreibt lexikalisch unter dem Stichpunkt Resyn 28-2930 im Hinblick auf die Einsatzmöglichkeit dieses u. a. als in Ethyl- oder Isopropylalkohol löslich dargestellten Polymeren in Haarfestigern, daß die vorhandenen Carboxylgruppen mit Aminohydroxyverbindungen, wie z. B. mit 2-Amino-2-methyl- 1,3-propandiol, neutralisiert werden können und daß bei 100%iger Neutralisation völlig wasserlösliche Derivate erhalten werden, wobei noch vorhandene leichte Trübungen durch einen geringen Zusatz an Ammoniumhydroxid beseitigbar sind. Konkrete Rezepturen für Haarfestigerformulierungen oder weitere Zweckangaben des Zusatzes von Ammoniak sind nicht aufgeführt, so daß der Fachmann auch diese Angaben nicht ohne unzulässige Rückschau in Kenntnis der Erfindung nutzen konnte, um im Lichte der bestehenden Aufgabe aus dem Stand der Technik bekannte Formulierungen zu modifizieren.
5.4. Der Gegenstand des Anspruches 1 in der geltenden Fassung beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ. Das gleiche gilt für die abhängigen Ansprüche 2 bis 7, die lediglich weitere Ausgestaltungen des Gegenstandes von Anspruch 1 betreffen. Die Beschreibung ist jedoch noch nicht in Einklang mit der geltenden Anspruchsfassung gebracht worden. Gemäß ihrer Befugnis nach Artikel 111 (1) EPÜ überläßt die Kammer die Entscheidung über die erforderlichen Anpassungen der Einspruchsabteilung.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die 1. Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das europäische Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 - 7 und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.